Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde
Herausgegeben
Hubert Ermiseh
Neunundzwanzigster Band
^/3£?
Dresden 1908
Wilhelm Baensch, Verlagshandlung.
'"HE GETTY CENTER
LißRARY
Inhalt.
Seite
I. Kurt von Raab. Gestorben am i. Januar 1908.
■ Vom Herausofeber i
^fc>"
II. Der Pleiisensprengel. Ein Beitrag zur kirchlichen
Geographie Sachsens. Von Lic. Dr. Leo Bönhoff in
Annaberg. (Nebst einer Karte) 10
III. Lutherana. Von G3'mnasialoberlehrer Dr. PaulVetter
in Leipzig.
1. Luthers Streit mit Herzog Heinrich von
Sachsen 82
2. Ein neues Ordinationsformular aus dem Jahre
1583 94
IV. Sächsische Musikantenartikel (1653). Von Dr. Ru-
dolf Wustmann in Bühlau 104
V. Studien zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges
tür Sachsen. Von Dr. Carl Göhler in Dresden . .118
VI. Kleinere Mitteilungen 150
I. Vlämisches Recht in der Umgebung von Leip-
zig. Von Pfarrer Lic. Dr. B O. Markgraf in Leipzig
S. 150. — 2. Zur Biographie des Stammvaters des
sächsischen Königshauses, Herzog Albrechts des
Beherzten, und seines Bruders, Kurfürsten Ernst
von Sachsen. Von Dr. Maximilian Buchner in
München. S. 155. — 3. Noch einmal das Jahr der
Erfindung des Meifsner Porzellans? Von Direkto-
rial-Assistent Dr. E. Zimmermann in Dresden S. 162
Literatur 165
Nachrichten 209
IV Inhalt.
Seite
VII. Der Pleilsensprengel. Von Lic. Dr. Leo Bönhoff in
Annaberg (Schlufs) 217
VIII. Der Tod des Bischofs Arn von Würzburg. Von
Pfarrer em. C. Klotzsch in Kötzschenbroda . . .273
IX. Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. Von Richard
Freiherrn von Mansberg in Dresden 282
X. Der Typus des Leipziger Stvidenten im 18. Jahr-
hundert. Von Redakteur Dr. W. Bruchmüller in
Leipzig 312
XI. Die Grabsteine mit dem Kreuze. Eine Studie und
Entgegnung. Von Archivrat Dr. Berthold Schmidt
in Schleiz 342
Literatur 352
Nachrichten -391
Register 400
Besprochene Schriften.
Arbeiten, Die histor.-geogr., im Königreich Sachsen (Ermisch) 168
Barth, Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche (Enrüsch) 364
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte Heft 21 (G.Müller) 178
Bildnisse hervorragender Dresdner, i. Reihe (Ermisch) . . . 362
Giemen, Alexius Ghrosner (Vetter) 352
Doehler, Geschichte des Dorfes Leuba (Ermisch) 184
Doenges, Meifsner Porzellan (H. A. Lier) 375
Erfurth, Bilder aus der Kulturgeschichte unserer Heimat
(Heydenreich) 165
Ernst, Briefwechsel Herzog Christophs von Württemberg III. IV.
(Wolf) . 169
Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation. Bd. i
Heft 2 und 10 (Gefs) 365
Führer durch die Stadt Annaberg (Ermisch) 369
Gurlitt, Dresden (Ermich) 363
Gutbier, Beiträge i-ur Häuserchronik von Langensalza (Ermisch) 372
HallendorfF, Handlinger ang. kon. August den starkes utrikes
politik (Haake) ' 357
Heldmann, Mittelalter!. Volksspiele (Mogk) 374
Kietz, Richard Wagner (Emiisch j . 365
Korn, Kriegsbaumeister Graf Rochus zu Linar (Lippert) . . . 173
Kroker, 250 Jahre einer Leipziger Buchdruckerei und Buch-
handlung (Ermisch) 368
Mathesius, Joh., Ausgewählte Werke III. IV (G. Müller) . . 172
Meiche, Die Anfänge der Kunstblumenindustrie (Ermisch) . . 370
Moltke, Leipzigs Handelskorporationen (Tille) 183
Inhalt. V
Seite
Moeschier, Gutsherrlich-bäuerliche Verhältnisse in der Ober-
lausitz (Meiche) 361
Neujahrsblätter der Bibliothek und des Archivs der Stadt
Leipzig III. IV (Ermisch) 366
Pallas, Die Re^straturen der Kirchenvisitationenim ehemals Sachs.
Kurkreis I (Gefs) 354
Philipp, August der Starke und die Pragmatische Sanktion
(Haake) 35^
V. Raab, Schlofs und Amt Vogtsberg (Oppermann) .... 179
Ratschronik, Zerbster, herausg. u. übersetzt von H. Wäschke
(Ermisch) 37^
Rauda, Die mittelalterliche Baukunst Bautzens (Mackowsky) 182
Sauze}', Les Saxons dans nos rangs (Hottenroth) . . . . . 360
Schlauch, Die kirchlichen Verhältnisse zu Dohna (Ermisch) . . 370
Schluttig, Chronik der Gemeinde Thalheim (Ermisch) ... 371
Schmidt"^ Friedr., Geschichte der Stadt Sangerhausen (Ermisch) 371
Schmidt, Osw., Die St. Annenkirche zu Annaberg (Ermisch) 368
Schmidt, Otto Eduard, Kursächs. Streifzüge Bd. IIL (Beschomer) 166
Schmidt, Otto Eduard, Fouque, Apel, Miltitz (H. A. Lier) . . . 175
Schmidt, Wilhelm, Die Kirchen- und Schul Visitationen im sächs.
Kurkreise (Gefs) 354
Seeliger, Geschichte der Heimat (Ermisch) 370
Sigismund, Ferdinand von Raj'ski (Haenel) . . 177
Weinhold, Chemnitz und Umgebung (EiTnisch) 370
Weyhe, Landeskunde des Herzogtums Anhalt (Beschomer) . 373
I.
Kurt von Raab.
Gestorben am i. Januar 1908.
Von
Hubert Ermisch.
Am Neujahrstage starb zu Dresden der General der In-
fanterie ä la suite des i. Königl. Sächsischen (Leib-) Grenadier-
regiments Nr. 100 Dr. phil. h. c. Kurt von Raab. Sein Tod
hat in die Reihe der sächsischen Historiker eine schmerzHche,
kaum auszufüllende Lücke gerissen. Wie der vor fünf Jahren uns
entrissene Hermann Knothe auf dem Gebiete der oberlausitzer
Geschichte, so war Kurt von Raab auf dem Gebiete der Ge-
schichte des sächsischen Vogtlandes unstreitig der beste Kenner
und der gewissenhafteste Forscher; seine Arbeiten werden eine
grundlegende, dauernde Bedeutung behalten. Es erscheint
uns somit nicht allein als eine Pflicht der Dankbarkeit dem
langjährigen Vorsitzenden des Königl. Sächsischen Altertums-
vereins gegenüber, wenn wir dem hochverdienten Manne an
dieser Stelle ein Wort der Erinnerung widmen, sondern wir
haben dabei in erster Linie die Absicht, die Stellung des
Entschlafenen in der Geschichte der sächsischen Historio-
graphie zu kennzeichnen. Daneben sind diese Zeilen ihrem
Verfasser, den der Entschlafene mehr als drei Jahrzehnte
hindurch mit seiner Freundschaft ehrte, ein Herzensbedürfnis.
Kurt von Raab stammte aus einem der ältesten Ge-
schlechter des vogtländischen Uradels, das sich bis ins
13. Jahrhundert zurück verfolgen läfst; schon 1298 erscheint
ein Johannes Rabe auf Mechelgrün. Die Geschichte der
Familie und ihren Zusammenhang mit anderen vogtländischen
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. i. 2. I
2 Hubert Ermisch:
Geschlechtern hat der Verstorbene eingehend studiert und
umfängUche Materialsammhmgen darüber hinterlassen; aber
wenn diese Arbeiten auch vielleicht der Ausgangspunkt seiner
geschichtlichen Forschungen gewesen sind, so hat er doch
niemals etwas Zusammenhängendes darüber veröffentlicht,
und dies ist bezeichnend für ihn; im Gegensatz zu manchem
anderen Genealogen war die Familiengeschichte ihm stets nur
ein Mittel zum Zweck, niemals Selbstzweck, Einstmals eines
der begütertsten Geschlechter des Vogtlandes, gehörten die
Raben später zum bescheidenen Landadel. In der Geschichte
der sächsischen Armee nahmen sie stets eine ehrenvolle
Stellung ein; zahlreiche tüchtige Offiziere sind aus ihr her-
vorgegangen.
Auch der Vater des Verstorbenen, Heinrich Friedrich
von Raab, gehörte ihr an. Er war vermählt mit Christiane
Friederike geb. Hüttner und stand als Oberstleutnant
in Bautzen, als Kurt am 15. Juli 1834 geboren wurde; der
dritte von vier Söhnen, die sich sämtlich der militärischen
Laufbahn widmeten. Der älteste, Arno, geboren 1827, blieb
im Jahre 1870 bei Sedan; der zweite, Bruno, geboren 1831,
ist als Oberst z. D. im Jahre 1895, der jüngste, Heinrich,
geboren 1835, als Major z. D. im Jahre 1907 gestorben. Der
Vater war 1845 in den Ruhestand getreten und hatte das
Gut Dreihöf bei Oelsnitz erworben, wo er bis 1852 lebte; in
hohem Alter ist er am i. Dezember 1870 zu Dresden gestorben.
Im elterlichen Hause empfing Kurt von Raab den ersten
Unterricht von Hauslehrern, bis er am i. April 1850 in das
Kadettenkorps eintrat. Vier Jahre später wurde er als Portepee-
junker in die 4. Kompagnie des Königl. Sächsischen 2. Jäger-
bataillons in Leipzig eingestellt, wurde am 19. Oktober 1854
Leutnant und im Jahre 1860 Oberleutnant. Als solcher kämpfte
er mit Auszeichnung in der Schlacht bei Königgrätz, wurde
bald darauf zum Hauptmann und Kompagniechef der i. Kom-
pagnie des I. (des heutigen 12.) Jägerbataillons befördert und
im Januar 1867 zu dem Lehrbataillon kommandiert, das unter
Führung des Oberstleutnants von Montbe zur Einführung der
Armee in die neuen Verhältnisse gebildet worden war. Als
Chef der 3. Kompagnie des i. Jägerbataillons ,, Kronprinz"
Nr. 12 machte er den Feldzug 1870/71 mit und erwarb sich in
zahlreichen Schlachten und Gefechten manche Auszeichnung.
Aus seiner weiteren militärischen Laufbahn mag nur kurz er-
wähnt werden, dals v. Raab 1874 zum Major im Schützenregiment
befördert wurde, 1875 als solcher die Führung des 2. Jäger-
bataillons Nr. 13 in Meifsen übernahm, 1879 Oberstleutnant, 1883
Kurt von Raab. 2
Oberst, 1884 Kommandeur des Infanterieregiments Nr. 107, 1885
Kommandeur des i. (Leib-) Grenadierregiments Nr, 100, 1889
Generalmajor und Kommandeur der 5. Infanteriebrigade Nr. 63,
dann 1890 der 6. Infanteriebrigade Nr. 64, 1894 General-
leutnant und Kommandeur der i. Division Nr. 23 wurde. In
amtlicher Eigenschaft nahm er 1888 in Berlin an der Bei-
setzung Kaiser Wilhelms I., 1894 als Vertreter Sr. Majestät
des Königs in Petersburg an der Beisetzung Kaiser
Alexanders III. von Rufsland teil. Als man im Jahre 1890
eine Immediatkommission für die Neubearbeitung der Militär-
strafprozefsordnung in BerHn bildete, wurde er als Mitglied in
diesejbe berufen. Im Jahre 1898 erbat er seinen Abschied
und wurde unter Verleihung des Charakters als General der
Infanterie zur Disposition gestellt. Eine besondere Freude
war es ihm, dafs König Friedrich August, der einst im Leib-
regiment als Kompagniechef unter seiner Führung gestanden
hatte, am 25. Mai 1905 ihn als ,, seinen langjährigen mili-
tärischen Lehrer" ä la suite dieses Regimentes stellte.
So war die militärische Laufbahn des Verewigten eine
lange und glänzende; es erklärt sich dies daraus, dafs er sich
im Kriege wie im Frieden als aufsergewöhnlich befähigter
Truppenführer und Organisator, als strenger aber stets ge-
rechter Vorgesetzter, dem es jederzeit nur auf die Sache,
nicht auf die Person ankam, bewährt hatte. Doch ist es
nicht unsere Aufgabe, seine Verdienste auf diesem Gebiete
zu würdigen; für uns kommt eine andere Seite seiner Tätig-
keit in Betracht.
Obwohl Soldat vom Scheitel bis zur Sohle, hat von Raab
doch von jeher seine Erholung im Studium der Geschichte
seines geUebten Vogtlandes gesucht. Der handschriftliche
Nachlafs, der einem Wunsche des Verstorbenen gemäfs dem
Hauptstaatsarchive überwiesen worden ist, zeugt von dem
riesigen Fleifs und der grofsen Umsicht, mit der er jahr-
zehntelang gesammelt und gesichtet hat. Schon in jungen
Jahren beschäftigte er sich viel mit den Archiven der Ritter-
güter und der Pfarrkirchen seiner Heimat. Später waren es
dann hauptsächlich das Hauptstaatsarchiv in Dresden, das
Sachsen-Ernestinische Gesamtarchiv in Weimar und das Haus-
archiv der Fürsten Reufs j. L. zu Schleiz, die er aufs gründ-
hchste durchforschte; aber auch die Archive in Bamberg, in
Eger und wo sich sonst irgendwie Material zur Geschichte
des Vogtlandes erwarten hefs, hat er besucht. Da er seine
Tätigkeit von vorn herein auf die Geschichte des Vogtlandes
von den ältesten geschichtlich erkennbaren Zeiten bis zur Er-
4 Hubert Ermisch:
Werbung durch Kurfürst August konzentrierte, so konnte er
wohl in der Beschränkung den Meister zeigen; es dürfte nicht
viele Dokumente zur älteren vogtländischen Geschichte geben,
die er nicht in den Händen gehabt hat.
Im Jahre 1873 wurde, zunächst als Zweigverein des Vogt-
ländischen Altertumsforschenden Vereins in Hohenleuben, der
Altertumsverein zu Plauen gegründet. Nachdem dieser Ver-
ein im Juli 1878 selbständig geworden war, trat ihm bald darauf
von Raab bei und wurde sein fleifsigster und tüchtigster Mit-
arbeiter; wenn der Verein ihn im Januar 1886 zum Ehrenmitglied
machte, so hatte er guten Grund dazu : denn den in seinen Mit-
teilungen oder als Beilagen zu ihnen veröffentlichten Aufsätzen
und Schriften von Raabs verdankt er in erster Linie die geachtete
Stellung, die er unter den provinzialgeschichtlichen Vereinen
Deutschlands einnimmt. Im Jahre 1883 erschien in seiner
Zeitschrift die erste gröfsere geschichtliche Arbeit, die von Raab
publizierte. Er war damals schon nahezu 50 Jahre alt; dafs
aber seine Veröffentlichungen in jahrzehntelangen Vorarbeiten
Gründlich ausgereift waren, merkt man schon den ersten an.
Wohl bildeten familiengeschichtliche Untersuchungen den Aus-
gangspunkt, aber sie unterschieden sich doch wesentlich von
den oft so einseitigen Arbeiten anderer Genealogen; die
Familie war ihm stets lediglich ein Glied des Ganzen,
sein Blick war immer zugleich nicht blofs auf die Orts-
geschichte, die mit der Familiengeschichte ja untrennbar ver-
bunden ist, sondern auch auf die politische und wirtschaft-
liche Geschichte des Landes gerichtet.
V^ir geben im Anhang eine Zusammenstellung aller Ar-
beiten des Verstorbenen, soweit sie uns bekannt geworden
sind; wir können uns deshalb darauf beschränken, hier nur
die wichtigsten Werke hervorzuheben.
Von grundlegender Bedeutung wurden zunächst seine
Regesten zur Orts- und Familiengeschichte des Vogtlandes
(1350- 1563), die in zwei Bänden 1893 und 1898 erschienen.
Sie schliefsen sich als Ergänzung und Fortsetzung an die
von Joh. Müller in den ersten Heften der Mitteilungen des
Altertumsvereins zu Plauen veröffentlichten Urkunden und
Urkundenauszüge zur Geschichte Plauens und des Vogtlandes
und an Berthold Schmidts Urkundenbuch der Vögte vonWeida,
Gera und Plauen an und enthalten in 2245 Nummern, zu
denen dann noch einige Nachträge im 14. Hefte der Mit-
teilungen kamen, das Ergebnis einer langjährigen, tieifsigen
und kritischen Sammelarbeit. Eine sehr orenaue Kenntnis des
Landes, seiner geschichtlichen wie natürlichen Verhältnisse,
Kurt von Raab. e
unterstützt durch ein vorzügiiches Gedächtnis, gab dem Ver-
fasser namentUch auf dem Gebiete der topographischen
Forschung, die dem Herausgeber von Urkunden bekanntUch
soviel Mühe macht, eine fast nie fehlgreifende Sicherheit;
die gewissenhaften Register, die er diesem wie all seinen
gröfseren Werken beigefügt hat, legen davon das rühmhchste
Zeugnis ab.
Fast noch mehr tritt diese eingehende Vertrautheit mit
dem Stoffe in der kleinen Schrift über die Geschichte der
Staatsforsten im Vogtlande (1896) hervor; sie bedeutet den
ersten Schritt auf einem bisher arg vernachlässigten Gebiete
der sächsischen Wirtschaftsgeschichte und ist bisher vielleicht
noch nicht genügend gewürdigt worden.
_ Das Streben, volle Klarheit über die Besitz-, Rechts- und
Verwaltungszustände des Vogtlandes in älterer Zeit zu ge-
winnen, führte von Raab dann zu eingehendem Studium einer
Quellengruppe von besonderer Wichtigkeit, der Amtserbbücher
des Vogtlandes. Das Bedürfnis einer Feststellung der landes-
herrlichen Gerechtsame hatte sich in den Landen der
ernestinischen Linie des Hauses Sachsen früh geltend gemacht;
schon 1494 hatten Kurfürst Friedrich und Herzog Johann
ihrem Landrentmeister Heinrich Mönch befohlen, ihre Ämter
in Thüringen. Franken und Vogtland zu bereisen, die landes-
herrlichen Besitzungen daselbst zu vermessen und zu ver-
zeichnen, den Inventarbestand zu kontrollieren. Es mag
dies den ersten Anlafs zur Anlegung sogenannter Erbbücher
über die einzelnen Ämter gegeben haben, in denen die ge-
wünschten Nachrichten in möglichster Vollständigkeif enthalten
sein sollten. Zu den ältesten dieser Amtserbbücher gehörten
die der Ämter Plauen und Pausa, die im Jahre 1506 voll-
endet wurden; erst Jahrzehnte später schlofs sich ihnen das
des Amtes Vogtsberg an, dessen Bearbeitung auf besondere
Schwierigkeiten stiefs. Mit diesen Erbbüchern hat sich
von Raab in den letzten zehn Jahren seines Lebens be-
sonders eingehend beschäftigt; seine Schriften über die Ämter
Plauen (1902), Pausa (1903) und Vogtsberg (1907J, denen
sorgfältige Textabdrücke der Amtsbücher beigegeben sind,
bieten unter Heranziehung aller irgendwie erreichbaren Ur-
kunden und Akten eine so anschauHche und zuverlässige Dar-
stellung der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des
Vogtlandes im 16. Jahrhundert, wie sie für keinen anderen
Teil des Königreichs Sachsen bis jetzt vorliegt. Namentlich
das umfänglichste dieser Werke, ,, Schlofs und Amt Vogtsberg
bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts", das auch in die bisher
6 Hubert Ermisch:
vielfach dunkle ältere Geschichte des Amtes Licht bringt,
darf als ein Vorbild für ähnliche Arbeiten bezeichnet werden.
Es ist seine letzte Arbeit gewesen. Eine auf zwei Bände
berechnete Geschichte des Vogtlandes unter Kurfürst August,
für die er ein umfängliches Material gesammelt hatte, hoffte
er schon im nächsten Jahre veröffentlichen zu können; es
sollte ihm nicht beschieden sein. Hoffentlich ist es mög-
lich, aus seinem Nachlasse dieses Werk noch in Druck zu
geben.
Wie kaum ein anderer wäre der Verstorbene dazu vor-
bereitet gewesen, eine zusammenhängende Geschichte des
Vogtlandes bis zur dauernden Vereinigung mit Sachsen zu
schreiben, die bei den bisherigen recht ungenügenden Arbeiten
über diesen Gegenstand sehr willkommen wäre. Aber so oft
dies angeregt wurde, stets wandte er ein, dafs ein solches
Werk über seine Kräfte gehe. Diese Bescheidenheit eines
Mannes, dem es sonst an Selbstbewufstsein gewifs nicht fehlte,
war es, was ihn uns jüngeren Gleichstrebenden, die er an
Kenntnissen auf seinem eigensten Gebiete weit überragte, so
besonders wert machte; er war jeder von der seinen ab-
weichenden Meinung zugänglich, für jede Belehrung dankbar,
wurde nie müde zu lernen — und darauf nicht zum wenigsten
ist es zurückzuführen, wenn seine Arbeiten sich so entschieden
über die Durchschnittsleistungen des nicht fachlich vorge-
bildeten Laien erheben und durchweg dauernden Wert be-
anspruchen können.
So war es eine wohlverdiente Anerkennung seiner wissen-
schaftlichen Tätigkeit, als ihm im Jahre 1904 die philo-
sophische Fakultät der Universität Leipzig die Würde eines
Ehrendoktors der Philosophie verlieh, eine Auszeichnung, die
ihn, dem es an Auszeichnungen doch nie gefehlt hatte, mit
stolzer Freude erfüllte.
Dem Königl. Sächsischen Altertumsverein gehörte von Raab
seit 1879 an. Als im Jahre 1896 Präsident von Schönberg aus
Gesundheitsrücksichten den Vorsitz niederlegte, da war wohl
niemand darüber im Zweifel, dafs es keinen geeigneteren Nach-
folger für ihn geben konnte, als Exzellenz von Raab. Fast
zwölf Jahre lang hat er die Arbeiten des Vereins mit Treue
und Gewissenhaftigkeit geleitet. Wenn der Verein ihm ge-
meinsam mit den drei vogtländischen Vereinen zu Plauen,
Schleiz und Hohenleuben als Festgabe zu seinem 70. Geburts-
tage eine kleine Schrift ,, Vogtländische Forschungen" widmete,
so war dies nur ein bescheidener Zoll der Dankbarkeit. Sein
Andenken wird im Verein stets fortleben.
Kurt von Raab. n
Wie als Soldat und als Geschichtsforscher, so genofs der
Entschlafene auch als Mensch die höchste Verehrung aller,
die ihn kannten. Nicht zu grofs war ihre Zahl. Denn bei
aller Liebenswürdigkeit, die namentlich wir durch gleiche
hiteressen ihm Verbundenen in reichem Mafse erfuhren, ge-
hörte er doch zu den nicht leicht zugänglichen Naturen; es
konnte zuweilen scheinen, als vereinigten sich in ihm Wider-
sprüche. So wohl man sich in seinem gastlichen Heim
fühlte, vor allem, wenn sich in seinem vornehm -behaglichen,
mit künstlerischem Geschmack ausgestatteten Landhause
,, Elsenlinde" bei Leubnitz im Vogtlande, wo er in seinen
letzten Jahren die Sommermonate zuzubringen pflegte, ein
kleiner Kreis wissenschaftHch gleichstrebender Männer zu
froher Tafelrunde zusammenfand, so mied er doch im ganzen
die Geselligkeit mehr als dafs er sie suchte. Zu diesem Hang
zur Einsamkeit, der in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ja
reiche Früchte getragen hat, mögen schwere Lebensschicksale
viel beigetragen haben. Seine geliebte Gemahlin Elisabeth,
eine geborene Freiin von Tauchnitz, wurde ihm im Jahre 1866
nach noch nicht sechsjähriger Ehe durch einen frühen Tod
entrissen; seine älteste Tochter, die mit dem späteren Kultus-
minister von Schlieben vermählt war, wurde ebenfalls in jungen
Jahren (1894) jäh abberufen, und wenig später (1897) folgte
ihr seine Lieblingsenkelin. Noch in seinen letzten Jahren
erschütterte ihn tief der Tod seiner ältesten Schwester Linda
von Kospoth, an der er mit zärtlicher Liebe hing, und dann
die schwere Erkrankung seines Schwiegersohnes, der eben
erst auf einen hohen Posten berufen worden war, auf dem
er Bedeutendes zu wirken bestimmt schien. Und das alles
war nicht einmal das schwerste häusliche Leid, das ihn be-
troffen. Dazu kam, dafs in den letzten Jahren ein schleichendes
Leiden seinen Körper, der bis in sein Alter hinein das Urbild
männhcher Kraft und Schönheit war, untergrub. Am 22, No-
vember V. J. traf ihn ein Schlaganfall, dessen Folgen er nach
Wochen schweren Leidens am Neujahrstage dieses Jahres
erlag.
Die Erinnerung nicht blofs an seine Leistungen, sondern
auch an seine vornehme Gesinnung, seine unbestechliche
Wahrheitsliebe, seine innere Herzensgüte wird stets in uns
fortleben.
8 Hubert Ermisch:
Aufsätze und Schriften K. von Raabs\).
Zur Geschichte der Rittergüter des Voigtlandes. I. Das Rittergut
Türbel und Pirk und seine früheren Besitzer. Saxonia V (1879),
if., 9— II. . ^ , .
Beiträge zur Geschichte des vogtländischen Adels, i. Die von Reins-
dorf, von Thofs und von Weischlitz. 2. Die von Machwitz,
von Göl'snitz, Thufsel von Taltitz vmd von Quingenberg. Mitt. III,
28—46. IV, 1—22. VI, 1—42 (1883—1887).
Das Rittergut Mechelgrün und seine früheren Besitzer. Mitt. III,
47-63 U883).
Ein Duell im 1 6. Jahrhundert. Mitt. IV, 22—25 (1884).
Nachrichten über Falkenstein i. V. bis zu Anfang des 17. Jahr-
hunderts. Mitt. V, 1—42 (1885).
Die von der Oelsnitz im sächsischen Erzgebirge und im Vogtlande.
Deutscher Herold XVI, 25—26 (1885).'^
Auszüge aus den Kirchenbüchern der im sächsischen Vogtlande ge-
legenen Pfarren zu Altensalz (1586 — 1800), Bergen (1589 — 1635
u. 1723 — 1772), Theuma mit Filial Tirpersdorf (1632 — 1800) und
Werda (1599 — 1765). Vierteljahrsschrift für Heraldik, heraus-
^geben vom Verein Herold, XIV, 251 — 285 (1886).
Das Rittergut Pohl und seine früheren Besitzer. Mitt. VI, 43 — 64 (1887).
Vogtländische Heiratsausstattimgen im 16. Jahrhundert. Mitt. VI, 95
bis 107 (1887).
Zur Geschichte der Familie von Römer in Sachsen. Vierteljahrs-
schrift für Heraldik, herausgegeben vom Verein Herold, XVI,
369—390 (1888).
Das Amt Pausa Ende des 1 6. Jahrhunderts. Mitt. VII, 1 — 9 (1889).
Auszüge aus den Kirchenfiüchern der Pfarre zu Plauen im sächsischen
Vogtlande und deren Tochterkirchen zu Jöfsnitz, Strafsberg und
Oberlosa (1570 — 1800). Vierteljahrsschrift für Heraldik, heraus-
gegeben vom Verein Herold, XVIII, 465 — 483 (1890).
Ein vogtländischesWidenbuch vom Jahre 1545. Mitt. VIII, i — 56 (1891).
Die Herrschaft Plauen, ihre Lehnsmannschaft und deren Besitzungen
im Anfang des 15. Jahrhunderts. Mitt. VIII, 79 — 115 (1891).
Die Zeughäuser auf dem Schlosse Vogtsberg 1563. Mitt. VIII, 116
bis 120 (1891).
Eine Kriegsverpflegung im 15. Jahrhundert. Mitt. VIII, 121 — 127 (1891).
Zwei vogfländische Chroniken. Mitt. IX, 58 — 74 (1893).
Regesten zur Orts- und Familiengeschichte des Vogt-
landes. Bd. L, 1350— 1485. Bd. II, 1485 — 1563. Plauen i.V. 1893.
1898. X u. 310, VII u. 424 SS. 80. (Bd. I = Mitt. X. Bd. II Bei-
gabe zu Mitt. XIII.)
Ein Beitrag zur Geschichte der Staatsforsten im Vogt-
lande bis Ende des 16. Jahrhunderts. Plauen i. V. 1896.
147 SS. 8« (= Mitt. XII.)
Zur Fehdezeit im Vogtlande Ausgang des 14. Jahrhunderts. Mitt. XIII,
I — 13 (19001.
Nochmals die Mordthat bei Plauen 1544. Mitt. XIII, 14—19 (1900).
Kleinere Mitteilungen. Mitt. XIII, 20—29 (1900).
Chrieschwitz in früheren Jahrhunderten. Mitt. XIII, 30—44 (1900).
1) Zumeist in den hier mit „Mitt." angeführten Mitteilungen des
Altertumsvereins zu Plauen i.V. 3.— 18. Jahresschrift erschienen.
Kurt von Raab. g
Aus einem Amtsrechnungsbuche des Landes zvi Plauen vom Jahre
1438— 1439. Mitt. XIV, I— XXXV (1901).
Ein Testament vom Jahre 1631. Mitt. XIV, XXXVI-LVII (1901).
Der Besitz der Wetü'ner im Vogtlande 1378— 1402. Mitt. XIV, LVIII
bis LXXVIII (1901).
Nachträge zu den Regesten zur Orts- und Familiengeschichte des
Vogtlandes I. u. IL Bd. Mitt. XIV, LXXIX -LXXXIX (1901).
Die von Kauftungen. Eine historisch- genealogische Studie. 70./71.
Jahresbericht" des Vogtland. Altertumsforschenden Vereins zu
Hohenleuben S. i — 75 (1901).
Das Amt Plauen im Anfang des 16. Jahrhunderts und das
Erbbuch vom [ahre 1506. Plauen i!V. 1902. 33288.8". (Bei-
lage zur Mitt. XV.)
Die Beköstigung der Fröner. Mitt. XV, 30 — 33 (1902).
Eine Urkunde über Falkenstein i.V. Mitt. XV, 34 — 35 (1902).
Ein fürstliches Hausgerät im 16. Jahrhundert. Mitt. XV, 36—40 (1902).
Fürstliche Nachtlager in Plauen 147 1 — 1506. Mitt. XV, 41 — 45 (1902).
Noch ein Amtserbbuch von Plauen. Mitt. XV, 46—47 (1902).
Bemerkungen zur Geschichte von Marieney. Neues Archiv f. Sachs.
Gesch. XXIV, 199—203 (1903).
Das AmtPausa bis zur Erwerl^ung durch Kurfürst August
von Sachsen im Jahre 1569 und das Erbbuch vom Jahre
1506. Plauen i.V." 1903. 116 SS. 8". (Beilage zur Mitt. XVI.)
Aufgebot, Romzug und Türkensteuer im Vogtlande Ende des 15. und
Anfang des 16. Jahrhunderts. Mitt. XVI, i — 17 (1904).
Der Besitz des Klosters zu Plauen. Mitt. XVI, 18—40 (1904).
Ein Beitrag zur Geschichte von Rittergut, Dorf, Pfarre und Schule
zu Leubnitz i.V. und das Gerichtsbuch vom Jahre 1573. Mitt. XVI,
41 — 105 (19041-
Schlots uüd Amt Vogtsberg bis Mitte des 16. Jahrhunderts
und das Erbbuch vom Jahre 1542. Plauen i.V. 1907.
527 SS. 8*>. (= Mitt. XVIII.) '
IL
Der Pleifsensprengel.
Ein Beitrag zur kirchlichen Geographie Sachsens.
(Nebst einer Karte.)
Von
Leo Bönhoff.
Vor einigen Jahren habe ich bereits einen der vier (bez.
fünf) Archidiakonate der Naumburger Diözese, den Mulden-
sprengel (archidiaconatus trans Moldam) in dieser Zeitschrift,
(XXIV, 43 — 66) behandelt. Die betreffende Arbeit möge durch
die folgenden Blätter eine Fortsetzung und einige Ergänzungen
und Berichtigfuno-en erfahren. Es soll nämlich die zunächst
gelegene, sich im Westen anschliefsende Kirchenprovinz jener
Diözese, der Pleifsensprengel (archidiaconatus [terrae] Plis-
nensis), beschrieben werden. Gehört auch die eine Hälfte
seines Gebietes, wie es in seiner weitesten Ausdehnung sich
vordem darstellte, dem Ostkreise des heutigen Herzogtums
Sachsen -Altenburg an, so ist doch das Interesse des säch-
sischen Historikers ein gleich grofses wie das der dortigen
Freunde vaterländischer Geschichte. Von hier stammen
übrigens dankenswerte Ermittelungen und Forschungen^), die
wir für unsere Aufgabe verwerten können. Diese ist meines
Wissens noch nicht in Angriff genommen worden: bis jetzt
fehlt es an dem Versuche einer geographischen Abgrenzung
^) Mitteilungen der Geschichts- und Altertumsforschenden Ge-
sellschaft des Österlandes VII, 508 — 522. X, 462 — 472. Lobe, Ge-
schichte der Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg
I, II (hier und da verstreut).
Der Pleifsensprengel. 1 1
und Darstellung des fraglichen Verwaltungsbezirkes. Leider
müssen wir ja dabei einer Jurisdiktionsmatrikel des Naum-
burger Bistums entraten; wir verfügen nicht einmal wie bei
der Schilderung des Muldensprengels über das einschlägige
Fragment derselben, das wir zur Prüfung oder vielmehr Be-
gründung unserer Ergebnisse verwenden könnten. Nur ein
Abschätzungsbericht der Diözese vom Jahre 1320, behufs Ab-
führung von Geldern aus erledigten Pfarrpfründen an die
päpstliche Kasse \), vermag uns über ein knappes Achtel der
Kirchspiele des Pleifsensprengels Aufschlufs zu geben. Des-
halb sind naturgemäfs die anzustellenden Erhebungen müh-
samer, umfänglicher und leider auch unsicherer. Da wir, wie
eben bemerkt, den Bestand des Archidiakonates nicht urkund-
lich vorfinden, so müssen wir einen anderen Ausgangspunkt
für unsere Darlegunoren wählen.
I. Die Grenzen.
Wir beginnen ihre Beschreibung mit der Aufzählung der
Diözesen und Kirchenprovinzen, die den Pleifsensprengel um-
geben. Es begrenzen ihn: im Norden und Osten das Bistum
Merseburg, im Osten das Bistum Meifsen, innerhalb der
eigenen Diözese im Osten und Süden der Muldensprengel
und im Süden und Westen der Archidiakonat des Zeitzer
Stiftspropstes (praepositura Cicensis). Stellen ^vir nun den
Anteil, der auf jedes dieser anstofsenden Gebiete entfällt, im
einzelnen fest! Das entsprechende Stück des Pleifsensprengels
schildern wir allemal sofort nach der Feststellung jedes An-
teiles. Auf diese Weise gelangen wir zu einer Grenzumschrei-
bung, bei der Negatives und Positives einander gegenüber-
gestellt wird.
W'eil es sich bequem an den Muldensprengel anknüpfen
läfst, so mache er den Anfang! Seine Westgrenze erstreckt
sich in ihrer gesamten Ausdehnung längs des südlichen
Teiles der Ostgrenze unserer Pleifsner Kirchenprovinz. Wir
könnten uns nun einfach damit begnügen, hier die Grenz-
parochien nach dem Bruchstücke der Matrikel namhaft zu
machen, das ich seinerzeit (s. o.) eingehender gewürdigt habe.
Da indes die Gelegenheit zu Ergänzungen nicht unbenutzt
vorübergehen soll, so sei hiermit auf Angaben eines alten
Terminierbuches der Zwickauer Franziskaner hingewiesen.
M von Ledebur, Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde
des preufsischen Staates XV, 348 — 352.
1 2 Leo Bönhoff:
Es zählt uns nicht nur die meisten der fraghchen Grenz -
pfarreien auf, sondern bringt auch ihren damahgen Umfang
zu unserer Kenntnis'), Wir stellen diese Angaben in einer
kurzen Übersicht zusammen:
1. Parochia Reinsdorff: villa Bolen (Pöhlau),
2. Parochia Vila (Vielau). Ober- und Niederhafslau (die
„Hasel") ward damals vielleicht noch in die Flur von Vielau
einbezogen oder lag auch wüst.
3. Parochia Schöna (Schönau): villa Grün (Grünau bei
Wildenfels); villa Wiese (Wiesen); villa zu dem Harde (Haara).
Das Dorf Wiesenburg bestand damals entweder noch nicht
oder war unbedeutend
4. Parochia Weifsbach. Hermersdorf bildete schon zu
jener Zeit eine Gemeinde mit dem Pfarrorte, während Neu-
dörfel erst kurz vor der Reformation angelegt wurde.
5. Parochia Neustadt (Neustädtel): villa Lindenau;
Schneeberg; villiale Schorel (Zschorlau); villa Burkhardsgrün;
villiale Grasbach (Griesbach). Albernau mufs damals noch
wüst gelegen haben. Vor der Entstehung Neustädteis, die
etwa 100 Jahre vor diejenige Schneebergs zu setzen ist, galt
^) Weller, Altes aus allen Theilen der Geschichte II, 745—752.
Wir teilen auch die Namen der übrigen, nicht an der Ostgrenze des
Pleifsensprengels sich hindehnenden Pfarrbezirke des Archidiakonats
jenseits der Mulde zum Vergleiche mit dessen festgestelltem Be-
stände mit:
I. Parochie Harlmannsdorf (Ortmannsdorf j. 2. Par. Wildenfds
(eigentlich Härtensdorf). 3. Par. Schocke (Zschocken). 4. Par. Thicr-
feld: villiale Hartenstein. 5. Par. Feuthe (ßeutha). 6. Par. Wilbach
(Wildbach): villa Langenbach. (Wildbach — man berichtige darnach
Bd. XXIV, 50 — ward aus der Parochie Thierfeld zwischen 1470
und 1479, s. o., ausbezirkt, da der Kirchweg über die Mulde höchst
beschwerlich war. Langenbach besafs aber trotz einer etwa vor-
handenen Kapelle noch nicht das Recht eines Filials.) 7. Par. Clöstcr-
lein: villa (nicht villiale) Slem (Oberschlema) ; villa Niederslem. 8. Par.
civitatis Lößnitz: villa Dittersdorf; villa Alberoda; villa Lenkers-
dorf; villa Oberaffalder; villa Niederaffalder; villa Niederlöfsnitz.
9. Par. Zwihutz in foro: villa Kühnhe^'de. 10. Par. Atvc: aftiliak-
Lauter; affiliale Bockau. 11. Par. Peyerfeld: villa Sachsenfeld; villa
(nicht villiale) Pernsbach (Bärnsbach); villa Wildenau. 12. Par. Griin-
hayn. i^. Par. Elterlein. 14. Par. Schtoarzcnhurgk: villiale Bi'eiten-
brunn, villiale Städtel (Grünstädtel), villa Grün (Bennsgrün), villa Bei
(Pöhla). 15. Par. Mitwcyde : villiale JRasche (Raschau), villa Scheibe
(Ober- und Unterscheibe). Es fehlen Markersbach und Schwarzbach.
16. Par. Krotcndorf. (Kratzdorf, so noch 1540, später Neudorf war
damals nach seiner Zerstcirung durch die Husiten noch nicht wieder
aufgebaut worden.) — Wir sehen also, dafs hier mit Ausnahme von
Mülsen St. Niklas und Ölsnitz i. E. sonst sämtliche Pfarreien der
Landkapitel Hartenstein und Löfsnitz aufgezählt werden.
Der Pleil'sensprengel. Iß
Griesbach als Pfarrort; das Widum seiner Kirche ist aber
wohl mit dem ,, Kirchleen uf dem Berge" nicht gemeint,
das der Vertrag Markgraf Friedrichs I. des Freidigen mit
Vogt Heinrich Reufs II. von Plauen über das Bergwerk auf
dem Fürstenberge oder dem Hohenforste (12. Mai 13 17) er-
wähnt').
Diese fünf eben aufgeführten Kirchfahrten ziehen sich
von Norden nach Süden hin an der Ostgrenze des Pleifsen-
sprengels entlang, die folgende (sechste) befindet sich bereits
im Süden dieses Archidiakonates und stöfst gegen Westen
mit dem Zeitzer Stiftspropsteisprengel zusammen.
6. Parochia Eybenstock: viUa (nicht villiale) Zoze (Sosa),
wohingegen Hundshübel fehlt, weil es eben noch nicht an-
gelegt worden war.
Die Angaben des besagten Terminierbuches sind etwas
jünger als das Fragment der Naumburger Bistumsmatrikel.
Beide entstammen aber der Zeit zwischen den Jahren 1470
und 1479 wegen der Erwähnung Schneebergs, das hier eben-
falls noch als Bestandteil der Parochie Neustädtel ohne weitere
Bezeichnung auftritt. Das Terminierbuch geht jedoch insofern
über das Matrikelfragment hinaus, als es uns darüber be-
lehrt, wie inzwischen, d. h. vor 1479, als selbständige Kirch-
spiele unter anderen Weifsbach und Eibenstock ins Leben
getreten waren. Das erstere hatte sich dabei von Schönau,
das letztere von Schwarzenberg-) losgelöst. Für die Ab-
tretung von Weifsbach, das herrschaftlich wildenfelsischer
') Da der „Hohe Forst", wo auf Kupfer und Silber gebaut ward,
mit dem Borberge bei Kirchberg, der Fürstenberg mit dem dortigen
Geyers berge zu identifizieren ist (vgl. Mitteilungen des Alter-
tumsvereins Kirchberg No. n — 13, Seite 41 — 51), so is unter jenem
„Kirchleen" die Pfarrstelle von Kirchberg selber zu verstehen. „Auf
dem Berge" befindet sich ja eine Niedeilassung (erwähnt werden:
Schrotamt, Fleisch-, Brot- und Schuhbänke, Badestuben, Erzmühlen,
Ackerbau, Gericht , das ist der Markt Kirchberg. (Damach ist zu
berichtigen: diese Zeitschrift XXIV, 61 f.)
'-) Von hier aus war für Eibenstock ein besonderer Priester an-
gestellt. Die älteste Kunde von einem solchen bieten die libri con-
hrmationum der Prager Erzdiözese (ed. Emier V, 166): Anno, quo
supra [1393] III. Julii data est crida Conrado de Eybenstock (statt
Gybenstock) presbytero Nuvemburgensis {statt Nuremb.) diocesis
ad ecclesiam parochialem in Slatyna (Schiettau bei Annaberg). Der-
selbe tritt noch urkundlich am 1. Mai 1405 und am 23. Januar 1413
in Schlettauer Urkunden des Edlen Fritzko von Schönburg, Herrn
zu Hassenstein, und dessen Gemahlin Ilse als Zeuge auf, und zwar
einfach als „her Conrad" in seiner Eigenschaft als Stadtpfarrer (Hörn,
Sachs. Handbibl. VI, 632ff. Schöttgen-Kreißig, Diplomataria etc.
II, 547 f.)
II Leo Bönhoflf:
Besitz war, ist seine frühere Pfarrkirche zu Schönau auf dem
rechten Muldenufer anderweitig entschädigt worden, nämlich
durch das Schlofs Wiesenburg (nebst den an seinem Fufse
gelegenen Häusern) und den dazu gehörigen Orten Haara,
Wiesen und Arme Ruh (heute Silberstrafse). Diese Nieder-
lassungen waren früher Bestandteile des Pfarrsprengels zu
Kirchberg, dessen Patronat der jeweilige Besitzer Wiesen-
burgs auszuüben hatte. Sie wurden von den Herren von der
Planitz, die um 1470 die Wiesenburg und Schönau zusammen
besafsen, der Kirche des letzteren Ortes allem Anscheine
nach überwiesen. Zur Zeit aber, da noch die Reufsen von
Plauen, der jüngere Zweig der dortigen vögtischen Linie, die
Wiesenburg innehatten, lagen die bewufsten Dörfer samt der
Burg im Norden der Parochie Kirchberg, d. h. nicht im
Mulden-, sondern im Pleifsensprengel (s. u.).
So bleiben denn gemäfs der Matrikel von Reinsdorf ab
nordwärts noch folgende Grenzparochien des Muldensprengels
anzuführen übrig: i. Auerbach. — 2. Thurm mit Jüden-
hain, Schneppendorf (bis 1533), Berthelsdorf und Nieder-
mülsen. — 3. Wernsdorf mit Hölzel, dem oberen Teile einer
wegen der häufigen Überschwemmungen verlassenen Ort-
schaft (villa deserta) an der Mulde namens Naundorf (s. u.), —
4. Glauchau, soweit sein Kirchspiel^) (nicht die Flur der
Stadt) rechts der Mulde lag, mit Rothenbach (früher Rothen-
berg-). — 5. Lobsdorf, welches an die Grenze der Meifsner
Diözese stöfst, mit seinem Filiale St. Peter zur Lungwitz
(Niederlungwitz).
Was entspricht nun dieser langen Reihe der Parochien
des Muldensprengels von Lobsdorf und Glauchau bis herab
nach Neustädtel-Griesbach auf Seiten des Pleifsensprengels?
Wir setzen ein mit der Parochie Kirchberg, deren ursprüng-
licher Umfang, ist er erst bestimmt, uns auch für die Er-
mittelung des Grenzzuges der Pleifsner Kirchenprovinz seine
*) Bis zum 31. Mai 1884 gehörte die Andreaskirche zu Gesau
mit den Orten Schönbörnchen und Höckendorf als Filial zu Glauchau,
dessen Subdiakonus das Pfarramt an ihr seit dem Jahre 1877 ver-
waltete, nachdem sich bis dahin Archidiakonus und Diakonus in diese
Funktion miteinander geteilt hatten. Wir kommen auf das Filial
bald weiter unten zurück.
-) Zur Parochie Glauchau kamen erst im 18. Jahrhundert hinzu:
J725 Voigtlaide und 1766 Albertsthal. Jenes ward von Otto Ernst,
dieses von Albert Christian Ernst, beide Grafen von Schönburg-
Hinterglauchau, angelegt. Das erstere kam aber schon 1728 zur
Parochie Wernsdorl. (Eckardt, Chronik von Glauchau S. 119,
292, 576.)
Der Pleifsensprengel. I5|
Dienste leisten mufs. Sie umfafste nicht nur wie heute noch
die hier als Grenzorte in Frage kommenden Dörfer Burkers-
dorf (mit einem Filiale [1302]) und Saupersdorf, sondern auch
I. im Süden: Hartmannsdorf, dessen Kirche bis 1853 Filial
war, und ferner Bären walde mit Lichtenau^), sowie 2. im
Norden: Wiesenburg, zu dessen Schlosse Kirchberg- mit seinen
sämtlichen Filial- und Beidörfern als Zubehör gerechnet wurde,
Wiesen, Arme Ruh (Silberstrafse), Haara (s. o.) und Wilkau.
Letzteres ward 1878 aus der Parochie Culitzsch mit Nieder-
crinitz, die ja selbst einmal in kirchlicher Beziehung zu Kirch -
berg als eins von dessen Filialen gestanden hat-), ausgepfarrt.
Von diesem grofsen und weitausgedehnten Kirchspiele aber
gilt im Jahre 1320 folgendes: Item in archydiaconatu Plys-
nensi: .... ecclesia in K3rchberg vacavit in secundo anno,
que est taxata ad . . . marcas, solvit XXV grosses nee plus
solvere potuit, quia destructi fuerunt agri et redditus per
exercitum marchionis Mysnensis, qui iacuit in Hon-
vorste. Sic iuratus deposuit rector ecclesie'^).
M Bärenwalde ist zweifelsohne der Herrschaft Wiesenburg bei-
zuzählen und ist mit derselben an die Herren von der Planitz über-
gegangen, deren einer, namens Dietrich, seine Gattin daselbst 140 1
beleibdingte. Es muß dahingestellt bleiben, ob sie oder bereits die
Reußen von Plauen das Dorf kirchlich selbständig gemacht haben.
Auch wissen wir nicht, ob Bärenwalde vorher bereits ein Filial war
oder doch eine Kapelle besafs, die der Kaplan von Hartmannsdorf
mit versorgte.
-) Diese Zeitschrift XXIV, 56, Anm. 48. Culitzsch ward im
Laufe des 14. Jahrhundert durch die Reußen zu einer besonderen
Parochie erhoben.
ä) von Ledebur a. a. O. 348. 351. Hier wird Anm. 88 Kiixh-
berg ganz richtig mit der Stadt, 5 Stunden im Südosten von Werdau,
identihziert. Böttger, Diözesan- und Gaugrenzen Norddeutschlands
IV, 285, Anm. 522, wendet sich dagegen mit Unrecht. Erstens wird,
wie wir später sehen werden, Kirchberg durchaus nicht völlig vom
Pleifsensprengel abgeschnitten. Sodann aber spricht für unser Kirch-
berg die Erwähnung des nahen „Hohenforst", welche von durch-
schlagender Bedeutung ist. Dafs Kirchberg noch nicht als „oppidum"
bezeichnet wird, mag vielleicht daher rühren, dafs es dies 1320 noch
nicht war. Seine erste Anführung als Stadt liegt im Lehnbuche Mark-
§raf Friedrichs des Ernsthaften (herausgeg. von Lippert u. Beschorner,
. 2) vor : Dominus Heinricus Ruthenus de Plawen habet in feodum a
domino (dem Markgrafen) Wisenberg castnmi, opidum
Kirn er g cum suis pertinenciis. Dafs der dortige Pfarrer (rector) nur
25 Groschen zahlte, darf uns nicht verwundern, weil seine Parochie
die erste volle Wucht des Krieges traf, den Markgraf Friedrich der
Freidige vor dem Jahre 131 7 mit den Vögten, vor allem mit denen
von Gera und Vogt Heinrich III. dem Langen von Plauen, um des
Bergwerks zu Fürstenberg oder Hohenforst willen längere Zeit ge-
führt hatte. Denn in dem Vertrage. von Altcnl)urg am 12. Mai 1317
i6 Leo Bönhoff:
Gerade gegenüber dem westlichsten Punkte der Nord-
grenze des ehemaligen Kirchberger Pfarrsprengels bei Wilkau
auf dem linken Uter der Mulde hebt auf dem gegenüber-
liegenden Ufer die Ostgrenze der gleichfalls sehr umfang-
reichen Parochie Osterweih an, deren Gotteshaus, dem heiligen
Moritz gewidmet, vor den Mauern Zwickaus lag. Diese er-
streckte sich über elf Ortschaften, von denen die meisten^)
auf dem rechten Muldenufer liegen; ihre Namen lernen wir
aus einer Urkunde Markgraf Dietrichs des Bedrängten für
das von Zwickau nach Eisenberg verlegte Nonnenkloster vom
Jahre 12 19 kennen, worin es unter anderem heifst: ,, . . . Parochia
in Osterwegen sive in Zwiccowe-) cum dote sua, decima
frumenti de XI vilhs, quarum Osterwegen est prima, alie
hiis nominibus nuncupantur: Hoendorf (Oberhohndorf j,
Bucwen (Bockwa), Sehet wiz (Schedewitz), Beiwitz (Pölbitz'^),
Crozne (Crossen) et eiusdem ville capeila dotata XX modus
frumenti, Vulmin duo (Wulm und Kleinwulm), Slunz
(Schlunzig), Nuwendorf (Naundorf bei Glauchau), Gra-
be we" (s. u.)*). Den Patronat über die Pfarrkirche zu Oster-
weih hatte 12 12 Markgraf Dietrich jenem Nonnenkloster nach
seiner Übersiedelung von Triptis geschenkt, nachdem dieses
Recht am 11. Mai gedachten Jahres von dem Kloster Bosau,
das es lange besessen hatte, auf ihn durch Kauf übergegangen
war''). Die Orte Bockwa, Oberhohndorf (Eckersbach), Pölbitz
(rechts der Mulde), Crossen, Wulm und Kleinwulm füllen dem-
heifst es: „Das wir beider S3-t zu einander zu sachene haben an um
das bercwerk und um das erlege, das nu geweset ist und
gantz bericht is." (Schmidt, Urkundenbvich der Vögte von Weida
i, 229. Nr. 477.) Übrigens stand vordem auf dem Hohenforst eine
markgräfliche Burg. Denn Markgraf Friedrich der Ernsthafte be-
schwert sich bei Kaiser Ludwig 1331 über seinen früheren Vormund,
Vogt Heinrich Reufs IL von Plauen, unter anderen darüber, „daz wir
eyn bercwerc hatten und eyn hus, dazhyez zu dem Honforste,
du brach her daz uns und schyckete, daz wir um das ber(c)werc
halp legen." (HStA. Dresden, Or. 2762.)
*) Wir machen sie durch Sperrdruck in dem Urkundentexte
kenntlich. Vgl, Cod. dipl. Sax. reg. I, 3. no. 266.
-) Diese Bezeichnung mag daher rühren, dafs anfangs das Dorf
Osterweih nebenbei noch den Namen der Stadt, neben der es an-
gelegt worden war, führte, den es zuerst angenommen hatte.
^) Damals war von dem nachher auch nach St. Moritz ein-
gepfarrten Dorfe Eckersbach noch nicht die Rede.
*) Schultes, Directorium diplom. II, £56!. Es verdient vor-
züglich des letzten Ortsnamens wegen Beachtung, dafs wir leider
das Original der betreffenden Urkunde nicht mehr besitzen.
■■') Herzog, Chronik von Zwickau I, 134!., II, 24!. Vgl. Cod.
dipl. Sax. reg. I, 3, no. 166.
Der Pleilsensprengel. 17
nach den Raum zwischen der Mulde und dem Stücke der
Westgrenze des Muldensprengels aus, das wie eine Sehne zu
dem von diesem Fkisse beschriebenen Bogen gehört.
Es handelt sich nun darum, dafs wir über die beiden
letzten Beidörfer der Moritzkirche völlige Klarheit gewinnen:
über Nuwendorf und Grabowe. Die Anordnung aller Bei-
dörfer beweist uns, dals nach dem Kirchorte erst ihrer drei
im Süden, dann die übrigen im Norden genannt werden. Jene
beiden Orte müssen wir also, da wir uns im Tale der Mulde
rtufsabwärts bewegen, im Nordosten von Schlunzig suchen. Nun
werden 1482 ,,prata sub villa deserta Nawendorff" erwähnt;
es ist die Rede 1490 von einem ,, Acker vnder nawendurff",
und wir gelangen bei der Identifikation der verschwundenen
Ortschaft in die Gegend längs der Mulde im Südwesten der Stadt
Glavichau, zwischen Niederschindmaas und Hölzel, das, wie
gesagt, der obere Teil Naundorfs (s. o.) gewesen sein mag^).
Da somit seine Lage als gesichert gelten darf, führt uns die
Stelle, welche Grabowe bei der Aufzählung erhalten hat, nach
der Gegend von Glauchau. Ich habe seinerzeit angenommen-),
der Name möchte aus Gluchowe verlesen sein; die Nach-
prüfung einer solchen Möglichkeit raubt uns der Verlust der
Orio-inalurkunde. Allein wir wollen einen Umstand in Er-
wägung ziehen: die erste Ansiedlung in Glauchau fand wohl
in der Nähe der ,,Niklasstufen" statt, und der älteste Teil der
heutigen Stadt soll die Fischergasse sein, ein Ort, wo die
nahe Mulde zum Fischfange lockte und der auch am meisten,
nämlich durch Abgründe nach Osten vmd Westen hin, ge-
schützt war. Hier erhob sich auch eine Kapelle zu Ehren
des Heiligen, der als Schutzpatron der Fischer und Schiffer
bekannt ist und bei Überschwemmungen, die hier so häufig
sind, angerufen zu werden pflegte, des St. Niklas, und blieb
auch späterhin das Gotteshaus der Vorstadt"). Es ist möglich,
dafs diese Fischerniederlassung den Namen Grabowe oder,
falls die Verlesung eingetreten sein sollte, was mich aller-
dings wahrscheinlicher dünkt, Gluchowe führte, den erst das
Schlofs und dann die Stadt annahm, die sich zwischen ihr
und jenem erhob. Das Schlofs wird zu Beginn des 13. Jahr-
hunderts, die Stadt etwa zwei Jahrzehnte später erbaut worden
') Eckardt a. a. O. S. 277 u. Anm., 311.
-) Diese Zeitschrift XXIV, 55. Anm. 45.
ä) Eckardt a. a. O. S. 163 f., 310. Um dasselbe breitete sich
ein alter Gottesacker aus, der am „Niklasberge'- lag und , schon in
vorchristlicher Zeit bestanden haben mufs, da man auf ihm Überreste
von Urnen vorgefunden hat. (Ebenda S. 315.)
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. i. 2. 2
i8 Leo Bönhoff:
sein. Denn zum ersten Male erscheinen in dieser Gegend
im Jahre 12 12 die Edlen von Schönburg mit Hermann II.,
dem Sohne des gleichnamigen Stifters von Kloster Gerings-
walde, in dessen Kirche der letztere begraben ward, und dem
er um 1182 den Grund und Boden des zerstörten Schlosses
und der wüst liegenden Stadt Geringswalde übereignet hatte.
Hermann II. aber tritt als Bürge für seinen Lehnsherrn, Kaiser
Otto IV., mit seinen Nachbarn Henricus de Drakinvelz (bei
Penig) und Henricus de Crematzowe (Crimmitschau) auf, hat
also seinen Sitz an der Mulde aufgeschlagen').
Dafs aber zwischen der Moritzkirche einerseits und jenen
beiden Orten, dem später eingegangenen Naundorf und dem
Fischerdorfe zu Glauchau, eine kirchliche Verbindung einst
bestanden hat, beweist folgende Tatsache. Der geistliche
Kasten zu Zwickau'-) vereinnahmte im Jahre 1529 neben einem
Geldäquivalent für den Zehnten aus Oberhohndorf (31 Gr.
10 Pf.), aus Bockwa (4 Gld. 6 Gr.) und aus Schedewitz (3 Gld.)
sowie einem Garbenzinse aus Crossen^), Wulm, Kleinwulm
und Pölbitz (zusammen 18 Schock) sowie aus Schlunzig
[Schluntz] (3 Schk. 4 Stk.), avich noch einen solchen aus
Jerisau [Gersa] (8 Stk.), Reinholdshain (17 Stk.), Glauchau
(2 Schk. 6 Garben), Wernsdorf (i Schk. 29 Stk.) und
Niederschindmaas (i Scheffel)"*). Natürlich war die Lie-
ferung dieser Getreideabgaben infolge der weiteren Entfernung
immer eine unregelmäfsige gewesen, und das Gelieferte war
meist auf die Fuhrkosten draufgegangen. So kam es denn
dazu, dafs am 30. Juli 1591 das Glauchauer Hospital für
160 Gulden dem geistlichen Kasten von Zwickau den Garben-
zins abkaufte, der noch 6 Schock und i Mandel jährlich ein-
brachte und auf 18 Glauchauer Bürger und 12 Bauern zu
Wernsdorf, 2 zu Jerisau, 3 zu Reinholdshain und 21 zu
^) Schmidt a. a. O. I, 16, Nr. 39. Möglich ist auch, dafs er zu
Lichtenstein safs und dafs Stadt und Schlots Glauchau dann
gleichzeitig entstanden. Sein Sohn, Hermann III., stand 1233
noch unter Vormundschaft, und Glauchau kommt zuerst mit seinem
Schlosse (castrum urbanum) 1256 (s. u.) vor. Die Entstehungszeit
fiele dann zwischen 1233 und 1256, da alsdann als Gründer Friedrich I.,
Hermanns III. jüngerer Bruder, der Stifter der altglauchischen
Linie des Hauses Schönburg, anzusprechen wäre.
2) Herzog a. a. O. I, 273.
^) Hier wurden noch 25 Scheffel besonders entrichtet. Wir er-
kennen darin die Dotation der einstigen Kapelle des Ortes (s. o.)
wieder.
*) In diesem Dorfe ist also der Garbenzehnt in einen Körner-
zehnten verwandelt worden.
Der Pleifsenspreniiel. Iq
Schlunzig entfiel^), ps läfst sich noch erklären, wie die
eben genannten Orte solche Zehntpflichtige aufweisen konnten.
Es handelt sich erstens um Anteile an den Naundorfer Fluren,
die in die Hände von Einwohnern der umlieg;enden Gemeinden
als Glauchau, Wernsdorf und Niederschindmaas gelangt waren.
Ferner ist die Zehntung an die Zwickauer Moritzkirche in
Schlunzig und der Glauchauer Vorstadt durch mehr als drei
Jahrhunderte in Kraft geblieben, nur dafs Felder, die zu der
letzteren gehörten, in schweren Zeiten von Nachbarn in Jerisau
und Reinholdshain natürlich mit der Oblast jenes alten Dezems
erworben worden sind-).
Blieb nun auch der Dezem bestehen, so nicht die kirch-
liche Verbindung. Das alte Fischerdorf in Glauchau, wie
immer es geheifsen haben mag, samt dem ,, neuen Dorfe"
südwestlich davon sind von der Parochie Osterweih ab-
gekommen, seitdem in der neuen Stadt Glauchau zugleich
auch die neue Pfarrkirche zu St. Georg begründet worden
war. Wohl ist es richtig, dafs zuerst im Jahre 1256 ur-
kundhch''^) ein Glauchauer Pfarrherr (de Gluchowe parro-
chianus venerabilis) namens Friedrich auftritt, allein das Kirch-
spiel existierte bereits vielleicht etwa ein Menschenalter. Es
war vorhanden oder trat ins Leben, als der Muldensprengel
eingerichtet ward. Der erste Archidiakonus der neuen Kirchen-
provinz, der uns bekannt ist, heifst Gerhard, ein Zeitzer
Kanonikus (cellerarius), und erscheint urkundlich im Jahre 1230.
Aus demselben stammt auch jenes bedeutsame Dokument über
die Gerechtsame des dortigen Stiftskapitels, worin ihm zwei
Archidiakonate zugesichert werden, während alle anderen,
d. h. die bestehenden und die künftig etwa neu einzurichtenden,
mit Naumburger Domherren besetzt werden sollen*). Jeden-
falls gewinnt man aus diesen Worten indirekt den Eindruck,
als sei erst vor kurzem die Einrichtung eines neuen Archi-
diakonats, d. i. des Muldensprengels, getroffen worden. Diese
Mafsregel käme mithin zwischen die Jahre 12 19 und 1230 zu
liegen, da ja in dem ersteren der Umfang des Kirchspiels
Osterweih noch unvermindert bestand. Weil nun aber Glau-
chau zum Muldensprengel gehört, dessen nördlichste Pfarrei
i| Herzog a. a. O. II, 348. Eckardt a. a. O. S. 403.
-I So bezahlten schon 1578 die Bauern der Glauchau umgebenden
Dörfer jährlich über 45 Schock Erbzinsen für erkaufte Stadtgrund-
stücke. (Eckardt a. a. O. S. 211.)
") Mi tzschke,Urkundenbuch von Stadt und Kloster Bürge] S.115.
^) Lepsius, Gescliichte des Hochstiftes Naumburg 1, 283 fl.,
Urk. 57.
20 Leo Bönhoff:
es bildet, so mufs die Gründung der letzteren ebenso wie die
Auspfarrung von Naundorf und Grabowe in den gleichen
Zeitraum fallen. Der Beachtung wert dürfte noch die Be-
merkung sein, dafs sich sowohl das Hochstift Naumburg als
das KoUegiatstift Zeitz im Jahre 1228 von Papst Gregor IX,
ihre Besitzungen bestätigen lassen. Vor diesem Jahre dürften
auch die beiden obigen Begebenheiten angesetzt werden.
Nachdem aber die Auspfarrung jener zwei nördlichsten
Dörfer des Pfarrsprengels von Osterweih vollzogen war, stellte
er bis nach Schlunzig hinauf eine Grenzbarre des Pleifseii-
sprengels nach dem Archidiakonate jenseits der Mulde zu dar,
die späterhin in die vier Kirchfahrten Schlunzig, Crossen,
St. Moritz (mit der unteren Hälfte der niederen Vorstadt
Zwickaus und nur noch mit den beiden Dörfern Pölbitz und
Eckersbach) sowie Bockwa zerfiel. So bleibt also nur noch
die Muldenaue gegenüber von Glauchau übrig. Zunächst
handelt es sich um Jerisavi; es ist eine alte Parochie. Denn
in einer Urkunde des Benediktinerinnenklosters zu Remse, die
der Zeit zwischen 1166 — iiyi entstammt'), wird eines Streites
mit einem ,, dominus Hugo, sacerdos de Gerese" gedacht,
der die Seelsorge in dem benachbarten Weidensdorf (Weide-
mannesdorff) beanspruchte, welches die Nonnen von Bischof
Udo II. von Naumburg durch Tausch (concambium) erworben
hatten"-). Nachdem die Sache schiedsgerichthch ausgetragen
worden war, erlangte er, dafs ihm das Tauf- und Begräbnis-
recht in jener Ortschaft überlassen ward''). Das beweist
deutlich, dafs seine Kirche eine ecclesia baptismalis, d. i.
eine Pfarrkirche*) war. Dafs dieselbe dem Pleifsensprengel
zuzuweisen ist, geht aus einem Kaufbriefe des Jahres 1268
(1258?) hervor'^), worin als Käufer verschiedener Güter in
') Mitzschke a. a. O. Urk. Nr. 30.
'^) Ebenda Urk. Nr. 24.
^) Prudenti consilio usus pro placito nostri arbitrii suani queri-
moniam deposuit hac videlicet condicione, ut simplicem curam eius-
dem concambii in baptismate et sepultura absque uUa alia uti-
litate de nostra gratia consequeretur.
■*) Hiernach ist diese Zeitschrift XXIV, 54 zu berichtigen.
Jerisau war also niemals Filial von Glauchau. Wenn es 1320 von
letzterem heilst (von Ledebur a. a. O. S. 353): „Sunt ad minus duo
sacerdotes pro officiacione tenendi", so mufs man bedenken, dafs es
daselbst aufser mehreren Nebenaltären noch eine Kapelle in der Vor-
stadt (St. Nicolai, später Unserer Lieben Frauen) und in der Ober-
stadt (zum heiligen Kreuz) sowie die Schlofskapelle (St. Marien) gab.
(Eckardt a. a. O. S. 293—298, 310—313.)
^) Herzogliche BilMiothek zu Altenburg. Wagner, Collectanea
X, 409.
Der Pleifsensprengel. 21
Zschaschelwitz bei Altenljurg neben dem Pfarrer Günther zu
Gnandstein auch ehi „Beringerus plebanus in Geres'), tunc
pro tempore Plisnensis terre decanus (d. i. Erzpriester) auf-
geführt wird. Das Kirchspiel Jerisau aber lag nicht nur auf
dem linken Ufer der Mulde, woselbst aufser Weidensdorf-j
Lipprandis ihm angehörte, sondern erstreckte sich auch auf
das rechte und umfafste auch die Gemeinde des Filials Rein-
holdshain (mit Kleinbernsdorf ^) bei Remse), das seinerseits
östhch an die Meifsner Diözese stiefs. Wie es kam, dafs der
Pleifsensprengel hier die Mulde überschritt, müssen wir später
weiter erörtern.
Westlich reiht sich an Jerisau die grofse Kirchfahrt
Meerane an, die ja nicht nur auf ihren heutigen Umfangt)
beschränkt war, sondern auch bis 1861 als Filial Dennheritz
(mit Oberschindmaas) besafs. Über ihre Zugehörigkeit zum
Pleifsensprengel besitzen wir in dem Abschätzungsberichte
vom Jahre 1320') ein klares Zeugnis: ,,Item (sc. in archy-
diaconatu Plysnensi) Mare vacavit in primo anno, quod est
taxatum ad . . . marcas et solvit IV sexagenas grossorum Pra-
gensium nee plus dare potuit insi:»ectc) valore, oneribus in-
cumbentibus et super hiis iuramento rectoris et testimonio
vicinorum." Im Südosten dieser Parochie liegt Nieder-
schindmaas, trotz des ihm näheren Schlunzig als Filial der
Kirche zu Mosel zugeordnet. Etwa halbwegs zwischen beiden
fliefst der Scheidebach, der unterhalb von Schlunzig in die
Mulde mündet; an ihm lag einst das um 1350 im Schön-
burgischen Bruderkriege (zwischen Hermann VI. von Crim-
mitschau und Friedrich VII. von Glauchau) niedergebrannte
■■i Es ist also nicht mit Görnitz (?) he\ Borna zu identifizieren.
(Mitteil. d. Gesch. u. Altertumslorsch. Gesellsch. d. Osterl. X, 470.) Denn
classellie lag innerhalb der Merseburger Diözese (s. u.) an deren Süd-
grenze.
') Späterhin mufs es doch an Remse gekommen sein, obschon
die obige A1)machung sich auf die Nachfolger jenes Hugo ausdehnte.
(Ut ergo iste tenor mutuae conventionis inter nos et dominum H.
et eins successores possit perpetuo iure .stabiliri, dominus epis-
copus Udo sigillo suo fecit insigniri.)
^) Diese Zeitschrift XXIV, 54. Ich hatte hier dieses Örtchen
richtig dem Pleifsensprengel, jedoch irrtümlich der Parochie Remse
zugeteilt.
*i Er ward in der Reformationszeit (um 1528) durch den
Anteil von Kauritz (Parochie GiU'snitz) erweitert, den Ernst II. von
Schönburg besafs und von seinem ursprünglichen Kirchverbande
losrifs.
■''1 von Ledebur a. a. O. .S. 349.
2 2 Leo Bönhoff:
Dorf gleichen Namens, jetzt Wüstung „Sche(i)bicht" geheifsen').
Es bildete vielleicht mit dieser eingegangenen Ortschaft Nieder-
schindmaas vor jenem Unglücke ein Kirchspiel für sich und
sah sich dann aus Mangel an genügendem Unterhalt für seinen
Geistlichen zum Anschlufs an die südliche Nachbarpfarrei-)
ofenötioft. Nunmehr ist hier der Ort, auf Gesau, bekannt-
lieh bis 1884 Filial von Glauchau, zurückzukommen (s. o.j.
Wir erheben sofort die Frage, ob denn diese Verbindung
auch immer von jeher in Geltung war oder ob sie nicht etwa
erst im Laufe der Zeiten angeknüpft worden ist, am Ende
oar bei der Einführuno- der Reformation, die in den Schön-
burgischen Rezefsherrschaften am 18. Oktober 1542 erfolgte'').
Mit anderen Worten: da Gesau ein Pfarramt besafs, das
Glauchauer Geistliche verwalteten, so scheint dasselbe einmal
selbständig gewesen zu sein. Diese Meinung gewinnt noch
einen besonderen Anhalt an dem Umstände, dafs sowohl
Gesau (Jesaw) als das eingepfarrte Höckendorf (Hoendorf ) —
Schönbörnchen existierte wohl noch nicht — politisch als
Bestandteile der Herrschaft Meerane angesehen wurden*).
So nehmen wir denn keinen Anstand, eine frühere Filial-
verbindung mit der Pfarrkirche des gleichnamigen Marktes,
in dessen Gericht auch Gesau einst gehörte, für annehmbar
zu finden, die gelöst wurde, als es selbst die Rechte einer
Pfarrgemeinde gewann. Jedenfalls hat Gesau dem Pleilsen-
sprengel angehört, zumal es auch im Gau Plisni (s. u.i zu
suchen ist.
Wie wir bereits oben bemerkten, stiefsen sowohl der
Mulden- als auch der Pleifsensprengel, jener mit Lobsdorf-
Niederlungwitz, dieser mit Jerisau-Reinholdshain östlich an
die Meifsner Diözese. Die kleine Strecke, die sie mit dem
^) Schönbiirg. Geschichtsblätter III, 3, 166. Eckardt a. a. O.
S. 66. Diese Haustehde währte acht Jahre lang (1348 — 1355).
-) Zu ihrem Sprengel gehören noch heute Ol^errothenbach und
Helmsdorf, gehörte bis 1528 Niederhohndorf (Parochie St. Johannis-
Zwickau, vonnals Weifsenborn).
^1 Damals büfste z. B. auch die Pfarrei Niederwinkel ihre Selbst-
ständigkeit ein und trat als Filial derjenigen zu Altstadt -Waiden-
burg bei.
^) Dies geht aus dem Lehnbriefe hervor, den Kaiser Karl I\". im
Jahre 1361 ausstellen liefs. Er rührt aber aus einer Zeit her, wo die
Herrschaft Meerane sich nicht im Besitz der Glauchauer Linie des
Schönburgschen Hauses befand, sondern in dem der Crimmitschauer,
die 141 3 mit Sigismund ausstarl?. Der letztere verkaufte übrigens
Zinsen in Gesau (Gisa) 1386 an einen Glauchauer Bürger und be-
leibdingte seine Gemahlin unter anderem mit Hcickendorf (Heuken-
dorf l und den beiden (s. o.) Schindmaas. (^Eckardt a. a. O. S. 67.)
Der Pleilsensprengel. 23
Waldenburger Landdekanate ihrer Chemnitzer Kirchenprovinz
die Ost^renze des Pleifsner Archidiakonates und damit zu-
gleich des Naumburger Bistums begleitet, läfst sich leicht
mit Hilfe der Meifsner Matrikel bestimmen'). Diese Strecke
setzt sich aus den westlichen Grenzen folgender Kirch-
spiele zusammen: i. Oberwinkel (mit Ebersbach, Grum-
bach [Filial] und Tirschheim). — 2. Altstadt -Waidenburg.
— 3. Niederwinkel, bis 1542 selbständig (mit [Wasser-]
Uhlsdorf bis 1533). — 4. Kaufungen, welches der Frohn-
bach vom Gebiete der Merseburger Diözese (Zinnberg, Parochie
Penig) trennte (mit Herrnsdorf, das erst gegen Ausgang des
19. Jahrhunderts der Kirche des gegenüberliegenden Wolken-
burg zugeteilt wurde). Hiermit ist zugleich negativ gegeben,
was an Parochien auf Navimburger Seite, d. i. im Pleifsen-
sprengel, an das Bistum Meifsen grenzt: i. Remse, dessen
Pfarrkirche zu St. Georgen wohl von seiner Klosterkirche zu
unterscheiden ist (mit Weidensdorf [Filial, wie oben gesagt,
vordem bei Jerisauj und Kertzsch [seit 1533J sowie auf dem
rechten Muldenufer mit Örtelshain und Gersdorf, jetzt einer
Wüstung'-) zwischen Remse und Oberwinkel, die bereits 1390
vorhanden war und an welche noch heute der ,,Gersdorfer
Wald" erinnert). — 2. Waidenburg (mit Kertzsch [bis 1533],
Altwaldenburg und dem viel später angebauten Dörflein
Eichlaide^). — 3. Schlagwitz*). — 4. Wolkenburg (mit
^) Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte XVII, 148 ff.
-) von Weber, Archiv für die Sächsische Geschichte II, 74.
^) Ursprünglich gehörte auch Kertzsch zu Remse. Dann aber
erhob sich in den Jahren 1165 — 1172 das Schlofs Waidenburg mit
der Kapelle Mariae Magdalenae und bald darauf das Dorf Waiden-
burg (Altwaldenburg), dessen Einwohner sich samt denen von Kertzsch
zu diesem Gotteshause hielten. Der Kaplan aber war abhängig vom
Kloster Remse, dem die dortige Pfarrei inkorporiert war. Als nun
die Stadt Waidenburg gegenüber dem Markte Waidenburg, dessen
Pleban Petrus ihn bereits 1317 als „antiqua civitas" bezeichnet
(HStA. Dresden, Or. Nr. 2104), auf dem linken Ufer der Mulde an-
gelegt wurde, erhielt ihr Pfarrer Altwaldenburg und Kertzsch zu-
gewiesen und verlor letzteres infolge der Reformation. Im übrigen
trennte hier die Mulde die Bistümer Meifsen und Naumburg; denn der
Pimaische Mönch bemerkt: „Waldenbergk, eine Stat an der Mulda,
im bischtvmi czu Nawmburg, aber ober dem wasser, do
man gute thenene gevese macht (d. i. die Altstadt), ist dem l:)ischUun
czu Meisen czustendig." (Mencke, Scriptores rer. Germ. II, 1605.)
*) Es war bereits eine Pfarrkirche, als die Reformation 1528 ein-
geführt ward, kam aber als Filial zu Wolkenburg, weil beide ihre
Filiale Schwaben bez. Franken durch das Eingreiten Ernsts IL von
Schönburg eingebüfst hatten, und blieb es bis zum Jahre 1614, wo
es wieder selbständiir ward.
2A ^ . Leo Bönhoff:
Biensdorf, welches im Hussitenkriege zerstört^) ward, und
dessen Namen die herrschaftliche Schäferei fortpflanzt, und
Dürrengerbisdorf). Doch damit sind wir an die Grenze der
Merseburger Diözese angelangt, die auch hier auf dem linken
Muldenufer mit dem Gebiete der Parochie Penig-) anhebt.
Für die Feststellung der Grenze dieses Bistums fehlt
ims nun freilich selbst das winzigste Bruchstück einer Matrikel.
Allein einen gewissen Ersatz für den Teil seiner West grenze,
die hier mit dem Reste der östlichen des Pleifsensprengels
zusammenfällt, besitzen wir in einer etwas lückenhaften Auf-
zeichnung des Merseburger Domarchivs ■^), worin es heifst:
,,Hee sunt distinctiones limitum inter Nuenb(urgensem)
episcopatum et Mers(eburgensem): A villa, que dicitur
Pennendorp, per ascensum fluvii, qui dicitur Wira, usque
in rivum Luben et per ascensum Luben usque ad rivulum
Steinbach [in dextera parte pertinet dyocesi Merse-
burgensis] ecclesie, abinde per ascensum Luben in utraque
parte pertinet dyocesi Merseburgensis ecclesie. In Steinbach
pertinent hee ville: Steinbac et Steinbac, Wernherestorp,
Wetentorp, Marcwardestorp; Tirbach autem et Penec per
descensum Mulde pertinent Merseburgensi diocesi et ville
cetere." Wir müssen diese Angaben näher erläutern und vor
allem die Ergänzung der gröfseren Lücke rechtfertigen. Von
Benndorf ab, nicht früher scheidet die Wyhra, wenn man sie
stromauf bis zur Mündung des Leubabaches verfolgt, der am
Westende des altenburgischen Dorfes Langenleuba-Niederhain
mit ihr sich vermischt, die beiden Bistümer Merseburg und
Naumburg, so dafs jenes mit seinem Gebiete rechts (östlich).
") von Weber, Arch. f. d. Sachs. Gesch. II, 63.
2) Die ursprüngliche Pfarrkirche loefand sich auf dem linken
Muldenufer im Dorfe Penig (Altpenig), und das Gotteshaus in der
gegenüberliegenden Stadt Penig Avar anfangs ihr Filial, erlangte
jedoch auf Betreiben Burggraf Albrechts IV. von Akenbv;rg und seiner
GemahHn .Spinica vor 1313 die Parochialrechte und zog endlich die
ehemalige Mutterkirche als FiHal an .sich. Rechts der Mulde dehnte
sich die Parochie Penig zwischen dem Frohnbach im Süden und dem
Mühlbach im Norden aus vmd umfafste die Dörfer Zinnberg (mit der
gleichnamigen Burg), Tauscha und Chursdorf sowie l^is 1555 die
„Mühlauer" Seite von „Frone" (acht Bauern zu Nieder- und zwei zu
Mittelfrohna). Letztere zahlten noch 1555 Brückensteuer, d. h. zur
Unterhaltung des Kirchsteges, der einst ül>er den Flufs nacli dem
Gotteshause zu Altpenig führte. (Beiträge zur Sächsischen Kirchen-
geschichte XVII, 146 liebst Anm. 3 und 5.)
^) Kehr, Urkundenbuch des Hochstiits Merseburg I, 1077. Vgl.
Beitr. z. Sachs. Kirchengesch. XVII, 145 ff. (teilweise nach den obigen
Darlegungen zu berichtigen).
Der Pleifsensprengel, 25
dieses links (westlich) von ihr zu liegen kommt. Ein Gleiches
gilt aber auch voni Unterlaufe des Leubabaches bis zur
Mündung des von Süden her kommenden Steinbaches: auch
er trennt die beiden Bistümer auf der angegebenen Strecke
so, dafs Merseburg nördlich und Naumburg südlich derselben
in Frage kommt. Was aber dann nördlich und südlich (in
utraque parte) seines Mittel- und Oberlaufes zu finden ist,
fällt allein dem Merseburger Sprengel zu. Dieser ist auch
mit seinem Bereiche an dem Gebiete zwischen der Mulde
und dem Steinbach, östlich des letzteren, beteiligt, während das
Gebiet auf seinem linken (westlichen) Ufer unter dem Naum-
burger Banne steht. Ja, unsere urkundlichen Angaben be-
schreiben sogar den Umfang der Merseburger Grenzpfarrei
Steinbach (heute: Niedersteinbach): Ober- und Niederstein -
bach sächsischen Anteiles (links des Baches liegt nämlich
Steinbach altenburgischen Anteiles), Wernsdorf und Markers -
dorf, d. h. die nördliche Dorfseite, während die südliche oder
,, Kapellenseite" nach Penig pfarrte; die eine mit aufgeführte
Ortschaft ,,Wiedendorf" ist wüst geworden und mufs ober-
halb von Langenleuba- Oberhain gesucht werden^). Ferner
werden in jenen Angaben aus der Kirchfahrt Penig das Pfarr-
dorf selbst (Penec), da von ,,ville cetere" die Rede ist-),
mithin Altpenig, sowie das eingepfarrte Thierbach (Tirbachi,
das an die Xaumburger Parochie Wolkenburg grenzt, nament-
lich hervorgehoben. Daraus ergibt sich zugleich, dafs die
ganze Grenzbeschreibung vor das Jahr 13 13 (s. o.) fällt, wo
die Stadtpfarrei Penig ins Leben trat.
Penig, von dem wir zum Überflufs mitteilen, dafs sein
Diözesanbischof Heinrich III. von Merseburg im Juli des eben
gedachten Jahres die Umwandlung seiner Pfarrei zu einer
Propstei des Chemnitzer Bergklosters genehmigte^), und
Niedersteinbach wären somit erledigt. Einer eingehenderen
Betrachtung der früheren kirchlichen Verhältnisse bedarf es
noch bei Langenleuba-Niederhain. Langenleuba bestand
von jeher aus zwei Dörfern, dem jetzigen Ober- und Nieder-
hain. Letzteres wird eingeteilt in die Altgemeinde mit dem
Edelhof, in die Unter- und in die Obergemeinde, welche
ihrerseits durch die Leuba in eine ,,Grofse" und ,, Kleine"
Seite, die erstere mit der Kirche, zerlegt wird. Der Ritter-
' I Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. VII, 417.
-) Unter ihnen sind doch wohl am besten die ungenannten Bei-
d<)rfer der Kirche zu Altpenig; zu verstehen.
^) Cod. dipl. Sax. reg. II, 6. Nr. 329—335. ^'gl. Mitteilungen des
König]. Sachs. Altertumsvereins XXVI, iggff.
26 Leo Bönhoff:
sitz und die Häuser der Alt- und der Untergemeinde liegen
zwischen der Wyhra und der Leuba, also südlich des
letzteren Gewässers; das gilt ebenfalls von der „Kleinen"
Seite der Obergemeinde. Bis zum Jahre 1614, ,,seindt die
auff der Kleinen Seiten", wie der damalige Pfarrer Michael
Müllner mitteilt, ,,in die Capella aller Heiligen auffn Edel-
hoffe", die ein Filial der Pfarrkirche zu Lohma a. d. Leina
war, ,,gepfarret gewesen, haben aber die Sacramente zu
Lohma suchen müssen, seindt aber nunmehr zu St. Niclafs
vndt zu der Grofsen Seiten geschlagen"'). Im Jahre 1296
bestätigte nun Bischof Bruno von Naumburg dem ßerger-
kloster zu Altenburg das Patronatsrecht über die Pfarrkirche
zu Lohma und deren Filial (jus patronatus parrochialis ecclesie
ibidem [in Lom| cum cappella omnium sanctorum in Luoben,
predicte parrochie lilia), welches dasselbe am 16. Oktober 1295
einem Vasallen der Vögte von Plauen, Hermann von Mutschau
auf Lohma, und seinen Erben abgekauft hatte. Zugleich ge-
nehmigte er die Verwendung einiger Einkünfte der Pfarrei
für das Kloster und eventuell ihre Besetzung durch einen
seiner Konventualen, nur dafs dieser gehalten sein solle, in
geistlichen Dingen dem Naumburger Archidiakonus zu ge-
horchen-). Als solchen bezeichnet er den Grafen Hermann
von Neuenburg, den er ,,Plisnensis terre archidiaconus" nennt
— ein deutliches Zeugnis dafür, welcher Diözese und Kirchen-
provinz dieser Teil von Langenleuba- Niederhain angehörte,
wie auch dafür, dafs wir die Angaben der Merseburger Grenz-
beschreibung richtig deuteten: die gedachte Parochie liegt
westlich der Wyhra und südlich der Leuba.
Wir können aber die Richtigkeit der Interpretation weiter
prüfen: Bischof Heinrich IV. von Merseburg bestätigt seiner-
seits ebendemselben Bergerkloster 1349 das Patronatsrecht
über die Pfarrkirche in Langenleuba-Oberhain, welches Burg-
graf Otto I. von Leisnig 1337 ihm geschenkt hatte: es ge-
hörte zum Leibgedinge seiner Gemahlin Elisabeth, wie sie
selbst 1338 erklärt. Er spricht nun von der superior ecclesia
in Luben, der Bischof von der ecclesia parochialis in superiore
Luben'^). Beide Ausdrücke setzen eine inferior ecclesia in
Luben oder eine eccl. par. in inferiore Luben voraus, und
der erstere vorzüglich legt es nahe, sie in der gleichen Diözese
1) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellscb. d. Osterl. VII,
405, 413!
■■^) Schmidt a. a. O. I, 143, Nr. 299 und 152, Nr. 312.
'■^) Mencke, Script, rer. Germ. III, 1085 — 1088.
Der Pleilsensprengel. 2y
zu suchen: es ist die St. Nicolaikirclie in Langenleuba-Nieder-
hain, bestimmt für die „Grofse" Seite der dortigen Ober-
gemeinde oder für „Mittelleuba", wie es seit dem i6. Jahr-
hundert heifst, darum auch ,,in alten schieden die Mittelkirche"
genannt, mit ihrem Filial Neuenmörbitz, wohin auch Schöm-
bach kircht. Sie befand sich unter den Pfarreien, deren
Patronatsrecht 141 3 dem Georgenstifte zu Altenburg über-
lassen ward^). Leider gestattet die Ordnung der Namen
dieser Parochien keinen Schlufs darauf, ob sie ins Bistum
Naumburg oder Merseburg gehöre. Auch hat man dagegen
eingewendet, die Pfarrstelle zu Langen! euba-Niederhain sei ja
1528 derer von Zschadrafs Lehen-). Allein war nicht
ebenso Elsterberg, das doch 141 3 genau so gut wie Langen-
leuba-Niederhain mit seinem Pfarrlehn an das Stift pelanfft
war, 1529 derer von Bünau Lehen?'') Es wird hier genau
wie in Bocka bei Frohburg zugegangen sein, wo der Laien-
patron (einer von Einsiedel) die Nomination des Pfarrers,
das Georgenstift aber ,,die Beth", d. h. die Präsentation, aus-
übte ■*). Vor allem aber wird es sich um die Erhebung einer
Jahresrente (pensio) von dem betreffenden Pfarreinkommen
gehandelt haben: sie betrug für Langenleuba-Niederhain an-
fängUch 6 Schock Groschen, ward aber bereits 1432 auf die
Hälfte herabgesetzt'^). Dafs übrigens die von Zschadrafs
bereits früher Kirchenpatrone von Langenleuba-Niederhain
waren, ersieht man daraus, dafs einer von ihnen, namens
Dietrich, mit zwei anderen Adligen, Nicklas von Born
und Albrecht von Kaufungen, wegen der dortigen Pfarrei
einen Streit hatte, weshall) sie sich an Papst Bonifaz VlIL
(1295 — 1303) wandten, der eine Resolution an den Bischof
von Merseburg in dieser Angelegenheit erliefs*^). So lag
') Jedenfalls aber verbietet sich damit der Versuch, dieses Lubin
mit Lübben in der Niederlausitz zu identifizieren, da es im ßistimi
Meifsen lag und überdies seine Pfarrei mit der Pfründe des Archi-
diakonus der Lausitz verbunden war. (Gegen Mitteil. d. Gesell, u.
Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. VII, 420 f.)
'-) Lobe a. a. O. I, 269.
*) Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i.V. 6, XXIII: Der
pfarrer zu Elsterburg, her Heinrich von Buuaw doselbst, von den
von Bunaw doselbst belehent.
^) Lobe a. a. O. I, 61 3 f. Ein Analogen bietet die Parochie Pohl
bei Plauen i.V., deren Kirchlehen dem Deutschen Orden zustand,
während die von Pohl auf die Wahl des Pfarrers ihren gesetzlichen
Einflufs hatten. (Schmidt I, 349, Nr. 722.)
•^) Mitteil. d. Gesch. u. Altertiunsforsch. Gesellsch. d.Osterl. III, 341 ff.
^) Wagner, Collectanea XIII, S. 8. (Gegen Mitteil. d. Gesch. u.
Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. X, 523.)
28 Leo Bönhott':
denn auch Langenleuba-Niederhain (Mittelleuben), jedoch ohne
die Alt- und Untergemeinde und die „Kleine" Seite der Ober-
gemeinde, wie Langenleuba- Oberhain (Oberleuben) in der
Merseburger Diözese.
Zu ihr müssen auch gemäfs den Angaben der obigen
Grenzbeschreibung, weil sie östlich der Wyhra sich aus-
dehnen, folgende Kirchspiele aufser den vier bereits genannten
gerechnet werden: i. Altmörbitz, woselbst 1353 eine Kirche
(St. Martin und St. Catharinen) und ein Pfarrer (Nicolaus) nam-
haft gemacht werden^). — 2. Rüdigsdorf; die Orte Neu-
hof und Pflug, nach dem bekannten adligen Geschlechte be-
zeichnet, sind, wie ihre Namen beweisen, Anlagen einer
jüngeren Zeit. — 3. Kohren; das Patronatsrecht hatte hier,
wie eine Urkunde aus dem Jahre 1292 zeigt, Markgraf Heinrich
der Erlauchte mit seinen Söhnen Albrecht und Dietrich (f 1285),
also vor diesem eben genannten Jahre, dem Deutschen Ordens-
hause zu Altenburg verehrt, und als es 1303 den Brüdern
desselben durch die weltlichen Besitzer Kohrens strittig ge-
macht ward, entschied der Merseburger Bischof Heinrich III.
durch seinen Kommissar, den Archidiakonus Ulrich, zu ihren
Gunsten-). — 4. S3'hra mit Theusdorf und Eckersberg sowie
noch im Jahre 1540 mit dem Filiale Roda, wie die alber ti-
nischen Visitationsprotokolle besagen'^); aus ihnen erhellt zu-
gleich, dafs der Pfarrer von Ossa noch Kirchenpatron zu
Syhra war, dafs also seine Vorgänger früher einmal die
dortige Parochie, wie sie sich 1540 vorfand, als einen Teil
ihres Pfarrbezirks mit verwaltet haben. Natürlich wissen wir
nicht, wann Syhra seine kirchliche Beziehung zu Ossa gelöst
hat, von der ja jener Patronat genügend Zeugnis ablegt. Diese
rückwärtige Verbindung aber sichert ohne weiteres die Zu-
gehörigkeit Syhras mit Roda (selbständig erst seit 1580)*) zum
Sprengel des Bischofs von Merseburg. — 5. Greifenhain;
dahin pfarrte '(auch noch heute) links (westlich) der Wyhra,
wo eigentlich Naumburger Diözesangebiet (s. o.) anhob, der
Ort Wolftitz, freilich ausschliefslich des dortigen Rittergutes
(Parochie Eschefeld). Allein diese kleine Unebenheit glich
sich dadurch aus, dafs Wüstenhain (Parochie Gnandstein),
*) Seh Ott gen, Diplom, et Script. II, 337.
2) Kehr a. a. O. S. 448, 502.
ä) HStA. Dresden, Loc. 10599. Visit, sampt ders. Instrukt. u.
Vertheil. d. Superattend. im Fürstent. Meilsen etc. 1540 fol.42ib.
*) Allerdings wechselte es bis dahin seit 1540 noch zweimal
seine Mutterkirche: zuerst ward es zu Niedergräfenliain, dann zu
Greifenhain geschlagen.
Der Pleil'sensprengel. 29
wenn schon rechts (östhch) der Wyhra gelegen, gleichwohl
dem Bistum Naumburg zustand. — 6. Benndorf, dessen
Patronatsrecht durch Übertragung seitens Dietrich Lists da-
selbst im Jahre 1352 an das Chemnitzer Bergkloster mit mark-
gräflicher Bewilligung gedieh'). Von einer Bestätigung des
Älerseburger Bischofs, der hierbei auch'-) in Frage kommt, ist
urkundlich nichts bekannt.
Nachdem wir den Anteil Merseburgs östlich des Pleifsen-
sprengels festgestellt haben, wollen wir, ehe wir denselben
nördlich dieses Bezirkes bestimmen, erst die Parochien des
letzteren namhaft machen, die dem ersteren Anteile gegen-
überliegen. Es sind: i. Froh bürg. Hier genügt es, auf
die Angaben des oft berührten Abschätzungsberichtes aufmerk-
sam zu machen'^): ,,Item in archydiaconatu Pl3'snensi: ecclesia
in Vroburg vacavit in primo anno, que est taxata ad X
marcas, solvit VII sexagenas grossorum Pragensium nee plus
solvere potuit, quia totus valor vix se ad taxum extendit in-
spectis oneribus incumbentibus pro officiacione et iuramento
rectoris, quod terminum solvere non potuisset." — 2. Esche-
feld mit dem Rittergute zu Wolftitz (s. o.), wobei allerdings
die Frage zu erwägen sein dürfte, ob nicht ursprünglich dieser
ganze Ort, zumal er diesseits der V^yhra sich erstreckt, eben-
falls nach Eschefeld kirchte. — 3. Gnandstein mit Dolsen-
hain (Dolsenaw) und Wüstenhain (s. o.). Ein kirchlicher Er-
lafs vom 22. April 1362 zählt seinen Pfarrer genau wie die-
jenigen zu Zeitz, zu Altenburg und zu Frohburg (Nr. i) zur
Naumburger Diözese*). — 4. Lohma a. d. Leina mit seinem
Anteile an Langenleuba-Niederhain, den wir bereits ermittelt
haben. — 5. Flemmingen mit Steinbach altenburgischen An-
1) Cod. dipl. Sax. reg-. II, 6. Nr. 358. Vgl. Lippert-Beschorner,
Lehnbuch Friedr. d. Ernsth. XVII, 16.: Theodericus de Drenowe . . .
in Bennendorf . . . V2 allodium cum iure patronatus. (HStA. Dresden,
Cop. 25. fol. 42. Die Frau des eben Genannten, Kuneganide, empfängt
zum Leibgedinge: 5 mc. redd. in Bennendorf cum Va allodio .... cum
universis suis iuribus, attinenciis et utilitatibus.)
•2) N. Sachs. Kirch.-Gal. Eph. Borna. Art. „Benndorf".
8) von Ledebur a.a.O. S. 348f. Im Jahre 1413 erhielt das
Georgenstift zu Altenburg den Patronat über die Pfarrstelle, deren
Inhaber 8, dann seit 1432 nur 4 Schock an seinen Prokurator zahlten.
(Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. III, 342 f.)
*) Cod. dipl. Sax. reg. II, 6. S. 323, 6 bis 10: discretis viris ....
in Citz, in Aldemborg, in Froborg et in Gn an st ein . . . . Nuem-
burgensis .... dioces. ecclesianmi rectoribus. Im Jahre 1268 (1258)
tritt neben dem Dechanten des Pleifsnerlandes, Pfarrer Berino;er von
Jerisau (s. o.), also seinem nächsten Vorgesetzten, der Pleban Günther
von Gnandstein auf.
^o Leo Bönhoff:
teils (s. o.) und Jückelberg. — 6. Wolperndorf (bis 1545 ohne
seine beiden heutigen Filiale, also überhaupt ohne jegliches Bei-
dorf'). — 7. Wolkenburg (s. o.), bei dem noch zu bemerken
ist, dafs im Jahre 1308 die Gebrüder Unarch und Heinrich,
Herren von Waidenburg, mit seiner Pfarrkirche zu St. Georgen
und St. Moritz einen Tauschkontrakt unter Vermittelung der
Kollatoren, Volrads und Ottos, Herren von Colditz, und unter
Beistimmung Bischof Ulrichs I. von Naumburg, nebenbei be-
merkt, des Neffen derselben (s. u.), abschliefsen-).
Wir kehren an die Wyhra bei Benndorf zurück, von wo
ab sie zuerst, und zwar nach Süden zu, d. i. stromauf, die
Grenzscheide der zwei Diözesen Merseburg und Naumburg
darstellte. Nunmehr handelt es sich darum, das Stück des
südlichen Grenzzuges, den die erstere von Westen her auf
Benndorf und die Wyhra zu einschlägt, näher zu kennzeichnen,
1) Lobe a. a. O. I, 578. Ebenda heilst es (S. 580), die Kirche zu
Wolperndorf, der Walpurgis geweiht, sei anfänglich eine blofse
Kapelle gewesen, da mitten durch die Felder zweier Bauern sich ein
sogenannter „Pfaffensteig" hinziehe, der nach Meerane (,? ?) und Göfs-
nitz (?) führe, und ein Bauer auf seinem Gute einen „Pfaffenstall"
für die Pferde der von dort (?) ankommenden Geistlichen habe unter-
halten müssen. Diese Angaben treffen gewifs bis auf einen Punkt
zu: unmöglich kann nämlich eine von den beiden weit entfernten
Kirchen die ecclesia matrix Wolperndorfs sein, zumal auch noch
andere Parochien dazwischen liegen. Sehen wir uns nach der rechten
Mutterkirche um, so wird, wenn wir der angedeuteten Richtvmg des
Pfaffensteiges folgen, hier keine andere als die Kirche zu Ziegelheim
als solche in Ansprach zu nelmien sein. Ihr Sprengel war einst viel
ausgedehnter als heute, wo er nur die l)eiden Orte Uhlmannsdorf
und Niederarnsdorf nebst einem Handgute in Hoversdorf umfafst.
Denn 1533 verlor sie infolge der refonnatorischen Bewegung nicht
weniger als fünf Dörfer, darunter zwei Filiale, an die benachbarten
Pfarreien, nämlich Göpfersdorf, Garbisdorf und Hinteruhlmannsdorf
an Flemmingen, Hoyersdorf (ohne jenes Handgut) an Nieder-
wiera und Nirkendorf an Ehrenhain (damals Fuchshain). Es wäre
also wohl denkbar, dafs Wolperndorf, und auch durchaus nicht un-
möglich, dafs Flemmingen mit Beiern, Steinbach, Jückelberg und
dem Filiale Frohnsdorf der Seelsorge der Pfarrer von Ziegelheim,
deren urkundlich zuerst 1254 gedacht wird (Mitzschke a. a. O.
S. 109: Hugo, plebanus de Cygilheim), vordem unterstellt gewesen
sind. Vgl. dazu von Ledebur a. a. O. S. 348, 351: ,Jtem in archv-
diaconatu Plysnensi . . . . ecclesia in C3'gelheym, que est taxata
ad X marcas, vacavit' in secundo anno per constitutionem ,Licet
canonicum': collacio spectat ad laycos; solvere debuit V sexagenas
grossorum Pragensium et unam sexagenam solummodo solvit pro
residuo ille, qui possedit ecclesiam (der Pfarrer), quia adhuc stat in
lite Tres sacerdotes ad minus (für die Filiale) in ipsa
requiruntur; totus valor illius anni fuenmt XIV marce."
^) Alte Sachs. Kirch.-Gal. X, 90 a.
Der Pleifsensprengel. 21
obschon hier unsere Hilfsmittel ganz kärglich bemessen sind.
Natürlich stellen wir damit zu gleicher Zeit auch das ent-
sprechende Stück des nördlichen Grenzzuges der Naumburger
Diözese und, worauf es uns doch vor allem hier ankommen mufs,
die Nordgrenze des Pleifsensprengels in ihrer ganzen Länge
dar. Die Linie des bewufsten Grenzzuges läuft nun, soweit sie
unserem Zwecke dient, von der Wyhra (OSO.) bis an die
Schnauder (WNW.), wobei sie zwischen den beiden Städtchen
Lobstädt (1214: Lopschitz) und Regis (1228: Riguz) die Pleifse
überschreitet. Sie ist nicht minder insofern von Bedeutung,
als sie längs der angegebenen Strecke auch die Grenzmark
der beiden sorbischen Gaue Chutizi (Diözese Merseburg)
und Plisni (Diözese Zeitz-Naumburg) bezeichnet. Schauen
wir uns nach Richtpunkten für den Verlauf dieser Linie um,
so ergeben sich als solche an der W3'hra, wie wir bereits
oben bemerkten, Benndorf und Frohburg, an der Schnauder
(unfern derselben) Groitzsch und Lucka. Bischof Hein-
rich III. von Merseburg rechnet die Pfarrei Groitzsch, bei
ihrer Übertragung an das Cisterzienserinnenkloster zu Langen-
dorf (bei Weifsenfeis) im Jahre 13 17, zu seinem Sprenget).
Sie besafs aber einen beträchtlicheren Bezirk als heute; denn
mit ihr war aufser ihren jetzigen Beidörfern noch 1540 als
Fihal die Parochie Pödelwitz, jedoch ohne Piegel, sowie
bis 1533 mit Oellschütz (Parochie Hohendorf) und Drofsdorf
(Parochie Kieritzsch) verbunden. An die Pfarrei Groitzsch
stiefs ferner früher im Süden das Kirchspiel von Lucka, das
mit Ausnahme seines früheren Fihals (bis nach 1545) und
heutigen Beidorfs Nehmitz am linken Ufer der Schnauder liegt.
Denn mit Obertitz (Parochie Groitzsch) grenzte ja Langen-
hain (Parochie Michelwitz) zusammen, das anfänghch wie auch
Wildenhain (Parochie Ramsdorf) nach Lucka kirchte. Über-
haupt scheint letzteres noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts
neben seinen vier heutigen Beidörfern (Nehmitz, Berndorf,
Teuritz und Hagenest) und den beiden soeben genannten die
Parochien Pröfsdorf-) und Breitenhain (s. u.) mit Hemmen-
dorf (sächs.) im Altenburgischen sowie Ruppersdorf mit
*) Kehr a. a. O S. 579: ec(c)Iesiam in Groyzch nostre dyocesis.
Vgl. ebenda S. 272.
2) Das älteste Gotteshaus des Ortes ward in den Jahren 1352
bis 1360 durch Bischof Rudolf von Naumburg wohl als Pfarrkirche
geweiht und 1 505 als Filial mit derjenigen zu ßreitenhain verbunden.
Das Beidorf Bünauroda ist erst 1700, wie sein Name besagt, durch
einen von Bünau auf Rodeland angelegt worden. (Lobe a. a O
I. 179 ff.)
2 2 Leo Bönhoff:
Bosengröba im Sächsischen^), also im ganzen elf Ortschaften
im Bereiche seiner Pfarrgrenzen aufgewiesen zu haben.
Solches würden auch die auf Lucka bezüglichen Angaben
vom Jahre 1320 nahelegen, welche lauten'-): ,,In preposi-
tura Cycensi .... ecclesia in Lukowe vacavit in secundo
anno per constitutionem ,Execrabilem', cuius collacio spectat
ad marchionem Misnensem, que taxata est ad XVI (!) marcas
et solvit IV marcas et plus dare non potuit, quia opidum
destructum fuit per bellum, quod habuerunt homines regis
Alberti cum marchione Misnensi ibidem, et desolatum pro
majori parte et per expugnationem castri in Breytinhain,
quod expugnavit marchio Misnensis, propter quas causas
parochiales'^) effugerunt; offertorium periit ad census: iste
cause sunt notorie, et nihilominus rector iuratus deposuit . . .,
quod plus solvere non posset supportatis oneribus incum-
bentibus, quantum ad divina officia, quia ipsum oportet
teuere duos sacerdotes." Jedenfalls geht aber klar her-
vor, dafs innerhalb des Naumburger Bannes alles Gelände
links der Schnauder nur für den Archidiakonat, den der
Zeitzer Stiftspropst verwaltete, die ,,praepositura Cicensis", in
Anspruch genommen werden darf.
Wir begeben uns an das rechte Ufer der Schnauder:
hier entfallen die Orte Oellschütz und Drofsdorf (Parochie
Groitzsch-Pödelwitz noch im Jahre 1533) auf die Merse-
burger Diözese, während Hohendorf mit Schleenhain,
dessen Kirche noch heute das Wappen eines Naumburger
Bischofs schmückt, dadurch als Grenzparochie dieses Sprengeis
deutlich erwiesen ist. Folgen wir der Richtung, die hiermit der
Grenzlinie gegeben wird (Ostsüdost), bis zur Pleifse und weiter
bis zur Wyhra, so wären folgende Kirchspiele zur Diözese
Merseburg zu schlagen: i. Breunsdorf mit seinem Filiale
') Bezeichnenderweise ruht ihr Patronat aut dem Rittergute des
bis zum Jahre 1533 nach Lucka eingepfarrten Wildenhain.
-) Ledebur a. a. O. S. 336, 339.
^) Zu den Pfarrkindern zählten damals also auch die Bewohner
von Schlofs (und Dort) Breitenhain. Hier bestand wohl von jeher
eine Kapelle; der Chor der jetzigen Kirche in romanischem Stile mit
Rundbogen, schmalen kleinen Fenstern und rohem Gesims sowie die
halbkreisförmige, gewölbte Apsis mit noch schmäleren, kleineren
Fenstern stammen wahrscheinlich von ihr. Eine Pfarrei entstand
vermutlich durch das Zutun der Burggrafen von Starkenbero;,
die auf Breitenhain in derZeit von 1 347 — 1 425 safsen. Wiederhergestellt
ward sie 1505, nachdem sie längere Zeit (aliquamdiu) von Lucka
aus, ihrer alten Mutterkirche, mitverwaltet worden war, durch Günther
von Bünau. (Lobe a. a. O. I, 177, 179.)
Der Pleifsenspvengel. 33
Heuersdorf; am 22. Januar 1297 schenkte Friedrich III. der
]üno-ere von Schönburg samt seinen drei älteren Brüdern der
Stiftung seiner Ahnen, dem Kloster der Benediktinerinnen zu
Geringswalde, beide Ortschaften und fügte am 14. Oktober
1299 noch das dortige Rittergut nebst dem Kirchlehn hinzu,
in dessen Genufs die Nonnen bis zum Jahre 1542 ungestört
verbheben-"). — 2. Grofshermsdorf. — 3. Deutzen mit
Röthigen. (1105: Monichoroth .... in burcwardo Groiska ....
inter fluvios Wira et Snndra, vgl. Cod. dipl. I, 2. Nr. 7) —
4. Görnitz mit Hartmannsdorf. — 5. Zedtlitz mit Raupen-
hain und Plateka. Da nun aber die Wyhra erst bei Benn-
dorf als Diözesangrenze eintritt, so mufs man auch (6.) die
Pfarrei zu Wyhra, die ebenfalls bis zum Jahre 1542 dem
Kloster Geringswalde zustand, dem Bistum Merseburg zu-
schreiben, zumal noch dazu kommt, dafs die Hochebene
zwischen Wyhra und dem westlich davon gelegenen Thräna
(Parochie Treben), die sogenannte Droganer Mark, die Grenze
zwischen den Gauen Chutizi und Plisni bezeichnet'-), W^yhra
mithin dem ersteren (Diözese Merseburg) zuweist. Demnach
schliefsen sich der Naumburger Grenzpfarrei Hohendorf
folgende weitere nach Osten zu an: i. Ramsdorf, dessen
Pfarrer noch heute Ansprüche an die Vergünstigungen der
Zeitzer Prokuraturkasse hat und dessen Kollaturrecht vor-
dem in den Händen des Zeitzer Kollegiatstiftes lag, was ja
zur Feststellung Naumburg als seiner Diözese gr-enügen dürfte.
— 2. Breitingen mit Haselbach, das von ihm, dieweil es
,,Zceitzer stiffts" war, 1533 getrennt und ,,mit dem pfar-
recht gegen Treben (s. u.) geweyset" wurde, aber bereits
im Jahre 1545 wieder zu seiner alten Mutterkirche zurück-
gekehrt war'^). — 3. Regis mit seinem Filial Blumroda;
bereits im Jahre 1228 erscheinen ,,castrum et oppidum in
Riguz cum suis appendiciis" unter den Liegenschaften des
Bistums Naumburg*). Unter diesen Zubehörungen hat man
imter anderem auch den Patronat über die Kirche zu Regis
und Breitingen zv; verstehen, welche letztere vordem ein Fihal
der ersteren, wie es heute noch Blumroda ist, gewesen sein
') Tobias, Reoesten des Hauses Schönburg I vmter den Jahren
1297 und 1299. In dem ersten Dokumente ist nur von Brunigisdorf
und der villula adiacens die Rede. Indes ein altes Zinsregister
von Geringswalde besagt: „Der richter czw brewnssdorflf fordirt
eyn den czehennd czw heyerssdorff do bey gelegenn."
-) Lobe a. a. O. I, 523.
^) Ebenda I, 612.
*) Lepsius a. a. O. Urk. Nr. 56.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. i. 2. 3
■JA Leo Bönhoflf:
wird. Dieses kirchliche Besetzungsrecht, das auf dem Schlosse
zu Regis ruhte, ging auf Breitingen über, nachdem der Herren-
sitz dahin verlegt worden war; so ist denn noch jetzt der
Besitzer des Rittergutes Breitingen Kollator daselbst und zu
Regis. — 4. Treben mit Thräna, Serbitz und Palma; seine
Kirche eignete König Philipp am 27. September 1200 dem
Altenburger Bergerkloster zu und Bischof Berthold von
Naumburg genehmigte es 1204, wobei er die Einsetzung
eines Pfarrers dem Konvente mit der Bedingung überliefs,
dafs ein solcher in geistlichen Angelegenheiten dem Pleifsner
Archidiakonus unterworfen sein solle^).
Wir sehen also, wie die Grenze der Bistümer Merseburg
und Naumburg nordöstlich von Blumroda die Richtung nach
Ostsüdost verläfst und dann eine Strecke lang diejenige nach
Südsüdost einschlägt, um bei der Nordostecke der Waldung
Pahna wieder in die alte Richtung zu verfallen und so die
Wyhra bei Benndorf zu erreichen, dessen Südgrenze die
Naumburger (5.) Pfarrei Frohburg (s. o.) mit Kleineschefeld
berührt. Wohl haben wir als Kirchspiele im Naumburger
Banne bisher längs der Nordgrenze zwischen Schnauder und
Wyhra Hohendorf, Ramsdorf, Breitingen, Regis, Treben und
Frohburg ermittelt und konnten die beiden letzteren bereits
auf Grund klarer Zeugnisse dem Pleifsensprengel zuteilen.
Allein wie verhält es sich in dieser Hinsicht mit den vier
ersteren? Da die Parochie Treben mit dem sooenannten
Kammerforste an ihrer Westgrenze an die Schnauder stöfst,
die wir als Grenzscheide zwischen dem Pleifsen- und Zeitzer
Propsteisprengel erkannt hatten, und Haselbach nach Brei-
tingen pfarrt, so sind auf jeden Fall für die erstere Kirchen-
provinz Regis und Breitingen durchaus gesichert, und mit
der beiderseitigen Nordgrenze ist zugleich auch die ihrige
gegeben. Hohendorf und Ramsdorf jedoch, die beide am
rechten Ufer der Schnauder gelegen sind und im Norden an
die Merseburger Diözesangrenze sich lehnen, werden im
Westen und Süden vom Gebiete des Zeitzer Propstei-
sprengels umfafst, nämlich von der Parochie Lucka, die
sogar mit ihrem Beidorfe Nehmitz auf das rechte Ufer der
Schnauder hinübergreift. Sie geben also eine passende Ab-
rundung für diese Kirchenprovinz einerseits nach dem Bis-
tume Merseburg, andererseits nach dem Pleifsensprengel
hin ab, während letzterer, schrieben wir ihm beide Paro-
chien zu, auf einmal jählings nach Westen vorprellen
'j Lobe a. a. O. I, 513.
Der Pleifsensprengel. 35
würde. Zudem stand Ramsdorf in Beziehungen zu dem Stifte
Zeitz, womit seine Zuteilung zu dem Archidiakonate, den
dessen Propst zu beaufsichtigen hatte, noch erklärUcher wird.
Liegt aber Ramsdorf in diesem Verwaltungsbezirke, gilt von
Hohendorf wegen seiner nordwestlichen Lage selbstverständ-
lich ein Gleiches. Ramsdorf ist demnach die nördlichste
Grenzpfarrei an der Ostgrenze des Zeitzer Propstei-
sprengels, an der entlang die West grenze des Pleifsen-
sprengels läuft, und zwar hoch vom Norden her bis tief in
den Süden hinunter, das Tal der Schnauder hinauf und in
mancherlei Windungen bis in die Gegend nordöstlich der
vootländischen Stadt Auerbach,
Es ist eine grofse, langausgedehnte Strecke, die wir da
zu begehen haben! Der Übersicht wegen zerlegen wir sie
in drei Abteilungen, wobei wir uns den modernen politischen
Verhältnissen anschliefsen: das erste (nördhche) Stück betrifft
Preufsen (Kreis Zeitz) und Reufs-Gera, das zweite (mittlere)
Sachsen- Altenburg (Ronneburger Pflege) und Sachsen-Weimar
(Amtsbezirk Weida), das dritte (südliche) Reufs- Greiz und
das Königreich Sachsen (Amtshauptmannschaft Zwickau).
Jede dieser drei Teilstrecken behandeln wir dergestalt, dafs
wir die beiden Kirchenprovinzen, um die es sich hier handelt,
mit ihren Grenzkirchspielen einander gegenüberstellen. Was
die erste Teilstrecke anbelangt, so kennen wir bereits drei
Parochien an der Ostgrenze des Zeitzer Propsteisprengels:
Ramsdorf, Lucka (durch Wildenhain) und Ruppersdorf, woraus
wir uns für die weitere Verfolgung des fraglichen Grenz-
zuges die Direktive entnehmen, nur rechts der Schnauder das
Gebiet des Pleifsensprengels zu suchen. Nun mag hier ein-
geflochten werden, dafs gemäfs dem kanonischen Grund-
satze, dafs kirchliche Verwaltungsbezirke weltlichen sich an-
schliefsen sollen, wie ihn das Konzil zu Chalcedon aufgestellt
hat, der Zeitzer Propsteisprengel unter anderem auch die
sorbischen Gaue Puonzowa und Ger aha in sich beschlofs.
Die Ostgrenze des ersteren, die demnach einen Bruchteil der-
jenigen dieses Archidiakonates repräsentieren würde, deckt
sich aber zu einem Teile, und zwar dem südlichen, d. h. gerade
auf der Strecke, auf die es uns hier ankommt, mit der Ost-
grenze des Gerichtes zum ,, Roten Graben" bei Zeitz. Die
Beschreibung dieses Teiles, die wir der Urkunde Markgraf
Dietrichs von Landsberg aus dem Jahre 1286 entnehmen,
möge folgen'): ,,Ne autem super terminis eiusdem sedis iudi-
*) Lepsius a. a. O. Urk. Nr. 76.
3*
36
Leo Bönhoff:
cialibus unquam dubietas oriatur, villas infra scriptas.
videlicet Ziplawendorf (Zipsendorf), Mutzelbuce
(Meuselwitz), partem illam, in qua sita est ecclesia,
Nizmen (Nifsma), Lubitz (Lobas), Zcocklitz (Wüstung!),
Zcetebel (Zettweil), Choyne (Kayna), Brockowe (Bröckau)
ad predictam sedem iudicialem recognoscimus
libere pertinere." Auf diese Angaben gestützt, vermögen wir
nachstehende Kirchfahrten dem Zeitzer Propsteisprengel zu-
zuweisen: I. Zipsendorf mit Schnauderhainichen und Mums-
dorf.' Diese ,,zwo dorffschaften, so bifsher gen Zipsendorf
gepfarrt", wurden im Jahre 1529 ,,hinfürder in die Pfarrkirchen
zu Meuselwitz gewiesen", wie es das Jahr zuvor ihr Ge-
richtsherr Günther von Bünau bei den kurfürstlich sächsischen
Visitatoren beantragt hatte ^). — 2. Meuselwitz mit dem
Filiale Nifsma, welches das Zeitzer Kapitel, sobald die evan-
gelische Bewegung in der Kirchfahrt sich bemerklich ge-
macht hatte, von seiner Mutterkirche abzog. Trotzdem 1533
die Wiederherstellung dieser alten kirchlichen Verbindung
angeordnet ward, kam es doch nicht dazu; vielmehr hatte
der Bischof von Naumburg jenes Filial zu dem freilich auch
viel näheren Spora geschlagen-). Früher mufs übrigens
Meuselwitz, vor allem der Teil, wo das Gotteshaus stand,
die Schnauder höher hinauf, etwa gegenüber von Zipsen-
dorf^), gelegen haben und weniger weit entfernt von Nifsma
gewesen sein^). — 3. Lobas. Hier genügt als Beleg der
Vermerk des Abschätzungsberichtes ^j: ,,In prepositura
Cycensi . . . . item ecclesia in Lobs vacavit in secundo anno,
que est taxata ad VIII marcas* solvit II marcas et plus solvere
non potuit, quia ipsa villa et alle villule adiacentes (darunter
wohl Zcocklitz, s. o.) destructe sunt pro majori parte et
desolate propter vicinitatem castri in Koyne (Kayna), cuius
castri dominis et habitatoribus tot passe sunt pressuras et
molestias, quod agros jacere permiserunt desolatos et eflfuge-
runt, nee ibidem propter insultus raptorum nutriri possunt
animalia ad colendos agros et reservari, prout rector ipsius
M Lobe a. a. O. I, 340.
-) Lobe ebenda.
*) Dafs beide Orte im Zeitz-Naumburger Stiftslande lagen, geht
auch aus der Tatsache hervor, dafs 1168 unter den bischöflichen
Ministerialen zwei Brüder auftreten, von denen der eine Herbo
von Zipsendorf (Cybezlaundorf ), der andere Hartwig von Meuselwitz
(Muzell)uze) hiefs. (Lobe a. a. O. I, 342.)
*) Lobe a. a. O. I, 341.
^) Ledebur a. a. O. S. 336, 339. Gehörte damals vielleicht
Kayna zum Kirchspiel und war Filial?
Der Pleifsensprengel. ^y
deposuit juratus." — 4. Kay na mit Zettweil und
Mahlen. Mit der letzteren Ortschaft ist die Grenze wieder
aufs linke Ufer der Schnauder zurückgegangen. Hier liegt
auch (5.) Bröckau, bis zum Jahre 1730 ein Filial der Kirche
zu Pölzig, wohin auch noch, wiewohl rechts des Flüfschens
befindhch, das Dörflein Görnitz jrfarrt. Pölzig selbst stand
in frühester Zeit (Ende des 12. Jahrhunderts) im Lehnsver-
hältnis zu den Zeitz-Naumburger Bischöfen, in deren Urkunden
Ministerialen aufgeführt werden, die sich nach dem Orte
nennen^); so erklärt sich die kirchliche Verbindung mit Bröckau,
die sich erhielt, nachdem Burg und Städtlein an die Wettiner
allgekommen waren.
Wir treten nunmehr in reufsisches Gebiet über und be-
tinden uns zugleich im einstigen Gau Geraha. Es sind nur
vier Kirchspiele, die hier berührt werden müssen, und zwei
von ihnen sind nur Filiale, deren Mutterkirchen bereits im
Altenburgischen zu suchen sind. Soweit die Ortschaften
reufsisch sind, gehören sie zu der alten Langenberger Pflege,
welche im nördhchen Teile jenes Gaues entstanden war.
Durch beide wird die Zuständigkeit des Zeitzer Propstes als
Archidiakonus des Naumburger Bischofs trefflich gewähr-
leistet. Wir bieten übrigens sowohl für den Gau als auch
für die Pflege je zwei urkundliche Belege dar. Die Bischöfe
Dietrich I. und Udo I. von Naumburg bezeugen, jener unterm
9. November 1121, dieser unterm 15. April 1146, dafs im
Gau Geraha dem Kloster Bosau ein Getreidezehnt von über
100 Schobern (scobronum) unter anderen in folgenden Dörfern:
Gnannendorf (1146: Grannendorf; Wüstung zwischen Dorna
und Zschippach), Nuendorf (1146: Nuendorff; Nauendorf bei
Grofsenstein), Selmiz (1146: Selmice; Söllmnitz), Gresewiz
(1146: Crescuwice; Kretschwitz), Girsan (Gasan = Caasen?
1146: Growithan; Groitschen) und Nigaune (Negis) zustehe"-).
Als ferner am 13, April 1333 die Vögte Heinrich Reufs II.
von Plauen und Heinrich IV. der Ältere von Gera miteinander
die obere Langenberger Pflege teilten"^), entfiel deren östhche
Hälfte auf den ersteren, die folgende Dörfer umfafste: Hers-
veit (Hirschfeld), Betenhusen ( Bethenhausen) daz halbe dorf,
Greuschz (Groitschen"), Neunendorf (Nauendorf ) das halbe dorf,
Wasenewicz (Waaswitz), Kulmen (Culm), Zchippuch (Zschip-
pach), Selmnicz (Söllmnitz), Krezkewicz (Kretschwitz), Nygas
1) Lobe a. a. O. II, 328.
*) Schöttgen, Dipl. et script. II, 419, 421.
'^) Schmidt a. a. O. I, 350 Nr. 723.
3 8 Leo Bönhoff:
(Negis), Turnuwan (Dorna), czu Rodessicsz (Roschütz S.-A.)
fünf huve, Beczelingesdorf (Wüstung Betzdorf) und Lewen-
hain (Lauenhain). Die beiden jüngeren Söhne Heinrichs
Reufs IL, Heinrich Reufs IIL der Mittlere und Heinrich Reufs IV.
der Jüngere, Herren zu Ronneburg, verpfändeten am 23. Mai
1364 nebst der niederen Langenberger Pflege auch die ge-
dachte Hälfte der oberen an ihre Vettern zu Gera'), wobei
unter anderen nachstehende Ortschaften aufgezählt werden:
Selgenstad (Seligenstädt), Wolfticz (Wüstung Wolfstieg bei
Kretschwitz), . . . Wernhersdorf (Wernsdorf), Lewenhayn, Sel-
menicz, Petzelinstorf, Kreskewicz, Negaz, Hersvelde (s. o.),
Kazin (Caasen), Betenhusen halp, Nuwendorf halb, Groycz"),
Wazenewicz, Kolme, Czippuch, Gnannendorf (s. o.) und Torne-
wan (Dorna).
An letzteren Ort knüpfen wir sofort an; seine Pfarrei
war dem Zeitzer Propsteisprengel einbezirkt. Denn der be-
wufste Abschätzungsbericht bemerkt dazu'^): ,,In prepositura
Cycensi .... ecclesia in Tornewa n vacavit secundo anno,
taxata est ad VIII marcas et solvit II sexagenas grossorum
Pragensium nee plus solvere potuit, quia agri et census ipsius
pro majori parte sunt desolati et destructi propter gwerras
continuas advocatorum de Plawe et de Gera, in quorum
districtu sunt siti, et propter frequentes insultus raptorum et
aliorum, qui animalia, cum cjuibus agri stercorandi sunt et
excolendi, in predam furtive aufferunt, cultores agrorum
captivos deducunt et deportant, interficiunt et vulneribus affli-
gunt, quod rector iuratus deposuit." Das Kirchspiel war
gröfser als heute: aufser dem Filiale Zschippach und den
Beidörfern Culm, Kretschwitz, Negis und Seligenstädt, auch
Groitschen und Caasen^), wie heutzutage, sowie den
Wüstungen Betzdorf und Wolfstieg sind dazu noch Söllm-
nitz mit Lauenhain und Wernsdorf zu ziehen. Das erstere (S.)
besafs etwa seit Mitte des 14. Jahrhunderts einen Pfarrer für
sich, ward aber 1540, nachdem der kleine Sprengel zeitweilig
etwas vergröfsert worden war, als Filial zu dem nahen
') Ebenda II, 106 f. Nr. 134.
-) Schmidt interpungiert irrig: Bet., halp Nuw., halb Gr.
*) Ledebur a. a. O. S. 336, 341.
^) Beide bildeten nach ihrer Abzweigtnig von Dorna eine kleine
Parochie für sich; allein zu Beginn des 16. Jahrhunderts ging sie
ein und beide Gemeinden pfarrten erst nach Söllmnitz, tielen aber,
als dessen Pfarrei ebenfalls aufgehoben ward, an Dorna wieder
zurück. (Brückner, Landes- und Volkskunde des Fürstentums
Reufs j. L. S. 535, 542ff.)
Der Pleifsensprengel. jg
Hirschfeld geschlagen, das bereits im 15. Jahrhundert
Wernsdorf vom Dornaer Pfarrbezirk an sich gezogen hatte,
und dessen ursprüngliche Kirchfahrt nur aus Hirschfeld selber
und Bethenhausen bestand'). Ob auch sie einmal von Borna,
jener alten Missionsstation, wo das Mainzer Missale s])äter
noch gebräuchlich war, wenigstens anfangs, kirchlich abhing,
kann sehr gut möglich sein. Der Burgward Langenberg,
den Kaiser Heinrich IV, am 18. November 1060 dem Bischof
Eppo von Naumburg überlassen hatte-), würde darnach in
drei Hauptpfarreien, die zu Langenberg selbst^), die zu
Köstritz (für den Westen und die zu Dorna (für den Osten)
zerlegt worden sein.
Was nun die beiden reufsischen Orte Waaswitz und
Nauendorf anbetrifft, so sind sie jetzt Filiale der altenburgi-
schen Pfarrkirchen zu Corbufsen bez. Grofsenstein. Bei
der Einführung der Reformation (1529) stellten die beiden
letzteren überhaupt ein einziges Pfarrs3^stem dar*). Grofsen-
stein oder, wie es damals noch hiefs, ,, Stegen" als der Pfarr-
ort besafs drei Filiale zu ,,Korbeysen, Mückern, Baldenhayn"
und drei Beidörfer, nämlich ,, Popel, Neuendorff, Boswitz".
Im Jahre 1579 ward Corbufsen zu einer Pfarrkirche erhoben,
in welche die Dörfer Pöppeln und Waaswitz nebst Mückern
als Filial gewiesen wurden. Nach Corbufsen kirchte auch
Wetlen (vulgo: Bethlehem), jetzt eine Wüstung nordwest-
lich von Ronneburg. Im übrigen bestätigte Burggraf
Erkenbert von Starkenberg am S.Juni 1322 der Kirche zu
,, Korweisen", die damals noch zur Pfarrei ,, Stein"
gehörte, den Kauf eines Holzes beim Dorfe Hartroda,
zwölf Acker grofs, dessen Benutzung dem Geistlichen der
Mutterkirche gegen verschiedentliche neue gottesdiensthche
Verrichtungen im Fihal überlassen ward''). Diesem ganzen
ungeteilten Kirchspiele gilt also die Mitteilung des Ab-
schätzungsberichtes vom Jahre 1320*'): ,,In prepositura
Cycensi . . . . ecclesia in Stegin (so lies statt Seegin) vacavit
in secundo anno et taxata est ad VI marcas et solvit II marcas
nee plus solvere potuit inspectis valore, situ loci, quia est in
1) Brückner a. a. O. S. 531, S34f., 537, 539f-, S49f-
-) Cod. dipl. Sax. reg. I, i. Nr. 116.
^) Sie und ihr später selbständig gewordenes Filial Grofs-Aga
waren exemt, d. h. standen direkt unter dem Naumburger Bischöfe.
(Brückner a. a. O. S. 512, 522.)
*) Lobe a. a. O. I, 41; II, 254.
■'') Schmidt a. a. O. I, 251 Nr. 521. Lobe a. a. O. II, 242f.
*^) Ledebur a. a. O. S. 336, 342.
40
Leo Bönhoif:
medio raptorum, et juramento rector(is)." Die Kirche des
Ortes ward im Jahre 1294 aufs neue geweiht und dabei ihren
Besuchern an bestimmten Tagen ein besonderer Ablafs ge-
währt. In dem betreffenden Briefe, den Weihbischof Inre-
lerius in Vertretung Bischofs Bruno von Naumburg am 23. Juli
gedachten Jahres ausstellte, stofsen wir auf die Worte: ,,cum
decanus predicte ecciesie pronunciaverit verbum Dei", d. h.
der damalige Grofsensteiner Pfarrer war Inhaber eines Erz-
priesterstuhles, wohl des zu Gera'). Er hiefs Heinrich und
amtierte noch im Jahre 1307, wo er als Zeuge in zwei Ur-
kunden Vogt Heinrichs Reufs II. von Plauen auftritt, das eine
Mal als dominus Heinricus, plebanus in Stegen (anstatt des
verlesenen oder verschriebenen Hergen), das andere Mal als
dom. Henr. decanus, pleb. in Stegin-). Was die erstere Ur-
kunde angeht, so ist hier — wir werden noch darauf zurück-
greifen — einzuschalten, dafs das Zeugnis des Dechanten
umso wünschenswerter war, als es sich um den eventuellen
Todesfall zweier Pfarrer seines Landkapitels handelte'^j. Denn
es heifst darin, das Kloster Cronschwitz solle jährlich er-
halten ,,talentum denariorum in villa Brunswalde (Braunichs-
walde) . . . ., postquam creator omnium plebanum de Lin-
dowe (Linda) sumpserit ab hac vita, et in villa Hoyken-
walde (Heukewalde) talentum denariorum, ])Ostquam ple-
banus in Batanstorph (Paitzdorf — alle vier Orte liegen
im Süden und Westen von Ronneburg) viam universe carnis
ingressus fuerit."
Wir haben bisher die Ostgrenze des Zeitzer Propstei-
sprengels auf ihrer nördlichen Teilstrecke verfolgt. Nun-
mehr erledigen wir, derselben nochmals nachgehend, auch
das betreffende Stück der Westgrenze des Pleifsensprengels.
Wir bemerkten bereits, dafs die Parochie Treben mit dem
noch heute dicht bewaldeten Westrande ihres Bezirkes, wo
der ,, Kammerforst" sich ausdehnt, das rechte Ufer der
Schnauder erreicht. Unsere weitere Aufgabe aber erleichtern
wir uns sichtlich, wenn wir drei Kirchen beachten, um die
1) „Die praepositura zu Zeitz hatte sechs decanatus: 1. zu
St. Nicolai in Zeitz, 2. Profen, 3. Gera, 4. Schlawitz (Schleiz),
S.Weide, 6. Graiz. (Pollmächer, Beschreibung des hohen Stifts
Naumburg -Zeitz, S. 6r.) Zader (Stifts-Chronik L Kap. 5) stimmt
mit ihm überein, nur dai's er zu 2. I^emerkt: Profin oder Aulick.
^) Schmidt a.a.O. I, 191 f. Nr.394, 396. (Eine Wüstung „Hergen"
gab es nie im Altenburgischen.)
^) Bekanntlich bezogen an manchen Orten die Dechanten die
sogenannte exuviales, d. h. eine Gebühr für che Testierfreiheit, seitens
der Geistlichen. (Lobe a. a. O. I, 30.)
Der Pleifsensprcngcl. 41
sich grofse Komplexe gruppieren, die im Laufe der Zeit sich
mehr oder weniger auflösten: Monstab, Mehna und Alten-
kirchen. Mit ihren Pfarrsprengeln müssen wir uns, nament-
lich nach Westen zu, eingehender beschäftigen. Monstal)
(Masceltop) und das westlich davon gelegene Grofsröda'j
(Rodiwe) zählen zu den neun Orten des Pleifsengaues, die
Kaiser Otto II. dem Bistum Naumburg im Jahres 977 ver-
ehrte'-). Den Zehnten dieser neun ,, alten" Dörfer (villarum
antiquarum) schenkte Bischof Udo 1. im Jahre 1146 dem
Kloster Bosau, während sein Vorgänger es mit vier Hufen
in Grofsröda (Rodowe) bedacht hatte"'). Es ist begreiflich,
dafs in jenen beiden Orten Gotteshäuser sich erhoben, deren
Patronat natürlich dem Bischöfe als ihrem Grundherrn zukam.
Von der Pfarrei zu Monstab heilst es nun im Abschätzungs-
l^erichte*): ,,In archydiaconatu Plysnensi . . , ecclesia inMazel-
tof (anstatt Mazeshof) vacavit in primo anno, taxata est ad
, . . marcas (leider ist die Zahl ausgefallen) nee plus solvere
potuit quam VII marcas (ihre Einkünfte müssen also bedeutend
gewesen sein), quia agri, census et decime spectantes ad
propriam ecclesiam illo anno fuerunt desolati et ville, et pa-
rochiales mortui propter fameni precedentem, et per Swevos
totum. confinium destructum°) fuit; sie juratus rector depo-
suit." Bereits einige Jahre später (1328) trat Bischof Witego I.
von Naumburg dem Zeitzer Stiftskapitel die Pfarrei Monstab
ab, die es der Pfründe seines Scholasters") schon im nächsten
Jahre einverleibte, doch so, dafs sie auch fernerhin ,,ein für-
nehmes Pertinenzstück des Archidiakonus im Pleifsenlande"
l^lieb'^). Ansehnlich genug waren die Pfarreinkünfte, zumal
ja die ,, decime spectantes ad propiam ecclesiam" auch solche,
die von anderen Kirchen entrichtet wurden, voraussetzen.
Dem ist auch also: Kriebitsch und Rositz zehnteten nach
') Lobe a. a. O. I, 377. Von Grofsröda kann erst von 1703 ab
die Rede sein, wo Kleinroda nordwestlich davon angelegt ward.
-) Lepsius a. a. O. I, 173, 176! u. Anm. 41.
^) Schöttgen a. a. O. H, 419, 421. Vgl. 422ft"., 426, 433.
•») Ledebur a. a. O. S. 348 f.
■'') Daher rührt es, dafs wir in dieser Gegend allein vier
Wüstungen antreffen: i. Lentich und 2. Zetkau (Parochie Kriebitsch),
3. Seiwitz (Parochie Monstab) und 4. Zschechwitz (Parochie Rositz).
Vgl. Lobe a. a. O. I, 259!, 379, 459. Mitteil d. Gesch. u. Altertums-
forsch. Gesellsch. d. Osterl. 111, 218—221: X, 99 — 103.
'•■) Er liel's natürlich die Stelle gegen ein Sustentationsquantum
durch Vikare besorgen.
■') Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl.
VIL 513 f.
42
Leo Bönhoff:
Monstab. Beide Kirchen sind Filiale gewesen; wufsten doch
noch im Jahre 1567 die Kriebitscher die Richtung ihres alten
Taufsteiges genau zu weisen, den einst ihre Vorfahren mit
den Kindern gegangen waren, und bezeichneten ihn dem
Kirchner von Monstab als den kürzesten Weg, den er nehmen
könne, wenn er zu ihnen des Zehnten wegen käme'). Der
Umfang jener drei Kirchspiele war übrigens 1528, ehe Ver-
änderungen eintraten, folgende-):
1. Monstab: Leesen (Filial) und zehn Beidörfer: (Unter-
lödla (1697 nach Oberlödla umgepfarrt^), Wiesenmühle, Schlau-
ditz, Krebitschen, Dölzig, *Kraasa (die beiden letzteren kamen
erst am 2. Oktober 1836 an die Parochie Mehna^), das eine
an die dortige Pfarrkirche, das andere an ihr Filial Dobra-
schitz), Petsa, Kröbern, Zechau und *(Alt-) Poderschau'"').
2. Rositz: Gorma, Fichtenhainichen, Schelditz, Braunis
(1532 bereits wüst**).
3. *KriebitSch'): *Wintersdorf (Fihal) mit Pflichtendorf,
Heukendorf, *Gröba und Waltersdorf. (Das Filial samt den
vier Beidörfern konstituierte sich 1663 als eigenes Kirch-
spiel^) Hierbei ist besonders darauf aufmerksam zu machen,
wie bis zum Jahre 1836 die beiden Dörfer Kraase und Dölzig
eine Exklave der Pfarrei Monstab gebildet haben, die von
^) Lobe a. a. O. I, 371.I
-J Ebenda I, 41. Die Dörfer an der Westgrenze des Pleifsen-
sprengels sind durch ein Sternchen (*) gekennzeichnet.
^) Ebenda I, 432.
*) Ebenda I, 325.
°) Ebenda I, 375. Erst seit 1718 besteht Neu -Poderschau, auf
dem früheren Eselsberge (so genannt um 1600) angebaut.
") Ebenda I,, 458. Erst im Jahre 1673 ward das kurz vorher auf
dieser Wüstung erstandene „neue Dorf" (jetzt Neubraunshain) ein-
gepfarrt.
') Ledebur a. a. O. S. 348, 350: „In archydiaconatu Plysnensi . . .
ecclesia in Criwicz, que vacavit in primo anno, fuit divulsa in totum
sub coUectoribus et locata per eos pro III marcis nee plus solvere
potuit, quia agri decimales pro majori parte sunt inculti, census
desolatus et vix tercia pars agrorum spectancium ad ecclesiam fuit
seminata et culta propter caristiam illius anni et quod prius Swe\ i
ecclesiam incenderunt et villam totaliter destruxerunt ; juratus
deposuit rector predicta vera fore ; taxus ecclesie sunt VIII
marce." Übrigens war Kriebitsch bereits vor 121 6 Parochie, da am
10. November dieses Jahres Kaiser Friedrich II. dem Kloster Bosau
das Patronatsrecht schenkt und dabei von der parochialis ecclesia
inCriwiz spricht; im Jahre 1324 ward sie inkorporiert. (Lobe a. a. O.
1, 260.)
*) Ebenda I. 573 f.
Der Pleifsensprengel. a7
deren Hauptmasse von den Parochien (Grofs-) Röda und
Tegkwitz abgeschnitten wurden. Dieselben umfafsten 1528
nachstehende Orte (s. o.):
Röda: *Pöhla, *Pösa, *Kostitz. (Im Jahre 1554 ward
Röda wieder [s. u.] FiUal von Monstab^).
Tegkwitz "): Starkenberg, Kreutzen, Breesen.
Daraus läfst sich für Röda, das somit im Süden, Norden
und Nordosten von Monstaber Pfarrgebiete umgeben ist — im
Westen grenzt das Zeitzer Stiftsland mit Kayna und Zettweil — ,
nur schliefsen, dafs es einst ebenfalls ein Tochterverhältnis
zur Monstaber Kirche unterhalten habe; hatte es doch auch
mit ihr bis zum Jahre 1256, wo es bereits als Parochie seit
längerer Zeit bestand, einen und denselben Patron, nämlich
den Naumburger Bischof. Da nun das Kloster Bosau in
Röda seit 1121 vier und 12 16 sechzehn Hufen besafs, so
überliefs ihm der Bischof auch das Kollaturrecht, und die
Pfarrei ward ebenfalls mit dem Klostervermögen verschmolzen,
während die Stelle durch Vikare für einen geringen Entgelt
verwaltet wurde^). Dann wird aber auch Tegkwitz, das sich
zwischen Dölzig und Monstab eindrängt, obendrein wegen
seiner grofsen Nähe als ein vormaliges Monstaber Filial
betrachtet werden müssen, und ein Gleiches soll ja auch
von den Parochien Oberlödla (bis 1697 [s. o.] nur mit
Rödigen) und Gödern (bis 1539 mit Göhren, Lossen, Lut-
schitz und einem Gute in Göldschen)'') gelten'^). Ja sogar
noch auf Romschütz, das jetzt freilich Filial von Gödern
(seit 1539), aber vorher ein Kirchspiel für sich war, möchte
sich eine derartige Beziehung ausdehnen lassen**). Es ist
höchst wahrscheinlich, dafs die Edlen von Tegkwitz, vielleicht
') Lobe I, 381 f.
'-) Ledebur a. a. O. S. 348, 352: „In archydiaconatu Plysneusi
.... ecclesia in Teckewicz vacavit per constitucionem ,Licet cano-
nicum' in tercio anno; collatio spectat ad laycum (den Burggrafen
von Starkenberg vgl. Lobe I, 505!) et taxatä est ad X marcas et
solvit V sexagenas grossorum Pragensium nee plus potuit dare propter
insultus raptorum de terra advocatorum de Plawe, videlicet illorum
de Lubeswicz (Lüschwitz) et aliorum, exactiones marchionis, advo-
catonun et budellorum suoiaim et desolationem eiusdem ecclesie
terminorum et quod plus dare non posset ex premissis causis, rector
inspecto valore et hominibus .... deposuit juratus."
•'') Lobe I, 377, 381 f.
•*) Ebenda I, 4«, 43» ; IL 88.
'*) Ebenda I, 371.
®) Ebenda I, 242. Das eine Gut von Goldschen (s. Anm. 2) lag
südlich von Roinschütz.
41 Leo Bönholf :
auch ihre Vasallen, die von Gödern'), sowie die von Rom-
schitz und von L3'delow die anfänglichen Kapellen bei ihren
Sitzen durch die jeweiligen Bischöfe, die ja bis 1328 Patrone
blieben, zu Pfarrkirchen erheben und dem Verbände mit
Monstab entnehmen liefsen. Alles in allem dürften wir dessen
ursprüngHchen Pfarrsprengel, der den Raum zwischen den
grofsen Parochien zu Altenburg, Treben und Mehna einerseits
und dem Zeitzer Propsteisprengel anderseits ausfüllte, etwa
40 Dörfer, von denen allerdings manche sehr klein sind, zu-
rechnen — eine Zahl, die uns nicht erstaunen läfst, wenn
wir uns an diejenige (33) der Pfarrei Altenkirchen (s. u.) im
Jahre 11 40 erinnern!
Ehe wir uns zu ihr wenden, betrachten wir das zwischen
ihr und Monstab gelegene Kirchspiel Mehna. Ursprünghch
ein Reichslehen, ging diese Pfarrkirche, die bereits um 1200
existierte, in den Besitz des Bergerklosters zu Altenburg über,
wie es scheint, auf unlautere Weise, d. h. durch Fälschung
der Dotationsurkunde König Phihpps vom 27, September dieses
Jahres über die Kirche zu Treben (s. o.). Eine kecke Hand
flickte nämlich in ihren Text den Zusatz ,,et in Menowe"
ein. Derselbe fehlt in den Bestätio^ungen Kaiser Friedrichs II.
und Papst Gregors IX. aus den Jahren 12 14 bez. 1227, allein
bereits 1204 leistete jene Interpolation gute Dienste, da auf
Grund derselben der damalige Propst Gerhard gegen die
Weihe einer Kapelle zu Dobitschen als Beeinträchtigung der
Patronatskirche seines Klosters zu Mehna Einspruch erhob.
Er erzielte damit, dafs der Erbauer jenes Gotteshauses, Heinrich
von Dobitschen, 6 Mark Silber für die Auspfarrung (exemptio)
desselben erlegen mufste. Die Pfarrei Mehna selbst war
1301 dem Bergerkloster einverleibt worden, das 1355 auch
die freie Pfarrbesetzung ohne Einmischung des Bischofs er-
langte, und in dem letzteren Jahre auch ,,exemt" geworden,
d. h. der Diözesan entnahm sie der Jurisdiktion des Pleifsner
Archidiakonus, der seinerseits als Entschädigung für den Weg-
fall von Gebühren eine Jahresrente von acht breiten Groschen
vom Konvente erhielt"). Fragen wir nach dem Bestände des
Pfarrsprengels, so bildeten, nachdem Dobitschen ausgeschieden
') Bereits ums Jahr 11 60 erscheint ein Petrus de Guderin als
Va.sall des Erchenbertus de Techewitz. Er trägt von ihm erst
Weidensdorf bei Remse, dann G'/j Hufen in Nassehvitz (Wüstung
in Parochie Dobitschen) und i Hufe in Lossen (Parochie Gödern)
zu Lehn. (Mitzschke a. a. O. Urk. Nr. 24.)
■-) Lobe I, 198, 3 30 f., 333. Doch beachte Cod. dipl. Sax. reg. I, 3,
no. 206. Anm.
Der Pleilsensprengel. 45
war, bis zum Jahre 1696 nebst dem Filiale Dobraschitz die
Dörfer') *Cossa (j. Obercossa), *Naundorf (auch Unternaun-
dorf), beide zum Bezirke der Tochterkirche gehörig, Missel-
witz, Rodameuschel, Zweitschen, Rolika und Pontewitz, end-
lich auch Nasselwitz, ehe es zum ersten Male eine Wüstung
geworden war — dies war 1528 längst der Fall, während es
,,vorczeiten ein Dorff vnd Forberg gewest war"-). Nach diesen
Erörterungen können wir zur Pfarrei von Altenkirchen
übergehen. Hier liegt uns ein ausführliches Dokument über
ihre Ausdehnung vor, wie sie dieselbe seit den Tagen Bischof
Günthers von Naumburg (1079 — 1089) erhalten und bis zum
Jahre 1140, aus dem unser Belegstück stammt, beibehalten
hatte. Bischof Udo I. nennt hier 33 Ortsnamen, von denen
zwei am Anfang der Reihe unlesbar geworden sind^). Uns
interessieren vor allem diejenigen, die im westlichen Teile
des Kirchsprengeis identifiziert w^erden müssen; sie lauten
wie folgt: Lonizka (Lumpzig), Tossowe (Tauscha, auch Klein-
tauscha), Zossane (Flur ,,der Zossen" im Nordwesten von
Graicha), Nortin (nicht die leiseste Spur erinnert mehr an
diesen Ort, der bei Hartroda gesucht werden mufs), Crimaz-
howe (lag unfern von Reichstädt, zu dessen Pfarrlehn auch
,,ein Garten auff der Crimpschow" im Jahre 1400 gehörte),
Drosin (Drosen) und Coacowe (Kakau"*). Die genannten sieben
Orte lagen sämtlich im Pleifsengau und unterstanden dem
Pleifsner Archidiakonus, wie aus der angezogenen Urkunde
ersichtlich ist. Nur ein einziger von ihnen, Zossen, dessen
Markung mit der Graichas verschmolz, verblieb im Gebiete
des Altenkirchner Pfarrsprengels, die übrigen schieden aus.
Denn Kakau schlofs sich der Pfarrei Hartroda an, in deren
anfänglichem Bezirke auch die Wüstungen Nörten und Crim-
mitschau liegen, Drosen derjenigen von Grofsstechau,
während LumjDzig mit Tauscha zu einem eigenen Kirch-
spiele sich zusammentat, zu dem, abgesehen von Grofs- und
') Die Sternchen verweisen an die Westgrenze des Plcifsen-
sprengels !
*) Lobe I, 198. Nachdem es dann wieder aufgebaut worden
war, pfarrte es nach Altenkirchen und ward 1696 von da nebst
Meucha vuid Prehna der Pfarrei Dobitschen ül^erwiesen. Ende des
1 8. Jahrhunderts lag es zum zweiten Male wüst.
") Lepsius a. a. O. I, 246!'. Die beiden fehlenden Namen lassen
sich leicht ennitteln: die Reihenfolge ist unterbrochen zwischen
Nebedim (Nöbden), Hilsice (Illsitz) und Rosenezdort"(Röthenitz), Plati-
cizci (Platschützl Mithin vennissen wir Gnadschütz und Köthenitz.
*) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl.
IIL 227 f.
4.6 Leo Bönhoft:
Kleinbraunshain (s.u.), etwa zu Beginn des 17. Jahrhunderts
das Örtchen Hartha hinzukam. In seiner Nähe befindet sich
der sogenannte ,, Höhkübel", d. i. eine Erhöhung mit einem
Merkzeichen besteckt, zum Zeichen, dafs hier (im Westen) die
Grenze des Gaues Plisni ,, markiert" werden sollte^). Das ist
für das Verständnis des Folgenden nicht unwesentlich.
In dieser Grenzgegend sind nämlich einige Pfarreien zu
besprechen, deren Dörfer bis auf zwei deutsche Namen tragen
und auf dem waldigen Gelände entstanden sind, das die Gaue
Geraha, Puonzowa und Plisni voneinander trennte. Wir
geben ihren Umfang nach den Visitationsprotokollen vom
Jahre 1528 wieder'-):
1. Braunshain (jetzt Grofsbraunshain im Gegensatz zu
dem 1670 erst entstandenen Kleinbraunshain): Wernsdorf
(Filial) mit Tanna. Nach dem Jahre 1540 ward das Kirch-
spiel zerschlagen: das Filial und sein Beidörfchen fielen an
die benachbarte Parochie zu Hohenkirchen. Braunshain selbst
trat in ein Tochterverhältnis zur Kirche von Lumpzig, welches
zu Beginn des Jahres 1829 ein Ende fand, da sein Gottes-
haus abgebrochen ward und es nunmehr nach dem Pfarrorte
kirchte'^).
2. Hohenkirchen: Sachsenroda,Weifsenborn, Roda. Die
Kirchfahrt erstreckte sich also den Oberlauf der Schnauder
hart an deren rechtem Ufer herab. Erst nach 1540 (s. o.)
ward sie vergröfsert Einen ihrer Pfarrer — denn dafs sie
gemeint ist, verrät der Zusatz ,,in der Naumburger Diözese" —
providierte Papst Innocenz VI. am 8. März 1358 für eine
Cronschwitzer Patronatsstelle: er hiefs Jakob von Grünhain*).
3. Reichstädt mit der Schwesterkirche zu Frankenau.
Letztere hatte noch 1418 ihren besonderen Pfarrer gehabt,
war aber dann im Laufe des 15 Jahrhunderts mit Reichstädt,
das seinerseits bis zum Jahre 1400 Filial von Hartroda ge-
wesen war, vereinigt worden: der genauere Zeitpunkt läfst
sich nicht mehr angeben^).
4. Hartroda: Kakau, Dobra und noch um die Mitte des
15. Jahrhunderts das nachher wüst gewordene Luthwinshain
oder Lutoldishayn; dazu kam noch bis 1400 Reichstädt (s.o.),
woselbst eine Kapelle am ,, heiligen Brunnen" sich erhoben
hatte, während das heutige Filial Wildenbörten erst im
1) Lobe I, 318.
2) Ebenda I, 41.
*) Ebenda 1, 318, 323!
*) Ebenda I, 324; II, 383. Schmidt a. a. O. II, 16 Nr. 16.
ö) Lobe II, 136, 339.
Der Pleifsensprengel. ^n
Jahre 1779 den Pfarrsprengel, der 1400 nach Nordwesten
verkleinert worden war, nach Südosten vergröfserte').
Während nun die Parochie Hartroda in ihrer frühesten
Ausdehnung, die wir eben beschrieben, im westlichsten Ende
der alten Pfarrei Altenkirchen sich ausbreitet, wofür doch das
Beidorf Kakau und die Wüstungen Nörten und Crimmitschau
(s. o.) sattsam sprechen, demnach zweifelsohne auch dem
Pleifsensprengel zufallen mufs, steht dies bei den Pfarrkirchen
zu Frankenau, Braunshain (mit Wernsdorf) und Hohenkirchen
noch dahin. Die dritte von ihnen möchte ich wegen ihrer
Lage und ihren Beziehungen zu stifts-zeitzischen Dörfern eher
für den Zeitzer Propsteisprengel reklamieren, während ich
kein Bedenken tragen würde, die erste und die zweite im
gedachten Sinne zu überweisen. Die drei Kirchspiele lagen
eben auf neutralem Gebiete, d. h. in keinem bestimmten Gaue,
so dafs sich die beiden Archidiakonen in dasselbe teilten,
dafs auf jeden von ihnen vier Dörfer entfielen, nämlich auf
der Zeitzer Seite: Roda,Weifsenborn, Hohenkirchen, Sachsen-
roda; auf der Pleifsner hingegen: Frankenau, Braunshain, Tanna
und Wernsdorf.
W^ir nehmen nun die mittlere Strecke des Grenzzuges
zwischen den beiden Archidiakonaten in Angriff. Einen festen
Stützpunkt derselben erblicken wir in der Stelle, wo sich die
Parochien von Nöbdenitz und Ronneburg berühren. Die
Kirchenprovinzen, denen sie zuzurechnen sind, stehen fest.
Denn in dem Abschätzungsberichte (1320) treffen wir auf die
Bemerkung-): „In prepositura Cycensi ecclesia in
Ronberg vacavit in secundo anno per constitutionem , Licet
canonicum'; collacio spectat ad abbatissam sanctimonialium
in Cron(s)wicz ; taxata est ad XVIII marcas et solvit III marcas
preter XVII grossos nee plus solvere potuit, quia major pars
valoris fuit in offertorio, et parochiales sunt destructi, et opi-
dum desolatum est per expugnationem, quia miles (Heinrich)
dictus de Kirchtorf (in der Fehde'^) Markgraf Friedrichs des
Freidigen mit Vogt Heinrich IV. dem Älteren von Gera) illud
expugnavit et incendio (statt incendit) penitus devastavit, nee
totus valor inspectis veris redditibus est ad X marcas et duo
sacerdotes pro officiacione requiruntur, et sie juratus depo-
suit rector." Für Nöbdenitz (Nubdicz) steht uns folgender
Beleg zur Verfügung*): als Bischof Witego I. von Naumburg
^) Ebenda II, 136, 138, 337.
"-) Ledebur a. a. O. S. 336, 3441.
*) Schmidt a. a. O. I, 223! Nr. 472.
*) Ebenda I, 211 f. Nr. 444.
aS Leo Bönholif:
am 9. Oktober 1352 dem Kloster Cronschwitz die dortig-e
Pfarrkirche inkorporierte, die ihm Vogt Heinrich Reufs II.
von Plauen im Jahre 13 13 verliehen hatte^), tut er es „de
consensu seu collaudacione nostri capituli necnon archi-
d3'aconi terre Plisnensis, cui eadem ecclesia iure
archidyaconali est subiecta". So müssen wir also noch
die Sprengel beider Kirchen nach Osten (Ronneburg) bez.
nach Westen (Nöbdenitz) zu festlegen. Als die Reformation
in den Ämtern Altenburg und Ronneburg eingeführt ward,
lag dem Pfarrer von Nöbdenitz die Seelsorge in den vier
Filialen zu Vollmershain, Wetteiswalde, Jonaswalde und Menns-
dorf sowie im Beidorfe Stein ob, während die Kapelle im
Schlosse zu Stein (jetzt Posterstein, nach der Familie Puster
genannt, die es Mitte bis Ende des 15. Jahrhunderts besafs)
ein Cronschwitzer Vikar versah-). Ferner aber war er Patron
für Nischwitz'^), dessen Kirchfahrt bis 1533 auf das Pfarrdorf
und das Filial Heukewalde beschränkt blieb*); diese Kollatur
darf genau so, wie es oben bei Ossa und Syhra (Ephorie
Röchlitz) der Fall war, betrachtet werden: sie ist der letzte
Rest eines früheren Abhängigkeitsverhältnisses kirchlicher
Natur, dem Nischwitz seitens der Parochie Nöbdenitz unter-
legen hatte. Die alte Verbindung, von der wir nicht wissen,
wann sie gelöst wurde, zieht übrigens die Zugehörigkeit von
Nischwitz zum Pleifsensprengel nach sich. An den Nord-
westen der Pfarrei grenzte nun Ronneburg mit dem östlichen
seiner beiden Filiale, Raitzhain (Ratzen), wohin auch das
Dörflein Stolzenberg kirchte''). Daran schlofs sich im Süden
(bis 1533 [s. o.] für sich allein) Paitzdorf, in dessen Pfarrer
wir zufolge einer Cronschwitzer Klosterurkunde vom 10. No-
vember 1307 ein Mitglied des Landkapitels zu Gera (Propst ei
Zeitz) zu erkennen vermochten (s. o.). Ebenfalls festen Grund
haben wir unter uns, wenn wir sprungweise etwas südlicher
uns begeben. Auf der einen Seite kommt hier in Frage die
1) Ebenda I, 426. Nr. 846.
■-) Lobe II, 307, 314. Bereits im Jahre 1533 sah sich der Pfarrer
von Nöbdenitz in seiner Arbeit erleichtert. Denn es kamen drei
Filiale ab: WetteLswalde an T honhausen, lonaswalde an Nisch-
witz und Mennsdorf an Paitzdorf. (Ebenda II, 179, 300, 322.)
Ja im Jahre 1574 ward auch das vierte Filial, Vollmershain, mit
\Veifsbach verbunden, so dafs 1578 die Postersteiner Kapelle in ein
Filial für Schlofs und Dorf verwandelt werden konnte. (Ebenda
IL
Er l)ehielt dies Recht bis zum Jahre 1627.
85, ?iS)
3) El^enda II,
303) 317
■*j Ebenda II,
300 f.
•^) Ebenda II,
239
Der Pleifsensprengel. 45
grofse Parochie Culmitzsch, welche laut der Bulle Papst
Gregors IX. vom 25. [uni 1230 in den Besitz des Prämon-
stratenserklosters zu Mildenfurth gelangt war'). Hierbei hatte
derselbe ausdrücklich bestimmt: „Prohibemus insuper, ut infra
fines parrochie vestre (also auch zu Culmitzsch) nullus sine
assensu d3'Ocesani episcopi et vestro capellam seu Ora-
torium de novo construere audeat salvis privilegiis Roma-
norum pontificum." Ebenso schützt er die Regler vor un-
rechten Forderungen der Bischöfe, Archidiakonen und Erz-
priester. Der zuständige Erzpriester der vier Patronatkirchen
des Konventes, St. Marien zu Weida, St. Veit (zu Veitsberg),
St. Peter zu Dohlen und Culmitzsch, hatte seinen Sitz in der
eben genannten Stadt, ihr Archidiakonus war der Zeitzer
Stiftspropst. Gestützt auf diesen päpstlichen Erlafs erklärt
Propst Johannes von Mildenfurth in einer Urkunde vom
25. März 13 13, dafs sein Konvent der Auspfarrung der Kirche
zu Trünzig (Drunz) aus dem Verbände der Klosterpfarrei
zu Culmitzsch zustimme, die Luppold von Wolframsdorf vor-
genommen habe, unter der Bedingung, dafs der Geistliche
der Mutterkirche zur Entschädigung eine Jahresrente von
i', .'Mark Silber empfange'-). Die nördlich von Trünzig (mit
Wolframsdorf •^) gelegenen Ortschaften Seelingstädt und
Chursdorf bildeten nach Ausweis der ernestinischen Visi-
tationsprotokolle*) von 1529 und 1533 eine Culmitzscher
Kaplanei. Denn das eine besagt: ,, Darnach ist mit dem
pfarrer zu Culmitzsch gehandelt, das er seinem Caplan
zu Cursdorff das einkommen zu Curfsdorff vnnd Selg-
stadt soll folgen lassen, Domit dieselben zwo dorffschafften
auch versorgeth, welchs der pfarrer also bewiUigt." Im
anderen heifst es: „Der pfarrer zu Culmitsch gehört gin
Zwickau von wegen Seligenstadt und Cursdorf." Der
*) Schmidt a. a. O. I, 24 Nr. 54: parrochiam in Kolmitzsch
cum Omnibus pertinenciis suis
'^) Schmidt a. a. O. I, 2071'. Nr. 436: Luppoldus dictus de
Wolvramsdorf exemit a parrochia nostra in Colmaz ecclesiam in
villa, que dicitur Drunz, quam .... dotavit .... cum marca (statt in
Maria) et dimidia perpetui census nostro ad hoc consensu bene-
vole accedente.
^) Walddorf und Stöcken sind erst später, letzteres nach 18 10,
auf Rodland entstanden. Bei Stöcken ist auch seine parochiale
Zweiteilung (Trünzig und Langenbemsdorf) bemerkenswert.
■•) Buchwald, Allerlei aus drei Jahrhunderten S 4!". Mitteil,
dt-s Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend VII, 47. Im Jahre
1546 wird Seelingstädt bereits als Pfarrei im Widumsbuche der
Superintendentur Zwickau (Annaberger Ephoralarchiv. Rep. I. Gene-
ralia No. la [Extrakt] fol. 4b) aufgeführt.
Neues Archiv f. S.G. u. A. XXIX. 1.2. 4
5°
Leo Bönhofif:
ganze Ostrand der ehemaligen Pfarrgrenze von Culmitzsch
repräsentiert also auch ein kleines Stück Ostgrenze des Zeitzer
Propsteisprengels. Gegenüber im Pleifsensprengel, vonTrünzig
durch einigen Wald getrennt, lag die Parochie Langen -
bernsdorf (Bernsdorf^). Was wir hier von ihr berichten,
gilt genau so von der weiter nördlich gelegenen zu Langen-
reinsdorf (Rein[h]ersdorf). In ziemlich gleichlautenden Ver-
ordnungen vom IG. Februar 1302 und vom 31. August 1305
erklären nämlich die Bischöfe Bruno vmd Ulrich l. von Naum-
burg, sie gestatteten mit Zustimmung des Domkapitels, dafs
diese beiden Pfarrkirchen samt der zu Ronneburg, die unter
Cronschwitzer Klosterpatronate stünden, von dem Kloster
mit Weltgeistlichen gegen entsprechende Provision besetzt
werden dürften und dafs nach Abzug der letzteren die Pfarr-
einkünfte Verwendung in seinem Interesse finden könnten"-j.
Die Bestätigung erfolgt aber natürlich nur ,,archidyaco-
norum predictorum locorum et cuiuslibet alterius in Omnibus
iure salvo". Die beiden Archidiakonen sind der Propst von
Zeitz und der Pleifsner, jener für Ronneburg, dieser für
Langenbernsdorf und Langenreinsdorf. Was letzteres noch
anbelangt, so besitzen wir das einzige aus dem 14. Jahr-
hundert uns erhaltene Präsentationsschreiben für einen seiner
Pfarrer an den zuständigen Archidiakonus. Weil es das einzige
dieser Art ist, wollen wir es hier seinem Wortlaute nach mit-
teilen"):
„Honorabili viro domino Henrico de Halle, archidiacono-
terre Plisnensis, Elizabeth priorissa totusque conventvis sancti-
monialium in Cronschwicz promptiim in omnibus cum devocione
famulatum. Quia ecclesiam parrochialeni in Reinerstorf vacantem
per mortem domini Nicolai, ultimi rectoris ibidem, cuius collacio
de iure ad nos et monasterium nostrum pertinere dinoscitur, discreto
viro domino Meinero, capellano nostro in monte Smoln, presencium
exhibitori, contulimus, pro hac vice ideoque ipsum ad eandem ecclesiam
litteris presentibus presentamus petentes studiose, quatenus ad ipsam
eum instituere et investire dignemini atq^ue in possessionem
omnium iurium et pertinencium induci faciatis corporalem et in
eo nobis et monasterio nostro sing;ulariter complacentem. Datum
dominica in die decollationis Jo. baptiste (29 August), prioratus nostri
sigilli sub appensione, anno etc. LXXXIX." (1389.)
So sind denn auf der mittleren Teilstrecke noch folgende
Kirchspiele unverteilt geblieben, von Süden her aufgezählt:
*) Dafs Langen-, nicht Mün che nbernsdorf gemeint ist, zri^t
Schmidt a. a. O I, 492!'. Nr. 946.
'; Schmidt I, 168, 182 Nr. 344, 375.
"j Ebenda II, 284 Nr 332.
Der Pleilsensprentiel. ^I
1. Oberalbertsdorf (Albrechtsdorf), bereits 1354 unter
den Cronschwitzer Patronatskirchen angeführt^), jedoch ohne
sein Filial Kleinbernsdorf (Beringersdorf), das 1222 als ein
solches der Kirche St. Martini zwischen Schlofs und Stadt
Crimmitschau genannt wird'-) und erst 1838 zu seiner jetzigen
Parochie gezogen ward.
2. Rufsdorf (Rulestorff), bis zum Jahre 1534 selbständig,
dann mit Blankenhain vereinigt'^).
3. Mannichswalde, das vielleicht noch im 15. Jahr-
hundert als Filial von Blankenhain galt, aber durch die
Familie vom Ende, welche zu Blankenhain und Mannichswalde
begütert war^), kirchliche Selbständigkeit erlangte. Diese
Vermutung legt die Lage Dittersdorfs (s. u.) überaus nahe.
4. Blankenhain, bis 1534 ohne seine heutige Tochter-
kirche zu Rufsdorf (s. o.), aber bis 1533 mit (Grofs- und
Klein-) Pillingsdorf, welches man damals nach Nischwitz um-
pfarrte. Es fragt sich endlich, ob eine Ortschaft namens
Dittersdorf, worüber geschichtliche Nachrichten fehlen, nach
Blankenhain kirchte. Sein Pfarrer bezog Zinsgetreide von
Bauern in Jonaswalde, welche die Grundstücke der Wüstung,
die sich von Nischwitz bis Thonhausen in der sogenannten
,, Moder" hinzog, durch Kauf an sich gebracht hatten''*).
5. Haselbach, im Jahre 1354 als Pfarrei genannt*^).
6. Grofs stechau mit Filial Beerwalde (Beyerwalde) und
fünf Beidörfern Kleinstechau, Löbichau, Falkenau, Ingrams-
dorf und Drosen.
Diese letzte Kirchfahrt stöfst im Westen an Grofsen-
stein und Ronneburg, unzweifelhafte Bestandteile des Zeitzer
Propsteisprengels, und im Süden an Nöbdenitz, mit dem, um
dies hier noch nachzuholen, etwa bis zum Ende des 14. Jahr-
hunderts das wenige Minuten entfernte Lohma') kirchlich
1) Schmidt a. a. O. I, 492 Nr. 946. Vgl. Buchwald a. a. O.
S. 3: Pfarrer zu Ober Albersdorff . . ., von den zu Cronschwitz
belehent.
-) Schönb. Geschichtsbl. III, 3, jsi.
*) Mitteil. d. Altertumsver. f. Zwickau u. Umg. VII, 430".
*) Lobe II, 295.
^) Ebenda II, 175, 301 f.
») Schmidt I, 493 Nr. 946.
") Über Lolmia bei SchmöUn macht dessen Pfarrer 1528 folgende
interessante Angaben: „Ist exempt, besucht nicht Sinodum des
Bischofs zu der Neuenburg, noch zum gemeynen Subsidio verbunden,
haben vor langer Zceit die alten Götzen vom Ende gestifft vnd
begäbet, hat allein das Dorf Lohme, darinnen 12 Hausgesesene
4*
C2 Leo Bönhoff:
verbunden gewesen war und als dessen Archidiakonat der
Pleifsner gleichfalls sichergestellt ist. Dazu kommt noch, dafs
der östliche Rand des Sprottentales von Reichstädt bis Schmölln
ohne weiteres der letzteren Kirchenprovinz anheimfällt und
dafs der nördlichste Ort im Pfarrsprengel, Drosen, noch 1140
nach Altenkirchen gepfarrt (s. o.), zugunsten derselben
spricht; er liegt aber wie Grofs- und Kleinstechau sowie
Ingramsdorf auf der westlichen Talseite der Sprotte. So wird
demnach diese Parochie, deren Filial Beerwalde auf neutralem
Rodlande entstand, durch ihre übrigen Orte in den Pleifsen-
sprengel gewiesen. Ein Gleiches ist durch ihre Lage für
Blankenhain und Mannichswalde gegeben. Damit ist aber
auch zugleich über Rufsdorf und Oberalbertsdorf in diesem
Sinne entschieden. Nur ein einziges Kirchspiel bleibt dem-
nach noch zweifelhaft: Haselbach. Da nördhch von dem
Dorfe in dem Tale zwischen Rückersdorf und Mennsdorf sich
einst ein Örtchen namens Kleinrückersdorf erstreckte, das
nach Rückersdorf zehntete, letztere Pfarrei aber mit ihren
Filialen Vogelgesang und Braunichswalde direkt im Norden
die Culmitzscher abgrenzt, so möchte ich hier den Bach
zwischen Nischwitz und Haselbach in seinem Oberlaufe als
die Scheide zwischen dem Pleifsen- und Zeitzer Propstei-
sprengel betrachten, diesem aber Rückersdorf und (sein ehe-
mahges Filial?) Haselbach zuteilen.
Es bleibt noch die südliche Teilstrecke des östlichen
bez. westlichen Grenzzuges beider Archidiakonate übrig, mit
deren Besprechung wir zugleich diejenige der Südgrenze
der Pleifsner Kirchenprovinz verbinden. Der Bestand der
praepositura Cycensis vermag leicht und schnell ermittelt zu
werden. Wir knüpfen unsere Betrachtungen an die parochialen
Beziehungen der Kirchen zu Greiz, Beiersdorf, Neu-
mark, Reichenbach und Auerbach an. Zum Teil durch
dichte Waldungen umsäumt, berührte sich der Sprengel der
zuletzt genannten Pfarrkirche ostwärts mit den Fluren von
menner." Ferner ist die Rede „von etlichem Gelde, das er Cunradt
vom Ende (er erscheint in den Jahren 1434 — 1445 und war mit „dem
gute zu lome und Nobedicz" beliehen) .... zu der Pfarr als ein
testament gegeben." Vennutlich sind unter den alten Götzen vom
Ende die Eltern jenes Konrads gemeint Die Familie scheint Anfang
des 15. Jahrhunderts in Nöbdemtz und Lohma (beide bis 1398 unter
reufsischer Lehnshoheit, vgl. Schmidt II, 44 Nr. 54) sefshaft ge-
worden zu sein. Fragen ^vir nach der früheren Pfarrkirche Lohmas,
so kann eben der Nähe wie auch der feudalen Beziehungen wegen
keine andere als Nobdenitz in Frage kommen. (Lobe II, 147, 151!)
Der Pleifsensprengel. ^3
Eibenstock und Hundshübel, d. h. hier stiefsen die Bezirke
der Propstei Zeitz und des Archidiakonates jenseits
der Mulde aufeinander. Im Widumsbuche der Superinten-
dentur Zwickau vom Jahre 1546 ist nun die Parochie der
Stadt Auerbach mit zwei Filialen und neun Beidörfern ver-
merkt*). Jene waren Rodewisch und Rothenkirchen, das eine
vom Auerbacher Prediger, das andere von einem Kaplan
versorgt"). Was die eingepfarrten Ortschaften angeht, so
wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden, aus welchen
von ihnen die damalige Xeunzahl sich zusammengesetzt haben
möchte. Ganz und gar ausgeschlossen ist natürlich die Gegend
südlich der Mulde und das Tal der Wilzsch, die erst mit der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts besiedelt worden sind.
Auch das ausgedehnte Dorf Schönheide, dessen erstes Haas
1537 erbaut ward und das 1563 noch klein war — es um-
fafste ungefähr 20 Hofstätten — , mufs aufser Betracht bleiben.
Aber aufmerksam möchte ich auf zwei Urkunden machen,
einen Leibgedingebrief vom 9. November 141 1'^) und einen
Lehnbrief vom i. Januar 1450^). Beide nennen die Dörfer
Niederauerbach (Urbach), Rebesgrün (Redewischgrune),
Rützengrün (Ruczengrune), Wernes grün (Bernersgrune),
Brunn (Brunne) und Vogels grün (Voistelsgrune). Zu den
übrigen drei rechne ich dann unbedingt Stützengrün und
Rempesgrün (1450: Rempelsgrune), während man weiterhin
zwischen Hohen grün (1411: Hoengrune) und Mühlgrün
(1450: Molgrune) schwanken kann. Jedenfalls entfallen von
den genannten Orten auf die Nordgrenze des Kirchspiels:
Stützengrün, Rothenkirchen, Wernesgrün und Rodewisch, also
auch die beiden Filiale. Unberücksichtigt blieben dabei noch
.die nördlicheren Niederlassungen, nämlich Wildenau und
Herlagrün, dieses nach Auerbach ein- und in der Re-
formationszeit nach Obercrinitz umgepfarrt'^), jenes hin-
gegen nur mit seiner südlichen Seite, der sogenannten ,,Frohn-
seite", am Rodewischer Filialbezirke beteiligt^). Damit wäre
1) Annaberger Ephoralarchiv. Rep. I, Generalia No. i a (Extrakt.),
fol. 1 1 a.
-) Mitteil. d. Altertumsver. f. Zwickau u. Umg. VII. 90 und
Anm. 281 f.
3) Dresden HStA. Cop. 33 fol. 38 b.
•*) Ebenda Cop. 43 fol. 203.
") N. Sachs. Kirch.-Gal. Eph. Zwickau .S 683 f.
^ Dieser Anteil von Wildenau verblieb bei der Kirche von
Rode\visch bis zum i. April 1897. Ein Haus davon kircht aber noch
heute nach Röthenbach.
ZA Leo Bönhoff:
die Abgrenzung des Pleifsensprengels nach Süden zu nega-
tiv erledigt.
Nordwestlich an die Parochie Auerbach in ihrem ältesten
Umfange lehnt sich der Kirchsprengel der Landschaft (pro-
vincia) Milin. Sein Mittelpunkt ist Reichenbach (Riehen -
bach), seine östlichsten Grenzorte aber, worauf es ja hier
hauptsächlich ankommt: Röthenbach (Rotenbach), Plohn
(Plona), Pechtelsgrün(Bertolsgrun), Irfersgrün (Ernphornz-
grun) und Hauptmanns grün (Hertmasgrun). Wir ersehen
solches aus der Urkunde Bischof Udos L von Naumburgf vom
Jahre 1140, Bekanntlich ist sie leider nur als Transsumt,
weswegen sie auch für verdächtig gilt, in einer Bestätigung
seines späteren Nachfolgers Dietrichs IL vom Jahre 1271 vor-
handen; allein aus dieser wie aus drei anderen Aktenstücken,
die der Zeit von 1265— 1274 entstammen, geht es zur Ge-
nüge klar hervor'), dafs um die Mitte des 13. Jahrhunderts
als Tochterkirchen Reichenbachs Mylau, Waldkirchen, Plohn,
Röthenbach und Irfersgrün (Myla, Waltkirchin, Plona, Roten-
bach et Ernphornzgrune) bestanden haben. Wie sich die-
selben von ihrem alten Pfarrverbande losgelöst haben, kann
hier dahingestellt bleiben; es handelt sich für uns um den
noch Ende des 13. Jahrhunderts-) geschlossenen Pfarreikomplex,
von dem es 1140 in dem angegebenen Dokumente u, a. auch
heifst: „ Infra hos terminos nuUus absque assensu plebani
sacerdotis ecclesias sive cappellas construat sive dedicari
faciat et, si qua constructa fuerit, matrici ecclesie . . . .
obediat, cuius quilibet sacerdos .... ecclesie prefici-
endus curam de manu prepositi ecclesie Czicensis
(als des zuständigen Archidiakonus) recipiat." Da dieser
Passus auch im Jahre 1271 uneingeschränkt in Kraft blieb,
nachdem die Reichenbacher Pfarrei samt ihren fünf Filialen
an den Deutschen Orden 1265 durch Schenkung seitens des
Vogtes Heinrich L von Plauen gediehen war, so wurden mit-
hin die archidiakonalen Gerechtsame des Zeitzer Propstes
davon nicht berührt, wenn auch die Bischöfe Dietrich IL und
Meinher von Naumburg der neuen Kommende das Recht
freier Priester wähl in den Jahren 1271 und 1274 zugestanden.
Beidemal, das zweite für sich ganz allein, bezeugt dieses
Privileg der Propst Albert von Zeitz, natürlich in seiner Eigen-
schaft als Archidiakonus. Unter der Jurisdiktion eines solchen
unterstanden also seinem jeweiligen Nachfolger die neuen
') Dresden HStA. Or. Nr 765. Vd. Nr. 647, 822, 837a.
^) Ebenda Or. Nr. 1394.
Der Pleilseusprengcl. ce
Parochien zu Mylau, Irfersgrün und Plohn (mit Röthenbachj,
die nach und nach ins Leben traten^).
Nördlich vom Reichenbacher dehnte sich der Pfarrbezirk
von ^eumark aus, in alten Zeiten noch ansehnlicher als
heute. Von der Pfarrkirche selber bemerkt der Abschätzungs-
bericht-): ,,In prepositura Cycensi .... ecclesia in novo
foro vacavit in secundo anno per constitutionem , Licet cano-
nicum'; collacio spectat ad collacionem abbatisse in Cronz-
wicz; taxata est ad XV marcas, solvit VIII marcas preter
V grosses nee plus dare potest, quia agri et census sunt
desolati propter continuas gwerras advocati de Plawa, in
cuius sita est dominio, et propter frequentes raptorum ibidem
insultus, videlicet de Hartensteyn et de Lapide (Stein an der
Mulde), et depredationes Conradi de Muse[lj^), quod commune
est exercitum eorundem nee*) peccatum (statt pecuniam) repu-
tatur; sie juratus deposuit rector." Dafs in Anbetracht der
grofsen Taxation (15 Mark Silber) 1320 die Pfarrei Neumark
umfänglicher gewesen sein mufs, darauf deuten verschiedene
Umstände hin. Ihr Inhaber besafs noch im Jahre 1529 die
Kollatur über Ebersbrunn (mit Voigtsgrün) und Schön-
fels'^). Erstere besafs er schon 1546 nicht mehr*^), letztere
teilt er heute mit den Besitzern der Rittergüter Alt- und
Neuschönfels. Dagegen steht ihm allein noch jetzt diejenige
über Stenn zu, nachdem dies zwischen 1529 und 1533 die
Parochialrechte erlangt hatte, während vorher nur ein Vikar
tätig gewesen war"). So fehlt nur Lichtentanne (1529 ohne,
1546 mit Thanhof): in der ersten Visitation ward der Pfarrer
von Schönfels mit seiner geistlichen Versorgung betraut; in
der zweiten ward betreffs des Dezems verfügt, dafs die Ein-
') Waldlvirchen war 1529 noch Kaplanei, 1533 schon Pfarrei.
(Mitteil. d. Altertumsver Zwickau u. Umg. VII, 95 u. Anm. 303.)
-) Ledebur a. a. O. S. 336, 342.
^) Vogt Heinrich IV. der Ältere von Gera erklärt im Alten-
burger Vergleiche, den er am 28. September 13 16 mit Markgraf
Friedrich dem Freidigen abschlofs: „Ich neme auch darin (sc. in dise
sune) minen vettern^ den jungen von Wyda , Cunrad von der
Musein, die von Lubschwitz (sie wurden unter Tegkwitz [Ledebur
a. a. O. S. 352] bereits erwähnt) und bey namen alle, die durch
meinen willen mit disme urlougebegriifen sein gewest." (Schmidt
a. a. O. I, 225 Nr. 473.)
*) So sind diese Worte umzustellen statt des jetzigen konfusen
Textes, den Ledebur bietet.
^) ßuchwald a. a. O. S. sf.
") Annaberg. Ephoralarch. Rep., I. Gen. la, fol. 10 b.
') Ebenda fol. 61). Vgl. Buchwald S. 5. Mitteil. d. Alter-
tumsver. f. Zwickau u. Umü;. VIII, iii.
c6 Leo Bönhoff:
wohner zu Lichtentanne ,,under dem Stege" ihn wie bisher
dem Pfarrer zu Neumark, dagegen die ,,uber dem Stege"
ihn nach Schönfels entrichten sollten, wofür sie dort alle
Pfarrgerechtigkeit erhielten, ,,so der pfarrer zum Neuenmark
von alders dohin zuthun schuldig gewest"; im Jahre 1546
war Lichtentanne ebenfalls eigene Parochie'). Die früheste
Erwähnung eines Pfarrers zu Neumark, der also damals die
eben genannten Orte pastorierte, bietet eine Urkunde Bischof
Engelhards von Naumburg vom 25. April 1225 dar"-). Es
handelt sich hierbei um einen zu Zeitz getroffenen Schied
zwischen den Patronen der Kirchen St. Lorenz zu Elsterberg
und St. Marien zu Greiz, die kurz vorher erbaut worden war,
den Herren von Lobdaburg und den Vögten von Weida,
Daran beteiligten sich Geistliche des Landkapitels, dem beide
Kirchspiele angehörten, nämlich die Pfarrer (plebani) von
Beiersdorf, Neumark, Reichenbach, Plauen (vertreten durch
die Priester von Taltitz und Kürbitz) und Ölsnitz; als Erz-
priester fungiert der zweite von ihnen, weshalb auch sein
Amtstitel lautet: Gerwicus decanus de novo foro.
Es verdient hervorgehoben zu werden, dafs damals schon
die Parochie Beiersdorf bestand. Sie gehörte zum Bezirke
der Burg Schönfels "^j, deren drei castellani (Ulrich von Mosen,
Walther und Reinhold) als Zeugen gedachter Urkunde neben
ihren Genossen auf den Schlössern Elster berg, Weida und
Greiz mit aufgeführt werden. Sie stiefs damals westlich an
die grofsen Waldungen, die sich bis an die Elster hin aus-
dehnten. Denn noch als die Reformation ihren Eingang fand,
hatte ihr Pfarrer einen Prediger oder Kaplan neben sich,
weil sein Sprengel die reufsischen Dörfer Fraureut h (heute
Parochie) und Gottesgrün (Filial von Hermannsgrün) sowie
Thanhof (Parochie Lichtentanne) umspannte^). Seine Zu-
*) Buchwald S. 16. Mitteil. d. Altertiimsver. f. Zwickau u. Umg.
VII, io8. Annaberg. Ephoralarch. a. a. O. fol. 6b. (Schmidt II, 337
Nr. 404 irrt also, wenn er in seinem Regest die Kirche zu Lichten-
tanne, deren Barbara- Altar am 26. Oktober 1400 von Markgraf
Wilhelm I. von Meifsen mit Zinsen aus Lichtentanne, Gospersgrün
und Schönfels bewidmet ward, als Pfarrkirche angibt.)
-) Schmidt I, 22 Nr. 51.
") Vgl. Schmidt II, 357 Nr. 427: villa Beierstorff in districtu
Schonfels (1402).
'') Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schul-
visitation 1524 — 1545 S. 65. (Frankenreut, Gossengrün.) Vgl. Mitteil,
d. Altertumsver. f. Zwickau VII, 84: „Ist auch dem Herrn Reul'sen
etc. geschriben, sein leut, so in die pfarren Beyerstorf gehörig,
auch dohin zu halten" (16. November 1533).
Der Pleilsensprengel. en
gehörigkeit zur Propstei Zeitz erhärtet die obige Urkunde:
es ist das spätere Dekanat Greiz, von dem natürHch um 1220
keine Rede sein konnte und dessen Sitz damals ein anderer
Ort, vielleicht Neumark, war, wohin wir die Pfarrei Beiers-
dorf zu weisen haben. So klafft nur eine kleine Lücke im
Grenzzuge des eben genannten Archidiakonates zwischen
Beiersdorf im Süden und Culmitzsch-Trünzig (s. o.) im Norden.
Sie wird ausgefüllt vom ,,Werdauer Walde". Forstungen sind
nun an sich interparochial, allein politisch ist dieser Wald
zur Herrschaft Greiz zu ziehen. Als nämlich die Söhne Vogt
Heinrichs Reufs II. von Plauen, die Reufsen Heinrich III. der
Ältere, Heinrich IV. der Mittlere und Heinrich V. der Jüngere,
ihr väterUches Erbe am 12. Juni 1359 unter Vermittelung der
markgräflichen Gebrüder Friedrich III. und Balthasar von
Meifsen teilten, bestimmte man unter anderem'): ,,Dem eidern
Ruzsen (sal) volgen und bliben zcu sinem teil Greucz, hus
und stat und waz darczu gehöret der walt gnant
daz Gehürne, aber andere weide, die zcu Greucze ge-
hören, sal man glich in dri teilen, der teil sal einer dem
eidern zcu Greucz bliben, die andern zcwen teile sullen den
lungern Ruzsen volgen." Jene zwei Drittel der Greizer
Forstungen repräsentiert der ,,Werdauer Wald". Nachdem
aber Heinrich IV. am 25. Juli 1372 und Heinrich V. im Früh-
ling des Jahres 1398-j erblos starben, fielen ihre Besitzungen
an die Wettiner als erledigte Lehen heim. Somit zog sich
die Grenze des Pleifsensprengels in dieser Gegend im Osten
des gedachten Waldes hin.
Wir führen ihre Betrachtung zu Ende, indem wir zunächst
die südliche Teilstrecke der westlichen Grenzlinie festlegen.
Sie beginnt mit der Parochie Werdau, für die auch sofort
ein durchschlagender Beleg zur Hand ist, den wir aus dem
Abschätzungsberichte (1320) schöpfen^^). Ihm entnehmen wir
folgendes: ,,In archidyaconatu Plysnensi .... ecciesia in
Werda vacavit in secundo anno per constitutionem , Licet
canonicum'; collacio spectat ad prepositum canonicorum re-
gularium in Aldenburg; taxata est ad IX marcas et IV solvit
nee plus solvere potuit, quia agri sunt desolati et oppidum
•) Schmidt II, 44 Nr. 54.
-) Vu;l. ebenda II, Nr. 388 und 391. Am 13. Januar h. a. stellt er
als „Herr zu Ronnelxu-g" noch eine Urkunde für den Pfarrer zu
Rufsdorf bei Crimmitschau aus; am lo. Mai a. ej. gedenkt Markgraf
Wilhelm seiner als des „Herrn zu Schmölln" und spricht von seinem
Tode.
^) Ledebur a. a. O. S. 348, 351.
c8 Leo Bonhoff:
propter gwerras domini de Plawe, quas habuit cum marchione
Mvsnensi, et propter rapinas vicinorum in Lapide (Posterstein)
et in Elsterberg et propter sterilitatem precedentium annorum
et predicta vera fore nee se posse plus dare rector .... de-
posuit juratus." Damals lag übrigens wie nachmals noch im
Jahre 1381 die ecclesia parochialis sancti Egidii extra
muros opidi (Werde), während die heutige Stadt- und Pfarr-
kirche als capella beate Marie virginis intra muros opidi,
und erstere als matrix für sie ausdrücklich bezeichnet wird^).
Zu jener Zeit stand Steinpleis mit derselben ebenfalls als
seiner Mutterkirche in Verbindung. Denn am 18. Januar 1529
willigte der Rat zu Werdau ein'-), ,, nachdem sie den zu Steyn-
pleyssen allweg ein priester haben halten müssen", binnen
Jahr und Tag der dortigen Gemeinde 20 gute Schock in zwei
Raten als Beitrag zu übermitteln, ,,das pfarrgut zu Stein-
pleissen widerumb zu erkauffen, domit hinfurder die pfarr
zu Werda zu ewigen zceiten unbeladen sein soll, die zu Steyn-
pleyssen ferrer mit eynem priester zu versorgen". In der
nächsten Visitation, am 19. November 1533, ward die Möglich-
keit der Rücknahme dieser Mafsregel eröffnet, falls es ,, be-
quem, gut oder von noten sein wolt, dafür es etlich achten".
Dann sollte aber auch, wenn die Bewohner von Steinpleis
,,wie für alders" nach Werdau pfarren würden, ihre geist-
liche Versorgung ,,wie in vorzeiten" geregelt werden''). Es
kam aber nicht dazu, sondern es blieb, wie es noch heute ist.
Der Leser wird sich vom Anfang dieser Grenzbeschrei-
bung erinnern, dafs die weite Kirchfahrt Kirchberg im Süden
Zwickaus, welche die Dörfer der Herrschaft Wiesenburg in
sich schlofs, auch die heutigen Parochien Wilkau, Culitzsch
(mit Niedercrinitz), Hartmannsdorf und Bärenwalde zu ihren
Bestandteilen rechnen durfte^). Sicher liegen also im Pleifsen-
sprengel: nach Westen zu Wilkau, Culitzsch, Niedercrinitz,
Kirchberg selbst, Leutersbach und Giegengrün, nach Süden
zu Bärenwalde und Lichtenau. Somit verbleiben für die
Westgrenze die Parochien Marienthal (heute Zwickau-
St. Pauli), Planitz (wovon sich 1869 Cainsdorf auspfarrte),
W^endisch - Rottmannsdorf, Hirschfeld und Stangen-
') Schmidt II, 229!". Nr. 268. In der Reformationszeit ward
die St. Ilu:;enkirche abgetragen. (Mitteil. d. Altertumsver. f. Zwickau
u. Umg. VII, 103.)
-) Buchwald S. 8.
") Mitteil. d. Altertumsver. f. Zwickau VII, 105.
*) Vgl. dazu N. Sachs. Kirch.-Gal. Eph. Zwickau S. Si7^-i 577^
591, 595> 611.
Der Pleifsensprengel. en
grün, für die Südgrenze die letzte zugleich nebst Ober-
crinitz. Einige Bemerkungen müssen über sie fallen. Die
villa sanctae Mariae (12 12) trägt ihren Namen von der Titel-
heiligen der Zwickauer Pfarrkirche und verdankt ihre Ent-
stehung dem Kloster Bosau, kam aber in dem angedeuteten
Jahre an Markgraf Dietrich den Bedrängten. Die Benennung
deutet auf eine ursprüngliche Einpfarrung der neuen Nieder-
lassung nach Zwickau, dessen Kirche Grundstücke in ihrer
Flur besafs, bis im Laufe der Zeiten ein eigenes kirchliches
Wesen im Orte begründet ward. Da der Rat zu Zwickau
den ,,Merginthaler" Kirchenpatronat am 28. Mai 1440 von
den Wettinern (Kurfürst Friedrich und Herzog Wilhelm)
erwarb, so scheint von den letzteren, sei es in der Zeit von
1212 — 1290 oder nach dem Jahre 1348, wo sie Zwickau
wiedererwarben, solche Gründung ins Werk gesetzt worden
zu sein^). Die Kirchen von Planitz und Rottmannsdorf (1421
Ruczmerstorff, 1529 Rutzendorff, 1546 Radtmannsdorff"-) gingen
von denen von Planitz zu Lehen; auf dem Stammschlosse
derselben nahe bei Zwickau ruhte beider Kollatur und zeigt
an, dafs dieses edle Geschlecht die zwei Pfarrstellen, sonder-
lich in dem Orte, wo es seinen Sitz hatte, schuf. Dabei
wäre es nicht unmöglich, dafs Rottmannsdorf anfangs als
Filial mit Planitz zusammenhing. Die älteste Nachricht von
einem Pfarrer der letzteren Gemeinde empfangen wir aus
dem Jahre 1275, wo von einem magister Lodewicus, olim (-j-)
plebanus in Plewenitz, die Rede ist^). Eine solche Nachricht
betreffs Hirschfeld (mit Wolfersgrün) rührt vom Jahre 1282
her; die Urkunde, die unterm 21. Dezember desselben Jahres
gegeben ist, verfafste Hermannus plebanus de Hirsfeld selber,
da er als notarius Vogt Heinrichs IL von Gera auftritt*).
Bei Hirschfeld ist vor allem sein Ausschlufs von der Urparo-
chie Reichenbach für uns ausschlaggebend, seinen Pfarrbezirk
zur Pleifsner Kirchenprovinz zu ziehen. Derselbe soll übrigens
vordem insofern nach Süden zu gröfser gewesen sein, als
sich die Einwohner von Stangengrün zur Pfarrkirche von
Hirschfeld als auch der ihrigen sich zu halten hatten, während
jede Woche ein Kaplan (cursor) zu ihnen herüberkam, um
^) N. Sachs. Kirch.-Gal. Eph. Zwickau S. 413, 415. Herzooj a.
a. O.II, 116.
^) Herzog II, 106. Buchwald S. 7. Annaberg. Ephoralarch.
a. a. O. fol. loa.
'') Buchwald S. 6 f. N. Sachs. Kirch.-Gal. a. a. O. S. 165,
201. Schmidt I, 92 Nr. 179.
*) Schmidt I, 108 Nr. 214.
6o
Leo Bönhoff :
in ihrer eigenen Kapelle die Messe zu lesen. Allerdings mufs
dieser Zustand spätestens in dem ersten Jahrzehnt des 13. Jahr-
hunderts sein Ende gefunden haben, weil uns in den Jahren
13 17 (19. August) bis 1323 (13. Mai) ein er Johannes pharrer
zcu Stangengrun (honorabilis vir dominus Johannes plebanus
in Stangengrun) urkundlich bezeugt ist^). Seine Parochie
reichte bis Wildenau, dessen „Freiseite" — wohl seitdem
dieser Ort inmitten der dicht bewaldeten Gegend sich bildete
— in Stangengrün ihre Pfarrgerechtigkeit suchte, so dafs der
dortige Dorfbach als der westlichste Strich der Südgrenze
des Pleifsensprengels anzusehen ist. Dieselbe findet ihren
Abschlufs durch das Kirchspiel Obercrinitz (jedoch [s. o.]
ohne Herlagrün), das sich zwischen Stangengrün und Bären-
walde einschiebt. Da hier die von der Planitz auf Wiesen-
burg als die am frühesten nachweisbaren Patrone auftauchen,
so mag dieses Recht mit jenem Schlosse irgendwie im Zu-
sammenhang stehen.
So wäre denn das mühsame und zeitraubende Geschäft
des Grenzumgangs abgetan. Allein die Ergebnisse unserer
einzelnen Nachforschungen möchten wir am Abschlüsse dieses
umfänglichen Abschnittes übersichtlich zusammenstellen. Wir
überschreiben also den folgenden Überblick, der zugleich als
eine Berichtigung von Böttger, Diözesan- und Gaugrenzen
Norddeutschlands IV, 189, zöyf., zygf., 286ff. dienen soll:
Breitingen
Grenzen des Pleifsensprengels
a) im Norden:
}
2. Regis
b) im Osten:
(2. Regis)
3. Treben
4. Frohburg
5. Eschefeld
6. Gnandstein
7. Lohma mit Kapelle Aller-
heiligen zu Langenleuba-N.
I. gegen das Bistvim
Merseburg:
I Grofshermsdorf
r Deutzen
l Görnitz
Zedtlitz
Wyhra
Benndorf
Greifenhain
Syhra mit Roda
Kohren
Rüdigsdorf
Langenleuba-Niederhain
(Mittelleuben) mit Neuen-
mörbitz
') N. Sachs. Kirch.-Gal. a. a. O. S. 640. Schmidt I, 231, 257
Nr. 483, 534.
Der Pleifseiisprengel.
6i
8. Flemming;en
9. Wolperndort 1
10. Wolkenburg j
(10. Wolkenburg)
1 1 . Schlagwitz
12. Waidenburg
13. Remse )
14. Jerisau
(14. Jerisau)
15. Gesau
16. Schlunzig
17. Crossen
18. Osterweih
19. Bockwa
20. Culitzsch
21. Kirchberg mit
Hartmannsdorf 1
22. Bärenwalde J
c) im Süden:
(22. Bärenwalde)
23. Obercrinitz 1
24. Stangengrün J
d) im Osten:
(24. Stangengrün)
25. Hirschfeld bei Zwickau
26. W.-Rottmannsdorf
27. Planitz 1
28. Marienthal J
29. Steinpleis
30. Werdau
31. Langenbernsdorf 1
32. Oberalbertsdorf j
33. Blankenhain
34. Nischwitz
Nöbdenitz
35-
36.
37-
38.
Grofsstechau
Reichstädt
Frankenau
Niedersteinbach
Penig
II. gegen das Bistum M e i fs en
Kaufungen
Niederwinkel
Altstadt-W.
Oberwinkel
III. gegen den archidiaco-
natus trans Moldam:
Lobsdorf
Glauchau
Wernsdorf
Thurm
Auerbach (Dorf)
R einsdorf
Vielau
Schönau
Weifsbach
Griesbach (darnach Neustädtel)
Eibenstoc k
IV. gegen die praepositura
C i c e n s i s :
Auerbach (Stadt)
f Plohn mit Röthenbach
\ Reichenbach mit Waldkirchen
{Irfersgrün
Ebersbrunn
Ebersbnmn
Neumark (Stein, Lichtentanne)
Beiersdorf
f Beiersdorf
1 Werdauer Wald (Greiz)
Trünzig
{Culmitzsch mit Seelingstädt
Rückersdorf
Haselbach
/ Paitzdorf
l Ronneburg
Grofsenstein
Hirschfeld bei Gera
62
Leo Bönhoff:
39. Lumpzig 1
40. Braunshain J
41. Grofsröda
42. Monstab 1
43. Kriebitsch J
44. Wintersdorf
(3. Treben)
(i. Breitingen)
Hohenkirchen
Kay na
Meuselwitz mit Nifsma
Zipsendorf (vor 1528)
Ruppersdorf
Lucka (vor 1533)
Ramsdorf
2. Der Bestand.
Da das Bruchstück der Naumburger Bistumsmatrikel,
welches die Kirchen des Muldensprengels aufzählt, sich dabei
der alphabetischen Reihenfolge bedient, so behalten wir diesen
Gebrauch ebenso bei unserem Parochialregister des Pleilsen-
sprengels bei. Zur Markierung solcher Reihenfolge sei jeder
Buchstabe des Alphabets durch Fettdruck beim ersten Male
hervorgehoben. Die im Königreiche Sachsen gelegenen
Kirchspiele sind durch Sperrdruck kenntlich und führen in
runden Klammern ( ) hinter sich noch ihre besondere Nummer
für sich neben der laufenden. Eckige Klammern [ ] zeigen
an, dafs die betreffende Pfarrei erst nach dem Jahre 1400
gegründet ward, ein Sternchen (*) ferner, dafs sie unter dem
Patronate eines Klosters, eines Ordens steht oder mit einem
Kanonikate verknüpft ist, und endlich ein Kreuz (-j-), dafs sie
als exemt gilt, also sich aufserhalb der archidiakonalen Juris-
diktion befindet. Nach diesen Vorbemerkungen folge das Ver-
zeichnis selber'):
1. Altenburg
S. Bartholomaei*
2. Altenburg
S. Nicolai*
3. AIt(en)kirchen*
[4. Bärenwalde (i)]
5. Blankenhain (2)
[6. Bocka(3)]
[7. Bockwa(4)]
[8. Bornshain*]
9. Braunshain
10. Breitingen (5)
11. Cosma*
12. Crimmit-
schau* (ö)
[13. Crossen (7)]
14. Culitzsch (8)
15. Dobitschen
16. Ehrenhain
17. Eschefeld (9)
18. Flemmingen
19. Frankenau
20. Franken-
hausen* (10)
21. Frohburg*(ii)
22. Gablenz (12)
23. Gesau ds)
24. Gieba
25. Gnandstein (M)
26. Gödern
Grünberg* v'5)
27. Gödissa*
28. Göllnitz
29. Göfsnitz*
30. Grofsmecka
31. Grofsstechau
32.
33. Hartroda
34. Hirschfeld (lüj
35. Jerisau (i7)
36. Kirchberg (18)
37. Kriebitsch*
38. Langenberns-
dorf'dö)
39. Langen-
hessen* (20)
') Weil es fraglich ist, haben wir Niederschindmaas (s.o.)
in denselben nicht als Pfarrei — sie würde das Hundert vollmachen
— mit aufgeführt.
Der Pleiisensprcngel.
63
40.
41.
42.
43-
Langenreins-
dorf*(2ij
Lauenhain (22)
Lauterbach (23)
Lohma a. L.* mit
Lano;en]euba-N.
[44. f Lohma b. Schm.]
45. Lumpzig
[46. Maltis]
47. Mannichswalde
48. Marienthal (24)
49. Meerane (25)
50. fMehna*
51. Monstab*
52. Mosel (26)
53. Neukirchen
Niedei^viera*
Nischwitz
Nobitz*
Nübdenitz*
Oberalberts-
dorf*(2S)
Oberarnsdorf
-)*
(27)
54.
55-
56.
57-
58.
59.
60. Obercrinitz (20)
61. OI)erlödla
62. Olierwiera (30)
63. Osterweih*(3i)
64. P]anitz(32)
65. Ponitz*
66. Rasephas
67. Regis(33)
68. Reichstädt
69. Remse* (34)
70. Röda (GrolS'
71. Romschütz
72. Rositz
73. Rufsdorfb.Cr.(35)
74. Saara*
75. Schlagwitz (36)
76. Schlunzig (37)
77. Schmölln*
78. Schönberg (38)
79. Stangengrün(39)
80. Stünzhain
81. Tegkwitz
82. Tettau* (40)
83. Thonhausen
84. Treben*
85. Waldenljurg Ui)
86. Weilsbach
87. Weissen-
brunn(42i
88. Wend.-Rott-
mannsdorf (43)
89. Werdau''(44)
90. Wildenbörten •
91. Windischleuba
92. Wolkenburg (45)
93. Wolperndorf
94. Ziegelheim* (46)
95. Zschernitzsch *
96. Zürchau
97. Zwickau
S. Marien* (47)
98. Zwickau
S.Margarethen,
Hospital (4^)
[99. Zwickau
zum h. Geist (49)]
Wir ersehen aus der vorstehenden Liste, dafs der Pleifsen-
sprengel ab und zu 99 Kirchspiele, darunter fast genau die
Hälfte (49) in Sachsen, umfafste. Über ein Drittel derselben
(35) ^^^^ nach und nach unter geistliche Kollatur gekommen,
nicht gerade zu ihrem Vorteile; denn sie wurden entweder
sofort oder nach einiger Zeit zufolge bischöflicher Vergünsti-
gung mit ihremVermögen demjenigen des betreffenden Klosters,
Ordens oder Kanonikates einverleibt und erhielten zu ihren
Seelsorgern oft kärglich genug besoldete Priester, die als
Pfarrvikare (viceplebani) in ihnen amtierten. Wir zählen hier
die verschiedenen geistlichen Kollaturherrschaften^) auf und
geben, wo es uns möglich ist, an, wann und von wem sie
den Patronat schenk- oder kaufweise erworben haben :
1. Stiftsscholasterei zu Zeitz: Monstab (1329 dieser
Pfründe vom dortigen Kapitel überwiesen, nachdem 1328
Bischof Witego von Naumburg ihm die Pfarrei abgetreten
hatte [s. o.]).
2. St. Georgenstift zu Altenburg (gegründet 1413):
Frohburg und Göfsnitz (im Jahre der Gründung durch die
Mark- und Landgrafen Friedrich IV., Wilhelm II. und Friedrich
den Friedfertigen übergeben); Bornshain (durch Kauf ums
Jahr 1477 von Hans von Weissenbach erworben^).
333-
') Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl.
-343-
III.
Sa Leo Bönhoff:
3. Deutschordenshaus zu Altenburg (gegründet
1213): Altenkirchen (mit dem 1181 durch Kaiser Friedrich f.
angelegten Marienhospitale, welches die Kollatur im Jahre 1192
durch Kaiser Heinrich VI. empfing, zugleich übernommen);
Gödissa (am 11. Dezember 1323 von den Brüdern Friedrich V.,
Hermann V. und Fritzko VI. von Schönburg, Herren zu Glauchau,
und am 13. August 1324 von deren Vetter, Friedrich IV, von
Schönburg, Herrn zu Crimmitschau, gemäfs ihren Anteilen
am Kirchlehn an das Deutschordenshaus zu Reichenbach ver-
äufsert, dann von diesem an das zu Altenburg, jedenfalls vor
1345, überlassen), Ponitz (im Jahre 1349 an den Besitzer
des dortigen Rittergutes, Friedrich von Ponitz, abgetreten,
im Jahre 1320 (s. u.) noch nicht der Kommende zuständig^).
4. Bergerkloster zu Altenburg, Augustiner Chor-
herren (gegründet 1172): Treben (am 27. September 1200
durch König Philipp zugeeignet [s. o.]; Altenburg St. Bar-
tholomäi und St. Nikolai, letztere namentlich 1223 zuerst auf-
geführt (von Kaiser Friedrich II. im Jahre 12 14 übergeben);
Mehna (urkundlich sicher vom Jahre 1279 ab, aber als
Schenkung König Philipps, wiewohl 12 14 von seinem Neffen
Friedrich II. nicht bestätigt, bereits vorher durch Fälschung
ins Jahr 1200 zurückdatiert [s. o.]); Lohma a, L. mit der
Allerheiligenkapelle zu Langenleuba-Niederhain oder Unter-
leuba (von Hermann von Mutschau, seiner Gattin Adelheid
geb. von Lohma und ihren acht Söhnen am 16. Oktober 1295
als Zubehör des Leibgutes [allodium] zu Lohma verkauft
[s. o.]); Werdau (im Jahre 13 18 von Vogt Heinrich Reufs II.
von Plauen verliehen); Nobitz (durch Burggraf Otto I. von
Leisnig im Jahre 1361 in Lehn gegeben und im Jahre 1502
durch Georg von der Gabelentz ertauscht-).
5. Martinskloster zu Crimmitschau, Augustiner-
Chorherren (gegründet 1222): Crimmitschau und Neu-
kirchen, letztere St, Martin zwischen Stadt und Schlofs (im
Gründungsjahre vom Stifter, dem kaiserlichen Landrichter im
Pleifsnerlande, Heinrich von Crimmitschau, überwiesen |s. o]);
Langenhessen (am 15. Juni 1270 cum sua filia Kuneges-
walde durch Vogt Heinrich VIII. von Weida geschenkt "^j.
6. Benediktinerkloster zu Bosau (gegründet 1114):
Zwickau (am i. Mai 1118 als Propstei durch Gräfin Bertha
von Morungen, der Tochter Wiprechts von Groitzsch, an-
') Lobe II, 87, 100, i57f.
^) Lobe I, 30, 89, 94, 409! Schmidt I, 237! Nr. 494.
8) Schmidt I, 82f. Nr. 1581'.
Der Pleifsensprengel. 65
gegliedert, am 11. Mai 1212 von Markgrai Dietrich dem Be-
drängten erworben und von ihm dem Triptiser nach Zwickau
verlegten Nonnenkloster, das 12 19 nach Eisen berg kam,
noch im gleichen Jahre geschenkt); Osterweih (von dem
die beiden letzten Angaben ebenfalls gelten, durch das Kloster
Bosau von der Pfarrei Zwickau lange vor 121 2, vielleicht
nach 1192 abgezweigt); Kriebitsch (am 10. November 12 16
von Kaiser Friedrich II. erhalten); Grofs-Röda (im Jahre 1256
vom Diözesanbischof abgetreten [s. o.]^).
7. Cisterzienserkloster zu Grünhain (gegründet um
1233): Niederwiera (wann das Kirchlehn und durch wen es
an das in Dörfern der Altenburger Pflege hin und wieder
begüterte Kloster gedieh, ist leider unbekannt'').
8. Benediktinerklosterzu Remse (gegründet 1 143/61):
Remse. St. Georg, von der Klosterkirche St. Nikolai wohl
(s. 0.) zu unterscheiden (durch das Kloster als Grundherr-
schaft begründet und von ihm völlig abhängig, so dafs sein
Propst die Pfarrechte ausübte); Cosma, Tettau und Ziegel-
heim (die letzte Pfarrei beruhte sicher auf einer Schenkung
des Schönburgschen Hauses, nur dafs die Zeit unbestimmt
bleiben mufs; die erste befand sich bereits 1279 in dem
Besitze des Klosters, für welches der Abt von Bürgel als
sein geistlicher Inspektor die Kollatur ausübte; über die
mittlere läfst sich nur vermuten, dafs die von Tettau den
Patronat an Remse abtraten, und zwar noch im 13. Jahr-
hundert, ehe Tettau der Krone Böhmen zu Lehn aufgetragen
wurde'^).
9. Nonnenkloster zu Frankenhausen (gegründet um
1270): Grünberg und Frankenhausen (höchster Wahr-
scheinlichkeit nach vom Stifter, Burggraf Erkenbert II. von
Starkenberg, dem Konvente, der bis gegen Ende des 13. Jahr-
hunderts in Grünberg seinen Sitz hatte und dann nach Franken-
hausen übersiedelte, sofort bei der Gründung verehrt); Zscher-
nitzsch bei Altenburg (am 30. November 1305 von Friedrich IV.
von Schönburg, Herrn zu Crimmitschau übertragen^).
10. Frauenkloster zum heiligen Kreuz in Alten-
burg, Reuerinnen (gegründet unter Bischof Meinher 1273
bis 1280): Saara (laut des Bestätigungsbriefes der Mark- und
') Cod. dipl. Sax. reg. I, 2, 45 Nr. 53. Herzog I, 90, i34f.; II,
17, 24! Lobe I, 260.
-) Lobe I, 403.
^) Schönb. Geschichtsbl.il, 24 Anm. 5. Lobe I, 190; II, 197.
*) Lobe I, 593.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. 1.2. 5
66 Leo Bönhoff:
Landgrafen Friedrich IIL und Balthasar vom Jahre 1358 be-
reits dem Konvente zuständig^).
11. Nonnenkloster zu Cronschwitz, Dominikaner-
ordens (gegründet 1238): Schmölln (am 31. März 1269
seitens Markgraf Dietrich von Landsberg zugewendet, nach-
mals durch dessen Sohn Friedrich Tuta bestätigt und von
neuem am 7. Mai 1296 durch König Adolf geschenkt), Langen-
bernsdorf und Langenreinsdorf, ,,quarum ecclesiarum ius
patronatus ad dictas sorores de iure pertinere dinoscitur"
(am IG. Februar 1302, also schon unter dem Patronate der
Nonnen, vermutlich Schenkungen der vogt-weidaschen Fa-
milie); Nöbdenitz (am 12. August 13 13 durch Vogt Heinrich
Reufs IL von Plauen gewidmet); Oberalbertsdorf (neben
Schmölln, Ronneburg, Nöbdenitz, Paitzdorf, Langenbernsdori
und Langenreinsdorf sowie Posterstein durch den Erlafs Bischof
Rudolfs von Naumburg vom 5, Januar 1354 als Cronschwitzer
Patronatsstelle erwiesen'-).
12. Nonnenkloster zu Eisenberg (gegründet vor 1212):
Zwickau und Osterweih (vom Stifter, Markgraf Dietrich, bei
der Niederlassung in Zwickau 1212 zur Hebung seiner ,,nimia
paupertas" zugewendet [vgl. Nr. 6]; was aber den Patronat
der erste ren Kirche anbetrifft, so fiel er im Jahre 1505
dem Stadtrate zu Zwickau durch Kauf (100 Fl. Kapital,
24 Fl. Erbzins) anheim"^).
Sehen wir ab von den Grenzparochien (Nr. 4, 5, 9, 10,
15, 17—19, 21, 23, 25, 31, 34—38, 43, 45, 48, 50-52, 55,
57, 58, 60, 63, 64, 67, 68, 70, 75, 79, 85, 88, 89, 92—94)
und einigen mit ihnen zusammenhängenden (Nr. 14, 33, 40,
44, 47, 49, 73, 83), die wir bereits im Vorangehenden be-
rührt haben, übergehen wir ferner solche, von denen bei
Aufzählung der geistlichen Patronate genugsam die Rede
war (Nr. 20, 32, 39, 54, 62, 82), oder die sonst weiter keiner
besonderen Notiz bedürfen (Nr. 22, 42, 78, 86), so läfst sich
von den übrigen noch folgendes, was von Interesse für den
Gegenstand unserer Behandlung sein dürfte, in der Gestalt
kurzer Bemerkungen zusammentragen:
^) Ebenda I, 475.
*) Schmidt I, 80, 147, 168, 211, 492 Nr. 150, 304, 344, 444, 946.
") Cod. dipl. Sax. reg. I, 3, 129 Nr. 166; Herzog II, i66f. Die
Moritzkirche zu Osterweih brannte 1430 nieder. Nach ihrem
Wiederaufbau bestand sie erst für sich; dann ward sie mit
der im Jahre 1461 gestifteten Johanniskirche, die unter Kollatur
der Rates stand, gemeinsam verwaltet. (Herzog I, 147. Buch-
wald S. 4.)
Der Pleifsenspreni:;el. 67
Nr. if. Altenburg: Zwei Stadtkirchen, die ältere von
ihnen, St. Bartholomaei, zu der auch die Dörfer Drescha
und Steinwitz ^) gehören, während davon im Südosten Münsa
und Cotteritz an die Kirche zu Nobitz, Paditz und Zschech-
witz an die zu Stünzhain sich anschlössen; die jüngere,
St. Xikolai, 1528 geschlossen'-).
Nr. 3, 27, 28, 72. Altenkirchen, Gödissa, Göllnitz,
Romschütz: Oben hatten wir gesehen, wie aus dem alten
Pfarnsprengel von Aldinkirkin, wie es in der deutschen oder
Bauernsprache (lingua rustica), oder Ztarekoztol, wie es in
der sorbischen oder Landessprache (lingua patria) hiefs, im
westlichen Striche desselben teils durch Auspfarrung, teils
durch Verödung sieben Dörfer ausschieden. Ähnlich verhält
es sich im Nordosten mit sechs weiteren, nämlich 111 sitz
(1140: Hilsice), Göllnitz (Golniz), Schwanditz (Zvenz),
woselbst schon damals eine Eigenkirche (ecclesia propria)
mit Tauf- und Begräbnisrecht bestand, Gödissa (Godescowe),
Göldschen (Gotelcian) und der westlichen Hälfte von Jauern
( Huelin), wobei folgende Veränderungen festzustellen sind. Als
Gödern sich als Parochie konstituierte, kam das nördliche von
den beiden Gütern, die einst das Dorf Göldschen bildeten, zu
derselben. Das südliche Gut daselbst pfarrte hingegen nach
Gödissa, wo eine Kirche und dann eine Pfarrei^) aufkam, mit
denen auch Illsitz als Filial zusammenhing^. Die Gottes-
häuser (oder Kapellen) in den beiden Orten wurden im Laufe
des 13. Jahrhunderts errichtet; der erste von ihnen erhob sich
zwischen 1272 — 1286 zum Pfarrdorfe und blieb es bis zum
Jahre 1536. Eine Folge davon war es dann wohl auch, dafs
die eine Hälfte von Jauern mit der anderen in der Parochie
Saara kirchlich sich zusammentat und so das ganze Dorf zu
einem Filiale der letzteren werden konnte. Nicht minder
löste sich von der alten und grofsen Kirchfahrt Altenkirchen
die neue und kleine zu Göllnitz. Von dieser ,,pfarr" heifst
es noch 1522: ,,dazu nich meher den das eynige Dorf
Golnitz, hat 12 besessene eynwoner". Wenn auch ein Pfarrer
urkundhch zuerst im Jahre 1344 auftaucht, so scheint das
Bestehen der Stelle bereits im 13. Jahrhundert angenommen
') Hier bestand schon im Jahre 1244 eine Kapelle, die das im
Dorl'e beo"üterte Berg;erkloster zu Alteubur^" durch einen Priester be-
sortien liels. Sie wird noch im Jahre 1332 mit ihrem Kaplan (Albrecht
genannt Ziboto) erwähnt. Von da ab fehlt jede Nachricht. (Lob e I, 89.)
-) Lobe I, 88, 94, 408. 494.
^) Sie beruhte wohl auf der Initiative der im Orte reich be-
güterten Herren von Schönburg (s. o.)
5*
68 Leo Bönhoff:
werden zu können. Die Kapelle zu Schwanditz endlich, die
von einem besonderen Priester bedient ward'), dessen ,, Heus-
lein" noch im Jahre 1528 Erwähnung findet, war bereits
längere Zeit vorher ohne einen solchen gewesen und zur
Pfarrei Romschütz abgekommen, von wo aus der Gottes-
dienst in ihr besorgt zu werden pflegte. So verblieben denn
etwa am Ausgange des 15. Jahrhunderts bei der Kirche
zu Altenkirchen noch 16 Dörfer des Jahres 1140, nämlich
Nöbden, Gnadschütz, Köthenitz, Röthenitz, Platschütz (s. o.),
Trebula (Ztribeglowe), Drogen (Drogane), Gimmel (Gimelen),
Mohlis (Malus), Graicha (Grichawa), Prehna (Prene), Meucha
(Michowe), Kertschitz (Kirsiz), Zschöpperitz (Zioporice), (Grofs-)
Tauschwitz (Tussuwiz) und Kratschitz (Graz). Dabei ist frei-
lich zu berücksichtigen, dafs innerhalb dieses Bezirkes aller-
dings noch vier eingegangene Orte aufser Rechnung stehen:
Lucinsdorf (im Nordwesten von Graicha), Groluwic (im Norden
von eben diesem Dorfe), Grobosdorf (zwischen Kertschitz und
Zschöpperitz) und Nenawiz (zwischen letzterem Dorfe und
Grofstauschwitz").
Nr. 6. Bocka: In frühester Zeit soll ein Kaplan von
Frohburg herübergekommen sein, ein Zustand, der vor der
Mitte des 14. Jahrhunderts durch die Auspfarrung des Filials
sich erledigte, da 1344 ein Pleban Ludwig vorkommt. Jedoch
hatte zum Zeichen der ehemaligen Abhängigkeit die Pfarrei
Frohburg das Patronatsrecht sich vorbehalten, welches im
Jahre 1413 auf das Georgenstift in Altenburg überging.
Daher konnte der Bockaer Pfarrer 1528 über die Kollatur
seiner Stelle den Visitatoren angeben: ,,Dy Thumherren zcu
Aldenburg haben dy Beth", d.i. die Präsentation^).
Nr. 7, 13, 16. Bockwa, Crossen, Schlunzig: Wie
dem Leser noch erinnerlich sein wird, gehörten diese drei
Orte im Jahre 12 19 zu der Parochie Osterweih (Zwickau-
St. Moritz). Bereits im Jahre 1378 beteiligt sich ein ,,Er
Niclaus, pharrer zcu dem Slunz" an einer Altarstiftung für
die Katharinenkirche zu Zwickau; also hat sich vor diesem
^) Unter dem „Her Heinrich, pharrer zu Swencz" (1388),
dem Propste des Nomienklosters zu Frankenhausen, ist nicht ein
Geistlicher von Schwanditz (gegen Lobe I, 247), sondern ein solcher
von Zwönitz, einem Grünhainer Klosterflecken, zu verstehen.
') Lobe I, 247f., 2SI, 253; II, Syf., 90, 94, 98;
^) Ebenda I, 613!'. Der Laienpatron konkurrierte hier mit dem
Stifte dergestalt, dafs ihm dasselbe einige passende Bewerber zur
Auswahl vorschlug: er besafs also die Nomination. Dieses Anrecht
leitete sich wohl von einer Mitwirkung bei der Dotierung der
Stelle ab.
Der Pleifsensprenp;el. 69
Jahre das Dorf von seinem alten kirchlichen Verbände wie
früher schon Naundorf und die Vorstadt von Glauchau (s. o.)
losgelöst und eine Parochie für sich allein ohne die beiden
Wulm wie heute (sie kamen erst 1524 durch Ernst II. von
Schönburg hinzu) gebildet, was die Grundherren, die Edlen
von Schönburg betrieben haben, da sie ja den Patronat inne-
hatten. Von den beiden anderen Kirchspielen heifst es in den
Visitationsakten vom Jahre 1529: ,, Crossen .... Ist hievor ein
Cappel gewest, der pfarr zu Zwickaw eingeleibt, darnach
weil es dem pfarrer entlegen gewest, mit verwilligung vnsers
Gnedigsten herrn ein pfarr worden. — Bockaw .... Ist
auch ein Filial gewest hie, der pfarr Zwickaw zugehörig,
folgend ein eigen Pfarr worden mit auch bewilligung vnnsers
Gnedigstenn herrn." FiHale der Marienkirche waren sie ge-
worden, als ihre Mutterkirche zu St. Moritz mit samt ihrem
Pfarrdorfe Osterweih im Januar 1430 von den Hussiten ein-
geäschert worden war. So erklärt es sich, dafs der Pfarrer
an St. Marien am 19. August 1476 von den Opfereinkünften
der Kapelle unserer lieben Frauen „zur Weiden" in Crossen
ein Drittel bezog, davon aber wieder ein Drittel dem dortigen
Kaplan abzugeben hatte, während die anderen zwei Drittel
teils dem Naumburger Bischöfe zukamen, teils der Kapelle
selbst verblieben. Die Selbständigkeit der beiden Filiale
Crossen (bis 1524 mit den beiden Wulm und vor 1529 ohne
Schneppendorf [Parochie Thurm]) und Bockwa (mit Ober-
hohndorf und Schedewitz) datiert aus den letzten Jahrzehnten
der katholischen Ära, Denn die Visitationsakten führen sie
ja auf die Bewilligung des Kurfürsten zurück, nämlich Johanns
des Beständigen, der vom Jahre i486 ab die Regierung mit
seinem Bruder Friedrich dem Weisen gemeinschaftlich führte.
Johanns ist nur hier gedacht, da Friedrich 1525 das Zeitliche
gesegnet hatte, während er bei dem Akte unfraglich auch
seinerseits beteiligt war. Der Rat zu Zwickau aber sah sich
erst vom Jahre 1505 ab, wo er das Patronatsrecht über die
Marienkirche an sich gebracht hatte (s. o.), in der Lage, die
Auspfarrung vornehmen und die landesfürstliche Genehmigung
dazu einholen zu können. Für Bockwa fällt das wichtige
Ereignis vermutlich mit dem Neubau seines Gotteshauses zu-
sanmaen, der im Jahre 15 11 erfolgte; für Crossen ist es wohl
einige Jahre früher anzusetzen, liegt demnach zwischen
1505— 1511^).
') Buchwald S. 2f. N. Sachs. Kirch.- Gal. Eph. Zwickau S. 107.
Herzog I, 137; H, H», 173, 892!".
»70 Leo Bönhoff:
Nr. 8, 77,90. Bornshain, Schmölln, Wildenbörten:
Die älteste Nachricht über die ecclesia Zmulnensis empfangen
wir aus dem Jahre 11 59, in welchem Bischof Berthold I.
von Naumburg als Lehnsherr der im Gau Dalaminzi gelegenen
Besitzungen seines Hochstiftes (unter anderen der Burg-
wardeien Oschatz, Strehla, Gröba und Boritz) die Streitig-
keiten schlichtete, die zwischen ihr und dem Meifsner Kapitel
über zwei Hufen im Dorfe Zwitich (in der Nähe der vier
Orte gelegen und später wüste geworden) ausgebrochen
waren^). Eine noch frühere Nachricht vom Jahre 1066 meldet
uns, dafs die Kaiserin Agnes, König Heinrichs IV. Mutter,
damals den Versuch machte, aus eigenen Mitteln im Pleifsen-
gau (in pago Blisina) die Abtei (abbatiam) Schmölln ins Leben
zu rufen-). Diesen Plan nahm dann ein Graf Bruno ums
Jahre 1127 wieder auf, indem er in Schmölln ein Kloster
erst für Nonnen, dann für Mönche errichtete und es mit fast
dem dritten Teile des eben genannten Gaues bedachte. Allein
da sich das Kloster dort nicht zu halten vermochte, tauschte
ihm Bischof Udo L von Naumburg bei seiner Verlegung nach
Pforta Schmölln und jenes Drittel ab'^). Daher rührt es auch,
dafs die Bischöfe Lehnsherren der Herrschaft Schmölln waren
und als solche den Patronat über die Kirche daselbst an die
Wettiner verleihen konnten. Als somit Bischof Bruno dem
Kloster Cronschwitz dieses Recht (s. o.) am 18. Februar 1302
bestätigte, erklärt er*): ,,Cum ius patronatus ecclesie parro-
chialis in Zmolne collatum esset priorisse et conventui
sororum .... in Cronswicz .... per eos, qui ius habebant
presentandi (d. i. durch Markgraf Dietrich von Landsberg
und dessen Sohn Friedrich Tuta), nos .... idem ius patro-
natus, quod dicti a nobis et nostra ecclesia tenuerunt
in feudo, in ipsas sorores transtuhmus". Aus dieser
Eigenschaft der Bischöfe von Naumburg als der Lehnsherren
') Cod. dipl. Sax. reg. II, i Nr. 51 (vgl. niit der unechten Nr. 41):
controver.siam de duobus mansis, cjui Misnensis ecclesiae canonicis
a quodam Hugone (von Wartha, Mmisterialen des Reichs und des
Bistums Naumburg), .strenuo viro in pago Dalminza in villa, quae
Zwitich dicitur, cum aliis Septem mansis in oblatione coUati sunt et
Zmulnensis ecclesiae esse dicebantur, terminavimus.
*) Lepsius a. a. O. I, 222.
*) Böttger a. a. O. IV, 28?: Bnmo in loco, qui dicitur Smolne.
coenobium fundans .... dotavit, ut tertiam fere partem pagi, qui
Plisne nuncupatur, eidem donatione .... delegaret. — Uto .... per
viam cambii recipimus Smolnam tertiamque fere p. p., qvii Plisne
nuncupatur.
^) Schmidt a. a. O. I, 169 Nr. 345.
Der Pleifsensprengel. yi
geht aber aucli für Bomshain (Bornsaw) hervor, da die von
Weifsenbach ihren mit dem Patronate über Kirche und Pfarrei
begabten Edelhof von denselben zu Lehn trugen, dafs diese
Ortschaft, ehe die Parochie und damit die adlige Kollatur
entstanden, sei es als Beidorf, sei es als Filial dem Schmöllner
Kirchsprengel sich angegliedert hat. Er umfafste bis 1538,
wo das an erster Stelle zu nennende Filial mit Lohma bei
Schmölln vereinigt wurde, je zwei Tochterkirchen im Süd-
westen: Selka und Sommeritz, wie im Nordosten: (Grofs- mit
Klein-) Zschernitzsch und (Grofs- mit Klein-) Stöbnitz (nebst
Mückern) sowie elf Beidörfer, vier auf dem Südufer der
Sprotte: Taupadel, Nitzschka, Nörditz und Kummer, sieben
auf dem Nordufer: Bohra, Nödenitsch, Schlossig, Steinsdorf,
Burkersdorf, Untschen und Zagkwitz. Nördlich von dem
letzten Dorfe befindet sich eine Wüstung namens Gülden-
pörten unweit des Dorfes Wildenbörten. Nach einem Be-
richte des Lohmaer Pfarrers vom Jahre 1729 standen hier
einst drei Güter, deren Besitzer verpflichtet waren, den
Schmöllner Pfarrer nach seinem Filiale Selka (bis 1538) und,
wohin er sonst amtshalber gewollt, zu fahren. Weil aber
diese Höfe bereits zu Anfang des 15. Jahrhunderts eingegangen
waren, so führte der Umstand, dafs nunmehr die auf ihnen
ruhende Leistung wegfiel, unter anderem zur Trennung von
Selka. Sie weist uns übrigens über das Jahr 1445 hinaus, wo
man in den Dörfern Berthen magnum (Wildenbörten) acht
Höfe und B. parvum (Güldenpörten) nur einen einzigen zählte.
Das erstere von ihnen, welches eine Parochie bis zum Jahre
1779 für sich dargestellt hat und 1380 als solche auftritt, da
ein ,,Pfarher zu Porten" als Zeuge benannt ist, wird wie das
letztere vormals von der Parochie Schmölln abgehangen
haben und von ihr durch adlige Vermittlung losgelöst worden
sein. Ja eine Umpfarrung Dobras von Schmölln nach Hart-
roda (wie die Kakaus von Altenkirchen nach ebendahin, s. o.)
mit allergröfster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, liegt darum
nahe, weil Dobra eine alte sorbische Niederlassung ist, jedoch
nicht wie seine sorbischen Nachbarorte jemals nach Alten-
kirchen pfarrte, hinwiederum aber sein Pfarrdorf Hartroda
erst später durch die Deutschen zum Teil nahe bei sor-
bischen Wüstungen angelegt worden ist^).
Nr. II. Cosma (mit Kürbitz, woselbst noch 1501 eine
bereits 1528 geschlossene Kapelle stand ■^), und Altendorf): ,,In
') Lobe II, 4!"., 12, 108, 13611'., i5of. Mitteil. d. Gesch. u. Alter-
tumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. III, 229: IX, 109.
-) Lobe I, 188.
y2 Leo Bönhoff:
archidyaconatu Plysnensi", bemerkt zu diesem Kirchspiele der
Abschätzungsbericht (1320^), ,,ecclesia in Cozmin, que est
taxata ad VIII marcas, vacavit in tertio annno et solvit IV
marcas nee plus solvere potuit, quia agri ecclesie et alii deci-
males et census pro majori parte, prout rector juratus deposuit,
iacuerunt desolati propter raptorum insultus, qui in vicinis
locis et ibidem illo anno plus quam tres sexagenas abstulerunt
equorum preter boves et animalia minora^) et nihilominus per
enormes et illimites exactiones bonorum et censualium ecclesie,
quas faciunt advocati et budelli marchionis (statt et marchio)
Mysnensis."
Nr. 12, 53. Crimmitschau, Neukirchen: Im Jahre
1222 besafsen die beiden Kirchen je ein Filial, St. Lorenz in
der Stadt: die Kapelle auf dem Schlosse (die heutige Schlofs-
kapelle zu Schweinsburg, die jetzt von Neukirchen aus be-
dient wird) und St. Martin zwischen Stadt und Schlofs: die
Ortskirche für Kleinbernsdorf (seit 1838 mit Oberalbertsdorf
verbunden'^).
Nr. 16, 59. Ehrenhain, Oberarnsdorf: Das erstere
Dorf, vordem schlechtweg Hain (Indago), dann Fuchshain,
endlich seit 1709 Ehrenhain genannt, weist schon im Jahre
1295 einen Pleban (Berthold) auf. Das Kirchspiel umschlofs
anfangs acht Dörfer: im Westen Heiersdorf, Mockzig, Prissel-
berg, Zschaiga und Dippelsdorf bis auf das eine der drei
dortigen Güter, im Norden Garbus, Hauersdorf, Oberleupten
(ganz bis zum Jahre 17 14), und erfuhr nur eine Verminde-
rung durch die Abgabe des Freigutes in der letztgedachten
Ortschaft, dagegen vier Erweiterungen: 1533 Nirkendorf
(Parochie Ziegelheim s. o.), nach 1609 Clausa (neuerbaut),
17 14 das dritte Gut in Dippelsdorf (Parochie Nobitz) und
1879 definitiv als Filial die frühere Parochie Oberarnsdorf,
die schon einmal 1554 — 17 10 in dem gleichen Verhältnisse
gestanden hatte, übrigens ihrerseits stets auf den einen Ort
beschränkt bheb^).
Nr. 24, 30. Gieba, Grofsmecka: Bekannt vmd auch
für Sachsen wichtig ist das pleifsnische Adelsgeschlecht derer
von Meckau, welches seinen Stammsitz in Grofsmecka hatte,
von dem freilich jede Spur verschwunden ist. Bei dem
früheren Edelhofe erhob sich auch ein Kirchlein; ja sogar
') Ledebur a. a. O. S. 348, 352.
-) So lies statt: minuta!
^) Schönb. Geschichtsbl. III, i, 151. Die Martinskirche ward zum
Gotteshause (oratorium) der Reglerherren vimgebavit.
*) Lobe I, 204, 2o6ff., 214. Schmidt I, 141 Nr. 295.
Der Pleilsensprengel. ^ yo
ein Pfarrer mufs an ihm amtiert haben. Denn noch 1528
werden der Zehnt und das Pfarrwidum (erst 157 1 veräufsert)
im Visitationsprotokolle erwähnt. Letzteres war für vier alte
Schock verpachtet, „damit sie einen pfarrer vberkommen
mögen". Noch heute besitzt aber die Kirche das volle jus
sacrorum und führt eigene Rechnung für sich. Leider ent-
behren wir eine Nachricht über ihre Verbindung mit Gieba;
vielleicht erfolgte sie bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts,
als die von Meckau ihren alten Sitz völlig aufgegeben hatten.
Jedenfalls gibt sie jenes Aktenstück vom Jahre 1528 neben
Zumroda (früher vom St. Georgenstift zu Altenburg durch
Vikare versehen) als Filial von Gieba an, während es als
Beidörfer nur Kleinmecka und Tautenhain vermerkt. Nach
einer alten Nachricht pfarrten eben Goldscha und Podelwitz
(bis 1528) nach Saara; Runsdorf hatte Ernst H. von Schön-
burg eigenmächtig vor 1528 von Gieba abgerissen und nach
Schönberg bei Tettau gewiesen, bis es 1533 zu seiner alten
Pfarrei zurückkam. Gösdorf und Pfarrsdorf, letzteres auf
einer Tettauer Pfarrlehde angelegt, bestanden noch nicht ^).
Nr. 26, 61, 71, 72, 81. Gödern, Oberlödla, Rom-
schütz, Rositz, Tegkwitz: Alle vier Kirchfahrten rekog-
noszierten wir oben als Sprengstücke der viel gröfseren von
Monstab. Hier handelt es sich darum, den urkundlich fest-
stellbaren terminus ad quem der • Auspfarrung anzugeben.
Ein solcher liegt vor: a) für Gödern (bis 1539 mit Göhren,
Lossen und Lutschütz, wozu das eine Gut von Göldschen
[Parochie Altenkirchen] sich gesellte) das Jahr 1367: Nicolau
plebanus in Goderin (25. Juli), ja sogar schon das Jahr 1354,
wo an dem Rand der fraglichen Urkunde vom 5. Januar mit
schwärzerer Tinte unter anderem die Kirchspiele Kr3witz und
Goderyn nachgetragen stehen; b) für Oberlödla (mit Rödigen
allein bis 1697) das Jahr 1328: dominus Wernherus in Lidelo
plebanus (25. Oktober); c) für Rositz (1502 mit Schelditz,
(Fichten)hainichen und Gorma) das Jahr 13 19: Wemher,
Kaplan des Abtes zu Bosau, und vor ihm ein Vizepleban
Günther; d) für Tegkwitz das Jahr 1254: Herbardus plebanus
de Thekwicz, Zeuge in einer Urkunde des Burggrafen
Erkenbert II. von Starkenberg, seines Patrons, für das Kloster
zu Grünhain. Für Romschütz, dessen Verbindung mit der
Kapelle zu Schwanditz (bis 1539, s. o.) wohl erst eintrat,
s
') Lobe L 227ff., 231t. Im Bereiche der Parochie lat^ auch
einst das Dorf Schmetz (Smezt), vor 1449 wüste geworden. Ebenda
I, 229.)
nA Leo Böiihoff:
seitdem die von Zschadras beide Rittergüter besafsen (um
1460), möchte ich das Jahr 143 1 als äufserstes vorschlagen,
in dem der letzte von Romschitz auftaucht, d. i. des Ge-
schlechtes, das in seinem Stammsitze eine kleine Pfarrei
(1445 gab es sechs Höfe) wie die von Meckau (s. 0.1 in
Grofsmecka (1445 ebensoviel Höfe) begründete^).
Nr. 29. Göfsnitz: ,,In archid3'aconatu Plysnensi", heifst
es von dieser Parochie im Jahre 1320-), ,,ecclesia in Goznicz
vacavit in secundo anno, taxata est ad X marcas et solvit
VII nee plus solvere potuit, quia agri et census sunt desolati
et maxime fuerunt illo tempore propter famem et caristiam,
que precesserunt, et propter insultus raptorum, qui se reci-
piunt in castris Ponicz et Lapide (Posterstein), qui de nullo
vivunt quam rapinis pro majori parte et, quod plus dare non
posset, rector deposuit juratus." Eine Veränderung erlitt das
Kirchspiel erst in der Reformation, indem es den Schön-
burgischen Anteil von Kauritz an Meerane (s. o.) einbüfste
und zeitweilig von Saara Löhmichen (jetzt Parochie Zürchau)
übernahm"^).
Nr. 41. Lauenhain (Lewenhagin): Den ältesten Pfarrer
des Ortes nennt uns eine Eisenberger Klosterurkunde vom
21. Dezember 13 16 und bezeichnet ihn zugleich als einen
Altaristen des Zwickauer Georgenhospitals. Im benachbarten
Gersdorf stand ein Gotteshaus, das bei der Zwickauer Visi-
tation (21. Januar 1529) als „beykirche", bei der Plauenschen
(15. Februar a. ej.) als ,,capell" bezeichnet wird. An letzterem
Tage erhalten die dortigen Bauern die Erlaubnis zum Ver-
kaufe derselben*).
Nr. 46, 96. Maltis, Zürchau: Bis zum Jahre 1533 be-
stand jedes der beiden Nachbardörfer als Kirchspiel für sich
(heute zählt Zürchau Löhmichen, von Göfsnitz übernommen,
als Beidorf zu seinem Kirchsprengel); dann wurden beide
Parochien, die einen und denselben Patron (Hieronymus
von Maltis) hatten, miteinander vereinigt, wie das schon früher
der Fall gewesen war. Denn im Jahre 1355 verpflichteten
') Lobe I, 236, 239, 248, 371, 428, 509; II, 88. Schmidt I,
493 Nr. 946 ; II, 131 Nr. 160. Herzog II, 58, 877.
■-) Ledebur a. a. O. S, 3481
^) Lobe I, 41 f., 600. Nach einem Verzeichnis vom Jahre 1546
bezog der Göfsnitzer Pfarrer Dezem von Coblenzer Einwohnern,
welche die Äcker der Wüstung Rossendorf bebauten. (Ebenda
II, i96f)
*) Herzog II, 56. ßuchwald S. 12. Mitteil. d. Altertumsver.
zu Plauen i.V. VI (i886f.), pag. IL
IJDer Pleifsensprengel. ,ne
sich die Gebrüder von Maltis, den Garbenzehnt von aller
Wintersaat der beiden Rittergüter Zürchau und Maltis dem
Pfarrer von Zürchau zu entrichten. Jedenfalls geht die Be-
gründung der Maltiser Pfarrstelle auf diejenige Linie derer
von Maltis zurück, die das Stammgut innehatte; sie konnte
sich ja leicht mit derjenigen, welche Zürchau im 14. Jahr-
hundert erworben hatte, wegen der Auspfarrung verständigen.
Das Kirchlehn in Zürchau selbst mufs, wenn die Etymologie
nicht trügt, so alt wie der Ort sein, dem es den Namen gab:
Circhowe hängt mit dem sorbischen cyrkew, d. i. Kirche, zu-
sammen und würde demnach ,, Kirchdorf" bedeuten^).
Xr. 56. Nobitz: Dieser Pfarrbezirk umschlofs bis 17 14
das Filial Wilchwitz und die zwei Beidörfer Niederleupten
und Priefel nebst einem der drei Güter in Dippelsdorf. Im
Kirchorte safs das Geschlecht derer von Nabditz, im 12. Jahr-
hundert edelfrei, späterhin den Burggrafen von Altenburg
(vor 1290J und von Leisnig (seit 1329) vermannt. Ein An-
gehöriger desselben namens Gerhard besafs im Jahre 1166
die Villa Nibodiz als libera et propria und bedachte imter
Zustimmung des Abtes Azzo von Bosau, dessen Kloster- am
15. April 1146 durch Bischof Udo I. von Naumburg den
ganzen Neubruchzehnten im Pleifsengaue überwiesen erhalten
hatte, die neuerbaute Ortskirche mit je 40 Schobern Weizen
und Hafer, was auch Bischof Udo II. unterm 5. Oktober 1166
bestätigte. So fällt also die Entstehung der Parochie etwa
ums Jahr 1165 -),
Nr. 65. Ponitz: Erst mit dem Beginn der reforma-
torischen Bewegung verlor es sein Filial Waldsachsen. Denn
es steht im Visitationsprotokoll vom 21. Januar 1529 zu lesen:
„An den pfarrer zu Gabelentz ist die Dorffschaft Walt-
sachsenn, hievor in die pfarr ponitz gehörig, geweiseth
worden In ansehung, das der pfarrer zu ponitz solchs ins
Ambt angesagt hatt, vnnd das die arme leut darumb ge-
betenn." Im Jahre 1545 berichtet der Ponitzer Pfarrer:
„Die pfarr ponicz hat von alters her vnd alzeit von an-
begin ein tilial gehabt, Das heist waldsachsen , darauf
die alten pfarrer zu ponicz im bapsthumb ein caplan ge-
') Lobe I, 27, 601, 603. 607.
-) Ebenda I, 206,408,410. Schöttgen-Krejfsig, Diplom, etc.
II, 421, 427: Uto (I.) .... decimam omniuni novahum, quae in pago
Plisna in perpetuum excoli poterunt, Buzaviensi coenobio delegavit
.... ex eadem decima XL scobrones [i Schober = 60 Garben] utrius-
que fnimenti, tritici et avenae .... cuidam ecclesiae in eodem
pago in villa Nibodiz aedificatae .... contradidi. (Udo II.)
76 Leo Bönhoff:
halten, ders besurgett hatt, wie noch aufsweissen die alten
regist er der pfarr ponicz und noch leutte in kirchspiel ponicz,
auch zur waltsachsen gedenken." Ein Pleban daselbst namens
Heinrich bezeugt bereits im Jahre 1296 eine Verhandlung
mit dem Kloster Frankenhausen. Der Abschätzungsbericht
(1320) aber besagt: ,,In archidyaconatu Plysnensi .... ecclesia
in Ponicz, que est vicina (d. h. der von Göfsnitz, die zuvor
aufgeführt ist), vacavit etiam in secundo anno per constitu-
tionem , Licet canonicum'; collacio spectat ad laycum (gebührte
also noch nicht [s. o.] dem Deutschordenshause zu Altenburg,
sondern, wie seit 1349 wiederum, der Familie von Ponitzj,
taxata est ad VI marcas et solvit IV sexagenas grossorum Pra-
gensium nee plus dare potuit ex precedentibus causis (Hunger
und Teuerung, vgl. ,, Göfsnitz"), quia ambo ecclesie (G. und P,)
opprimuntur per eosdem raptores (auf den Schlössern Ponitz
und Posterstein), quod scilicet rector deposuit juratus^)."
Nr. 66. Rasephas: Der älteste uns bekannte Pfarrer
des Ortes, mit dem Kauerndorf (noch im 16. Jahrhundert
ganz) verbunden war, heifst Heinrich der Erzpriester und
wohnte einer Verhandlung zugunsten des Bergerklosters in
Altenburg am i. Januar 1295 bei-).
Nr. 69. Remse: Während dies Kirchspiel im Nordosten
einen Zuwachs durch Kertzsch (Parochie Waidenburg) erhielt
(s. o.), verlor es sein Filial Neukirchen — es war für die elf
Klosterbauern auf der Ostseite des Dorfes (jetzt sächsisch)
bestimmt, während die neun Amtsbauern auf der Westseite
(noch heute altenburgisch) nach Oberwiera pfarrten — und
zwar an Niederwiera, dessen Pfarrbezirk durch das ganze
Neukirchen vergröfsert wurde ^).
') Buch wald S. 12. Lobe II, 155, 158,167. Ledebur a. a. O.
S. 348, 350. Die Kommende zvi Altenburg trat übrigens an Friedrich
von Ponitz nicht nur die Kirche, sondern auch „das Vorwerg" ab.
Beides mochte sie von seinem Vater oder seinem Bruder Lutolcl
erworben haben.
2) Schmidt I, 141 Nr. 295: Heinricus decanus, plebanus de
Rozewacz.
*) Lobe I, 402. Überhaupt wurden die Parochien Nie der-
und Oberwiera (Nr. 54, 62) durch die Reformation in ihrem Be-
stände sehr beeinflufst. Derselbe stellt sich ursprünglich folgender-
mafsen dar: a) für Niederwiera: i. der Ort selbst, 2. Röhrsdorf,
3. Harthau und 4. Gähsnitz; b) für Oberwiera: i. der Ort selbst,
2. Wickersdorf und 3. Neukirchen -Amtsanteil. Niederwiera erhielt
aufser Neukirchen (s. o.) 1533 definitiv fast ganz Heyersdorf von
Zieo;elheim (s. o.) vnid halb W'ickersdijrf von Oberwiera, zeitweilig
auch acht Untertanen des Klosters Remse in letzterem Orte, Ober-
wiera seinerseits fast ganz Gähsnitz von Niederwiera. Haben wir
Der Pleifsensprengel. nn
Nr. 74. Saara: Sein grofser Pfarrbezirk hob nördlich
von Göfsnitz an und dehnte sich zu beiden Seiten der Pleifse,
auf deren Hnkem Ufer er an diejenigen von SchmöUn und
Altenkirchen stiefs, bis an die Südgrenze des Altenburger
Bartholomäikirchspiels (Zschechwitz). Er umfafste vier Fihale:
Mockern, Jauern (seine westliche Hälfte stand 1140 Alten-
kirchen zu, s. o.), Zehma und seit 1434 Heiligenleichnam (das
Jahr darauf vom St. Georgenstift in Altenburg übernommen)
und 16 Dörfer, nämlich, wie heute noch, die neun folgenden:
Selleris, Gardschütz, Kaimnitz, ßurkersdorf, Schlöpitz, LöpitZj
Gleina, Lehndorf und Greipzig sowie ferner: 10. Ehrenberg,
II. Lehnitsch, 12. Modelwitz, 13. Podelwitz, 14. Goldschau,
15. Löhmigen und 16. Klein -Tauschwitz (1528 abgetreten
Nr. 10—12 an Stünzhain, Nr. 13 und 14 an Gieba, Nr. 15 an
Göfsnitz und Nr. 16 wie später (1533) auch das Filial Jauern
an Altenkirchen). Das Nonnenkloster zu Altenburg besafs
aufser dem Kirchlehn, mancherlei Liegenschaften und Zinsen
in Saara auch die Hofstatt ,,Borcstadel". Es war der Sitz
des alten pleifsnischen Geschlechtes derer von Zarowe, die
höchstwahrscheinlich ihren Besitz hierselbst den Reuerinnen
überlassen haben, da sie zu Beginn des 14. Jahrhunderts in
dieser Gegend verschwinden').
Nr. 80. Stünzhain: Noch im Jahre 1528 hatte ,,die
pfarr ein einig Dorif bey sieben wirten" — war also eins
von jenen Zwergkirchspielen, die wir schon kennen lernten
und die das im Orte sefshafte, nach ihm sich nennende Adels-
geschlecht, hier das von Studenschen, stiftete. Den letzten
dieser Familie, der geistesschwach war, belehnte der Landes-
herr in Person seines Vormundes mit dem Vorwerk daselbst
und dem Kirch lehn, wie es seine Eltern besessen hatten,
im Jahre 1413- Betrachten wir aber die Lage des Dorfes,
so schied es zusammen mit Oberleupten und Hauersdorf
(Parochie Fuchshain, s. o.) die Parochie Nobitz in zwei Teile,
einen gröfseren: Nobitz, Wilchwitz, Niederleupten und einen
kleineren: Priefel, ein Gut in Dippelsdorf; das zeigt unwider-
leglich, dafs Stünzhain einmal mit Nobitz irgendwie kirchlich
zusammengehangen hat').
damit zugleich dessen Einbufse festgestellt, so erstreckte sich die
von Oberwiera, wie gesagt, auf halb Wickersdorf, Neukirchen- Amts-
seite und (vorübergehend) Oberwiera-Klosteranteil.
') Lobe 1. 41 f., 474ff., 479; 11^ 98.
-) Ebenda I, 489!'. Eigentümlich ist auch die Begrenzung von
Nobitz im Südosten und von Ehrenhain im Nordwesten. Zwischen
Niederleupten und Priefel schieben sich Oberleupten und Hauers-
78
Leo Bönhoff:
Nr. 84. Treben: Nur eine kleine Veränderung ist hier
zu verzeichnen. Neben seinem Filiale zu Gerstenberg (mit
Unterzetzscha), das übrigens bis 1546 ein freies geistliches
Lehn, eine Vikarei, war, die von der Familie von Knau ge-
stiftet und der Pfarrei Treben mit ihren Feldern zum Zehnt
verpflichtet war, gab es noch eine Kapelle zu Palma, die
1528 einging 1).
Nr. 87. Weifsenborn (jetzt Zwickau-St. Johannis): Bis
zum Jahre 1529 besafs diese Pfarrkirche kein Beidorf, da
Niederhohndorf nach Mosel pfarrte und noch 1533 wieder
einmal in Zukunft dahin zurückkommen sollte, was aber nicht
geschehen ist. Im Jahre 1324 machte das Kloster Grünhain
in ihm seine erste Erwerbung (30. April), dem eine weitere
bereits 1342 (24. Juni) folgte. Die Verkäufer gehörten beide-
mal dem Geschlechte derer von Mosel an, welche Vasallen
der Herren von Schönburg waren, die deshalb zu den Ver-
äufserungen ihre EinwilHgung gaben. In dem ersten Jahre
(1324) wird auch einer Kapelle gedacht. Es wäre nicht un-
möghch, dafs dieselbe dem grofsen Kirchspiel Mosel angehörte,
welches, wie wir weiter unten sehen werden, sich einmal von
dem Sprengel der Zwickauer Marienkirche losgelöst hat. Doch
sei dem, wie ihm wolle, direkt oder indirekt lag Weifsenborn
einstens in ihrem Bezirke. Seine Selbständigkeit in kirch-
licher Beziehung ersieht man aus einer Urkunde vom 14. No-
vember 1405, welche unter anderen von Johannes Zschakan,
dem Pfarrer des Ortes, ausgestellt ist. Am 15. Mai 1434
erwarb hier den Patronat der Zwickauer Ratsherr Erasmus
Basitz, von dem er ers\ auf Kunz von der Mosel, dann am
28. Mai 1440 auf den Rat zu Zwickau überging -j.
Nr. 91. Windischleuba: In diesem Kirchspiele ent-
standen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zwei
Kapellen: die eine, St. Dorotheen, im Pfarrorte selber, die
andere, die der heiligen Jungfrau, zu Craschwitz; beide Gottes-
häuser waren von den Brüdern Konrad und Dietrich Pruzze"'),
dorf hinein, und warum sind die drei Güter von Dippelsdorf parochial
verschieden verteilt? Gehörten etw^a die drei Orte nebst Garbus
auch kirchlich vordem zu Nobitz, während Zschaiga, Mockzig und
Prisselberg nach Saara (s. o.) kirchten, so dafs die sieben Dörfer erst
später zu der Kirche des (samt Heiersdorf) neuangelegten Indago kamen ?
') Lobe I, 4of., 512, 519, 529, 536 (612).
^) Buchwald S. 3. Mitteil. d. Altertumsver. zu Zwickau VII, 39,
115. Herzog II, 57, 67, 94, 114, 116. Vgl. N. Sachs. Kirch.-Gal.
Eph. Zwickau S. 141!., 145.
^) Konrad war Domherr zu Magdeburg, Meifsen (1364: Archi-
diakonus der Niederlausitz, 1380: Propst von Bautzen) und Merse-
Der Pleil'sensprengel. nn
jenes im Jahre 1364, dieses im Jahre 1380 erbaut, und jedes
von ihnen mit einer Kaplanei verbunden worden. Beidemal
hatten dazu die Plebane von Windischleuba, Gerhard
von Lübschwitz und Dietrich von Hagenest, ihre Einwilh-
gung gegeben. Die zwei Kapellen wurden, nachdem die
Nachkommen ihrer Gründer das Patronatsrecht an das
St. Georgenstift zu Altenburg im Jahre 1467 übertragen
hatten, diesem 1480 inkorporiert. Später ward die eine auf-
gehoben (1533), die andere aber Filial von Windischleuba
(1540). Letzteres beschlofs jedoch in seinem Bezirke aufser
seinen heutigen sechs Beidörfern und Craschwitz, das natür-
hch trotz der Kapelle auch weiterhin zu demselben gehörte,
noch drei Orte, die östlich vom Pfarrdorfe lagen: Neuendorf,
Crazdorf und Sebitz (das erslere im 15. Jahrhundert, die beiden
anderen bereits um 1360 wüst). Da nun der im Jahre 1263
als Zeuge angeführte Johannes plebanus in Luben auf Langeu-
leuba- Oberhain sich bezieht, so stammt die älteste Nachricht
aus dem Abschätzungsberichte (1320) und lautet: ,,In archi-
dyaconatu Plysnensi .... ecclesia in parvo Luben (13 18:
.,zur wenigen Luben" ^ 1396: ,,in der windischen Lewben"j
vacavit in secundo anno, que taxata est ad .... marcas et
sohat IV marcas nee plus dare potuit inspectis veris redditi-
bus, valore, oneribus incumbentibus et juramento rectoris"'),
Nr. 95. Zschernitzsch: Bis zum Jahre 1831 stand in
dem jetzigen Beidorfe Untermolbitz, für dieses und Ober-
molbitz bestimmt, eine kleine Kapelle, die ,,gen Zschirnitz
in die pfarr" gehörte und 15 18 neu erbaut worden war-).
Nr. 97 — 99. Zwickau, St. Marien, St. Margarethen
und zum heiligen Geist: Die erste Parochie betrachten
wir hier nur, wie sie sich als städtische darstellt — auf
die Marienkirche als parochialen Mittelpunkt des ganzen
Zwickauer Gaues kommen wir bald zu sprechen. Auch als
solche hat sie Abzweigungen, wie wir sofort sehen werden,
erfahren. Als ihre neue Patronatsherrschaft, der Triptiser
Nonnenkonvent, sich in der Stadt niederliefs, baute sie sich
natürlich eine besondere Kirche, die zu St Katharinen. Die-
selbe trat, als die Übersiedelung des Klosters 12 19 nach
Eisenberg erfolgt war, als eine städtische Erbauungsstätte zu
bürg; Dietrich, der Ritter war, safs auf Neuendorf östlich von Win-
dischleuba, wonach sich auch ihr Vater Dietrich und dessen Bruder
Konrad 1306 benannten. (Lobe I, 554.)
') Lobe I, 554, 557, 5591". Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch.
Gesellsch. d. Osterl. VI, 418. Ledebur a. a. O. S. 348, 350.
■2) Lobe I, 591 flf.
8o Leo Bönhofif:
der Stadt- und Pfarrkirche St. Marien in ein Filialverhältnis.
Denn in einer Urkunde vom 2. März 1353 erscheint diese
als parochialis, sie "selbst aber als filialis ecclesia^). Im
Jahre 1305 aber erbaute Kunegundis, die Witwe des Rats-
herrn Wernher Zschackan, für das Hospital vorm Frauentore
eine Kirche, deren Patronat sie mit ihren Kindern übernahm,
und liefs dazu einen eigenen Pleban bestellen. Als Ent-
schädigung überwies sie der Stadtkirche den Jahreszins von
zwei Gärten vorm Osterweynertore, Bischof Ulrich I. von
Naumburg bestätigte diese Stiftung und Exemption am 2. Ok-
tober 1309'-). Sein Nachfolger Heinrich I. erneuert den
Söhnen der Stifterin das Kollaturrecht über die capella
omnium sanctorum hospitalis extra muros Zcwickavienses
ante valvam scte Marie am 13. April 1330'^). Am 25. Juli 1381
trat es die Familie Zschackan an den Rat der Stadt ab, wobei
von der parochia altaris sancti Georgii . . . . in hospitali extra
muros Zcwickaw zum ersten Male urkundlich die Rede ist*).
In der Bulle Sixtus IV. vom Jahre 1479 handelt es sich um
den Neubau der ecclesia in hospitali sancti Georgii extra muros
imd Verwandlung derselben in ein Kollegiatstiff^). Seitdem
scheint sie den Titel St. Margarethen geführt zu haben. Dafs
die Kirche zum heiligen Geist einen Pfarrer hatte, lehrt uns
das Visitationsprotokoll vom Jahre 1529, welches uns als
solchen den Lic. theol. Liborius Maydburgk benennt"). Das
Gotteshaus kommt urkundlich zweimal im Jahre 1399 vor:
am 26. Juli bestätigt nämlich der Rat die Stiftung einer ewigen
Messe ,,vor dem trencktor yn defs heylligen ge3'stes
capellen czu den sychen vff sent Jacobi .... altar" durch
den Bürger Franz Kürtzscher; derselbe vermehrte am
24. August, wie nochmals der Rat bezeugt, das Stiftungs-
kapital dieser Messe um 48 rheinische Gulden, deren Zinsen
J) Herzog I, 119; II, 27, 74.
^) Herzog II, 872: Kunegundis in restaurum, ne parochialis
ecclesia dicti oppidi Zcwickauwe de duobus ortis .... censum
annualem . . . Hospitale ab omni iure .... parochialis ecclesiae eximendo
.... procuravit. — 873: Indulsimus, ut in curia hospitalis prope
Zcwickowe ecclesia nova erigatur et ibidem parochia quoad in-
firmos et familiäres ipsius curie .... sine parochialis ecclesia lesione.
'■^) Ebenda II, 877! Die drei ersten Pfarrer, heifst es dabei,
„virtute presentationis .... per archidiaconum loci de accessu
altaris fuerunt canonice investiti."
*) Ebenda II, 894!". Eine Urkunde Burggraf Meinhers von
Meifsen erwähnt 1382 „pharrer vnd Capplan" (896).,
''■') Ebenda II, 912: Illam in collegiatam et in ea . . . . decanatum
et .succentorias et praebendas .... instituimus.
«) Buchwald S. 5.
Der Pleifsensprengel. 8l
man ,,eynem itzlichen Capellan" reichen soll. Ebenso wurde
aber auch ,,eyn itzlicher Capellan, .... dem pfarrer hy czu
Czwickaw yn dy pfarre czu wydderstatung " (restaurum)
30 Meilsner Groschen zu geben verpflichtet'). Daraus geht
hervor, dafs damals eine Auspfarrung noch nicht stattgefunden
hatte. Zunächst war ja das Gotteshaus die Hauskapelle des
Heiligengeistspitals vorm Tränktore; später aber versorgte
ihr Geistlicher auch die Unglücklichen im xenodochium lepro-
sorum (Franzosenhaus oder Franziskushospital), das schon 1446
vorhanden war'-). So mag es in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts auch zur Ausbezirkung dieser Spitalkirche
gekommen sein wie anderthalb Jahrhundert zuvor bei der des
sogenannten ,, reichen" Spitals zu St. Georgen. Die Refor-
mation hob die beiden Spitalparochien auf.
Mit diesen Bemerkungen können wir den Abschnitt nun-
mehr beenden. Er bildet mit seinen Ermittelungen eine Grund-
lage des folgenden.
') Herzog II, 905 f.
-) Ebenda I, 149, 167; II, 84.
(Schlufs folgt.)
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. i. i.
Lutherana.
Von
Paul Vetter.
1. Luthers Streit mit Herzog Heinrich von Sachsen.
Das Jahr 1536 war für das albertinische Sachsen von
besonderer Bedeutung gewesen. Nach vielen Jahren eines
vorsichtigen Zauderns hatte sich Herzogin Katharina endhch
offen zur Sache der Reformation zu bekennen gewagt. In
der Schlofskirche zu Freiberg predigte seit Anfang Juh^) ein
Sendbote Luthers, Jakob Schenck, der durch sein bescheidenes
Auftreten und seine mafs volle, von jeder Kanzelpaukerei sich
geflissentlich fernhaltende Predigt bald auch die Zuneigung
des Herzogs gewann. Immer enger und enger knüpften sich
die Bande, welche die jüngere Linie des albertinischen Hauses
an den ernestinischen Vetter fesselten, der mit unermüdlichem
Eifer für die Ausbreitung der Reformation sich tätig zeigte.
Schon schien Ende des Jahres der greise Herzog Heinrich
für die Sache Luthers gewonnen, da drohte ein plötzlich aus-
brechender Streit alle Erfolge wieder zu vernichten. Ende
des Jahres 1536 entstand zwischen dem Herzoge und Luther
ein Konflikt, der zu heftigem Schriftenwechsel führte, so dafs
Luther an die Zurückberufung Schencks, an die Preisgabe
der evangelischen Sache in Freiberg dachte.
Die Ursache des Streites war geringfügig genug. Das
Schicksal eines Freiberger Kartenmalers, der sich um Fürbitte
beim Herzoge an Luther gewandt hatte, drohte den über-
') Vgl. Seidemann, Jakob Schenk S. 8.
Lutherana.
83
eifrigen Reformator in eine ebenso unerquickliche Angelegen-
heit zu verwickeln, wie es die Schönitzsche Sache war, die
er damals mit mehr Eifer als Klugheit verfocht.
Anfang 1536 hatten sich drei Freiberger Bürger, Lorenz
Kastner, Clemens Glaser und Gregor Heynemann mit Namen,
an Luther gewandt mit der Anzeige, dafs einer ihrer Mit-
bürger, der Kartenmaler Matthes Lotther^), sich ,, mit Worten"
sowohl wider evangelische wie katholische Glaubenslehre
,, vergriffen" habe-). Genauere Angaben über das Vorgehen
Lotthers finden sich in einer Art Ehrenerklärung, welche die
drei Kläger dem Kartenmaler am 7. Juli ausstellten und die
eine kurze Darstellung der ganzen Sache enthält^). Diese Er-
klärung ist freihch von der Absicht durchdrungen, dem Be-
klagten zu helfen, und scheint mehr die zu seinen Gunsten
sprechenden Umstände hervorzuheben*). Darnach hätte Lotther
gegen die genannten drei geäufsert, man tue unrecht und
es sei ohne Not, nach Leisnig"^) Überland nach dem Sakramente
zu ziehen, falls man es daheim nicht bekommen könnte. Weiter
gezieme es Christen nicht, Gottes Wort im Götzenhause unter
dem Greuel der päpstlichen Messe anzuhören. Endlich hatte
er die drei gefragt , ob er als Hausvater auch die Befugnis
habe, Weib und Kinder in Gottes Wort zu unterrichten. Als
die Gefragten das bejaht und hinzugefügt hatten, das sei er
sogar schuldig zu tun, hatte Lotther weiter gefragt, warum
er nicht auch Macht hätte, Weib und Kindern das Sakrament
zu reichen, da doch das Sakrament durchs Wort gemacht wäre.
Da die drei auf die ihnen vorgebrachten Artikel nicht
viel zu erwidern wufsten und ihr Gewissen sie doch vor den
vorgetragenen Lehren warnte, wandten sie sich an Luther
und baten um Rat. Alsbald erfolgte am 11. Februar Luthers
Antwort^). Obwohl kränkUch und mit Geschäften überschüttet,
hatte er sich doch bewogen gefühlt, sofort zu antworten.
^) Hiernach ist zu berichtigen, was Seidemann, Schenk S. 10,
und Enders, Luthers Briefwechsel X, 302 sagen. Die falschen An-
gaben linden sich schon bei Möller, Theatr. Freiberg. Chron. II, 200 t.
2) de Wette, Luthers Briefe V, i.
") Anhang Nr. 1.
•*) Aus Luthers Antwort (de Wette IV, 673Ö'.) vom ii. Februar
geht deutlich hervor, dafs er eine weit ausführhchere Darstelhmg der
Unterredung erhalten hatte, als sie die Erklärung der Kläger enthält.
^) Dahin pflegten viele Freiberger Bürger zu gehen, um vom
Pfarrer Wolfgang Fues und seinem Diaconus Anton Lauterbach das
Abendmahl unter beider Gestalt zu empl^igen.
6) de Wette IV, 6730". Burkhardt, LTTthers Briefwechsel S. 245 f.
Enders X, 301.
6*
84 Paul Vetter:
Denn es war das Wehen des wiedertäuferischen Geistes, das
er zu spüren glaubte. Rückhaltlos verwarf er alle drei von
Lotther aufgestellten Behauptungen und warnte Kastner und
seine Gefährten eifrig vor dem Kartenmaler. Sie sollen sich
hüten vor dem Geiste, der aus ihm spricht; oft ist er dem
Reformator vorgekommen und allewegs zu schänden geworden
mit seinem Rühmen. Die Aufforderung, sie sollten zusehen
und helfen, dafs es Lotther verboten werde, deren Luther in
seinem ersten Briefe an den Herzog gedenkt^), findet sich in
dem Schreiben an Kastner nicht. Die Belehrten scheinen
indes die Worte Luthers: ,,Es wäre gut, dafs die Obrigkeit
hierzu thät und hiefse den Geist schweigen" als eine Mah-
nung aufgefafst zu haben, die Obrigkeit von der Sache in
Kenntnis zu setzen. Sie luden Lotther wegen seiner Äusse-
rungen, die ihnen nun als Ketzereien erschienen, vor den
Stadtrichter. Vor altem und neuem Rate erschienen die Par-
teien, um ,,Parth gegen Parth nach Notdurft verhört zu
werden". Der Kartenmaler entschuldigte sich damit, er habe
diese Fragen nur disputationsweise gestellt, und verwahrte sich
hoch und teuer gegen den Verdacht, dafs er dieser Meinung
wäre. Der Freiberger Rat war vernünftig genug, in den
Äufserungen Lotthers keinen Grund zu einem strafenden Ein-
schreiten gegen den Kartenmaler zu finden. Man nahm den
Parteien das Handgelöbnis ab, bis auf weiteres Erfordern
seitens des Rates die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Da wurden die guten Absichten des Rates durch das
Eingreifen des Herzogs vereitelt. Wer die Sache bei ihm
anhängig gemacht hatte"-), wird von Lotthers Gegnern nicht
angegeben. Sie schieben die Schuld dem Satan zu, der durch
seine GHedmafsen mit seinem bösen, giftigen Geschmeifs
unter Verdrehung der Wahrheit die Sache dem Herzoge an-
gezeigt hätte •^). Diesem wurde gemeldet, Matthes Lotther
sei ein Wiedertäufer, habe seinem Hause das Abendmahl ge-
reicht und dergleichen mehr. Sofort wurde mit Ernst gegen
den Kartenmaler eingeschritten und er nur gegen das eidliche
Gelöbnis, bis zur Erledigung seiner Sache Freiberg nicht zu
verlassen, in Freiheit gelassen. Wie es gekommen ist, dafs
1) de Wette V, I.
-) Luther scheint die Kläger selbst in Verdacht zu haben, de
Wette V, 31.
*) Bei dem Anteile, den der Dechant Balthasar von Rao^witz
später an der Sache nimmt, ist es nicht unwahrscheinlich, dafs durch
ihn, den obersten Geistlichen der Stadt, die Sache an den Herzog,
))ei dem er persona gratissima war, gebracht worden ist.
Lutherana, 85
Lotther den geschworenen Urfrieden brach und aus Freiberg
entwich, deutet Luther im letzten seiner Schreiben^) an den
Herzog an: dafs man dem Beklagten treulich insgeheim an-
gezeigt hätte, wie der Henker von Dresden gefordert hinter
ihm her wäre. Es wird das die Entschuldigung sein, die
Lotther dem Reformator für seinen Eidbruch ansab. Wieviel
davon auf Wahrheit beruht, läfst sich nicht feststellen. Dafs
der Herzog ein derartiges Vorgehen gegen Lotther wirklich
beabsichtigt hätte, scheint Luther selbst nicht zu glauben.
Der flüchtige Mann, dem Weib und Kinder ins Elend
nachfolgten, begab sich nach Wittenberg. Hier gelang es
ihm, Gönner zu linden, die für ihn Luthers Fürsprache an-
riefen. Der gutherzige Reformator, den das weinende Weib
und die sieben Kinder des leichtsinnigen Mannes jammerten, er-
füllte den Wunsch und wandte sich am 7. Juni") fürbittend
an den Herzog. Er lobt den Ernst, mit dem sich Heinrich
der Sache angenommen hat. Für die Bitte des Kartenmalers,
der gern sein Eigentum in Freiberg verkaufen und dann das
Land meiden möchte, tritt er nicht ein. Besser scheint es
ihm, wenn ihn der Herzog eine Zeitlang mit Kerker straft
und ihn dann im Lande bleiben läfst, nachdem ihm auferlepft
ist, solche Dinge fernerhin zu meiden; sonst solle er stracks
den Kopf verwirkt haben. Denn solche Knaben, meint Luther,
machen, wenn sie zu ihresgleichen kommen, das Feuer gröfser.
Deswegen müssen sie im Lande bleiben und bepflichtet sein,
wie es der Kurfürst mit Karlstadt und andern auch gretan
hat. Es ist eine seltsame Fürbitte, die da eingelegt wurde.
Der Fürbittende ersucht nicht nur um Ablehnung der Bitte
semes Schützlings, er tritt geradezu für eine strenge Be-
strafung ein. Deutlich geht aus Luthers Schreiben hervor,
dafs er dem Kartenmaler nicht viel Gutes zutraut und fast
widerwillig seine Fürbitte einlegt. Luther ist ohne Antwort
auf sein Schreiben geblieben. Er hatte bei seinem Eintreten
für den Kartenmaler die Eigenheit der Freibero^er Verhält-
nisse aufser acht gelassen. Noch kämpften in Freiberg Pro-
testantismus und katholische Kirche um die Seele des Herzogs
mit einander. Es scheint der katholischen Partei unter der
Führung des Kanzlers Naumann gelungen zu sein, in dem
leicht lenkbaren und doch wieder zeitweise unglaublich starr-
sinnigen Manne die Ansicht hervorzurufen , als habe man es
mit einer gänzlich ungerechtfertigten Einmischung Luthers in
1) de Wette V, 31. Burkhardt S. 270.
•-) de Wette V, i. Burkhardt S. 253.
86 Paul Vetter:
Freiberger Verhältnisse zu tun. In einem solchen Falle schwand
beim Herzoge jede Rücksicht; selbst die Furcht vor dem mäch-
tigen Bruder in Dresden, die sonst so oft seine Handlungen
beeinflufst, tritt dann zurück.
Luther erhielt Anfang Juli von dem Kartenmaler die
Nachricht, dafs sein Eingreifen mehr geschadet als genützt
habe '). Nach Ablehnung seiner Bitte, sein Eigentum in Frei-
berg verkaufen und auswandern zu dürfen, erbot sich Lotther
nun zu Verhör und Recht und gelobte, jede Strafe leiden zu
wollen, wenn man ihn überweisen könnte, dafs er wider Taufe
oder Abendmahl etwas gesagt oder getan oder jemanden an
sich gezogen hätte. Merkwürdigerweise liefs sich Luther aber-
mals bewegen, das Gesuch des Kartenmalers zu unterstützen.
Sein Brief vom 4. Juli^) an den Herzog zeigt nun einen voll-
ständigen Stellungswechsel gegenüber der Sache Lotthers.
Während ihn das erste Schreiben als einen zum mindesten
unzuverlässigen Menschen hinstellt, der Strafe wohl verdient
hat und dem man mehr, um ihn unschädlich zu machen, eine
gewisse Nachsicht zuteil werden lassen mufs, erscheint in
Luthers zweitem Briefe der Kartenmaler als ein unschuldig
Verfolgter, der sich zu Recht und Verhör erbietet und zu
strenger Strafe, falls er schuldig befunden wird. Viele in
des Herzogs Lande halten ihn für unschuldig. Luther bittet
schliefslich den Herzog, die Sache erkunden zu lassen, und,
wenn sich Lotthers Unschuld herausstellt, ihm die Rückkehr
nach Freiberg zu gestatten, damit nicht ein Geschrei entstehe,
als wollte man niemand hören noch sehen. Von der Haupt-
schuld des Kartenmalers, seinem Eid- vmd Urfriedensbruche,
ist in dem Schriftstücke nicht die Rede. Was den Reformator
zu einer solchen Verkennung der ganzen Rechtsfrage ver-
anlafst hat, ist nicht klar ersichthch. Neben dem begreif-
lichen Ärger, dafs man seine Fürbitte so schnöde ignoriert
hatte, scheinen sich Einflüsse aus Freiberg, wo Luther unter
den Patriziern der Stadt zahlreiche Anhänger''') hatte, zu
Gunsten des Kartenmalers geltend gemacht zu haben. Auch
dieses zweite Schreiben Luthers fand keine Antwort. Freiberg
beharrte auf einer Bestrafung des Eidbrüchigen. Lotther
hatte sich wohl schon vor Luthers zweitem Schreiben an
^) Die Worte Luthers, die man weit deuten konnte und die so
gefährlich geworden waren, sind wohl in der zweiten Hälfte des
Briefes zu suchen, in der Lotther nicht gerade ein Vertrauen er-
weckendes Zeugnis ausgestellt wird.
-) de Wette V, 6, Zeile 9 ist für „dennoch" „demnach" zu lesen.
") Die Weller, Liefskirchen, Alnpecke, Lose u. a.
Lutherana. 87
seine Ankläger gewandt und von ihnen einen genauen Bericht
über die Sachlage erbeten. Am 7. Juli ') erfüllten diese seinen
Wunsch und übersandten ein Schriftstück, das Lotther von
der wider ihn erhobenen Beschuldigung, ein Wiedertäufer zu
sein, zu reinigen suchte. Luther wandte sich nun an den
Kurfürsten und rief seine Vermittlung für den Kartenmaler
an. Wie gewöhnlich in solchen Fällen erfüllte Johann Friedrich
den Wunsch seines Doktor Martinus. Aber auch diesem Ver-
mittler gegenüber blieb man in Freiberg auf dem Standpunkte,
dals Lotther für den Bruch des geschworenen Urfriedens Strafe
verdiene, die ihm unmöglich erlassen werden könnte. Diese
Auffassung der Sache, die der Kurfürst und sein Kanzler Brück
als berechtigt anerkennen mufsten, genügte nicht, um Luther
zu überzeugen, dafs seinem Schützhng kein Unrecht geschehe.
In der vollen Überzeugung, dafs man in Freiberg starrsinnig
einem Unschuldigen sein Recht vorenthalte, und auch wohl
sonst in gereizter Stimmung gegen die Freiberger Regierung,
die das Fortschreiten des Evangeliums eher zu hindern als
zu fördern schien, verfafste er sein drittes Schreiben-) an
Herzog Heinrich. In ziemlich anmafsendem Tone tritt er in
ihm als Schiedsrichter auf. Matthes Lotther ist unschuldig,
und der Herzog soll sorgen, dafs solch ein Unrecht nicht auf
seinem Gewissen bleibe. Durch ihn sind sieben Kinder mit
Vater und Mutter verstofsen und müssen anrüchig und un-
tüchtig vor jedermann in der Fremde zu Bettlern werden.
Den Bruch des geschworenen Urfriedens nimmt Luther aufser-
ordentlich leicht. Die metus in constantem virum cadens
erscheint ihm als genügende Entschuldigung. Und aufser
dem Stock ist besser handeln. Zur Rechtfertigung Lotthers
legt er die Erklärung der drei Kläger vom 7. Juli bei und
mahnt mit strengen Worten den Herzog, der jetzt durch
Gottes Gnade das Evangelium hört, solches Geschrei wider
sich dämpfen zu helfen. Denn solches Geschrei ist ihm nicht
rühmhch. Dem Matthes Kartenmaler aber geschieht unrecht,
und der Herzog wird aufgefordert, ihm das nachgesuchte Ver-
hör zu gewähren. Am Schlüsse des Briefes droht Luther,
dafs dies seine letzte Bitte sei. Erlange er sie nicht, dann ver-
lange sein Gewissen, dafs er dem Kartenmaler ein öffentliches
Unschuldszeugnis ausstelle und ihm seine Ehre retten helfe.
') Weiiii. Archiv. Anliana; Nr. i.
•-) de Wette V, 3of. Burkhardt S. 270. Enders XI, 117. In
der Kopie im \V. A. kann ich beim besten Willen Zeile 12 statt „das
acht ist indes o-estorben" nur lesen: „das recht ist indes gestorben".
88 Paul Vetter:
Auf dieses dritte Schreiben Luthers blieb man in Frei-
berg die Antwort nicht schuldig. Der Kanzler Naumann und
der Dechant von Ragwitz erhielten vom Herzog den Befehl,
eine Antwort zu verfassen^) und Luther zuzustellen. Sie ist
uns leider nicht erhalten, scheint aber der Deutlichkeit nicht
entbehrt zu haben, denn Luther nennt sie eine grobe Ant-
wort. So stand man jetzt unmittelbar vor einem Bruche.
Denn es war zu erwarten, dafs Luther auf die grobe Ant-
wort eine gröbere folgen lassen und einen unheilbaren Rifs
zwischen Freiberg und Wittenberg verursachen werde. Da
intervenierte die Herzogin. Am 6. November wandte sie sich
in einem eigenhändigen Schreiben-) an den Kurfürsten, teilte
ihm mit, wie gar ,, schwinde" Doktor Martinus dem Herzoge
geschrieben habe und wie das Heinrich ,,grofs zu Gemüte
gehe und er fast hart bewegt worden sei", so dafs er Luther
eine ungnädige Antwort habe zukommen lassen. Werde nun
Luther weiter schreiben und den Herzog in der Sache an-
greifen, so sei zu besorgen, dafs nichts Gutes daraus kommen
und Herzog Georg eine grofse Freude haben werde, wenn
Luther und der Herzog einander feind würden. Die Herzogin
bat, vor allem zu verhüten, dafs Luther weiter in der Sache
an den Herzog schreibe. Aufserdem erhielt ihr Prediger
Jakob Schenck den Auftrag, dem Kurfürsten die Sache ein-
gehend darzulegen und darauf hinzuweisen, was für Nachteil
und Schaden dem Evangelium daraus erwachsen möchten.
Von den Antworten des Kurfürsten auf diese Briefe ist
nur die an Schenck (vom lo. November) erhalten. Der Kur-
fürst bedauert in ihr, dafs Herzog Heinrich sich Luthers
Schreiben ,, dergestalt soll angenommen haben, dafs daraus
dem göttlichen Wort Verhinderung und Unterdrückung er-
folgen möchte". Er verspricht sein Einschreiten bei Luther,
dafs er in weitere Schriften sich nicht einlassen, sondern (so
fügt er, der Kurfürst, eigenhändig dem Konzepte hinzu) an
Herzog Heinrich dermafsen schreiben soll, dafs dieser zufrieden
sein wird. Um dieselbe Zeit oder einen Tao; früher teilte
der Kurfürst^) seinem Kanzler die Schreiben Schencks und
Katharinas mit. In der Sache selbst mufs er dem Freiberger
Vetter durchaus Recht geben. Er kann es nicht für unbillig
erachten, dafs Lotther seines gebrochenen Urfriedens halber
nicht ungestraft lileiben soll. Brück erhält daher den Befehl,
1) Sie ist wohl zwischen dem 6. und dem 9. November ent-
standen.
■-) Weim. Archiv. Anhang 2.
") Sein Schreiben ist undatiert.
Lutherana. 89
es bei Luther dahin zu bringen, dafs er des Kartenmalers
wegen nicht mehr an den Herzog schreibe. Brück kennt
den Herzog und weifs, wie er sich einer Sache anzunehmen
pflegt. Der Kurfürst erachtet es daher für gut, dafs Luther
ein Schreiben an den Herzog richte ,,und sich darin etUcher
mafs demütigen thete", indem er anzeigte, dafs er bisher in
der Sache nicht genügend berichtet worden sei und bäte, der
Herzog möge ihm ,,die gethane Schrift gnädighch zu gut
halten". Eine Abbitte in aller Form ist es also, die der Kur-
fürst seinem Reformator zumutet.
Aus dem Schreiben des Kurfürsten ist das Urteil, das er
über den Herzog fällt, von besonderem Interesse. Seit Ranke
auf Freydigers Bericht fufsend das Bild des Menschen Heinrich
in feinster Kleinmalerei entwarf, hat man sich gewöhnt, mehr
den Herzog zu charakterisieren und damit die weniger gün-
stigen Eigenschaften Heinrichs stärker zu betonen. Das so
entstandene Charakterbild sieht ungünstiger aus als das
Rankesche. Gewifs ist Heinrich in dieser Zeit — man ist
eben nicht ungestraft dreifsig Jahre lang Beherrscher von
Freiberg und Wolkenstein — ein in kleinlichen Händeln, in
ewigen Sorgen um ein kärghches Auskommen früh verbrauchter
Mann, unlustig zu politischer Arbeit; nur selten findet sich
unter seiner Korrespondenz sein Namenszug. Aber man würde
fehlgehen, wollte man den Herzog lediglich als ein Werkzeug
seiner Umgebung, vor allem der energischen Gemahlin, an-
sehen. Im allgemeinen läfst sie der Herzog wohl schalten
und walten und gibt nur kurze Anweisungen, deren Ausführung
er seinen Vertrauten überläfst. Wo er aber sich einer Sache
annimmt — und das ist in dieser Zeit der Fall, wenn er wähnt,
dafs man eines seiner wenigen souveränen Fürstenrechte an-
tastet — , dann geschieht es mit dem ganzen starrsinnigen Eifer,
der seinem Hause damals eigen ist, so dafs auch Katharina
an ihrem Einflüsse verzweifelt.
Schon am Abende des 11. Novembers erhielt Brück in
Wittenberg das Schreiben des Kurfürsten, Da er gerade
krank lag, fand erst am Abende des darauffolgenden Sonn-
tags die denkwürdige Zusammenkunft mit Luther statt, der
übrigens schon vor dem Eintreffen des kurfürstlichen Briefes
zu Brück gekommen war und sich über die Herzogin Katha-
rina und ihr Verhalten bitter beklagt hatte. Auf Brücks An-
träge antwortete Luther^), er sähe wohl, dafs es der Kurfürst
gnädig und wohl mit ihm meine, aber „es hätte eine ganz
') Anhang Nr. 3.
90
Paul Vetter:
andere Meinung-, als wie es die Herzogin zu Freiberg dem
Kurfürsten vorgebe". Der Prediger habe nach ihrem Ge-
fallen schreiben müssen. Und nvui macht sich die Stimmung
des schwer gereizten Mannes gegen Schenck Luft, den er
als sein Geschöpf ansieht, das sich gegen ihn zu wenden ge-
wagt hat. Er erklärt, ihn von Freiberg wieder abfordern zu
w^ollen, denn er wüfste die Welt nicht zu nehmen und des
Ortes Prediger zu sein, da ihm solche ,,Bifs" ins Maul ge-
legt werden sollten. Er möchte wohl predigen, — und man
hörte es gerne, — dafs Christus unsere Erlösung wäre ohne
unsere Werke und unser Verdienst, aber die Irrtümer, die
Sünde, die Laster und anderes anzugreifen, auch kranke Leute,
die des Trostes bedürften, zu besuchen wäre ihm verboten.
Nach vielen Anzeigungen dieser Art schlofs Luther damit,
er wolle den Prediger abfordern, weil er ja durch sein Zu-
tun dahin verordnet wäre. Wollte Schenck trotzdem in Frei-
berg bleiben, dann möge er es auf sein eigenes Gewissen hin
tun. Er wolle seines Gewissens halben entschuldigt sein.
Denn das Evangelium werde zu Freiberg nicht gemeint, es
liege ein anderes dahinter. Dafs er den Kartenmaler ,, ver-
schrieben" habe, dazu hätte er ,,aus der Liebe" Ursache ge-
habt, denn der Mann erbiete sich zu Verhör. Brück wurde
darauf gefragt, ob einem, der sich zum Verhör erbiete, dies
verweigert werden könnte. Der Kanzler erwiderte vorsichtig:
er habe ein grofses Bedenken. Der Herzog sage, der Karten-
maler habe wider seinen Urfrieden gehandelt. Wollte er nun
durchaus Verhör haben, so möchte es ihm vielleicht nicht ge-
weigert werden, doch unter der Bedingung, dafs, falls er sträflich
befunden werde, er der Strafe gewärtig sein müfste. So hielte
es der Kurfürst gegen solche Leute auch. Brück unterliefs
auch nicht, seine Befürchtung auszusprechen, der Kartenmaler
betrüge Luther mit glatten und guten Worten, und forderte
diesen auf, seinen Schützling zu ihm zu schicken. Dann wolle
er bald erfahren, wie es um den Urfrieden stehe und ob ihm
sein Erbieten, sich verhören zu lassen, nützlich sei oder nicht.
„Aber derselbe Kartenmaler," schreibt Brück dem Kurfürsten,
,,ist bis auf heut dato um 8 Uhr nicht zu mir gekommen."
Weiter beklagte sich Luther bitter, dafs ihm der Dechant
und der Kanzler zu Freiberg einen solchen groben Brief im
Namen des Herzogs geschrieben hätten. Er wollte sie datür
recht bezahlt haben; doch dem Kurfürsten zu Gefallen wolle
er Geduld haben. Dafs er sich aber zu ihrer Unbilligkeilt
auch noch ,, demütigen" sollte, wüfste er nicht zu tun; denn
er besorgte, es wäre ein ,, Geschäft" aus Dresden. Er hoffte.
Lutherana.
91
der Kurfürst werde es ihm nicht in Ungnade verdenken, denn
sein Herz stünde je dahin, dafs er auch nicht gern unrecht
tun wollte. Die Zumutung, auf die grobe Antwort des Herzogs
hin noch Abbitte tun zu sollen, scheint den stärksten Unwillen
des Reformators hervorgerufen zu haben, und es mag wohl
von seiner Seite aus ziemlich heftig in der Unterredung her-
gegangen zu sein; denn der treue Brück meint am Schlüsse seines
Berichtes an den Kurfürsten entschuldigend: ,,Er het ain kleins
Reuschlein, wiewol er gleichwohl nichts vnschicklichs redete."
Schon am 15. November erhielt Brück von Eilenburg aus
die Antwort seines Kurfürsten. Der Kanzler erhielt den Auf-
trag, bei Luther dahin zu wirken, dafs er Schenck nicht von
Freiberg wieder abfordere, da dem Evangelium nur Hohn,
Schimpf und Nachrede daraus erfolgen würden. Wenn sich
Schenck in seiner Predigt zurückhaltend zeige, so sei es mehr
sein eigner Wille, als dafs er das Laster nicht strafen dürfe.
Falls Luther aber meint, dafs das göttliche Wort in Freiberg
nicht allenthalben seinen Gang und Lauf haben möchte, als
es doch billig geschehen möchte, so wolle er Schenck ver-
warnen und ermahnen, sich allenthalben dem göttlichen Wort
gemäfs zu halten und sich durch nichts verhindern noch irren
zu lassen. Der Kurfürst hofft, Schenck werde sich alsdann
seinem Amte gemäfs zu halten wissen. Vor allem aber soll
seine Abberufung verhindert werden. Durch sie werde man
nur Herzog Georg einen grofsen Gefallen erweisen. Auf
eine Abbitte Luthers verzichtete der Kurfürst notgedrungen,
er begnügte sich mit dem Versprechen, nichts weiter gegen
Herzog Heinrich schreiben zu wollen.
Damit war der leidige Streit zu gutem Ende gebracht.
In Freiberg begnügte man sich damit, das Eingreifen Luthers
mit der gebührenden Grobheit zurückgewiesen zu haben, und
Luther fügte sich, grollend, dafs er den Gegnern das letzte
Wort hatte lassen müssen, dem Wunsche seines Kurfürsten.
Die Kosten des Streites sollte allein der ganz unschuldige
Schenck zu tragen haben. Wir wissen nicht, ob und was
Luther ihm in dieser Sache geschrieben hat. Aber es be-
steht seitdem eine Entfremdung zwischen den beiden, und
der Groll, den Schencks vermeintliche Parteinahme gegen
seinen Lehrer und Meister in Luther hervorgerufen hatte,
wucherte im stillen weiter und sollte sich bald in der Stellung
Luthers zu dem Streite Schencks mit Melanchthon und Jonas
zeigen. Schenck hatte mehr sein wollen als Wittenbergs
Sendbote und Werkzeug. Die Antwort Wittenbergs sollte
darauf nicht ausbleiben.
92
Paul Vetter:
Anhang.
I. Copey der Kundtschafft. 1536, Juli 7.
(Kopie im Gemeinschaft!. Ei nestin. Archiv zu Weimar.)
Wier Lorenz Kastner, Clement Glaser, Gregor Heynemann,
bürgere zue freyberg, bekennen vnd thuen kundt hiemit vor
mennigklichen, semptlichen vnd sonderlichen: Nachdem vnd wier von
vnserm gueten freunden, Matthes Lotthern, etzliche artickel be-
langende in schluesrehde vnterricht vnd vns (als recht sey) von ime
angetzeigt, darautf ehr dan höchlich begert vnser liekentnis nach-
mals ilim zubehendigen, welches wier dan auch (nach gottes befehl)
zuthuen schuldigk, vnd thuen kundt durch kratft dieser schrieft, das
kein ander handekmg geschehen, dan wie vnd wier von Matthes
Lotthern vornohmmen.
Zum ersten das man vnrecht thuet vnd ahne notli kegen
Le3d"snigk aber vberlandt nach dem sacrament zutziehen, so mans
dohevme nicht möchte bekommen.
Zum andern, das Christen nicht getzieme gottes worth zu hören
im g<)tzenhaulse vnter dem greuU bebstlicher mels.
Zum dritten disputationweyfse vns gefraget, ab ehr auch macht
habe, sein weyb vnd kindt gottes worth zu lehren. Darauf wir ge-
anthworth: Ja, auch schuldig zu thuen. Daruf ehr schlufs: warumb
er avich nicht macht, seinem weyl^e vnd Idndt das sacrament zu
reichen, so doch das sacrament durchs worth gemacht.
Auf solliche handelunge drev obgemelte artickel mochten wier
ihme zum widerstandt nicht viel spiiich zuerhalten fuerbringen.
Daraufs wier einfeltige leuth jemmerlich beschwerth vnd aufs noth
bewegt, an den erwirdigen hern, vnsern lieben vather, doctor Martin
Luther, hirin christlichen vnterricht frageweyfse geschrieben. Darauf
vns alsbaldt (gott lob) von doctor Martin Luther christenlichen vnter-
richt zugeschrieben, daruor wier gott vnd ime dangkbar sein. Wie
aber nachmals durch gottes schickunge Matthes Lotther vor vnsern
Stadtrichter vnfs dreyen wie obgemelt citirt vnd geladen vnd nach-
mals ein erbar rath semptlich vnd sonderlich paith kegen parth nach
notdurft verhöret, datzumahl alt vnd neu rath nichts peinlichs als
strafwirdigs zum ernst der Sachen befunden, sondern datzumahl von
beyden theilen handtgelübnys aufgenommen, bifs man vns wider
fordert, vnd hingelegt. Indes hat sich der sathan, der ein vorsprungk
vnd quell ja vather aller lügen, durch seine glidmafs ferner (dan
diese handlunge geschehen) mit seinem böfsen giftigen geschmeyfs
den verfelschten warhait solchs an vnsern g. h. hertzogk Hainrichen
zu Sachssen so fu ergetragen : Erstlichen als solte genanther Matthes
Lotther ein widerteuffer sein. Zum andern, der sein gantzes haufs
das sacrament selbst gereicht solt haben vnd ander verbitterunge
mehr, das es zu erbarmen. Daruon vns dan allen (gott weys es)
nichts wislich vnd auch ihnen in diesen Sachen nicht vorn erbarn
rath ja mennigklich geschuldiget, daran ime vnrecht geschiedt, vnd
wier semptlich gentzlich gleuben, solchs von ihme nicht ge-
schehen, ja auch nymmer mehr von yemandt vberweyset werde. Ob
sollicher handelunge der dreyer artickel, besonder vom sacrament
seim weyb vnd kindt zu reichen hat sich gemelter Matthes Lotther
fuer eym erbarn rathe vernehmen lasfsen, also das ehrs allein dis-
Lutherana. ^3
putationwe3'l"se vns fuerii;chal(len, auch eni.süich al)er grundthch im
hertzen nicht fuergenomnien, wcille es auch in ewigkeit nicht fuer-
nehraen. Dil's getzeuu;knis vnd kvmdtschaft gelten wier diesem man
als seyne widerpart, die wir ime dan auch den re^'nen warheit zu-
geben schuldigk vor gott sein, das es dermafsen gehandelt vnd wir
auch nicht weyther dan wie oben bemelt von ime bericht, wie vnd
wirs am thode wider hell vnd teuffei bekennen wollen. Difs zum
wahren bekentnis vor mennigklich haben wir solchs mit vnsenn eygen
pitzschier wissentlich vnterdrücken thuen. Geschehen freitags nach
Marie heimsuchung als man schreybet tausent fünfhundert vnd im
sechs vnd dreyssigsten jare.
2. Herzogin Katharina von Sachsen an den Kurfürsten.
Freiberg, 1536, Nov. 6.
(Eigenhänd. Original im Gemeinschaft!. Ernestin. Arcliiv zu Weimar.)
Hochgebarner fuost, frunleyger, geleyder her vetter. E. 1.
wessen anczweyffel, we gar swende d. marteynus meynem leiben
heren vnde gemall des kartenmalers ') halben geschreyben habe, das
s. 1. den gros zw gemott geyt vnde hart darober beweget worden.
Aus dem Ist s. 1. "vorsorsachget Seych weyderwm meyt wngney-
dyger antwart zw vorneymen zw lassen. So ober weyderwm schreyftt
worde von d. marteynes wallen vnde mer s. 1. in der sachge
anffuchten, were zw besorgen, das nej-t gvites dar aus keyme vnd
h. Jörgen des eyne gros flfroude were, So der duffel das zw weyge
brochte, das S. 1. d. martenes vnde den Seynen ffeygent worde.
Dem vor zw kamen habe Ich dochter Jachop vormach e. 1. das
schreyfftleych anczwczeygen. Daraus e. 1. vorsteyn wirf, was schaden
vnde nachdels gothleyger erre vnde Seynes helleygen wordes daraus
fleycz moch. Derhelben Ist meyn fnmleyge bette, e. 1. de wellen
de Sachge darben reychten, das keyne weyder schreyftt der sachge
halben von d. martenus kumt. Das habe Ich e. 1., alsze zw dem
Ich meych aller trwe vorsey, neyt weyssen zw vorhalden vnde welle
e. 1. vnde wns allen In de o;nade gotes beflalen haben.
Dat. frevbarg, an mandag nach allerhelge dag In 36 iar.
K. h. z. s.
3. Aus Brücks Bericht an den Kurfürsten.
Wittenberg. 1536, Nov. 13.
(Kopie im Gemeinschaft!. Ernestin. Archiv zu Weimar.)
Ich habe vfts fugüchst die sachen, douon der Freibergische
Prediger eur churf. g. gesclirieben, mit ime geredt, ^\'ie mir e. c. f. g.
bepholen. Als hat er mir diese antwurt gegeben, das er e. c. f. g.
l^euell, wde ich in den angezeigt, nit anders, dan das es e. churf. gn.
genediglich vnd wo! meinten, vorstanden.
') Das Wort ist nur zur Hälfte überliefert. Es kann auch
Ivartenmachers dagestanden haben.
QA Paul Vetter:
Aber es het viel ain andere meynung, dan wie es die herzogin
zu Freiberg meinem gnedigen forsten furgebe. Der prediger hat
nach irer gn. gefallen müssen schreiben. Er were bedacht, gemelten
prediger wider wegk zu fordern, dan er wüst nit die weit zu nemen
vnd des orts prediger zu sein, do ime solche bifs infs maul sollen
gelegt werden. Er mocht wol predigen, vnd man horte es gerne,
das Christus vnser erlosung were ane vnser werck ader vordinst,
aber ainche irthumb, sunde, laster ader anderes anzugreiffen, auch
krancke leute, die ires gewissen trostes bedurfften, zubesuchen, were
ime verpotten. In summa, nach vielen anzaigungen schlofs er dohin,
er wolte den prediger abfordern, dieweil er durch sein zuthun vnd
bereden dohin verordent. Wolt er aber darüber do pleiben, das
mocht er vf sein selbst gewissen thun. Er wolt seiner gewissen
halben entschuldiget sein. Dan das euangelium wurde zu Freiberg
nit gemaint, es lege ain andres dorhinter. Das er den kartenmacher
vorschrieben, do het er aus der liebe vrsache zu gehabt, dan der
man erböte sich zuuerhore. Er wolt von mir gerne vorstehen, do
ainer verhöre leiden konte, ob ime die geweigert solt werden.
Ich habe gesagt, es het ain grofs bedenken : der herzog spreche,
gemelter kartenmacher het wider sein vrfrieden gehandelt. Wolt er
nu je verhöre haben, so mocht sie ime villeicht nit gewegert werden,
dergestalt, so er strefflich befunden, derselben gewertigk zu sein,
wie e. c. f. g. es gegen solchen auch liielten. Ich het sorge, der
man betrüge ine mit glarten vnd guten Worten; er solt in zu mir
komen lassen, so wolt ich baldt vorstehen, wie es vmb den vrfriden
gelegen, vnd ob ime sein erbieten zu verhöre wurde dinstlich sein
ader nit. Aber derselbe karthenmacher ist bifs vf heut dato vmb
acht hör auch nit zu mir komen.
Doctor Marthinus hat sich darüber beclagt, wie ime der dechannt
zu Freibergk vnd der canzler solchen groben brief wider geschrieben.
Ich vorstunde aber, in des herzogen nhamen. Er wolt sie recht be-
zalt haben, aber e. c. f. g. zugefallen wolt er gedult haben. Das er
sich aber darüber zu irer vnpilhgkait nach demutigen solt, woist er
nit zuthun, dan er besorgte, es were ain gescliiffte von Dresden,
verhoffte auch, e. c. f. g. wairden inen in vngnaden darumb nit vor-
denken; dan sein herz stunde je dohin, dos er auch nit gern vnrecht
thun wolt. Er het ain kleins reuschlein, wiewol er gleichwol nichs
vnschicklichs redet, dan vor e. c. f. g. schreiben was er auch bei
mir; do clagte er sehr der herzogin furnhemens halben. — —
Datum Wittenberg, Montags nach Martini 1536.
2. Ein neues Ordinationsformular aus dem Jahre 1538.
In seinem Buche ,, Luther und die Ordination" (2. Aufl.
1889)') bezeichnete G. Rietschel als ältestes Ordinations-
formular der lutherischen Kirche die Ordinatio ministrorum
verbi, die er 1882 im Archiv der Pfarrkirche zu Wittenberg
gefunden hatte. Der Einband des handschriftlichen Doku-
') Vgl. auch Sehling, Die evangelischen Kirchenordnungen
des 16. Jahrhunderts I, i, 24 ff., wo die weitere Literatur verzeichnet ist.
Liitherana.
95
ments trägt die eingeprefste Jahreszahl 1539'). Das Schrift-
stück selbst weist zahlreiche Korrekturen auf, als deren Ur-
heber sich Bugenhagen herausstellte. Rietschel nahm an,
dafs das Forjnular von Luther selbst herrühre und etwa im
Juli 1537 ^^^ ^'6 i" diesem Monate eingeführte Ordination
verfafst sei'-'). 1894 veröffentlichte Th, Kolde in den Theo-
logischen Studien und Kritiken'^) einen Aufsatz „Zur Geschichte
der Ordination und der Kirchenzucht", in dem er ein Ordi-
nationsformular aus dem Jahre 1538 mitteilte, das er in den
Ansbacher Religionsakten des Nürnberger Kreisarchivs ge-
funden hatte und das Luther und Melanchthon'') im Sommer
1538 den beiden Culmbachischen Predigern Johannes Schnabel
und Leonhard Eberhard in Wittenberg als das dort gebrauchte
Ordinationsformular mitgegreben hatten. Dieses von Kolde
als C bezeichnete Formular unterscheidet sich nun von dem
Rietschelschen (R) in wichtigen Punkten, deren Bedeutung
an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden kann.
Auf Grund der Berichte der beiden Prediger läfst sich fest-
stellen, dafs C im Sommer 1538 in Wittenberg in Geltung
gewesen sein mufs. Kolde bezeichnete es als die älteste bis-
her bekannt gewordene Form des Wittenberger Ordinations-
rituals''). Dieser Rang wurde C indes schon im nächsten
Jahre von einem Formular streitig gemacht, das Rietschel in
derselben Zeitschrift^) veröffentlichte und das er in das Jahr
1537 zu verlegen suchte. Entnommen wurde dies neue For-
mular (I) einem Jenaer Manuskriptenbande (B2 7f.)'^)', und
Rietschel glaubte es als ,,die älteste Rezension unter den bis-
her bekannten Fassungen nachweisen zu können". Aufser
inneren Gründen glaubte Rietschel auch den Umstand bei
der Datierung von I verwerten zu dürfen, dafs das Formular
.sich in einem Bande befindet, der Nachschriften von Luthers
') Rietschel, Luther und die Ordination S. loft".
2) Rietschel a. a. O., S. 6.
3j S. 21 7 ff.
■*) Nicht nur Melanchthon, wie Kolde S. 218 annimmt. Vgl.
S. 222. Dafs die lateinischen Sätze in C, welche die einzelnen Or-
dinationsakte einleiten bez. beschreiben, stilistisch und sonst den
Eindrvick des Hingeworfenen machen .sollen, wie Kolde S. 236 an-
nimmt, kann ich nicht linden. Mir machen C und noch mehr F den
Eindruck wohl erwogener und sorgfältig ausgeführter Schriftstücke.
^) Über ihre Entstehung vgl. S. 241.
ß) Theolog. Studien und Kritiken 1895 S. 168 ff.: Luthers Ordi-
nationsformular in seiner ursprünglichen Gestalt.
'1 .S. 179 wird der Band als B 24 f. bezeichnet. Vgl. dazu Theo-
logische Studien vmd Kritiken 1894 S. 389.
^6 Paul Vetter:
Predigten avis dem Jahre 1536 enthält. Auf leergebliebenen
Seiten in der Mitte und am Schlüsse ist I von Rörers Hand
niedergeschrieben. Rietschel meinte^), dafs die Fassung jeden-
falls vor dem Juli 1537 entstanden sein müsse* Für R nahm
er nunmehr mit Kolde Bugenhagen als Verfasser an (vgl.
S. 168 f.), der das Formular für das Wittenberger Agenden-
büchlein fertiggestellt habe"'). Seinem Urteile hat sich, wenn
auch nicht ohne Bedenken, Sehling angeschlossen und in seinem
obengenannten Werke I als ältestes Ordinationsformular der
lutherischen Kirche abgedruckt.
Zu den drei Formularen R, C und I ist im Jahre 1905
ein viertes (H) hinzugekommen. In diesem Jahre veröffent-
lichte in der Deutschen Zeitschrift für Kirchenrecht von Fried-
berg und Sehling'^) F. Drews einen Aufsatz: ,,Die Ordination,
Prüfung und Lehrverpfiichtung der Ordinanden in Wittenberg
1535", der die Umarbeitung eines Giefsener Universitätspro-
gramms vom Jahre 1904 darstellt. Im Anhange*) teilt er ein
ihm von G. Buchwald überlassenes Schriftstück mit, das er
als ,,die Nachschrift einer Ordinationsrede Luthers mit fol-
gendem Ordinationsformular" bezeichnet. Als Verfasser des
in einer Handschrift der Hamburger Stadtbibliothek erhaltenen
Aktenstücks (H) nimmt er Luther an'"*), als Entstehungszeit
das Ende des Jahres 1535. Nach seiner Meinung ist von den
bisher bekannt gewordenen Ordinationsformular en H das
älteste. Seiner Ansicht über die Bewertung von H ist Hen-
necker in seiner Schrift: ,, Zur Gestaltung der Ordination mit
besonderer Rücksicht auf die Entwickelung innerhalb der
lutherischen Kirche Hannovers" 1906 (Forschungen zur Ge-
schichte Niedersachsens I, i) gefolgt*^').
Nun befindet sich im Freiberger Stadtarchiv in den Akten
der Spalatinschen Visitation^) aus dem Jahre 1538 ein Ordi-
nationsformular, das in die erste Hälfte des Jahres 1538 ver-
legt werden mufs und wohl von Spalatin nach Freiberg mit-
gebracht worden ist, wenn man nicht annehmen will, dafs es
von ihm bereits vorgefunden wurde. Dann müfste es Schenck
'-) Die Korrekturen Bugenhagens zu R, auf die sich allein diese
Annahme stützen kann, sprechen eher gegen als für seine Ver-
fasserschaft.
3) S. 66 ff. und 273 ff.
*) S. 291 ff.
•^) S. 298.
^) Vgl. dazu die Rezension von Drews in der Zeitschrift des
Historischen Vereins für Niedersachsen 1907 S. 278ff.
') Vgl. über sie Seidemann, Jakob Schenk S. 36.
Lutherana.
97
aus Wittenberg zugegangen sein, was bei seiner damaligen
Stellung zu den dortigen Reformatoren wenig wahrscheinlich
ist, wenn sich für Schenck freilich auch noch andere Bezugs-
quellen denken lassen.
Überschrieben ist das Schriftstück, das wir F nennen
wollen, mit den Worten: Forma, quomodo ordinentur Wittem-
bergae vocati ad ministerium verbi et ecclesiae. Gefolgt ist
es von einem Formulare für den Ordinationsschein des neu
ordinierten Geistlichen.
Auf den ersten Blick zeigt es sich nun, dafs die Fassungen
F und C aufs engste mit einander verwandt sind. Die Än-
derungen, die C aufweist, sind kaum solche redaktioneller
Art zu nennen; sie sind Flüchtigkeitsfehler oder willkürliche
Abweichungen des Abschreibers. Von Wichtigkeit ist, dafs
hinter dem Worte Amen in F noch 4 Sätze folgen, die den
in C fehlenden Schlufs des Formulars enthalten. Darnach
würde F die einzige vollständige Fassung des aus dem Jahre
1538 bekannten Ordinationsformulars sein.
Fraofen wir nun nach dem Verhältnisse der fünf ältesten
Formulare zu einander, so ergibt sich zunächst, dafs FC und
R eng mit einander verbunden sind, dafs sie H und I gegen-
über eine in sich geschlossene Gruppe bilden. R erscheint
als die Fortbilduno- der Ordinationsformel FC. Neben An-
derungen redaktioneller Art fällt in R vor allem die ver-
änderte Fassung des dritten und vierten Abschnittes auf.
Während in FC der dritte Abschnitt nur kurz in lateinischer
Sprache die vorzulesenden Bibelstellen angibt, bringt R ihren
vollen deutschen Text. Im vierten Abschnitte weisen FC
eine weit ausführlichere Ordinationsrede avif, während R eine
kürzere Fassung enthält, die fast nur den zweiten Teil des
Textes in FC inhaltlich wiedergibt. Der siebente Abschnitt in R
enthält aufser redaktionellen Änderungen die Segnung mit dem
Zeichen des Kreuzes durch den Ordinator, die in FC fehlt.
Während so FC und R eine in sich geschlossene Gruppe
bilden, während Entstehungszeit und Zweck der Formulare
deuthch ersichtlich sind, fehlen dergleichen Anhaltepunkte
für H und I. Zunächst ergibt sich aus einer Vergleichung
der beiden Formulare, dafs sie, wie schon Drews richtig be-
tont hat, eng mit einander verwandt sind. Ihr Hauptunter-
schied besteht darin, dafs in H vor dem Ordinationsformulare
sich ein längerer Abschnitt befindet, den Drews als eine
Ordinationsrede Luthers ansieht. Drews ist der Meinung^),
^) Deutsche Zeitschrift für Kirchenrecht 1905 S. 296.
Neues Archiv f. S G. u A. XXIX. i. 2. 7
9 8 Paul Vetter:
in H die Fixierung einer Ordinationshandlung vor sich zu
haben, der der Nachschreiber selbst beigewohnt habe. Die
später auftretenden Konjunktive des Formulars sollen durch
einen Abschreiber hineingekommen sein. Jedenfalls sei aber
H ,, ursprünglich die Fixierung einer bestimmten einzelnen
Ordinationshandlung" gewesen. Dagegen spricht vor allem
das Fehlen einer Bezugnahme auf die Personen der (oder des)
Ordinanden. Hätten wir in H die Wiedergabe einer Ordi-
nationshandlung Luthers vor uns, so müfsten wir über die
Personen der zu Ordinierenden, über ihre Vokation und der-
gleichen mehr nähere Auskunft erhalten, wie das auch in der
von Drews wiederholt zitierten Ordinationsrede Luthers vom
20. Oktober 1535 geschieht^). Das Fehlen dieser Bezug-
nahme ist allein ein vollgültiger Beweis, dafs wir es mit der
Fixierung einer bestimmten Ordinationshandlung nicht zu tun
haben. Dazu kommt, dafs der Inhalt der vermeintlichen Or-
dinationsrede sich weniger an die Gemeinde, als vielmehr an
Geistliche zu richten scheint, denen das nachfolgende Formular
mitgeteilt wird. An diese vermeintliche Rede, aus der übrigens
Luthers Eigenart schwerhch zu uns sprechen dürfte, schliefst
sich nun in H ein genaues Formular der Ordination an, in
dem offenbar infolge der Flüchtigkeit des Abschreibers, die
sich auch an anderen Stellen zeigt, bald Indikative, bald Kon-
junktive gesetzt sind. Dafs die Schilderung einer bestimmten
Ordinationshandlung eine wortgetreue Wiedergabe des
Formulars ergeben sollte, ist nicht glaublich. Aus dem Ge-
sagten ergibt sich, dafs wir in H wohl eher die Weitergabe
des Wittenbergischen Ordinationsformulars an Geistliche einer
evangelischen Schwesterkirche zu sehen haben, als die Wieder-
gabe einer bestimmten Ordinationshandlung Luthers.
Vergleichen wir nun H und I weiter mit einander, so
vermissen wir in H die Nachricht von der stattgfefundenen
Prüfung des Ordinanden -j; nur von der Anordnung dieser
Prüfung durch den Kurfürsten ist die Rede. Dafs sich die
Ordination an den Gottesdienst der Gemeinde anschliefst,
geht weder aus H noch aus I hervor. Mit Recht hat Drews
darauf hingewiesen, dafs das commendatur am Anfang von
H durch die folgenden Worte in jeder Weise gedeckt ist,
während das commendetur in I, wenn es auch nicht gerade
sinnlos ist, doch für den Anfang nicht recht passend erscheint.
*) V^l. über sie auch: Theoloedsche Studien und Kritiken 1896
S. 151 ff.
'•') Auch dieser Umstand spricht gegen Drews' Ansicht.
Lutherana.
99
In den folgenden ersten drei Teilen stimmen H und I in der
Hauptsache mit einander überein; die vorhandenen Differenzen
dürfen der Nachlässigkeit der Abschreiber zur Last gelegt
werden. Der Weg^fall des ersten Satzes von vier in H da-
gegen, .sowie das Fehlen der Ansprache an die Ordinanden^
die sich am Schlüsse von vier in I findet, dürfte eher auf
eine bewufste Änderung als auf eine Nachlässigkeit des
Abschreibers von H zurückzuführen sein. In fünf stimmen
beide Formulare bis zum Schlüsse ziemlich genau überein.
H ist hier etwas kürzer als I und nimmt mehr auf den Fall
Rücksicht, dafs die Ordinierten in fremde Gemeinden be-
rufen sind.
Überblicken wir das Gesagte, so stellt es sich als höch.st
wahrscheinlich heraus, dafs H und I Abschriften einer ge-
meinsamen Vorlage sind, und dafs bald der eine, bald der
andere Abschreiber sich Flüchtigkeiten oder Abweichungen
zu Schulden kommen liefs. Die Weglassung des einleitenden
Abschnittes der vermeintlichen Ordinationsrede Luthers in I
erklärt sich einfach daraus, dafs es dem Abschreiber nur auf
das Ordinationsformular ankam. Dafs beiden Abschreibern,
wie das Drews wenigstens für den von H vermutet'), noch
ein anderes Ordinationsformular vorgelegen haben kann, ist
durchaus nicht unwahrscheinlich. Die Frage, in welcher Zeit
die gemeinsame Vorlage für H und I entstanden ist, läfst
sich nicht leicht entscheiden. Drews setzt H gegen Ende
des Jahres 1535 an und bezieht sich dabei auf Rörers Nach-
schrift der bereits erwähnten Ordinationsrede Luthers vom
20. Oktober 1535. Er übersieht aber dabei, dafs in dieser
Zeit von einer eigentlichen Ordinationshandlung noch gar
nicht die Rede ist. Luther ruft in seiner Rede, nachdem er
unter Berufung auf die kurfürstliche Verordnung eine Er-
klärung für sein Vorhaben gegeben hat, die Gemeinde nur
zum Zeugen an, dafs der Geistliche ordiniert ist, d. h. dafs er
nach vorausgegangener Prüfung von Luther als tauglich für
sein Amt befunden ist. Von einer besonderen Ordinations-
handlung ist noch nicht die Rede. In H sowohl wie in I
finden wir aber ein vollständiges, bis ins kleinste ausgearbeitetes
Zeremoniell der Ordinationshandlung. Darnach mufs ihre
Vorlage viel später als 1535 angesetzt werden. Es wird im
weiteren Verlaufe der Untersuchung die Frage zu entscheiden
sein, ob die Vorlage für H und I vor oder nach FC ange-
setzt werden mufs. Über ihren Verfasser läfst sich nichts
') Deutsche Zeitschrift für Kirchenrecht 1905 S. 296.
7*
loo Paul Vetter:
Sicheres ermitteln. Von Luther^), an den zunächst zu denken
wäre, wird man wohl absehen müssen. Die Einleitungsrede
zu H enthält wohl gut lutherische Doktrin, zeigt aber nichts
von Luthers eigenartiger Diktion. Der Zweck der Vorlage
wird wohl der gewesen sein, Geistlichen einer anderen
Landeskirche das in Wittenberg entstandene Ordinations-
formular mitzuteilen'^).
Es handelt sich nun um die Beantwortung der Frage
nach dem zeitlichen Verhältnisse der Fassung F und der
Vorlage von H und L C kann bei dieser Untersuchung ausge-
schaltet werden, da es nur ein unvollständiges Exemplar der
Fassung F ist. Während sich bei F sicher nachweisen läfst,
dafs es in der ersten Hälfte des Jahres 1538 in Wittenberg
vorhanden war, fehlt für H, I und ihre Vorlage eine solche
genaue Zeitangabe. Während wir in F ein offizielles, von
Wittenberg an einen andern Ort weitergegebenes Formular
vor uns haben, können H vmd I eine solche Autorität nicht
beanspruchen; sie sind mehr oder minder fehlerhafte Ab-
schriften eines verloren gegangenen Formulars, dessen Zweck
nicht genau feststeht, das aber wohl ebenfalls von Wittenberg
aus an eine andere protestantische Landeskirche gerichtet
gewesen sein wird. Vergleichen wir die Formulare mitein-
ander, so fällt bei H und I im Einleitungsgebet gegenüber
der markigen Kürze in F eine geschwätzige Breite auf, die
nicht gerade wie echt lutherisches Gut anmutet. Am stärksten
weichen die Formulare im dritten und vierten Abschnitt von
einander ab. In drei und im Anfange von vier bringt I einen
gröfseren Abschnitt, der im Anschlüsse an eine Stelle des
vierten Kapitels des ersten Timotheusbriefes eine Ansprache
an die Ordinanden enthält, und nach dem die beiden dann
angeführten, vorzulesenden Bibelstellen herzlich überflüssig
erscheinen. Am Schlüsse von 4 wird das Fragment einer
zweiten Ordinationsrede gebracht, das nach dem Voraus-
gegangenen als vollständig überflüssig bezeichnet werden
mufs. Der Abschreiber von H hat es deshalb ganz fortge-
lassen, wie er auch den ersten Satz von 4 beseitigt hat.
Diese Streichungen weisen darauf hin, dafs I an dieser Stelle
die gemeinsame Vorlage genauer wiedergibt als H. Eine
Priorität von H aus dem Fehlen dieser beiden Stellen abzu-
') Eher könnte man an Rörer denken, der 1538 und 1539 Luther
einige Male bei der Ordination vertreten durfte.
■■^) Haben wir in ihr etwa das Formular zu sehen, dessen sich
Rörer bei seinen Ordinationen 1539 bediente?
Lutherana. i o i
leiten, ist jedenfalls nicht angängig. Durch diese Änderungen
in H ist der Ordinationsrede zwar manche Weitschweifigkeit
genommen, bestehen aber bleibt auch jetzt noch die Über-
flüssigkeit der dann zitierten Bibelstellen. Wichtig ist nun,
dafs die zweite Ordinationsrede am Schlüsse von 4 in I in-
haltlich den zweiten Teil der Ordinationsrede in F wiedergibt.
Es mufs also dem Schreiber von I diese Fassung des
Formulars F vorgelegen haben. Streichen wir die vor der
Timotheusstelle 1,3 in I eingeschobene Partie, so haben wir
die Fassung des vierten Abschnittes von F, ausgenommen
den ersten Teil der hier gegebenen Ordinationsrede, die in
Form und Inhalt zweifellos echt lutherisch ist. Wenn wir
nun erwägen, dafs dieser erste Teil der Ordinationsrede von
F auch in R weggelassen ist, dafs man in Wittenberg sich
also mit einer Änderung und Kürzung dieser Rede befafst
hat, so gewinnt die Ansicht einige WahrscheinUchkeit, dafs
die Vorlage von H und I wohl in die Zeit der Abänderung
dieser Partie des offiziellen Ordinationsformulars zu verlegen
ist, d. h. zwischen F und R. Dadurch würde sich auch der
Umstand, dafs in I die ganze vor der Timotheusstelle 1,3
eingeschobene Ordinationsrede wieder gestrichen ist, viel un-
gezwungener erklären. Damit gab der Abschreiber von I
seinem Formular später die Fassung, auf die man sich in R
schUefslich geeinigt hatte. Nach dem Gesagten dürften wir
also in der Vorlage von H und I es mit einem Formulare,
vielleicht auch nur mit dem Entwürfe eines solchen zu tun
haben, das etwa ans Ende des Jahres 1538 oder in den An-
fang des Jahres 1539 zu setzen wäre.
Wie dem auch sein mag, für das Formular F bleibt
jedenfalls die Tatsache bestehen, dafs es das älteste
bisher bekannte, vollständige und genau datierbare Ordi-
nationsformular der lutherischen Kirche ist. Als seinen Ver-
fasser dürfen wir Luther ansehen. Sein Zweck aber war, das
geht auch aus der Fassung des mit ihm verbundenen Ordi-
nationsscheins deutlich hervor, dem Freiberger Superinten-
denten als Ordinationsformular bei der Ordination der für
das Land Herzog Heinrichs nötig werdenden Geistlichkeit
zu dienen.
Forma, quomodo ordinentur Wittembergae vocati ad
ministerium verbi et Ecclesiae. 1538.
Exarainatione facta, vel hoc vel precedenti die, si idonei fuerint,
oretur in contione pro eis et pro vniverso ministerio ab Ecclesia,
etenim ut Deus in messem suam operarios mittere dignetur, et eos
pures et constantes servet in doctrina sana contra portas inferorum.
I02 Paul Vetter:
Post flexis genibus coram altari cum ordinatore et ministris seu
presbvteris Ecciesiae, ordinandis in medio ipsorum locatis iuxta
ordinatorem, cantet chorus: Veni Sancte Spiritus, vers. Cor mundum
crea in me Dens. R. Et spiritum rectum innova in visceribus meis
CoUecta de spiritu sancto solita.
His finitis ordinator ascendat gradum et verso ad ordinandos
vultu stans recitet cap 3. Timo. i iidelis sermo, cpii episcopatum etc.
vsque in finem paragraphi i sei. in laqueum diaboli vel totum caput,
quot paragraphos habuerit. His addatur illud Acte. 20 ex paragrapho 6:
Attendite vobis etc. vsque ad finem pai'agraphi cum lachrymis. Tunc
ad ordinandos loquatur in lianc vel similem sententiam (vel si libet,
totum hoc potest omitti, quia satis ex predictis sunt admoniti, ne fiat
traditio in infinitum postea augenda): Erstlich so höret ir hie, das
euch der heihge geist berutft vnd setzet zu Bischolfen in seine herd
oder kirchen; darumb sollt ir glauben vnd gewifs sein, das ir von
Gott selber beruften werdet, weil euch die kirche, so euch herge-
sandt, vnd weltliche Obrickeit beruffen vnd begert hat. Dann was
die Kirche vnd Obrickeit liirin thut, das thut Gott durch sie, dormit
ir nicht eingedrungene geachtet werdet.
Zum andern höret ir hie beide, wie ir für eur person leben
sollet vnd was euch in der kirchen zuthun ist: Nemlich das ir sie
sollt weiden vnd bedencken, das euch nicht gense oder schwein zu
hüten beuolen werden, sondern die herde Gottes, die er mit seinem
blut erworben hat, zu weiden mit dem reinen wort Gottes vnd zu
wachen, das nicht rotten oder weifte vnder dem armen heuftlein ein-
reissen. Darumb nennet er solch Bischoffampt ein kostlich werck vnd
lobet die, so des begeren.
Seit ir nu wilhg vnd bereit solch ampt anzunemen vnd treulich
zu vben, so wollen wir aus beuelh der 1-drchen durch vnser ampt
euch ordiniren vnd bestetigen, wie S. Paul zum Tito vnd Timotheo
gebeut, das wir sollen in den steten priester setzen vnd das wort
beuelhen denen, so tüchtig sind au.ch andere zu leren.
Respondeant: volumus.
Tunc impositis manibus presb^^terorum super capita eorum dicat
ordinator voce clara Orationem dominicam super eos, et si Ubuerit
vel per tempus licuerit, addatur haec oratio, quae tres tantum partes
orationis dominicae longius explicat: Barmhertziger Gott, himlischer
vater! Du hast durch den mund deines lieben sons, vnsers hern
Jesu Christi, zu vns gesagt: Die erndte ist gros vnd wenig sind der
arbeiter. Bittet den hern der emdten, das er arbeiter in seine erndte
sende. Auf solchen deinen gütlichen beuelh bitten wir von hertzen,
wollest dise deine beruft'ene diener sampt vns vnd allen kirchen-
dienern deinen heiligen geist reichlich geben, vns alle segenen vnd
stercken, das wir mit grossen scharen deine Euangelisten sein, trew
vnd fest bleiben wider den teuftel, weldt vnd fleisch, damit dein
name geheiliget, dein reich gemehret, dein wille volbracht werde.
Wollest auch dem leidigen krewel des Babsts vnd Mahomet
vnd andern secten , so deinen namen lestern, dein reich zusteren,
deinen willen verdammen vnd verfluchen endlich steuren vnd einmal
ein end machen. Solch vnser arm gebet wollest gnediglich erhören
vnd thvni, we wir trauen vnd glauben durch deinen lieben söhn,
vnsern hern Jesu Christ, der mit dir vnd dem heiligen geist lebet
vnd regirt ewiglich. Amen.
Legatur locus i petri 5 : So gehet nu liin vnd weidet die herde
Christi etc. end, krön der ehren entphahen.
Lutherana.
103
Tunc abeant vnusquisqe in locum suum. Ordinati autem primi
cum ecclesia nostra communicent.
Si placet, canitur: Nu bitten wir den heiligen geist. Tunc
procedat mox officium niissae.
Damach gibt der Superattendent dem, so ordinirt, ein besigelt
bekentnus solcher ergangen Ordination vnder seinem petschafft mit
verzeichung seines vnd der andern prediger vnd priester, so darbey
gewest, namen.
Bekentnusschrifft der christlichen weyhe.
Allen vnd jeden, so disen offen brief sehen, hören vnd lesen,
vnd sonderlich euch N. N. N. thu ich N. N., zu N. Superattendent,
neben erwunschung Gottes gnad vnd fridsfreuntlicher meinung zu
wissen, das, nachdem ir den wirdigen N. N., mit gnedigem vorwissen,
willen vnd zuthun fürstlicher Obrickeit durch euch ordentlich be-
ruffen, mir zugeschickt mit vleissiger bitt, ihn vermöge meines ent-
pfangen beuelhs ihn zu ordiniren vnd zu Verkündigung Gottes worts,
auch zu reichung der gotlichen sacrament zu bestetigen, das ich
ilarauf gedachten N. N. der christlichen lere halben notturftiglich
verhört, examinirt vnd zu solchem ampt geschickt vnd genugsam
befunden. Ist auch folgendt durch mich als Superattendenten sampt
andern priestern dartzu gehörig christlicher vnd gewonlicher weise
auf dem Sontag N. dises iars ordinirt vnd bestetigt, welchs ich euch
crafft diser meiner schrifft liiemit will angezeigt haben, freuntlich
bittend, solchs eurm Amptman auch antzuzeigen vnd denselbeo
ordinirten vnd bestetigten zu der pfar, predigampt, diaconat etc.
kommen lassen, ihn auch den leuten angeben mit beuelh, das sie ihn
für iren pfarrer annemen, erkennen vnd halden, im auch dasjenige,
so sie zu geben verpliicht, willig vnd vnuermindert zu reichen, wie
ir sampt dem Amptman zu thun wol werdet wissen. Daran geschidt
sonder zweiffel des durchlauchtigen hochgebornen Fürsten und hern,
Hern Hern (sie!) Heinrichen, herzogen zu Sachssen etc., zu gefallen.
So bin ichs vber gotlich belonung freuntlich zuuerdinen willig. Dat.
IV.
Sächsische Musikantenartikel (1653).
Von
Rudolf Wustmann.
Kine grofse Musikwelle war etwa zwischen 1590 und
1630 über Mitteldeutschland hingegangen; ihr folgten einige
Jahrzehnte der Ernüchterung, teils wegen der anhaltenden
Kriegszeit, teils als unwillkürliche Reaktion gegen den vor-
herigen Überschwang. Um 1650 bereitete sich ein neues
Emporgehen vor: Collegia musica wurden eingerichtet, und
zwischen 1645 und 1658 erneuerten allein 22 kursächsische
Kantoreien, die zum Teil brach gelegen hatten, ihre Tätig-
keit und ihre Statuten').
Damals gründeten auch etwas mehr als 100 (Rats-)Musi-
kanten in 40 Städten des ober- und des niedersächsischen
Kreises — von Dresden bis Ouedlinburg und von Berlin bis
Annaberg — einen interlokalen Verband, „das instrumental-
musikalische CoUegium in dem Ober- und Niedersächsischen
Kreis", und einigten sich dabei auf 25 Artikel; Kaiser Fer-
dinand III. bestätigte ihnen diese am 15. Dezember 1653.
Artikel und Confirmation werden mit Auslassung einiger
Curialien [..,] im folgenden wiedergegeben nach einem Drucke
(16 Quartseiten) der Leipziger Stadtbibliothek. In einer ge-
nauen Abschritt haben sich die Artikel dann auch im Kgl. Sachs.
Hauptstaatsarchiv in dem dritten Buch Oberlausitzer Landes-
und Polizeisachen (1663 ff.) gefunden am Schlüsse einer Gruppe
von Aktenstücken, die von einem Streit des Bautzner und
^) Vgl. Rauten Strauch, Luther und die Pflege der kirchlichen
Musik in Sachsen S. 241!".
Sächsische Musikantenartikel (1653). 105
des Zittauer Stadtpfeifers zu Ende des Jahres 1667 handeln
und über Entstehung und Wirkung der Artikel manches will-
kommene Licht geben'). Unserm Abdruck-) schicken wir fol-
gendes voraus über die Stellung der sächsischen Artikel inner-
halb verwandter Erzeugnisse, über ihre Entstehung und Wir-
kung (nach den angeführten Akten) und über ihre Dispo-
sition und ihren Inhalt.
Wir haben in der deutschen Geschichte in den Jahr-
hunderten etwa von 1350 bis 1750 drei oder vier Arten von
Musikerstatuten zu unterscheiden. Die einen beziehen sich
nur auf Ortsverbände (in katholischer Zeit meist Bruder-
schaften) wie die ältesten überhaupt bezeugten, die der Wiener
Nicolaibruderschaft oder die der Strafsburger Stadtpfeifer-
zunft, der sogenannten Bruderschaft der Cronen zu unserer lieben
Frau. Die anderen sind die kaiserlichen Privilegien für die
,,Hof- und Feldtrompeter, auch Hof- und Heerpauker des
deutschen Reichs", deren Patron als Reichserzmarschall der
Kurfürst von Sachsen war und denen im 17. Jahrhundert 1623
Ferdinand II. und später auch Ferdinand III, ihre Ordnungen
erneuerten. Drittens gab es Zusammenfassungen von Musikern
mittlerer Gebiete, so am Ende des 14. Jahrhunderts für das
Mainzer Erzbistum oder vom 15. bis 18. Jahrhundert für die
elsässische Pfeiferschaft. Als vierte Gruppe kann man dazu
alle die örtlichen Genossenschaften zählen, deren Mitglieder
in der Hauptsache nicht Berufsmusiker waren, sich aber in
erster Linie zu musikalischen Zwecken zusammengeschlossen
hatten, die Bruderschaften des späteren Mittelalters zur Pflege
des Kirchengesanges, die Cantoreigesellschaften der Refor-
mationszeit und die neuen Collegia musica des 17. Jahrhunderts;
dahin gehören auch die Artikel der musikalischen Gilde in
Friedland in Mecklenburg"). Die hier vorzulegenden sächsischen
Artikel würden der dritten Gruppe zuzuzählen sein. Über
Anlafs und Art ihrer Entstehung teilt der Bautzner Stadt-
musikant Nicolaus Leuterding, der im Dreifsigjährigen Krieg
viel ausgestanden hatte, als alter, kranker Mann am 16. No-
vember 1667 dem Bautzner Rat mit:
„Es hat vor ezlichen iahren den Stadtpfeiffer zu Kall:)a, nahmens
Samuel Salbach, ein Schneider auf einem Convivio mit sj;roben ehren-
') Für die Erlaubnis zur Veröffentlichuno; des Materiales sei auch
hier beiden Verwaltungen geziemend gedankt.
'-) Derjenige bei Spitta, Bach I, 142 nach einem Mühlhäuser
Exemplar enthält eine Anzahl retuschierender Modernisierungen und
ist nicht ganz vollständig.
^) Vgl. Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft L
142 und Rautenstrauch a. a. O. S. 127.
I o6 Rudolf Wustmann :
rührigen Worten angegriffen, und durch solche auisgegolsene injurien
per obliquura fast alle unsere der Musicalischen Kunst zugethane
ziemlich beschimpffet. Gleichwie nun selbiger Injuriant von des
Orthes Stadt Obrigkeit zur gnüge abgestratfet worden, also hat
Injuriat solchen Handel an die Stadtpfeiffer andrer Städte, insonder-
heit nach Defsau, Martin Frenfsdorffen, berichtet, der dann hierüber
den Land Syndicum im Anhaltischen Fürstenthum consuliret. Welcher
ihme und andern Musicis diesen Rath gegeben: Sie solten collegia-
liter ezliche Articul und Puncte, so dem Musicalischen Collegio ver-
träglich seyn würden, veriafsen und projectiren lafsen, und Ijey
Rom. Keyserl. Majestät umb deroselben allergnädigste Continnation
allerunterthänigst suchen. Weil nun selbiger Land-Syndicus in Landes
Sachen damahls nacher Regenspurgk auf den Reichstag verschicket
worden, hat er die allergnädigste Keyserl. Conlirmation zu wege
gebracht. Alfs hierauffer solche Conlirmation hat am Keys. Hofe
ausgelöset werden sollen, haben Imploranten und Impetranten ein
Schreiben in die umbliegende Länder an die Stadtpfeiffer und also
auch hieher in das Marggraftum Ober Lausitz, nebst einem berichte,
aufs was motiven das Keyserl. Privilegium extrahiret worden, ab-
geschicket, und, wie billich, begehret, dafs dieienigen Stadt Musici,
so sich zu sothanigen allergnädigsten Privilegio bekennen und
defselben geniefsen wolten, ihren gebührenden Beitrag" und ratam zu
denen hohen Unkosten abgeben und einschicken solten."
Es trugen damals von nicht unterzeichneten Musikern bei
Nicolaus Leuterding für sich und seine Gesellschaft 9 Thlr.
und im Namen Johann Krausens in Camentz 2 Thlr , worüber
23. Juni 1654 Gregorius Knabe, Bürger und Musikus in Zittau,
quittierte. Wir machen gleich hier darauf aufmerksam, dafs
die Namen Salbach und Frenfsdorff unter den Artikeln selbst
stehen und dafs der Dresdener Stadtmusikant Johann Leuter-
ding, der sie mit unterzeichnet hat, vielleicht schon der Sohn
des Bautzners war, den dieser in den Akten als Inhaber eines
Druckexemplars der Artikel erwähnt.
Mit Erfolg berief sich auf die Artikel zwischen 1661 und
1667 der Stadtpfeifer Hans Otter in Grimma (angeführte Akten)
vor dem Leipziger Schöppenstuhl in einer Beschwerde gegen
seinen bisherigen Gesellen Andreas Jacob Burgk, der ihm in
und um Grimma Konkurrenz machen wollte; der Schöppen-
stuhl erteilte die Belehrung: ,,So mag auch euerm gewesenen
Gesellen Andreas Jacob Burgk das auffwarten in der Stadt
Grimma ohne eure Vergünstigung nicht nachgelassen werden,
von Rechts wegen,"
Weniger Glück hatte der alte Leuterding. Mitte No-
vember 1667 sollte eine adelige Hochzeit in Bautzen gefeiert
werden, wozu der Zittauer Stadtpfeifer Florian Ritter, der
Nachfolger Knabes, unter Verächtlichmachung seines alten
Bautzner Kollegen sich angeboten hatte und angenommen
worden war. Die Stadt suchte zuerst für ihren tief gekränkten
Sächsische Musikantenartikel (1653). 107
und beschwerdeführenden Beamten einzutreten, der adelige
Hochzeitsveranstalter aber, der kursächsische Rat und ober-
lausitzische Landesälteste von Schönberg, trug die Sache dem
Kurfürsten vor, indem er an die Stelle der ortsrechtlichen
Frage die standesrechtliche setzte, und der Kurfürst gab dem
adligen Herrn recht gegen den Wortlaut der Artikel, über
deren Zustandekommen ohne landesherrliche Genehmigung
er sich ungnädig äufserte. Die Akten darüber laufen vom
24, Oktober bis 29. Dezember 1667.
Im allgemeinen möchte über die Entstehung der Artikel
noch nachzutragen sein, dafs es wohl als natürlich bezeichnet
werden darf, dafs sich in Kursachsen und den angrenzenden
Gebieten, wo damals unter dem Walten von Heinrich Schütz
das Herz des musikalischen Lebens von Deutschland war,
die von Ratswegen bestallten Musiker in allerlei Städten zu
einem landschaftlichen Verbände zusammenschlössen. Wir
haben ihre Artikel wohl im wesentlichen als eine Neuschöpfung
anzusehen, sie beruhen schwerlich auf einer älteren Zusammen-
fassung gleichen Gebietsumfanges, sonst würden sie diese
gewifs der Sitte gemäfs erwähnen. Das gleichzeitige Wieder-
aufleben der sächsischen Kantoreiverfassungen, die neuerlichen
Bestätigungen der Trompeter- und Paukerzunft mögen dabei
auch anregend mitgewirkt haben; jedenfalls wufste man auch
von der elsässischen Genossenschaft, deren Artikel in der
Gestalt vom 16 März 1606 manche Verwandtschaft mit den
unsrigen aufweisen.^) Auch im Elsafs handelt es sich in erster
Linie um Sicherung der Berufsausübung und Ausschlufs der
Konkurrenz, auch dort findet sich ein Paragraph wie: ,, Keiner
soll an die Stelle eines früher bestellten Mitbruders eintreten,
ehe demselben der bedungene Lohn durch denjenigen, der
ihn berufen, ausgezahlet worden," auch dort wird die Lehr-
zeit festgesetzt — freilich viel kürzer als in Sachsen: auf
ein Jahr für Land- und zwei für Stadtmusiker, man sieht,
wieviel mehr 50 Jahre später im Sächsischen verlangt wurde — ,
wird die Gerichtsverfassung mit dem Hauptzweck der Schlich-
tung von Streitigkeiten eingeführt und werden drei Teilorgani-
sationen geschaffen mit je einer Lade-). Anderes weicht ab,
namentlich weil der elsässische Verband alte Rechtsformen mit-
schleppte, deren Neueinführung in Sachsen um 1650 überflüssig
war; wie denn auch der Name Instrumentalmusikalisches Colle-
gium sich an die damals modernste Bezeichnung für genossen-
') Vo-1. Alsatia 1856/1857.
-; Die Lade von Bischweiler erwähnt Ambros II, 272.
io8 Rudolf Wustmann:
schaftliches Musiktreiben anlehnte, an das Collegium musicum.
— Übrigens scheinen unsere 25 Artikel aus zwei verschie-
denen Quellen zu stammen. Aus der ersten die Artikel i — 14
(i — 10 Fernhalten ungehöriger Konkurrenz und eigne gesell-
schaftliche Intakterhaltung, 11 und 12 Lehre, 13 und 14 Ge-
sellenstand); aus der zweiten der Rest: Artikel 15 bringt eine
neue Einleitung und spricht die Fernhaltung der Pfuscher noch
einmal allgemein aus, 17 — 20 Gesellen- und Substitutenwesen,
21 — 22 Lehre, während die Artikel 16 und 23 — 25 Verfassungs-
dinge ordnen. Der oder die Verfasser (oder Inspiratoren) des
ersten Teiles — bejahrte Stadtpfeifer — sind beschränkter,
kleinstädtischer als der Verfasser des zweiten Teiles, in dem
man vielleicht den auch schon alternden Direktor musices
einer gröfseren Stadt sehen darf, jedenfalls hat ein solcher (21)
Einflufs genommen.
Die Artikel über die Regelung standesmäfsiger und den
Ausschlufs unanständiger Konkurrenz (i — 3) und über das
Verhalten bei Aufwartungen (5 — 10) bedürfen ebensowenig
einer Erläuterung wie die über das Lehrknaben- und Gesellen -
wesen; wer den Musicus vexatus oder lustigen Cotala gelesen
hat, kennt die lebendigste Illustration zu Artikel 22. Die Ver-
fassung des instrumental-musikalischen Collegiums ist so gedacht:
Mitglieder sind die unterzeichneten — und die sich ihnen
etwa noch anschliefsenden — bestallten städtischen Musiker.
Sie nennen sich Meister und verlangen, dafs zu einer Probe
zum Zwecke einer Anstellung zwei nächstgesessene Meister
und ein tüchtiger Geselle zugezogen werden (4), wie jeder
neu eintretende sich einer derartigen Probe zu unterziehen
hat (24). An drei zu bestimmenden Orten (23), wo je eine
Kreislade mit den Artikeln zu stehen hat, finden gelegentlich
Zusammenkünfte der Meister statt zu sonstigen Regelungen
in Sachen des Kollegiums namentlich durch die Ältesten (25)
wie im besonderen zu Schlichtung etwaiger Streitigkeiten (16).
Kayserliche
CONFIRMATION
der Artickel
defs Instrumental-Musicalischen Collegii^) in
dem Ober- und Nieder-Sächsischen Creifs, und
anderer interessirten Oerter.
Wir Ferdinand der Dritte, von Gottes Gnaden, Erwehlter Rom.
Kayser, . . . bekennen öffentlich mit diesem Briefe, und thun kund
^) Das hier und im folgenden Text gesperrte ist im Original
mit lateinischen Lettern gedruckt.
Sächsische Musikantenartikel (1653). 109
allemiänniglich, wie dafs Vns unsere und des Reichs liebe Getreue,
Gesamte in denen Ober- und Nieder-Sächsischen Creissen gesessene
Musicanten, im glaubwürdigen Schein unterthänigst fürbringen lassen,
gewisse unter Ihnen insgesampt verglichene Artickel, wie man sich
in einem und dem andern, sowohl ni denen Kirchen beym Gottes-
dienst, als andern ehrlichen Zusammenkunfften zu verhalten, aller-
mafsen solche von "Wort zu Wort hernach geschrieben stehen | und
also lauten:
IM Namen der Heiligen und Hochgelobten Dreyfaltigkeit, Gottes
des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes, Amen. Kund vmd zu wissen
sey hiermit iedermänniglichen, dafs dem Allerhöchsten GOTT zu
Ehren, dem gemeinen Wesen zum besten, und allen der Musicalischen
Kunst Zugethanen selbst eigenen Auffnehmen und Gedeyen, zwischen
untenbenannten Musicis ein Collegium oder Societät, bifs auft
Allergnädigste Approbation des Allerdurchlauchtigsten und Vnüber-
windiichsten Fürsten und Herrn, Herrn FERDINANDI des Dritten,
erwehlten Römischen Kaysers, .... bewilliget, beschlossen und zu
desto besserer Handhabung desselben nachfolgende Artickel von
allen Interessenten beliel5et vmd verfasset worden:
Es soll Erstlichen keiner von dem Musicalischen Collegio
sich aus frej'en Stücken seiner Kunst zu gebrauchen in einer Stadt,
Ambt oder Closter, woselbst allbereit unserer Societät einer gesessen
und in Bestallung genommen, niederlassen, noch demselben darinn von
Vffwartvuigen ichtwasi) entwenden, es wäre denn Sache, dafs er sich
einer andern Handthierung gebrauchen, oder dafs er von der Ober-
keit des Orts dahin vociret, der allbereit bestallte Musicus auch
versichert w^ürde, dafs ihm an seinen Accidentien kein Eintrag
geschehen, oder er zum wenigsten des Abgangs halben schadlofs
gehalten werden möchte.
Es soll sich ein iedweder Sodalis zum Andern dahin be-
fleissigen, wann er in würckliche Bestallung irgendwo genommen
ward, dafs das seinem Vorfahren hiebevorn ex publico gereichte
Jährliche Lohn unverkürtzet und ungeschmälert verbleibe, Vnd weil
bils daher die löbliche Kunst, und derselben Zugethane, dadurch nicht
in geringe Verachtung gerathen, auch mancher ehrlicher Mann von
seinem Dienste darüber gar verdrungen worden, wann iemands umb
die blossen Accidentia auffzuwarten sich offeriret, so soll sich
ein iedweder Musicant für dergleichen ihm und der Kunst ver-
kleinerlichen Contracten eusserst hüten.
Indem auch zum Dritten der Allerhöchste GOTT seine Gnade und
Gaben wunderlich pfleget auszutheilen, und einem bald viel, bald
wenig giebet und verleyhet. So soll umb des willen niemand den
andern, ob er gleich eine bessere Art der musicalischen Instru-
menten sich zu gebrauchen hätte, verachten, vielweniger aber defs-
halben ruhmrethig seyn, sondern sich der Christlichen Liebe und
SanlTtmut befleissigen, und m.it seiner Kunst also umbgehen, dafs
dadurch förderst Gottes des Allerhöchsten Ehre gesucht, seni Nechster
erbauet, vmd er selbst von iedermänniglichen seines Erbaren Wandels
halber ein gvites Gervicht iederzeit haben und behalten möge.
Damit auch zvim Vierdten ieder Ort mit einem tüchtigen genug-
sam qualificirten Mvisico versehen, benebens dem auch andere,
insonderheit die Gesellen und Lehrknaben, zu mehrern Fleifs und
stetigem Exercitio angetrieben werden mögen, So soll iedesmals
1) etwas.
iio . Rudolf Wustmann:
der jenige, so zu einem Dienst ordentlicher Weise berufifen, und
dannenhero seine probe abzulegen erfordert wird, Zweene der
nechstgesessenen Lehrmeister, nebenst einem tüchtigen Gesellen,
darzu beschreiben, welche ihn absonderlich seiner Kunst halber
examiniren, und seine Probe oder Meister-Recht in den Stücken,
so hierzu angelbget, und in den Innungs-Laden befindlich, anhören
und vernehmen.
Es soll zum Fünfften keiner, er sey gleich Lehrmeister, Geselle
oder Lehrknabe, sich gelüsten lassen, grobe Zothen oder schandbare,
unzüchtige Lieder und Gesänge zu singen oder zu musiciren,
Sintemal der Allerhöchste Gott dadurch nur hochlich erzürnet, erbare
Gemüther, insonderheit die unschuldige Jugend geärgert, auch die
jenigen, so der löblichen Kunst der Music zugethan, bey ansehn-
lichen Gesellschaften und Zusammenkunfften in die gröste Verachtung
darüber gesetzet werden.
Hingegen aber soll zum Sechsten ein iedweder, der zur Auff-
wartung beruffen wird, nicht alleine für sich selbst, nebenst den bey
sich habenden Gehülfifen, züchtig, erbar und bescheiden sich ver-
halten, sondern auch unverdrossen se3^n, die anwesenden Gesell-
schaften, vermittelst der Musicae Instrumentalis & Vocalis
seinem besten Vermögen nach zu erlustigen und zu erfreuen.
Ein iedweder soll sich, zum Siebenden, so viel ilmie möghch,
mit besondemi Fleifs darnach umbsehen, dafs er fromme und getreue
Gesellen, wie auch unbertichtigte Lehrknaben, umb und neben sich
habe, damit auff öffentHchen Zusammenkunfften und Auffwartungen
den eingeladenen Gästen nichts entfernet, oder dem gesampten Musi-
calischen Collegio übel nachgeredet, noch auch unschuldige Leute
in Verdacht und Gefalir gerathen.
Zum Achten soll keiner sich unterfangen, unehrliche Instru-
menta, als da seyn Sackspfeiffen, SchaalfsböckeM, Leyern'-)
und Triangeln, welcher sich oflfermals die Bettler zum samlen
der Almosen für den Thüren gebrauchen, zu führen, dadurch dann
die Kunst ebenfalls in Verachtimg gebracht und verkleinert ge-
halten ^vird.
In specie soll sich, zum Neundten, ein iedweder aller Gottes-
lästerlichen Reden, vermaledeyeten Fluchens und Schwerens eusserst
enthalten: Würde aber iemand darwider handeln, so soll er darumb
von seinem Meister und Mitgesellen, nach ihrem Ermessen, auch
atrocität seines Verbrechens, willkürlichen gestraffet: auch wol gar
aus dem Musicalischen Collegio Verstössen werden.
Zum Zehenden soU kefner bey Gaucklern, Diebhenckern,
Butlern^', Heschern, Taschenspielern, Spitzbuben, oder andern der-
gleichen leichten Gesindlein, sich einiger Auff'wartung unterfangen,
sondern es soll vielmehr ein iedweder ihrer Gesellschaff't, umb Er-
haltung guten Gerüchts und Leymuts*) willen, sich gantz und gar
enthalten, und dieselbe fliehen vind meiden.
Zum Eilff'ten, Gleicher gestalt soll auch kein Lehrmeister einen
Lehrknaben von obgemeldten oder andern unrichtigen'') Personen,
') Auch eine kleinere Dudelsackart.
^) Drehleiern.
^) Fehlt in dieser Fonn in den Wörterbüchern; wohl = Büttel.
■*) Leumunds.
^) Wohl höfliche Volksetymologie zu anrüchig, vgl. Art. 22
anrichtig.
Sächsische Musikantenartikel (1653). 11 i
annehmen, sondern die jenigen, so zu Begrcilfung der Musicalischen
Kunst auttgedingct werden, sollen nicht allein von ehrlicher Geburt
seyn, sondern auch für sich selbstcn nichts verbrochen haben, wo-
durch sie Infam iam Iuris contrahirt, und auff sich gezogen,
Gestalt dann bey der Aulfdingung ein ieder Lehrknabe seuien Ge-
burtsl:)riet¥, so nach Verordnung der Rechte und A)'dlicher Aufs-
sage zweyer unbeleumbder Gezeugen verfasset, vorzeigen, und der-
selbe so lange in des Musicalischen Collegii nechster Lade verwahr-
lich beygeleget werden soll, bifs er senie Lehr Jahre ehrlich und
redlich ausgestanden, und defswegen mit einem guten Gezeugnis
und Lehrbrieff versehen werden kann.
Zum Zwölfften, Vnd nachdem ein perfecter Musicant auft
vielen Instrvimenten, theils pneumaticis, theils pulsatilibus,
unterwiesen werden, und darauff auch geübet sein mufs, so soll kein
Lehrknabe unter Fünff Jahren frc}- gesprochen, und dafs er seiner
Kunst erfahren, für tüchtig erkennet werden. Hierumb so sollen
bey der Auffdingmig iederzeit zweene der nechst-angesessenen Kunst-
und Lehnneister, ingleichen ein tüchtiger Gesell gegenwärtig seyn,
und in der Anwesenheit zwe}- Exemplar defs Auffdingbriefifs (davon
das eine dem, wessen Disciplin und Inform ation der Lehrknabe
untergeben wird, verbleiben, das andere aber des Lehrknaljens Eltern,
Vormündern oder Verwandten auszuantworten) gefertiget. Insonder-
heit aljer hierbey der Lehrknabe zu fleissigem" Gebet, getreulicher
Auffdingvmg, fleissiger Vbung, und dafs er seinem Magistro und
Lehrmeister allen gebührenden Respect und Gehorsam erweise,
ernstlich und mit allem Fleifs erinnert und anennahnet werde').
Zum Dreyzehenden, Damit auch der jenige, so seine Lehr-Jahre
ausgestanden, und defswegen nunmehr frey gesprochen, desto voll-
kommener werde, so soll er die nechsten drey Jahre, ehe er sich
besetzet-), bey andern berühmten Meistern, als "eiii Gesell, sich ge-
brauchen lassen. Dieweil aber bey dem Mechanicis Artificiis,
oder schlechtem Handwerckern, die Meisters-Söhne und Töchter
hierunter durch langwierige Gewonheit diesen Vorthel und Fürzug
erlanget, dafs sie etwa nicht so lange als andere der Wanderschafft
in ihrem Gesellenstande obliegen dürffen. So sollen auch dieser löb-
lichen Kunst Zugethaner und Verwandter Lehrmeisters ihre Söhne,
item, die jenige, so sich an der Meister ihre Töchter verhe3-rathen,
wann .sie ein Jahr als Gesellen auffgewartet, in dem Vbrigen ver-
schonet, auch mit einigem Meister-Recht nicht beleget werden.
Zum Vierzehenden, Sobald dann iemands seine Lehr-Jahre über-
standen, und ietzo nunmehr für einen Gesellen auffwarten kan. So
sollen ihme so dann etliche Artickel fürgelegt und bekand gemacht
werden, derer er sich, wann er an frembde Oerter kömpt, laey Ab-
legung seines Grusses gebrauchen, und hieraus auch cfer frembde
Meister erkennen könne und möge, ob .sich unsers Musicalischen
Collegii Verwandte und Zugethane den fürgeschriebenen Artickeln
gemäfs verhalten, und danunb genügsame Wissenschaft tragen.
Zum Funffzehenden, Vnd nach dem dieses der Musicanten
Collegium zu dem Ende aufifgerichtet, und mit besondern Artickeln
1) Man lese hinter gefertiget ein Komma und am Schlüsse
werd en.
'-) sich niederläfst, eine Stelle annimmt.
112
Rudolf Wustmann:
und Regeln befestiget worden, damit den Stöhrern und Pfuschern,
so bev allen andern viel schlechtem Corporibus, Gablen^), Gülten^)
und 2unfften durchaus nicht gelitten werden, gewehret, und wer Lust
vmd Liebe zu dieser Musicalischen hochwerthen Kunst traget, die-
selbe aus dem Grund zu lernen, desto mehr angetrieben und an-
ermahnet werde. So sollen alle und iede unsers Collegii Verwandte,
sich der Pfuscher vmd Stöhrer gäntzlichen entschlagen, und bey er-
forderter Auffwartung mit ihnen überall keine Gemeinschafft haben,
dargegen aber in ihren Lehr-Jahren der Zeit wohl warnehmen, damit
sie "in der Music recht tüchtig und geschickt gemacht, vmd darvimb
solchen Stümplern vmd Hümplern mit Recht praeferiret vmd vor-
gezogen werden können.
Zum Sechzehenden, Daferne sich zwischen denen Collegen
oder deren Verwandten eintziger Zwischt vmd Streit zvitragen solte,
worüber iemands an seinem ehrlichen Namen vmd gviten Le\ mvit ver-
kleinerlich angegriffen oder sonsten vmverschvildeter Weise in Schaden
gesetzet, oder avich ihme seine Vffkunfften^) entzogen werden wolten,
So soll der Beleidigte Macht haben, solches Sechs in der Nähe ge-
sessenen Lehrmeistern zvi verkündigen, die dann zur gelegenen Zeit
vor die Creifs-Laden beyde Theile erfordern, ihre Mifshelligkeiten
daselbsten anhören und vernehmen, vmd mit Zviziehving dreyer Ge-
sellen den befundenen schuldigen Theil, es sey Kläger ocler Beklagter,
zu gebührender Straffe ziehen, auch ihnen zvi Ersetzvmg aller verur-
sachten Vnkosten anhalten mögen.
Zvim Siebenzehenden, Was den Lohn der Gesellen anbelanget,
so soll einem ieden frey stehen, mit denenselben iedes Orts vmd Ge-
legenheit nach ZVI handeln, wie er vermeynet, dafs es verantwortlich.
Jedoch nach abgehandeltem Wercke stracks die Handhmg zu Papier
bringen, vmd wie sie accordiret, ein ieder ein Theil in seine Ver-
wahrvmg nehmen, damit einer dem andern zu bezahlen, vmd dieser
wiedervimb willig vmd getrevilich zvi dienen angeleitet werde: und
fein friedlich mit einander zvi leben Vrsach haben mögen.
Zum Achtzehenden, Da auch einer sich wolte vmterfangen, einem
alten Meister unserer Kunst von seinem Dienste, aviff was Masse und
Weise, durch was gebravichten Schein und praetext es avich immer
geschehen möchte, zvi bringen, sich aber in dessen Stelle einzuflechten,
so soll so wohl der jenige, so dvirch oberzählte vmanständige Wege
seine Befördervmg suchet, und einen andern avissticht, nebenst seinen
Gesellen, so bey ihme dienen würden, dieses vmsers Collegii sich
darmit verlustig macht*), und darinne weiter nicht gedultet werden,
sintemal das liebe Alter, wenn die Vnvermögenheit mit einfällt, un-
geacht der vorigen gehabten langwierigen grossen Mühe, Dienst und
Arbeit, leicht in Verachtving zu gerathen, vmd demselben die Jugend
1) S. V. w. Zunft, eigentlich Abgabe; niederrheinisch Gaffel, vgl.
auch Deutsches Wörterbuch Gab eile.
^) (eigentlich Zins-) Genossenschaft, üblicher: Gilde. Das mehr
niederdeutsche Gilde dürfte in der kaiserl. Kanzlei mit dem ober-
deutschen Gülte vermengt worden sein. Vgl. oben die musikalische
Gilde in Friedland.
2) Einkünfte; wovon er sein Aufkommen hat.
*) Lies: gemacht haben („macht" ist irrtümliche Angleichung
an „suchet" und „aussticht").
Sächsische Musikantenartikel (1653). ii^
vorgezogen zu werden pfleget, Solte aber die Vnvermögenheit bey
einem verlebten bestalten Musico so grofs seyn, dafs er entweder
seine Dienst gar nicht oder mit grosser Beschwehr verrichten könte,
und des Orts Gottesdienst und andre Auffwartimgen gleichwol noth-
wendig versehen werden müssen, alsdann soll einer Macht halben,
als ein Substitut des Verlebten Stelle zu bedienen, iedoch dafs der
Alte die Helffte der Besoldung und seine Part von dem Verdienst
bekomme, und die übrige Tage seines Lebens von dem Substitute
oder Adjuncto gebührend respectiret in allen Sachen, wie nicht
iinbillich, ihm der Fürzug gelassen, der Segen Gottes erwartet und
von einem iedwedern wol erwogen und betrachtet werde, dafs, was
er dem Alter für Gut- und Wolthaten erweise, GOTT der Allerhöchste
ihm solches dermaleinsten wieder vergelten und belohnen lassen
werde.
Zum Neunzehenden, Vnd weil ein ieglicher Arbeiter seines
Lohns werth, niemands auch damit auffzuhalten. So soll ein iedweder,
so sich in den Städten und sonsten mit einer bestellten Music ge-
fast halten mufs, von sich selbst beflissen seyn, seine Gesellen und
Gehülft'en richtig zu belohnen, niemanden auch vorher zu licentiren*),
er habe dann seinen hintersteiligen Verdienst völlig empfangen, widrigen
Falls soll keinem anderen Gesellen in die verledigte Stelle und Dienst
zu treten verstattet seyn.
Zum Zwantzigsten, Hingegen sollen auch die Gesellen desselben
Dienstes, worzu sie sich einmal bestellen lassen, fleissig abwarten,
den jungen Lehrknaben mit guten Exempeln und der ihme anständigen
Erbarkeit furgehen, insonderheit aber ihren Principalen, bey welchen
sie Dienst angenommen, allen gebührenden Respect erweisen, und
defswegen ihnen keine praesumption machen, ob sie gleich be-
dünckte, in der Kunst besser und gründlicher erfahren zu seyn, als
der Principal selbsten.
Zum Ein und zwantzigsten. Nach deme auch die Erfahnmg be-
zeuget, dafs mancher seinen angenommenen Dienst mit lauter Lehr-
jungen versehen wollen, dargegen aber einem ieglichen die gesunde
Vennmfft selbst dictiret, dafs die Tyrones und Lehrknaben, wie
in allen andern Sachen, also auch in dieser Musicalischen Kunst kein
vollkommenes Stück zu wegen bringen können und da dann entweder
bey dem öffentlichen Gottesdienst, oder einiger anderer Versamlung
dergleichen Fehler und Mängel fürgehen, hierunter den Directorn
solcher Music nicht nur alle Schuld beygemessen, sondern auch der
meiste Schimpflf auft ihn geweltzet, und die löbliche Kunst selbst
nur verächtlich dadurch gemacht wird, so soll keinem Lehnneister
gestattet und nachgelassen seyn, mehr dann drey Knaben auft" einmal
in seine Information und Lehre auftzunehmen, und darinnen zu
behalten.
Zum Zwey und zwantzigsten, Ein ieglicher Lehrknabe soll bey
seiner Auffdingung sich verschreiben, oder da er selbst nicht schreiben
könte, soll solche Verschreibung an statt seiner durch seine Eltern,
Vormunde oder Verwandten schrift'tlich geschehen, dafs der auff-
gedingte Lehrknabe die oben beym zwölftfen Artickel benimte'-)
Lehr-Jahre treulich, vollständig und redlich aushalten, und in währen-
') Urlaub, Abschied geben, entlassen.
2) benannte (mhd. benüemte).
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. l. 2.
11^ Rudolf Wustmann :
den Lehr-Jahren von seinem Lehrmeister nicht entlauffen wolle, Solte
aber einer so vergessen seyn, vnid von einem Lehrmeister in währen-
den Lehr-Jahren ausspringen, der soll von keinem andern Lehrmeister,
bey Strafte Zehen Thaler, wieder auftgenommen, noch in diesem
unsern Musicalischen Collegio iemals wieder gedultet, sondern als
anrichtig gehalten werden. Würde sich aber befinden, dals der Lehr-
knabe ob nimiam sevitiam seines Lehrmeisters ausgewichen, und
also dieser in culpa wäre, auft" dem Fall soll der Lehrmeister wegen
der Versäumnis und andern zugestandenen Schadens, seinem Lehr-
knaben oder dessen Eltern und Befreunden nach sechs der nechst
angesessenen Musicalischen Seniorn billigem Ermessen dafür ö;e-
recht, auch darumb schuldig erkant werden.
Zum Drey und zwantzigsten, Damit auch ob specificirten
bifs auff der Römischen Kayserlichen auch zu Hungarn und Böheimb
Königl. Majestät, unsers allergnädigsten Herrn, allergnädigste Con-
firmation und Bestättigung unter uns verglichenen Arti ekeln desto
steiffer nachgesetzt, und die diesem Musicalischen Collegio an-
gehörige Sociales sondern weniger Kosten und Beschwer zusammen
kommen, und bey solchem Convent nothwendige Sachen austragen
können. So sollen drey Laden gefertiget, eine in Meissen, die andere
im Braunschweigischen, und die dritte in Pommern oder der Marck
Brandenburg, und zwart welcher Ort den Zugethanen unsers Col-
legii am beqvemsten fallen wird, nieder gesetzet, diese verglichene
Artickel und die darob hoft'entlich erlangende Kayserl. allergnädigste
Confirmation, wo nicht an allen Orten originaliter, dennoch
deren auscultirte vidimirte Copeyen davon darein gelegt, und
treulich verwahret werden, damit auft" erheischenden Fall bey unserer
Collegen Versammlung alle actvis und Sachen, so etwa zwischen
den Musicanten sich zutragen möchten, darnach regulirt und ge-
richtet werden können.
Zvmi Vier und zwantzigsten, Vnd ob zwar der jenigen, so sich
allbereit zu diesem Musicalischen Collegio bekandt, nicht eine ge-
ringe Anzahl, Jedennoch aber .soll keinem andern der Zutritt denegirt
und verweigert werden, wann er nur nach abgelegter Probe für ein
tüchtiges und geschicktes Glied dieser unserer Societät und Gesell-
schaft wird können erkennet und gehalten werden.
Zum Fünft und zwantzigsten. Wie mm schliefslich böse Sitten
und Gebräuche zu heilsamen Satzvmgen Vrsach und Anlafs gegeben,
aber nicht möglichen gewesen gegenwertige Artickel also zu ex-
te ndiren, dafs dardurch alle Zvifälle specialiter und ausdriicklich
wären berühret worden, als soll das übrige der ältesten so die nechsten
bey iedes Orts Laden seyn, und welche denselben Kraft't dieses
ArtikuLs-Brieffs adjungiret und zu geordnet, ihren arbitrio dero-
gestalt heimgestellet seyn und bleiben, dafs sie in sich zutragenden
Vorfallenheiten auff das, was erbar und zulässig ist, auch zu Er-
haltung dieses Musicalischen Collegii gereichet, ihr Absehen richten,
niemanden über die Gebühr und Billigkeit beschweren, iedoch auch
grobe unverantwortliche Excefs nicht ungeantet hin passieren lassen
sollen, damit diesem unsern Collegio, bevorab aber der allerhöchst
gedachter Römischen Kayserl. Majestät, unsers allergnädigsten Herrn,
darob ertheilten Confirmation gebührender allerunterthänigster
Respect erhalten, und der gute rühmhche Zweck erreichet werde,
so von den Vrhebern dieses nützlichen Wercks von Anfang gesetzet
und gestecket worden.
Sächsische Musikantenartikel (1653).
"5
Verzeichnüls
. der jenigen, theils im Ober- theils im Nieder-Sächsi-
schen Kreise o;elegenen Städte und Oerter, deren bestellte Musici
sich zu den vorher gehenden Artikuln bekennet, auch sich denselben
in kunfl'tigen Zeiten gemäfs zu bezeigen, ge-
lobet und versprochen.
Altenburg:
Anneberü :
Brandenburg
a. d. Hagel
[so]:
Berlin:
Colin a. d.
Spre:
Drelsden :
Doblitz:
Dölitzsch :
Dessau:
Eylenburg:
Eifsleben:
Freyberg:
Güterbogk :
Gera:
Glaucha :
Samuel Virich
Daniel Hienschel
Hermann Wendt
Moritz Dolch
Cornelius Virich
Heinrich Müller
George Hermann
Christoph Richter
Paul Conrad
Heinrich Haller
Thomas Schmidt
Paul Nierse
Gottfried Lehe-
mann
David Arsendt
Johann Stein-
brecher
Joachim Kertzen-
dorft"
Christian Donat
Johann Schatz
Johann Läuterding
Peter Fischer
Michael Kellner
Abraham Martin
Peter Karyfs
Martin Frenfsdorff
Johann Jenicke
Johann Kallenbach
Hans Wilhelm
Stephan
Joachim Otto
Daniel Milich
Christian Vhlich
Heinrich Rode
Christoph Vhlich
Andreas Grempler
Hans Caspar
Schmidt
Christoph Kreysick
Peter Koch, Senior
Peter Koch, Junior
Johann Truppe
Hall in
Sachsen :
Kämnitz :
Kalbe:
Leipzig :
Leichten-
stein :
Merseburg :
Mitweida:
S. Marien-
bers::
Naumburg :
Oschatz:
Quedlinburg
Schneeberg:
Schwartzen-
berg:
Herman Bartholus
George Langefeldt
Gottfried Maume
Wilhelm Keythe
Johannes Jenicke
George Kempe
Valtin Weifshun
Christoph Heller
Samuel Salbach
Thomas Müller
Zacharias Eidtner
Paul Steinbrecher
Werner Lawe
Christian Büttner
Abraham Crusius
Johann Peip
Caspar Hiepe
Nicol Stahr
Samuel Kleine
Paul Hiepe, Filius
Daniel Jäger
Johann Stahlmann
Christoph Hartwdch
Sebastian Wurtz-
bacher
Heinrich Morgen-
stern
Daniel Geyer
Johann Metzner,
Junior
George Bahn
George Hulfs
Johannes Zwetz
Georg Knabe
Balthasar Stein-
mann
Hans Stecknagel
Christian Ernst
Peter Roche
Gottfried Martin
George Schertz
Hans Wilhelm
Vierthel
Hans Christoph
Vierthel
8*
ii6
Rudolf Wustmann :
Stolberg:
Scheuben-
berg:
Torgau :
Tzschopa :
Wittenberg:
Wurtzen :
Weissenf eis:
Johannes Meintzner
Gabriel Müller
Caspar Gräfsler
Paulus Hueffmann
Johann Glück
Christian Richter
Heinrich Lange
Martinus Ritter
Johannes Wentzel
Andreas Tipmer
Paul Becker
Martinus Geyer,
Junior
Peter Gleitzmann
Georg Förster
Wettin:
Wolcken-
stein :
Zwickau :
Zeitz:
Zerbst:
Johann Köllner
George Seyffarth
Nicol Metzner
Caspar Columneser
Christoph Korber
Georg Kühne
Johann Bauer
Johann Heinrich
Steinhauser
Andreas Bamberg
Johannes Seidel
George Endtner
Caspar Hoyer
Vnd Vns darauff obbemeldte sämptliche Musicanten in denen
Ober- und Nieder-Sächsischen Kreissen, und hiebevor specificirten
Orten in Vnterthänigkeit angeiaiffen und gebeten, dals Wir, als
regierender Römischer Kayser, obberührte Puncten und Artickel
alles ihres Innhalts zu confirmiren, approbiren, ratificiren
und bestätigen, gnädiglich geruheten. Das haben Wir angesehen
solche gedachter sämptli eher Musicanten in denen Ober- und Nieder-
Sächsischen Creissen demüthig zimliche Bitte, auch Ihr, bey Auff-
richtung ietztgedachter Artickel zu der Ehre Gottes, gemeinen Nutzen
und gT.iter Nachfolge aller Liebhaber der Musica intendirten
Zwecks, und darumb mit wohlbedachtem Muth, gutem Rath, und
rechtem Wissen solche ob-inserirte Puncten und Artickel, als
Römischer Kayser, gnädiglich confirmiret, approbiret, rati-
ficiret und bestätiget. Confirmiren, approbiren, ratificiren
und bestätigen Ihnen dieselbe auch hiermit von Römischer Kayser-
licher Macht Vollkommenheit, wissentlich, in Krafft dieses Brietfs,
was Wir Ihnen von Rechts und Billigkeit wegen daran zu con-
firmiren, approbiren, ratificiren und zu bestätigen haben,
sollen, können und mögen, und meynen, setzen und wollen, dafs
vorgeschriebene Puncten und Ai'tickel in allen und ieden ihren
Worten, Clausuln, Inhaltung, Meynung und Begreiffungen kräfftig
und mächtig seyn, stet, vest und unverbrüchlich gehalten werden.
Vnd gebieten darauff allen und ieden Chur-Fürsten, Geistlichen
und Weltlichen, . . . Bürgern, Gemeinden, und sonst allen andern
unsern und des Reiches Vnterthanen und Getreuen . . und wollen,
dafs sie vielgemeldte sämptliche Musicanten in den Ober- und Nieder-
Sächsischen Creissen an obbestimmten unter Ihnen auffgerichteten
Puncten und Artickeln auch dieser unserer Kayserlichen Conhrmation
nicht hindern noch irren, sondern Sie dabey . . schirmen, und deren
geruhiglich gebrauchen, geniessen und gäntzlichen darbey bleiben
lassen, hinwieder nicht thun . ., noch das iemandes andern zu thun
gestatten . . ., als lieb einem ieden sey Vnsere und des Reichs schwehre
Vngnade und Straffe, und darzu eine Pöen, nemlich, Dreissig Marcks
Lötliiges Goldes, zu vermeyden, die ein ieder, so offt er freventlich
hierwieder thäte, Vns halb in Vnsern und des Reichs Cammer, und
den andern halben Theil mehr-besagten Musicanten, unnachlässig zu
bezahlen verfallen seyn solle . . .
Sächsische Musikantenartikel (1653). liy
Mit Vrkund dieses brieffs besiegelt mit Vnserm Kayserlichen
anhangenden Innsiegel, der gegeben ist in Vnser und des Heiligen
Reichs Stadt Regeuspurg, den fünflf zehenden Monatstag D ecembris
nach Christi unsers lieben HERRN vmd Seligmachers gnadenreichen
Geburt im sechzehenhundert drey vmd fünffzigsten . . . Jahre.
Ferdinandus.
Justus von Gebhard.
Ad Mandatum Sac. Caes. Majestatis
proprium
Loc. Sio;ill. Wilhelm Schröder.
V.
Studien zur Bedeutung des siebenjährigen
Krieges für Sachsen.
Von
Carl Görler.
Die hundertjährige Wiederkehr der Tage von Jena und
Tilsit hat auch in Sachsens national empfindenden Kreisen
wehmütige Erinnerungen geweckt, doppelt wehmütig, weil
kein Befreiungswerk, kein Siegeslorbeer den Schmerz über
Unglück und Schande versöhnt. Verblafst doch selbst der
Glanz der Königskrone vor den unsäglichen Opfern an Frei-
heit, Ehre, Menschen und Geld, mit denen das französische
Bündnis erkauft ward. Neben dem Bilde Napoleons steigt
dann wohl der Schatten Karls XII. aus dem Grabe empor,
jenes jugendkühnen Welteroberers, der ein Jahrhundert
vor dem grofsen Korsen Sachsens Regierung in gleicher
Furcht erzittern, sein Volk mit gleicher Härte brandschatzen
liefs. Und mitten zwischen beiden ragt die erhabene Helden-
gestalt König Friedrichs des Grofsen empor, ihnen .sittlich
unendlich überlegen, aber auch sie unauflöslich verknüpft mit
der Erinnerung an eine schwere demütigende Heimsuchung,
mit dem Gedenken an den siebenjährigen Krieg. Während
indes weder der späte Sieg Kurfürst Friedrich Augusts I.
noch die endgültige Niederlage König Friedrich Augusts I.
einen entschiedenen Systemwechsel brachte, tagte mit dem
Frieden zu Hubertusburg das Frührot einer neuen Zeit, be-
gann mit ihm der Versuch einer Abkehr von alten als unheil-
voll erkannten Bahnen. Vielleicht vermögen die auf diesem
Grundgedanken beruhenden, nachstehenden Betrachtungen
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. hq
über die Bedeutung des siebenjährigen Kriegs für Sachsen
für die freihch nur bedingte Geltung des bekannten Hum-
boldtischen Ausspruchs zu zeugen, dafs der Krieg eine der heil-
samsten Erscheinungen zur Bildung des Menschengeschlechts sei.
Zunächst tritt uns allerdings ebenso wie den Zeitgenossen
nur die furchtbare Gröfse des damaligen Elends entgegen.
Zu den unvermeidlichen Ansprüchen von Freund und Feind, zu
deren gleich willkürlichen Härten gesellte sich die endlose
Reihe der von eigener Ohnmacht untrennbaren Übel, um
ein schauerlich düsteres Gemälde, reich an Zügen verzweifelter
Ratlosigkeit und wilden, fruchtlosen Aufbäumens zu schaffen.
So wufste z. B. die Dresdner Landesregierung auf die dringend-
sten Anfragen der Magistrate fast nie eine andere Antwort zu
geben, als dafs man sich so bezeigen solle, wie man es vor
Gott und Ihrer Königlichen Majestät künftig zu verantworten
hoffe. So sträubte sich mitten im Niedergange 1760/61 die
erbländische Ritterschaft zu der Verpflegung der verbündeten
Truppen etwas beizutragen, so liefs endlich die Landes-
deputation, obwohl aus wackeren Edelleuten bestehend,
in unverständlichem Bureaukratismus das Hilfsgesuch von
etwa dreifsig Gemeinden des Kreisamts Meifsen, d. d. Schlotta,
den 23. Juli 1761, einen einzigen gellenden Aufschrei unend-
lichen Jammers, ,,um seiner ungeziemenden, miehrerbietigen
Sprache willen" ad acta gehen ^), Fast noch mehr aber als
die eigenen Behörden versagten in solcher Not die auswärtigen
Verbindungen. Der Hof von Versailles intrigierte in Polen
gegen den Kurfürsten und duldete es, dafs seine Marschälle
den ihnen als Führer der Revertenten unterstellten Prinzen
Xaver, den Bruder der Dauphine, trotz seiner ritterlichen
Tapferkeit mit fast beleidigendem Hochmut behandelten-).
Der Todhafs der Zarin Elisabeth oregen Friedrich H. reichte
im Bunde mit dem fieberhaften Werben des Grafen Brühl
und des Generalmajors v. Riedesel nicht aus, um den ge-
wünschten Vorstofs der Russen nach der Lausitz zu bewirken.
Umsonst wurden Geschenke und Schmeicheleien bis zur Selbst-
erniedrigung verschwendet"^). Ja, nicht einmal das Wiener
Kabinett ward durch die persönliche Freundschaft der Sou-
') Der Landes -Deputation Acta derer Vortrags- und anderen
Sachen, so aus dem Meifsnischen Cre3'sze eingekommen und daliin
ergangen. Anno 1759, Vol. 5. (K. S. Heiuptstaatsarchiv Loc. 13 450.1
^) Thevenot, Frangois Xavier, Prince Administrateur tle Saxe,
Comte de Lusace. Paris 1879.
") V. Eelking, Correspondenz des Grafen Brühl mit dem General-
major Freiherrn v. Riedesel i759ff. Berhn 1854.
I20 Carl Görler:
veräne davon abgehalten, seine eigenen Wege zu gehen und
um seiner Kronländer willen den Bundesgenossen zu vernach-
lässigen. Ohne Rücksicht auf die im Hauptquartier anwesenden
Prinzen Xaver und Carl beschossen die Österreicher schon
im ersten Kriegsjahre das nur schwach besetzte Zittau; durch
nachlässige Kriegsführung gaben sie das Land dem Sieger
preis und liefsen seine Residenz, als sie sie endlich genommen,
aus Mangel an Initiative fünf Tage lang eine entsetzHche Be-
schiefsung aushalten und die Verteidigung mit teilweiser
Plünderung bezahlen. Zwei Monate darauf nötigten sie, um
Böhmen eine Last zu ersparen, den sächsischen Bevoll-
mächtigten, Freiherrn v. Fletscher, die in der Gewalt der
Verbündeten befindlichen Landesteile zur Lieferung von
300000 Zentnern Heu ä i Taler zu verpflichten. Auf diese
bedrohliche Nachricht hin entschlofs sich der Kurfürst durch
Reskript d. d. Warschau, den 22. Oktober 1760, zur Beför-
derung des allgemeinen Landes -Besten eine Kommission')
niederzusetzen; Kanzler von Stammer als Vorsitzender, die
Geheimen Kriegsräte von Zeutzsch und von Haagen, Geheimrat
V. Wurmb und Vizekanzler Gutschmid waren ihre hervor-
ragendsten Mitglieder, der Verkehr mit den befreundeten
Truppen und der Wiederaufbau der Residenz ihre Haupt-
aufgaben. Diese Kommission unterstand nur dem Geheimen
Consil als höchster Landesbehörde und befand sich behufs
rascher Information mit allen anderen Kollegien in statu
communicationis. Schon in den ersten Wochen mufste sie
sich eingestehen, dafs sie in beiden Beziehungen nur vor-
beuo^end und vorbereitend arbeiten könne. Sah sie doch
bereits am 3. November 1760 durch die Torgauer Schlacht
die Verbündeten auf ein enges Gebiet beschränkt, ohne dafs
deren Bedürfnisse sich darum vermindert hätten. Nur mit
Mühe verhinderte sie, dafs die Hauptstadt das Weihnachtsfest
ohne Licht und Holz beging. Für letzteres kam böhmische
Deckung, ersteres blieb jedoch sehr knapp, da die k. k.
Regimentsfleischer das Inselt statt an die Lichtzieher Heber
als Nahrungssurrogat ans Publikum verkauften. Die dies-
bezüglichen Verhandlungen gediehen so schleppend, dafs
nicht .sie, sondern die zunehmenden Tage die leidige Frage
') Vgl. für das folgende die Acta Commissionis zur Beförderung
des allgemeinen Landes-Besten, in Ansehung derer darinnen stehenden
freundschaftlichen Truppen betr. (HStA., Loc. 10073. Vol. I— IV)
und Acta Commissionis, die Wiederherstellung hiefsiger, durch letz-
teres feindliches Bombardement ruinierter Residenz-Stadt Dresden
betr.- (HStA., Loc. 9839, Vol. I und II.j.
Zur Bedeutuntj des siebenjährigen Krieges. I2i
lösten. Zweifellos strebten die kaiserlichen Oberbehörden
Wohlwollen und Mäfsigung an; dafür sprechen Feldmarschall
Dauns strenge Straf befehle gegen alle Ausschreitungen, das
wiederholte Entgegenkommen des Chefs des Feldkriegs-
kommissariats, Grafen von Clary, vor allem aber die Ver-
fügung des Proviantamtsdirektors, Baron von Grechtler, der-
zufolge die Heulieferung zu gestunden und zu dem erhöhten
Satz von i Taler 4 Groschen zu vergüten war. Aber eben
aus Dauns Strafdrohungen und aus den Meldunofen über zahl-
lose einzelne Gewalttaten ging hervor, wie übel die Manns-
zucht der k. k. Truppen beschaffen war. Immerhin gestattete
die Ruhe der Winterquartiere der Kommission, durch Auf-
gebot aus Dresdens Umgebung den massenhaften Brand-
schutt wegzuräumen und wenigstens teilweise zur Erhöhung
der um Neujahr überfluteten Weifseritzdämme zu benutzen,
wozu binnen drei Monaten insgesamt 6577 zweispännige Fuhren
geleistet wurden. Die vom Kurfürsten vorschlagsgemäfs ge-
nehmigten Steuerherabsetzungen sollten die Lust zum Aufbau
zerstörter und zur Annahme wüster Häuser anregen, eine
allgemeine Kollekte die Abgebrannten wenigstens teilweise
entschädigen'), Herrn von Hagedorns Plan einer Feuersocietät
nach preufsischem Muster das Kapital zu zukünftigen Unter-
nehmungen ermutioren.
Kaum waren die ersten tastenden Schritte geschehen, da
lief die Anfrage der Militär-Oberbaukommission ein, ob die
halbzerstörten Dresdner Festungswerke geschleift oder auf-
gebaut werden sollten. In panischem Schrecken beschlofs
man, um Zeit zu gewinnen, die Beantwortung durch schrift-
liche Einzelgutachten. Das erste") stammt, den zj.jz. 1761
datiert, aus der Feder des Geheimrats Friedrich Ludwig von
Wurmb. Die Fragstellung der Militär -Ober -Baukommission
scharf bemängelnd, führt es folgendes aus: In seinem jetzigen
Zustand sei Dresden gegen einen starken Feind völlig ver-
teidigungsunfähig, das gebe jeder Kriegsverständige zu. Aufs
entschiedenste sei der Gedanke zu bekämpfen, die Festungs-
werke im jetzigen Zustand zu belassen, dessen ganze Zweck-
widrigkeit sich 1745 ^^"d 175^ oftenbart habe und sich künftig
noch weit schrecklicher offenbaren müsse. Mit gutem Ge-
wissen könne er dann keinem zum Wiederaufbau seines Hauses
raten, da alsdann die bürgerliche Gesellschaft für die Sicherheit
\) Die Kommission schätzte den durch die preufsische Be-
schiefsung verursachten Schaden auf ca. 4178000 Taler.
-) Loc. 9839 Acta Comm. die Beförderung . . 1760 Vol I, fol. 262 f.
12 2 Carl Görler :
des Eigentums nicht auf die nächsten zwei bis drei Jahre Bürg-
schalt leisten könne. Erstelle die Frage so: Sind die Festungs-
werke ganz einzureifsen oder völlig neu auszubauen? Zur
Antwort hierauf sei aber keine Kommission, sondern nur ein
königliches Ministerium zuständig, weil selbige allein von dem
Systema abhänge, so Seine Majestät inskünftig annehmen werde.
Hierüber denke er also: Bekomme Sachsen im Friedenschlufs
keine erhebliche Kostenentschädigung oder Gebietserweiterung,
so scheide es aus der Reihe der mittleren Mächte und sei,
weil auf die nächsten 20 bis 30 Jahre nur mit ökonomischen An-
gelegenheiten beschäftigt, zu militärischen Ausgaben aufser-
stande. Im anderen Falle bedürfe es, wie das in gleicher
Lage betindliche Savoyen, einer stark befestigten Residenz;
das Geld dazu müsse und werde geschafft werden.
Dieses Memorandum offenbart Herrn von Wurmbs geistigfe
Überlegenheit, denn zum erstenmal erkennt dieser Diplomat, dafs
eine europäische Stellung zwischen Grofsmächten bei i^/„ Milli-
onen Seelen und zerrütteten Finanzen unmöglich, und dafs Wohl-
fahrtspflege der einzig wesentliche zum Dasein berechtigende
Zweck eines politisch handlungsunfähigen Staates sei.
Minder präzis, doch geistesverwandt sprach sich Hofrat
Gutschmid am i. März aus; auch er verlangte Niederreifsung
oder vollen Ausbau und machte die Entscheidung davon ab-
hängig, ob Sachsen sein zukünftiges System auf ein eigenes Heer
gründen werde oder nicht. Diesen Politikern gegenüber nahm,
wie bei mancher anderen Gelegenheit der Militär von Zeutzsch
einen abweichenden Standpunkt ein, denn er bekämpfte am
28. Februar den Plan einer Hauptfestung, weil einerseits der
blofse Kostenanschlag das Ärar in Schrecken setzen, anderer-
seits zur Verteidigung einer solchen Hauptfestung eine all-
zustarke Garnison erforderlich und weder die wünschenswerte
Sicherheit des Bürgers noch der fürstliche Anspruch auf eine
schöne Residenz damit zu vereinigen sein werde. Opti-
mistischer als die Diplomaten meint der General, es sei ein
einzigartiger und gewifs nicht wieder vorkommender Fall,
dafs ein Nachbar und Erbverbrüderter ohne vorherige Kriegs-
ankündigung feindlich ins Land falle, und dafs an einem Tage
Residenz, Armee und Artillerie verloren gehe. Begreiflicher-
weise kam die Kommisson zu keinem anderen Entschlufs,
als die Frage der Zukunft anheim zu geben, umsomehr als
die ökonomischen Angelegenheiten nunmehr in den Vorder-
grund des Interesses traten.
Aus Geldmangel hatte Friedrich der Grofse imter säch-
sischem Stempel nach und nach Millionen geringhaltiger
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. 123
Silbermünzen, zuletzt die Mark zu 45 Talern, ausprägen lassen,
die als eine wahre Landplage zerrüttend und Verwirrung
stiftend in alle Lebensbeziehungen eindrangen. Im Gegen-
satz dazu wollte Österreich Sachsen zur Annahme des Wiener
Konventionsfufses ') zwingen. Deshalb gebot Feldmarschall
Daun durch die Ordre vom 21. April 1761 den Sold an die
Truppen in Wiener Konvention oder gleichwertiger Münze aus-
zuzahlen und bedrohte die Ausfuhr solcher Sorten ins Bereich
des Feindes mit standrechtlicher Erschiefsuno-, Aoriopfeschäfte
mit körperlicher Züchtigung und Landesverweisung, und den
Hehler in jedem Falle mit der Strafe des Täters. Hierüber
aufs höchste bestürzt, riet die Kommission, die Arbeitslöhne
und Warenpreise dem Geldwert entsprechend zu normieren.
Dabei aber blieb sie stehen; denn obv/ohl sie begriff, dais
dem Lande der Konventionsfufs aufgezwungen werden sollte,
wagte sie weder sich dem zu widersetzen, noch aus Furcht
vor preufsischer Vergeltung den Kurs der minderwertigen
Sorten gegenüber dem Normalgelde zu bestimmen Sie be-
gnügte sich mit der allgemeinen Wahrheit, dafs Sachsen als
Handelstaat das beste Geld brauche und künftig wenigstens
die Goldmünzen nach dem Leipziger Fufs ausprägen möge.
Vorläufig freilich gebrach es derartig an Kapital, dafs sie auf
Vorschlag ihres Präsidenten beantragte, die hypothekarische
Beleihbarkeit der Grundstücke ohne obrigkeitliche Spezial-
genehmigung von einem Drittel wenigstens auf die Hälfte des
Taxwertes zu erhöhen. Allein sie stiefs auf den Widerspruch
des Dresdner Rates-): die Häuser seien gesunken und ver-
lören selbst im Frieden durch Alter an Wert. Um Arbeits-
kräfte heranzuziehen, verfügte sie an dieselbe Behörde, die
innungsmäfsige Beschränkung der Gesellenzahl und des Zu-
wanderns von Auswärtigen für alle mit dem Bauwesen in
Verbindung stehenden Gewerbe einstweilen aufzuheben; noch
iV.^ Jahre später, am 14. Juli 1762, lehnte sie den Antrag des
Geheimen Consils, die unverschämten Lohntreibereien der
') Für Sachsens Ausmünzung war bisher der 1735 reichsgesetzlich
verordnete Leipziger Fufs, die feine Mark Silber zu laV^ Talern, mafs-
gebend. Durch Geldnot veranlalst, führte Österreich 1753 zunächst
für sich und im Wege diplomatischer Verhandlung für die beitretenden
Reichsstände den Wiener Konventionsfufs ein, der das Silber zu
13 Taler 8 Groschen auf die feine Mark münzte, mithin das Geld
ein fünfzehntel verschlechterte.
-) Dieselbe konservative Behörde sprach sich am 11. Septemlier
1761 dahin aus, dafs auch ein wesentHches öffentliches Interesse, wie
die geplante Verbreiterung einc^- Strafse, zur Zwangsenteignung nur
bei voller sofortiger barer Entschädigvmg l)erechtige.
12 4 Carl Görler:
Handlanger gesetzlich zu begrenzen, mit der Begründung ab,
dafs Maximallöhne vorerst sanz aussichtslos seien und nur die
Arbeiter in die ihnen Schutz orewährende Armee und deren
Magazine treiben würden.
Gleichzeitig überwanden Handel und Verkehr, von der
Regierung ungestört, den längst veralteten, lästigen Strafsen-
zwang. So legten Sturm und Drang die erste Bresche in die
durchmorschten Ordnungen der Zünfte und des Polizeistaates.
Noch weit ernstere Sorgen erwuchsen der Kommission
durch die Bedürfnisse der k. k. Armee, zumal deren starke
Kavallerie ungeheure Mengen an Hafer und Heu verbrauchte.
Seit die Ritterschaft durch den kurfürstlichen Befehl vom
20. Februar 1761 mit Ausnahme der Holzlieferung von allen
anderen Leistungen für die Verbündeten befreit war, machte
sich Eigennutz und Festhalten am Besitz bei der ländlichen
Bevölkerung vielfach bemerkbar. Kammerkommissar Zahn-
Dippoldiswalde schreibt darüber unterm 26. Juni 1761: ,,Alle
Ausschreibungen wirken langsam und taugen in Kriegszeiten
zu gar nichts. Die meisten Beamten sind viel zu gemächlich
und rühren sich kaum selbsten. Sie gähnen erstlich lange,
ehe sie nur einen alten Stroh -Zeddel ex officio verfertigen,
und die Bauern halten sich dann noch berechtigt, wider
alle solche Verfügungen erst zu leuterieren und zu appellieren."
Dergleichen Wahrnehmungen mögen die k. k. Heeresleitung
bewogen haben, Mitte 1761 Herrn von Grechtler zunächst
in der Form unbestimmten Urlaubs abzurufen und in der
Person des Edeln von Hauer durch einen Mann zu ersetzen,
dem nicht umsonst der Ruf unbeugsamer Härte vorausging.
Tatsächlich mufste die Kommission, sehr bald die Nutzlosig-
keit persönlicher Vorstellungen einsehend, dem Kurfürsten nach-
drückhche gesandtschaftliche Beschwerde in Wien empfehlen,
aber vergebens. Schon am 5. August befand sie sich in
verzweifelter Lage, da von Hauer binnen sechs Wochen von
den Erblanden 30000 Scheffel Hafer und 120000 Zentner
Heu, von den Lausitzen je 20000 Scheffel bezw. Zentner
verlangte. Dennoch entschlofs sie sich, dies Quantum, wie
und woher auch immer, durch Unternehmer aufkaufen zu
lassen, denen der Staat Geld vorschiefsen sollte, das er selbst
freilich erst borgen müsse. Wochenlang gehen dann uner-
quickliche Korrespondenzen von wechselnder Tendenz hin und
her, und schon aus dem Sinken der Beteiligung an den Sitzungen
erhellt zur Genüge die Stimmung der Kommission. Da fordert
von Hauer in seinem Memorandum vom 15. September zu
willkürlich herabgesetztem Preise von den Erblanden 30000
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. 125
Zentner Mehl, 100 000 Scheffel Hafer und das doppelte Quantum
Heu, von den anderen Landesteilen entsprechend unerschwing-
liche Posten mit der naiven Begründung, ,,es werde dem
Feind zu desto gröfserem Abbruch gereichen, wenn der Land-
mann sich allen irgend entbehrlichen Vorrats entäufsere und
somit die Möglichkeit feindlicher Ravage gänzlich abschnitte".
Schleunigst berufen, ermannt sich hierauf am 17. September
die Kommission zu dem Beschlufs, die gewünschte Wegnahme
der Privatmagazine als ungesetzlich, die Lieferung nach Alten-
berg wegen der Nähe der Grenze als untunlich und alle
weiteren Abmachungen über die Höhe künftiger Leistungen
rundweg abzulehnen. Und in eben diesen drangsalvollen
Tagen meldet Oberproviantkommissar Rothe dem Geheimen
Kriegsratskolleg wie Generalfeldzeugmeister Graf Lassy höchst
nachsichtig gegen die Ausschreitungen seiner Offiziere und
Truppen, dagegen unbarmherzig und voll Unwillens gegen
die sächsischen Bauern und Beamten verfahre und all die
erfolgten Gewalttaten mit direkten Befehlen des Grafen Dann
entschuldige; in ganz gleichem Sinne berichtet auch der
Meifsner Kreiskommissar von Lüttichau. Nachdem er in seiner
Note vom 24. September, einem Aktenstück, das Herr von
Wurmb mit Recht direkt feindlich nennt, die sächsischen
Behörden in beleidigenden Ausdrücken preufsischer Gesinnung
beschuldigt, schreibt endlich Edler von Hauer am 10. Oktober
insgesamt 55000 Zentner Mehl, 155000 Scheffel Hafer und
310000 Zentner Heu, lieferbar binnen sechs Wochen in teils
ganz unannehmbare Magazine, aus. Und als die Kommission
selbstredend sich hierauf nicht einläfst, auch der um die Er-
füllung aller gerechten Ansprüche stets eifrigst besorgte Herr
von Zeutzsch höchstens und im günstigsten Fall 25000 Scheffel
Hafer und 50000 Zentner Heu auf sich nehmen kann, publiziert
er alsbald seine Fouragierungsordre und sofort strömen zur
Kriegskanzlei massenhafte Meldungen über teilweise haar-
sträubende Exzesse, denen sich im folgenden Frühjahre ebenso
bittere Klagen über Raubsucht und Rohheit der Reichstruppen
anreihen. Die Wahrnehmung, wie hoch der Kulturstand der
preulsischen Truppen über demjenigen des Kaiserreichs und
der deutschen Kleinstaaten stehe, tritt uns von Anfang des
Krieges an in den Briefwechseln Gellerts, Rabeners und anderer
entgegen; sie wird wiederholt in den Akten der Unterbeamten
bestätigt und ist seit den Maitagen 1762 in das Gesamt-
bewufslsein des Volkes übergeffano-en.
Äufsere Bedrängnis und innere Not stiegen so hoch, dafs
die Kommission schliefshch am 28. April 1762 die Zwangs-
126 Carl Gull er:
wegnähme der Kornvorräte auch auf Rittergütern vorschlug
und diese verzweifelte Ausnah memafsregel durch die Lage
hinlänglich entschuldigt glaubte. Gebrach es doch zuletzt
sogar an Bergleuten, die als die genügsamsten und wiUigsten
Arbeiter galten. Und dabei wurde selbst gegen den Landes-
herrn seitens der Verbündeten Spott und Unwille laut, der
sich bis in die untersten Chargen hinab verbreitet.
In dieser höchsten Not dämmerte der erste Friedens-
hoffnungsstrahl; der Tod der Zarin Elisabeth und der ihm
folgende Systemwechsel hatte ihn wachgerufen. Unter diesem
Eindruck erliefs Friedrich August das Reskript, d. d. Warschau,
den 12. April 1762, präsentiert im Geheimen Consil am
26. April, kraft dessen er zur Beratung der Mittel ,,zur
Wiederaufnahme hiesiger Lande" die sogenannte ,, Restau-
rationskommission" einsetzte^). An die Spitze berief er den
als Friedenskommissar und Minister bekannten Freiherrn von
Fritsch^), einen ebenso gründlichen wie objektiven Kenner
aller einschlägigen Verhältnisse. Diesem am nächsten, ihn
geistig noch überragend, an Charakter aber leider längst nicht
erreichend, stand Geheimrat von Wurmb. Das Obersteuer-
kolleg war durch seinen Direktor von Heringen und durch
dessen Stellvertreter von Nitzschwitz, die Kammer durch die
Räte von Poigk und Lindemann, die Landesregierung durch
den Vizekanzler Gutschmid trefflich vertreten. ,,Um nur
einige Proben davon, worauf des Landes Wohlfahrt haupt-
sächlich beruht, zu berühren", sagt das Reskript wörtlich,
,,so sind solches: die Wiederherstellung der so sehr ver-
fallenen Landwirtschaft, die Wiederherbeiziehung so vieler
unumgänglich nöthiger entwichener oder mit Gewalt ent-
führter Fabrikanten, Handwerks- und Bauersleute, die Ver-
schaffung eines hinlänglichen Surrogat! in Stein- und Erd-
kohlen, auch Torf, um den leider nunmehr aufs höchste ge-
stiegenen Mangel an Holz einigermafsen zu ersetzen, ingleichen
die Anstalten, wie das noch vorhandene Holz fernerhin allein
zu dem allernothwendigsten gemeinnützigen Gebrauch mit
rathsamer Ersparnifs anzuwenden ; die Wiederbefestigung so-
wohl des allgemeinen Landes-Credits, wozu denn die strackte
Handhabung der Justiz und Polizey (inmafsen wir wegen Ein-
1) Acta, die zur Beförderung der Wiederaufnahme hiesiger Lande
niedergesetzte sogenannte Restaurations-Commission und derer er-
statteter Berichte betr. (HStA., Loc. 2250.)
^) Fr eiherr von B e a u 1 i e u - M a r c o n n e y , Ein sächsischer Staats-
mann des 18. Jahrhunderts, in von Webers Archiv f. d. sächs. Gesch.
IX, 251 ff.
Zur Bedeutving des siebenjährigen Krieges. 127
richtung des Münzwesens auf einen beständig guten Fufs nach
erfolgtem Frieden eigene Vorkehrung zu treffen gemeint)
vorzüghch mit gehört, als auch insonderheit des von dem
Steuer-Aerario, die Wiederemporbringung des Commercii und
des Wohlstandes der unter der erstaunlichen Last ihrer Er-
pressung der Gefahr des gänzlichen Verderbens nahe stehenden
Stadt Leipzig; die Conservation der andern hart mitgenom-
menen besonders der abgebrannten Städte bei ihrem Hand-
lungs- und Nahrungs- Erwerb; alle und jede irgendmögliche
Erleichterung und Beförderung der Manufaktviren , des Handels
in, aufser und durch Sachsen, besonders des Fuhrwesens,
wozu Posten, gute Strafsen, Schiffsbrücken statt der Fähren,
gute Wirthshäuser mit billigem Essen und Futter an diesen
Verkehrsstrafsen gehören; endlich die in manchen Städten so
nöthige Verbesserung des Bergbaus." Die Kompetenz der
Kommission sollte sich jedoch auf alle und jede der Ver-
besserung fähige Übelstände beziehen.
Trotz dieses scheinbar so umfassenden Auftrags war ihr
Arbeitsfeld nur auf wesentlich wirtschaftliche Reform -Vor-
schläge beschränkt; die auswärtige und die hohe innere Politik
blieben, wie die Bemerkung über das Münzwesen bezeugt, aus-
drücklich dem Kurfürsten vorbehalten, obwohl nach Herrn
von Wurmbs bekannter richtiger Würdigung die Einzelmafs-
regeln in unzertrennlichem Zusammenhang mit dem Regierungs-
system standen. So fehlte nicht nur naturgemäfs ein Vertreter
des Militärs, sondern sogar derjenige des Oberkonsistoriums,
ein bedauerliches Zeugnis, wie wenig- Verständnis dies Kabinett
für die Grundfragen von Volksbildung und Erziehung besafs.
Nun hat sich die Kommission selbst noch weiter beschränkt,
indem sie zwar allerdings alle die angegebenen Einzelgegen-
stände, aber auch nur diese in ihren Vorträgen behandelte.
Und dennoch hat sie sich bekanntlich den Dank der Mitwelt
und durch den charaktervollen Freimut ihres Standpunktes,
die Tiefe ihrer Erkenntnis und den Ernst ihrer Arbeit auch
die Anerkennung der Nachwelt verdient \).
1) Um des Zusammenhanges willen nuüs in der folgenden Dar-
stellung manches angeführt werden, was bereits Oskar Hüttig in
seinem dankenswert übersichtlichen Aufsatz: „Die Segnungen des
siebenjährigen Krieges für Kursachsen" in dieser Zeitschrift XXV, 82 if.
mitgeteilt hat. Da jedoch die Arbeit leider die wichtigen Kommissions-
akten nur in sehr spärlichen Auszügen benutzt hat, so berücksichtigt
sie naturgemäfs die Genesis und den inneren Zusammenhang des
Reformwerkes viel zu wenig und legt insbesondere dem Landtage
von 1763 Vei^dienste bei, die wesentlich der Restaurationskommission
gebühren.
128 Carl Görler:
Als Grundpfeiler des Staates bezeichnete diese letztere
die Zahl, die bürgerliche Tüchtigkeit und die politische Sicher-
stellunof seiner Einwohner. Die früheren Strafdrohuneen scharf
bemängelnd, riet sie, der Auswanderung durch gütliches Zu-
reden zu steuern mit den Worten: „Es ist daher die Haupt-
regel allemal die sicherste, hierbey so wenig Zwang als möglich
anzuwenden und durch geschwinde Justiz, gute Polizey, Er-
mäfsigung der Abgaben, Wiederherstellung des Credits, richtige
Münze, mit Einem Worte, durch Abstellen aller derer Ge-
brechen, so, wie Eingangs angeführt ist, schon vor dem Kriege
viele Einwohner aus dem Lande verdrängt hatten, den Leuten
das Land so angenehm zu machen, dafs es denen, die bereits
darinnen sind, nicht einfallen kann, solches zu verlassen."
Welche Mitwirkung sie hierbei dem Beamtentum zudachte,
lehrt die Zurückhaltung, die sie der besonders verhalsten
Klasse der Generalakzisbeamten aufzuerlegen empfahl. ,,Es
dürfte" — sagte sie mit Hinbhck auf die Brausteuerhinter-
ziehungen — • ,,der Einwand, dafs hierdurch die Denunzianten
von fleifsiger Obsicht abgehalten würden, von keiner Wichtig-
keit scheinen, indem dergleichen Bediente, so ihren Dienst-
Eyfer nur auf den Schaden der Landes-Einwohner gründen und
die Plackereyen denen Warnungen bey denjenigen, die aus
Unwissenheit sündigen, vorziehen, ihres Dienstes nicht würdig
sind." Ja, sie verlangte in ihrem Vortrag über die Land-
wirtschaft sich ganz von der üblichen Bevormundungsmaxime
des Polizeistaates loszusagen, da der Feldbau ein Gegenstand
der freien Übung und Erfahrung sei und besser durch Bei-
spiel und Belehrung gefördert werde; höchstens würde sie für
den Weinbau gewisse Normen, jedoch auch diese ohne regu-
lativen Charakter aufstellen. Allein wie weit fand sie das
offizielle Sachsen von solch' erhabenem Ziele entfernt. In
bewunderungswürdiger Kühnheit und Klarheit der Zeichnung
führte sie dem leitenden Minister das bekannte düstere Bild
seiner Verwaltung vor Augen und betonte dabei wiederholt,
dafs alle Leiden und Gebrechen Sachsens bereits längst vor
dem Kriege bestanden, allein erst durch diesen sich offenbart
und noch gesteigert hätten. Zwar gab sie als Ursache für
Auswanderung und Verfall der Städte an erster Stelle die
Zollpolitik der Nachbarn an, gleichzeitig und gleichwertig
aber machte sie die Höhe der Abgaben und der öffentlichen
Schulden, die Zerrüttung allen Kredits, die längst vor 1756
begonnene Münzverschlechterung und die Rechtsunsicherheit
dafür verantwortlich. Die Masse veralteter, oft einander wider-
sprechender Gesetze habe zahllose Streithändel hervorge-
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. 129
rufen und die Prozefssucht der Landbevölkerung wie die
Hetzereien gewissenloser Advokaten geradezu herausgefordert.
Und wie hierdurch, so sei die Volksausbeutung infolge Träg-
heit und übelverstandener Finanzpolitik der Oberbehörden
auch durch deren Pachtsystem gefördert worden. Wenn der
Amtmann zugleich Pächter der Einkünfte und Richter seines
Bezirkes sei, so liege darin eine hochgefährliche Verleitung
zu Ungerechtigkeiten. Noch weit verderblicher sei jedoch
die Verpachtung der Generalakzise gewesen, indem dieselbe
klugen aber skrupellosen Kaufleuten durch die Kontrolle über
Erzeugung und Verbrauch und durch Parteilichkeit schlimmster
Sorte den Weg zu Bereicherung und schädlichen Handels-
monopolen geebnet habe. Die Fehler der Vorgesetzten er-
scheinen an den Subalternen im kleinen und kleinlichen Mafs-
stabe. Wiederum am ärgsten bei Generalakzise und Post,
wo die sprichwörtliche Grobheit und Trinkgeldjägerei dieser
Leute die ganze Verwaltung mit demselben Geiste wider-
wärtiger Schikanen durchseuchte. Wenn nun die städtischen
Magistrate leider nur zu oft derartigen Vorbildern folgten,
so sei, wie Leipzigs Beispiel beweise, der Ruin fast unaus-
bleiblich. Das einfache Quatemberquantum dieser Stadt, die
man — um den Ausdruck Professor Hasses zu gebrauchen
— geradezu als melkende Kuh behandelte, sei mit 1200 Talern
höher bemessen, als das des ganzen Neustädter Kreises, die
Schocksteuer einzelner Häuser so hoch wie diejenige grofser
Dorfschaften und kleiner Städte, Nun sei im Jahre 1702 als
Ersatz der bestehenden direkten Steuern die Generalakzise
eingeführt worden, weshalb auch im ganzen Lande 36^/., Pfennig
vom gangbaren Schock Groschen und 23'/« Quatember aus
der Generalakziskasse direkt an die Obersteuereinahme ab-
geführt würden. Allein Leipzig müsse nicht nur die Land-
steuer mit 16 Pfennig vom gangbaren Schock und 18 so-
genannte Akzisquatember entrichten, sondern es habe auch
dasjenige Viertel der direkten Steuern, das ihm von 1698 bis
17 15 wegen Brandunglück erlassen war, voll nachzuzahlen
gehabt, ,,da dies Quart tempore introductiunis in moderation
stand". Diese Benachteiligung schätzt Verfasser mindestens
auf jährhch 40 bis 50000 Taler, für eine Stadt von 30000
Einwohnern eine gewaltige Last.
Naturgfemäfs hatte sich namentlich in den grofsen Städten
einerseits Schwelgerei und Müssiggang, andererseits Bettelei
und Bummelei eingenistet. Diesen Mifsständen gegenüber
betonte die Kommission folgerichtig, wenn schon nicht so
tief und klar wie 45 Jahre später der grofse Philosoph Fichte,
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. I. 2. 9
I30
Carl Görler
'die Notwendigkeit einer weitgreifenden Erziehungsreform.
Nur kam sie mangels eines für Schul- und Volksbildungs-
fragen sachverständigen Beraters über praktische Einzelvor-
schläge nicht hinaus. So wollte sie die Kinder vom Eltern-
haus frühzeitig zu speziellen Geschäften, z. B. zum Stricken,
angehalten und an möglichste Anspruchslosigkeit gewöhnt
wissen. Der Schulunterricht, das Stiefkind dieser Epoche,
sollte durch Prüfung und Beaufsichtigung der Lehrer ver-
bessert werden, wobei den Ortsobrigkeiten ein ihren Gesichts-
Icreis wohl übersteigender Anteil zugedacht war, der sich
durch die Abneigung gegen die vielfachen Eingriffe des
Oberkonsistoriums erklärt. Die Oberflächlichkeit in der Be-
handlung einer so wichtigen Frage springt allerdings sofort
in die Augen, denn wie dies verderbte Geschlecht sich aus
eigener Kraft zu Fleifs und selbstloser Pflichttreue der Jugend
zum Vorbild erheben könne, wird mit keiner Silbe angedeutet.
Dafs ökonomische Wohlfahrtspflege das Hauj)tziel der
Kommission war, ergibt sich aus ihrer Stellung zu einem für
uns rein sittlichen Problem. Weniger aus Menschlichkeit als
um noch nutzbare Hände zu erhalten, riet sie die Todesstrafe
auf Diebstahl und ähnliche minderschwere Verbrechen in
Zuchthaus, Landesverweisung und Staupenschlag in Gefängnis
oder Geldbufse umzuwandeln. Die Wirkung blieb übrigens
dieselbe. Denn vergleicht man die Straf- und Begnadigungs-
praxis seit 1763 mit den barbarischen Gesetzen der 40er Jahre,
so wird man, paradox genug, für Sachsen von der humani-
tären Mission des siebenjährigen Krieges sprechen dürfen.
Bereits sechs Jahre nachher verkündete Kurfürst Friedrich
August in. den Ständen: ,,mit der fast immer der Menschlich-
keit zuwiderlaufenden Tortur eine hauptsächliche Veränderung
vornehmen zu wollen" \).
Das Hauptverdienst in der Behandlung der speziell ökono-
mischen Angelegenheiten erwarb sich die Kommission dadurch,
dafs sie auf das engste die freie Tätigkeit des Privatmanns
mit der Mitwirkung der Behörden verknüpfte. So rechnete
sie bei der Bestellung der Felder auf die gegenseitige Unter-
stützung der Gutsnachl^arn und wollte nach dem trefflich
bewährten Beispiel des Amtes Chemnitz nur für die schuld-
los abM'Csenden Besitzer die Obrigkeit helfend eingreifen
lassen. Ebenso hoffte sie den Dienststreitigkeiten zwischen
Herrn und Knecht, den damals noch einzigen Vorboten des
') Fortgesetzter Codex Augvisteus Abteilung I. T. II. Buch II.
S. 3391^".
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. i •j i
sozialen Kampfes, durch Vorbild der Besten und den davon
ausgehenden moralischen Zwang zu steuern; würde doch jeder
billig denkende Edelmann, wenn die Zahl der Feiertage sich vor-
schlagsgemäfs erheblich verminderte, auf den an Werktagen zu
ungemessenen Diensten verpflichteten Bauern von selbst Rück-
sicht nehmen. In solchen Differenzen, die wegen Wirtschafts -
Verbesserungen entstanden, verlangte sie nach Anhörung be-
nachbarter Sachverständiger einen schleunigen gütlichen Vor-
bescheid der Landesregierung; werde dieser verworfen, so möge
als unparteiische Instanz das Appellationsgericht nach dem
Grundsatz entscheiden, dafs gleichwertige Dienste unbedingt zu
leisten, gesteigerte entsprechend zu vergüten seien. Um endlich
den Feldbau von der drückenden Last des Vorspanns zu befreien,
schlug sie vor, dafs selbiger von den Kreis- und Marschkommis-
sarien künftig nur gegen behördliche Ordres und Quittungen des
Geheimen Kriegsratskollegiums beansprucht werden dürfe.
Grofsen Wert legte sie mit Recht auf die Ausbeutung
des vorhandenen natürlichen Reichtums. Um dringender
öffentlicher Interessen willen verletzte sie, dabei den Einspruch
des Herrn von Poigk übergehend, die Rechte des Privateigen-
tümers, auf dessen Grund und Boden auch Fremde das
Mutungsrecht nach Braun- und Steinkohlen ausüben und einen
vom Besitzer begonnenen aber liegen gelassenen Bau nach
einer viermonatlichen Wartefrist fortsetzen sollten. Und hier-
bei drängte sie die Einmischung des offenbar wenig beliebten
Bergamtes soweit zurück, dafs sogar die Arbeiter nicht der
Berg-, sondern der viel strengeren Gesindeordnung unterstellt
und mit dem Bergamte nur durch die Person des Steigers
verbunden wurden. Dagegen übertrug sie die eigentliche
technische Fürsorge für Berg- und Forstwesen wiederum aus-
schliefslich den Behörden.
Minder klar und frei war wohl infolge ihrer Zusammen-
setzung der Blick der Kommission für gewerbliche und in-
dustrielle Dinge. Zwar wies sie auch hier mahnend darauf
hin, dafs in erster Linie eigene Schuld, z. B. das oft unge-
niefsbare Bier, die unschönen, unpraktischen und selbst un-
soliden Artikel der verschiedenen Handwerke, den Niedergang
verursachten, und riet demgemäfs die auswärtigen Muster zu
befolgen, bewährte Maschinen und Verfahren einzuführen oder
nachzuahmen und einen strebsamen, höhergebildeten Gewerb-
stand zu erziehen. Daneben aber wollte sie die Brauerei,
die Kramerei und sämtliche Handwerke vom Lande in die
Städte verwiesen sehen, sofern dieselben nicht kraft der schon
allzu nachgiebigen Ordre von 1722 infolge unanfechtbaren
9*
132
Carl Görler :
Urteils oder Herkommens auf den Dörfern zu dulden wären.
Diese mittelalterliche Anschauuno- mutet umso befremdlicher
an, als die Kommission selbst naiv genug zugestand, dafs die
gleiche Forderung von den Städten auf den Landesversamm-
lungen seit drei Jahrhunderten bei aller Leidenschaft erfolglos
erhoben wurde. Wenn sie überdies die tunlichste Erleichte-
rung der Abgaben und unter Überweisung der vor 1756
entstandenen Steuerreste die Tilgung der Kreis- und Ge-
meindeschulden in Aussicht nahm, so war dies ein wohlge-
meinter, für den Augenblick aber unausführbarer Vorschlag.
Mit gleichem Vorbehalt stehen wir ihren Ausführung-en über
den Handel gegenüber. Ganz verständig trat sie allerdings
in ihren diesbezüglichen Vorträgen für das erreichbare Maximum
von Handelsfreiheit ein, das sich bei der Zollpolitik der Nach-
barn als bescheiden ofenuof darstellt. Ebenso richtig verwarf
sie in auffällig harten Worten den etwa auftauchenden Ge-
danken einer Münzverschlechterung und sprach sich für gute
Strafsen, einheitliche Münzen, Mafse, Gewichte und Steuer-
sätze aus. Beiden Zwecken zu dienen, sollte der Staat die
Akzise jetzt von Neujahr 1764 an in eigene Verwaltung
nehmen. Endlich stimmen wir auch vollkommen damit über-
ein, dafs in den Magistraten neben den Juristen auch Männer
des praktischen Lebens und speziell im Leipziger Rat aufser
Juristen und Kaufleuten Kenner der Landesökonomie sitzen
sollten. Dafs man hingegen den Leipziger Stapel, den man
im Lande selbst und gegenüber den ihn ignorierenden Grofs-
mächten beseitigen wollte, für die kleineren Nachbargebiete
aufrecht erhielt, erscheint unklug und engherzig. Geradezu
Kopfschütteln erregt der Gedanke, die Schiffahrt zwar auf
Mulde, Saale und Unstrut möglichst zu fördern, auf der Elbe
aber sich selbst zu überlassen, damit nicht bei der Kürze
der sächsischen Flufsstrecke der Kostenaufwand für die Strom-
regulierung vornehmlich Österreich und Preufsen zugute
käme. Desto fruchtbringender war der Ausspruch der
Kommission, dafs die drei Produktionsglieder: Landwirtschaft,
Gewerbe und Handel zusammenwirken, mithin die Handels-
bilanz oder womöoflich einen Überschufs an Gutem herstellen
sollten. Deshalb riet sie, die 1735 niedergesetzte Kommerzien-
deputation durch die Abteilungen für Manufaktur und Ökonomie
zu ergänzen und diese Behörde auf grund von Mitteilungen
aus den Gesandtschaftsakten und regelmäfsio-en Berichten der
Ortsvorstände mit der Sammlung statistischen Materials und
gutachtlichem Beirat in allen ihr Ressort umfassenden Gegen-
ständen zu betrauen.
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. i^^
Als Grundstein ihres Reformwerkes, als einzige Bürg-
schaft besserer Tage bezeichnete die Kommission endlich die
Wiedergeburt der Justiz. Sah sie doch in Masse, Alter und
Unvereinbarkeit der bestehenden Gesetze den Hauptquell für
die alle Stände durchdringende Prozefssucht. Dem abzuhelfen,
sollte ein umfassendes, einheitliches, klares Gesetzbuch ent-
worfen, von den Landständen geprüft und nach deren Ab-
änderungsvorschlägen von Universitätslehrern und Verwaltungs-
beamten ausgearbeitet werden, leider, soviel die lückenhaften
Mitteilungen erkennen lassen, keine eigentliche Rechtsschöpfung,
sondern nur eine revidierte Kodifikation. Prüfung der Studenten
und Praktikanten, strenge Aufsicht über Leistungen und Be-
tragen der vielgescholtenen Advokaten, endlich gute Besoldung
und gesellschaftliche Achtung würden einen anständigen
Richterstand schaffen, demgegenüber sich der Staat allerdings
dazu zwingen müsse, dem gesetzlich ermittelten Rechte
durchgängig freien Lauf zu lassen, denn hierdurch allein
sei das furchtbar erschütterte Vertrauen dauernd zurückzu-
gewinnen.
Mit Hochachtung scheidet man von der Lektüre der hier
auszugsweise wiedergegebenen Akten, zumal wenn man sich
vergegenwärtigt, dafs sie in die Hände des Kurfürsten und
seines Premierministers Grafen Brühl gelangten. Sittlicher
Ernst, redlicher Wille und tiefe Einsicht durchdringen das
ganze Werk, und die Mängel, die wir daran wahrnehmen,
sind durch die allgemeinen Zeitumstände zu entschuldigen.
So läfst es die Rücksicht auf ihre Verantwortlichkeit nach
oben begreiflich erscheinen, wenn die Kammerräte von Poigk
und Lindemann das schlechterdings nicht zu beseitigende
liskalische Interesse ihrer Behörde geflissentlich in den Hinter-
grund drängten und die Mitglieder des Obersteuerkollegs in
dem Dilemma zwischen der Finanznot und dem Hilfsbedürfnis
des Volkes manchmal vom Mittelweg abirrten. Gewifs bleibt
zu bedauern, dafs man allzu ängstlich das Gebiet der höheren
Politik mied und nicht einmal darauf Bedacht nahm, die ver-
wackelten Verfassungsformen im Sinne der Staatseinheit zu
vereinfachen. Wie hätte indefs eine Kommission, deren Vor-
sitzender überdies seit November 1762 noch zu den Hubertus-
burger Friedensverhandlungen berufen war, in solcher Zeit
an die Grundvesten des Bestehenden rühren können, sie konnte
und mufste sich damit begnügen, die vorhandenen Schäden
zu bessern. Geschah dies nach ihrem Programm, so wurden
mit den Wunden des Krieges zugleich die tieferen zweier
verfehlter Regierungen geheilt.
134
Carl Görler:
Indefs kann ein Staat noch weniger als ein einzelner
Mensch durch einen einzigen reuigen Entschlufs zur Besserung
mit seiner Vergangenheit brechen; denn diese prägt mit fast
unwiderstehlichem Zwang einem Volke ihren Stempel auf.
Sachsens Fürst und sein leitender Staatsmann standen in einem
Alter, in dem der Charakter als Konsequenz der bisherigen
Lebenstäticrkeit nicht mehr veränderungsfähigr ist. Sein Be-
amtentum entsprach der Mehrzahl nach dem von beiden aus-
gehenden Einiiufs. Dem Demokraten von Tendenz bietet
wohl kein Abschnitt der deutschen Geschichte soviel Stoff
zu thron- und adelsfeindlichen Angriffen, als die ersten beiden
Drittel des i8. Jahrhunderts. Der Geschichtsschreiber aber,
dem keine andere Tendenz als das Streben nach Wahrheit
und Gerechtigkeit ziemt, wird hier eine statistische Be-
trachtung einschalten müssen. Ohne dafs eine abschliefsende,
etwa tabellarische Arbeit darüber vorläge, weifs doch jeder
Sachkundige aus den vorhandenen Geburts- und Sterblichkeits-
listen ^j unter Heranziehung der Adelschroniken, dafs sich in
dem Jahrhundert von 1650 bis 1750 Deutschlands Adel pro-
zentual viel stärker vermehrte, als die bürgerhche und bäuer-
liche Bevölkerung. Die Fruchtbarkeit adeliger Ehen, die
bessere Lebenshaltung und höhere Bildung haben hierzu zu-
sammengewirkt. Da nun die Teilbarkeit und hypothekarische
Beleihung des Grundbesitzes sehr bald ihre Grenzen erreichte,
das Zeitalter Ludwigs XIV. einerseits die Standesansprüche
hob, die Nachwehen des dreifsigjährigen Krieges anderer-
seits Handel und Gewerbe fast durchweg zu elender Ärm-
lichkeit herabdrückten, so drängten sich ungleich stärker als
zuvor die jungen Edelleute zum Hof- und Staatsdienst. Allein
in den Kleinstaaten, zu denen Sachsen mit seinen i'/,, Millionen
Einwohnern und dem Mangel an Machtmitteln, trotz Kurhut,
polnischer Königskrone und vornehmer Verwandtschaft, zu
zählen war, wuchsen Menge und Bedeutung der Amtsgeschäfte
nicht entsprechend dem Andrang der Bewerber. Die künst-
liche Vermehrung der Oberchargen erzeugte demgemäts
Müssiggang, nichtssagende Geschäftigkeit und intrigantes
Strebertum. Aus diesem Lab}'rinthe der Sünde fand sich die
^) Die in den Dresdner Gelehrten Anzeigen bekannt gegebenen
Tabellen des Oberkonsistoriums zeigen für fast alle gröfseren Städte
beinahe alljährlich einen Überschufs der Todesfälle über die Ge-
burten, so dafs nur der Zuzug; die Volkszahl erhält. Beispielsweise
hat Leipzig im ganzen 18. Jahrhundert nicht um io^/a seiner Be-
völkerung zugenommen. Eine Erklärung hierfür bieten die noch sehr
häufigen Epidemien.
Zur Bedeutunti' des siebenjährigen Krieges. 135
Aristokratie um so weniger heraus, als sie bei der gegen
früher gesunkenen gesellschaftlichen Stellung des gesamten
Lehrstandes den Erwerb gediegener, wissenschaftlicher Kennt-
nisse verabsäumte. Wie sehr eine solche Entwicklung die
sittliche Widerstandskraft untergrub, geht daraus hervor, dafs
nicht blofs in Sachsen edlere Männer gegen das Treiben all-
mächtiger Günstlinge statt charaktervoller Opposition die
Flucht ins Privatleben wählten. Schwächere Naturen ver-
fielen rettungslos den Folgen ihres Scheindaseins. Wenn nun,
wie bei Brühl, Grofsmannssucht zum Hauptantrieb alles
Handelns ward, so entwickelten sich jene Ministertypen, die
in all ihren Lastern von der Oberflächlichkeit bis zum ge-
meinen Diebstahl mit den Auswüchsen der modernen Hoch-
finanz eine frappante Ähnlichkeit bekunden. Selbst die Feuers-
brunst des Krieges läuterte diese Menschen nicht, allein sie
sonderte ein- für allemal das Edelmetall von unreinen Schlacken
und härtete es zu zäher Widerstandskraft. Diese offenbarte
sich sehr bald gegenüber den halben Mafsregeln des Kabinetts.
Als sollte ein glänzender Hoffnungsstern über dem ge-
prüften Lande aufgehen, erliefs der Kurfürst bereits am
14. März 1763 das wichtige Mandat zur Neuordnung des
Münzwesens und vervollständigte es zwei Monate später
durch eingehende Ausführungsbestimmungen. In der Er-
kenntnis, dafs der Leipziger Fufs bei dem Rücktritt der meisten
Reichsstände nicht mehr zu halten sei, führten beide Erlasse
den 1753 von Österreich aufgestellten Wiener Konventions -
fufs ein, demzufolge die feine Mark Silber zu 13 Talern
8 Groschen, i Taler zu 24 Groschen zu 12 Pfennigen aus-
geprägt wurde. Da indefs das Konventionsgeld erst ge-
schaffen werden mufste, so liefsen beide die gangbarsten
Sorten des minderwertigen Geldes zu festen, durch Valva-
tionstabellen bestimmten Sätzen bis auf weiteres kursieren
und begnügten sich, nur die geringhaltigsten Sorten und be-
sonders die ausländische Scheidemünze zu verrufen, während
die alte sächsische Scheidemünze vollwertig, die nach 1756
geschlagene ihrem Gehalte entsprechend zu etwa 40 "Z^, des Nenn-
wertes im Kleinhandel anzunehmen war. Eine Reihe von
Strafbestimmungen sorgte dafür, dafs die Gewinnsucht sich
nicht des Silbers oder der besseren Münzen als geeigneten
Handelsobjekts bemächtigte oder den Krämern und Lohn-
arbeitern durch Agiotage schadete. Die Silberlieferung für
das Ausland war mit 1000 Talern Geld- und dreijähriger,
beliebiger Freiheitsstrafe bedroht. Alle Beamten, Gerichte
und Postbediensteten wurden durch verschiedene Einzelbefehle
136 Carl Göiier:
veranlafst, über die Ausführung dieser Gesetze zu wachen.
Mit logischer Konsequenz bestimmte sodann das Mandat vom
18. Juni, dafs die während des Krieges kontrahierten Schulden
nach der beigefügten amthchen Reduktionstabelle dem Werte
der erhaltenen Münze nach zu bezahlen seien. Während im
allgemeinen sächsisches und fremdes konventionsmäfsig ge-
prägtes Geld bis zum einfachen Groschen herab für jede
Zahlung in beliebigen Mengen zugelassen wai'd, sollten bei
Wechseln mangels näherer Bestimmungen Eindritteltalerstücke
die niedrigste gestattete Münze sein. Nur im Mefshandel mit
Fremden und bei Antritt auswärtiger Erbschaften war die
Annahme verbotener Sorten zugelassen, doch bedurfte es auch
dann noch eines schriftlichen Versprechens, dies Geld binnen
6 Wochen nach Empfang einschmelzen, bei den Münzstätten
umwechseln oder wiederum exportieren zu wollen. Der un-
geheuere Vermögensverlust, der mit so tief einschneidenden
Mafsnahmen scheinbar verbunden sein mufste, war bereits
während des Krieges eingetreten, und es wurde die ganze
Münzgesetzgebung allgemein als grofse Wohltat empfunden.
Nur der Versuch, für Goldmünzen Normal- und Höchstsätze
festzustellen, erwies sich bei der steigenden Unentbehrlichkeit
gröfserer Stücke als ganz verfehlt. Der Dukaten behaviptete
in den Messen durchweg 3, der Louisd'or über 5 Taler.
Immerhin kam man durch regelmäfsige Silberprägung binnen
10 Monaten soweit, die sogenannten Ephraimiten, die zuletzt
die Mark zu 45 Talern ausgeprägt worden waren, per
15. März 1764 gänzlich verrufen und binnen weiterer zwei
Monate einziehen und umschmelzen zu können. Bis Mitte 1766
hatte man mit zirka 1 2 '/._, Millionen Talern Konventionsgeld
das damahge Landesbedürfnis ungefähr befriedigt. Allerdings
beweisen zahllose Wiederholungen, wie oft noch einzelne
Vorschriften der Münzgesetze namentlich an den Landesgrenzen
übertreten wurden.
Zwei Tage nachdem man das Friedensfest mit Glocken-
klang und Kanonendonner begangen, verkündete das berühmte
Edikt zur Wiederaufnahme hiesiger Lande vom 23. März 1763,
es werde der Fürst alle nur irgend dienlichen Mittel zu dem
geplanten, heilsamen Zweck kräftigst anwenden, erhoffe aber
dabei, dafs seine Untertanen diese Absicht tunlichst unter-
stützen und jeder für sich, wie für den nächsten in Feldbau,
Gewerbe und Handel dazu mitwirken werde. Indem Friedrich
August die Einwohner zum Ausharren, die Ausgewanderten
zur Rückkehr einlud, versprach er leider recht leichtfertig:
„Es soll auch die ihnen (den Entwichenen) beygebrachte un-
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges.
137
gegründete Furcht, als ob ihnen neuerhch unerschwingliche
Abgaben aufgelegt und mit solchen auch diejenigen, so am
härtesten mitgenommen worden, nicht verschont werden
sollten, benommen und selbige vielmehr, dafs wir in mit-
leidiger Anerkennung ihres derzeitigen Unvermögens sie mit
Aboaben auf alle nur thunliche Weise zu verschonen die
landesväterliche Absicht hegen, auch sonst auf deren mög-
lichste Erleichterung bedacht sein .... versichert werden."
Werfen wir angesichts solcher Zusagen einen Blick auf
Sachsens Finanzen an der Hand der Landtagsakten von 1763').
Es waren 29435000 Taler Schulden des Obersteuerkollegiums
vorhanden. Davon 932 000 Taler unverzinsliche kleine Stücke,
und 28,5 Millionen Taler gröfsere Scheine, die von 2 — 20 "n,
durchschnittlich mit 4^/5 "/„, insgesamt mit i 288000 Talern
zu verzinsen waren. Doch hatte man die Zinsen nur zwangs-
weise an die auswärtigen Gläubiger, im Lande selbst seit 1749
überhaupt nicht bezahlt. Öffentliche Wohlfahrtsanstalten
waren an der Staatsschuld mit i 367 543 Talern Kapital und
434683 Talern rückständigen Zinsen beteihgt-). Die General-
kriegskasse war 1756 mit 1227000 Talern belastet gewesen
1) Vergl. für die folgende Darstellung Acta, Den Allgemeinen
Land -Tag de Anno 1763 und in specie die Praedeliberationes darzu
betreffend (H.St.A., Loc. 1487, Vol. I— III).
-) Laut Anzeige des Oberkonsistoriums vom 19. September 1763
hatten zu fordern :
An ¥
[api
tal
An
Zinsen
Taler
Gr.
Pf.
Taler
Gr.
Pf.
Prokuraturamt Meifsen .
S5;26l
14
4';.2
20,280
2
2
Universität Leipzig . .
250,714
18
i
83,018
15
10V2
))
Wittenberg .
92,641
—
2
20,095
17
8'/i
Stipendiat-Fiscus . . .
43,269
I
6
13,241
2
4
Landschul
e Grimma .
9,433
8
—
2,189
4
—
i)
Meifsen . .
38,834
18
—
6,789
23
i''2
11
Schulpforta .
46,791
6
—
16,171
21
Oberconsistorium . . .
279.593
18
—
92,849
18
—
Inspection
Leipzig . .
4,620
—
—
1,982
6
—
!5
Colditz . .
880
—
—
389
—
—
??
Waldheim .
1,196
—
—
446
—
—
1,
Annaberg
43,220
'5
—
10,443
7
6
11
Meifsen . .
19,875
5
—
7.799
21
9
11
Oschatz . .
23,998
21
1 1
8,594
12
4
11
Bischofswerda
6,013
I
2
2,256
21
7
11
Freiberg . .
■ 153,612
13
6
51,970
8
8
11
Haye ...
33,666
10
I
12,946
16
I
11
Dresden . .
193.657
IS
5'.
55, 106
13
9
11
Pirna . . .
31,907
19
11,067
19
7
H
Chemnitz . .
38,2^5
13
6
17.043
15
7
1,367,543
6
9
434.683
7
-V4
1^8 Carl Görler:
und diese Summe hatte sich alljährlich um 250 bis 300000 Taler
bis auf 3094000 gesteigert; sie war so jammervoll bestellt,
dafs sie zum Ankauf von Munition bei der Landlieferungs-
kasse, deren Gelder doch dem Bürger gehörten, im April 1763
II 500 Taler aufnahm und dies Darlehen nach eigenem Ge-
ständnis unter 2 bis 3 Jahren nicht zurückzahlen konnte. Die
Gesandtschaftskasse, die sich einer ständischen Beihilfe von
jährHch 45 937 7« Talern erfreute, hatte ein Defizit von
I 074000 Talern; die Rentkammer endlich litt unter so trost-
loser Zerrüttung, dafs die Summe ihrer Schulden mit
13 Millionen Talern nur schätzungsweise bekannt war. Ihre
Beamten hatten sich fast durchweg, wie die Universitäten
dem Kurfürsten klagen, des Leichtsinns oder der Unter-
schlagung schuldig gemacht und z. B. den Angestellten der
Universität jahrelang das Gehalt, den Stipendiaten ihre
Benefizien vorenthalten. Auch die alten Rats- und Justiz-
kollegien, zu deren Gunsten die Fleischsteuer eingeführt
war, sahen diese zudem verhafste Abgabe in fremde Taschen
fliefsen.
Angesichts solcher Zustände hatte die Regierung den
Mut, durch eine dem Generalfeldmarschall Chevalier de Saxe
unterstellte Kommission die Verstärkung des Heeres binneia
6 Jahren von 17600 auf 29500 Mann und von 1682 auf
5742 Pferde vorschlagen und dafür insgesamt 11 670000 Taler
verlangen zu lassen. Die Durchführung dieses Plans hätte
das Vertrauen in Sachsens Friedensliebe schwerlich gefördert,
ohne doch gegen das sechsfache Kontingent I^reufsens und
Österreichs erforderlichenfalls auch nur annähernd hinzureichen.
Nun hatte die Restaurationskommission in ihrem Vortrage
über Wiederbefestigung des Steuerkredits, der, weil aus-
schliefslich auf Material und Arbeit der Steuerbeamten be-
ruhend, füglich erst hier zur Sprache kommt, bekanntlich die
Herabsetzung aller Steuerzinsen auf 3 " q, die Niederschlagung
aller Zinsansprüche bis mit Ende 1763 beantragt. Für die
Verzinsung hatte sie 870000 Taler, für Tilgungs- und Ver-
waltungszwecke 230000 Taler jährlich ausgeworfen. Und
der Hubertusburger Friede erhob dies Programm im Separat-
artikel II zu einem testen, völkerrechtlichen Vertrage '). Zu
') Dieser seltene Fall, dal's ein V()lkerrechtlicher Vertrag das ver-
fassungsmäfsige Be\\nllig;tmgsrecht der Landstände in einer wichtigen
fast 40 % des Etats betragenden Position aufliebt, findet ein Analogen
in den allerdings nur vorläufigen Bestimmungen der Verfassung des
deutschen Reiches über die Friedenspräsenz vmd die Unterhaltungs^
kosten des Reichsheeres.
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. I3q
diesen i,i Millionen Talern traten für die laufenden Ver-
waltungsbedürfnisse mindestens 300000 Taler hinzu, so dafs
durch die Ansprüche des Heeres das Budget mit reichlich
3 Millionen Talern selbst die erzwungenen übertriebenen Be-
willigungen voni749nochum eine volle Viertelmillion überstiegen
hätte. Schon hatte man für das laufende Jahr 35 Quatember
und 42 Pfennige für die vom Feinde befreiten Landesteile
ausgeschrieben und eine entsprechend herabgesetzte Forde-
rung, wenn schon unter bitterem Bedauern, auch auf ehedem
von Preufsen besetzte Landesteile ausgedehnt. Vergebens
hatte die Restaurationskommission energisch und flehentUch
dieses Äufserste abzuwehren gestrebt ; der Vizeobersteuer-
direktor von Nitzschwitz verweigerte hierzu seine Unterschrift,
eine üble Vorbedeutung. Demgemäfs erhob das Geheime
Consil am 16. Juni mit aller Entschiedenheit Einspruch gegen
den Heeres-Etat, indem es als höchst erreichbaren Steuersatz
je 48 Pfennige und Quatember, d. h. 17., Pfennig und 7^ ., Qua-
tember mehr als 1746, aber ii^j., Pfennige und 6 Quatember
weniger als 1749 bezeichnete. Der Kurfürst aber befahl am
23. Juni auf die tags zuvor ergangene Vorstellung des Chevalier
de Saxe, unwiderruflich für die geforderten Summen zu sorgen.
Da ermannte sich am 28. Juni diese Behörde, trotz ihrer
schon 1759 vom Grafen Brühl belächelten Schwäche, recht
eigentlich das Gewissen des Landes, zu energischer Sprache.
Nach Darlegung der wiedergegebenen Daten verweigerte sie
auf grund „ihrer theuern obhabenden Pflicht" den Beitritt zu
der beabsichtigten Mafsregel und appellierte ritterlich an die
landesherrliche Ehre mit den Worten: ,,Ew. Königliche
Mayestät haben die niedergeschlagenen Gemüther derselben
(der Untertanen) durch die ihnen in dem unter Höchster
Namensunterschrift publizierten Edikt vom 23. Martii anni
currentis allergnädigst erteilte Versicherung wieder aufgerichtet,
dafs Höchst Deroselben in mitleidiger Anerkennung ihres Un-
vermögens sie mit Abgaben auf alle nur thunliche Weise zu
verschonen die Landesväterhche Absicht hegten, auch sonst
auf deren mögUchste Erleichterung in Gnaden bedacht sein
würden. Ew. KönigHchen Mayestät geheiligtes höchstes
Wort gewähret demnach sonach an Sich selbst einen er-
kleckhchen Nachlafs in denen vor dem Kriege bestandenen,
erhöheten Bewilligungs-Praestandis, als solches auch der
damit abgezielte heilsame Endzweck erheischt, dafs denen
in Nahrungs -Verfall gerathenen Unterthanen wieder auf-
geholfen, diejenigen, so der verderbliche Krieg aufser
Landes getrieben, wieder herbeigezogen, andere aber an
140
Carl Görler:
Suchung auswärtiger Etablissements abgehalten und gegen
die ihnen dazu gemachten Lockungen verwahret werden
möchten".
Blieb diese sittliche Erhebung über das Gehorsams-
Prinzip des absoluten Staates zunächst fast folgenlos, so reiften
auf praktischem Felde bereits die ersten Früchte der Reform-
arbeit. Nach Anweisung des Generale vom 23. Februar 1763
wurden besonders in einsamen Gegenden die zahlreichen Diebs-
und Räuberbanden unter Zuziehung der bewaifneten Jägerei zer-
streut und durch eine Reihe von Hinrichtungen hinlänglich
eingeschüchtert. Gleichfalls unter behördlicher Aufsicht und
Mitwirkung besserte man die arg zugerichteten Haupt- und
Nebenwege wenigstens notdürftig aus, entwässerte durch
Gräben überschwemmte oder sumpfig gewordene Stellen und
berichtigte, bald mit viel Gezänk, oft aber auch mit ehr-
hchem Willen und Nachgiebigkeit die nachbarlichen Guts-
grenzen. Um vor allem den drückenden Holzmangel zu
beseitigen, war bereits am 11. Februar den Forstbeamten
geboten worden, fleifsig und zu passender Zeit allerlei Holz-
samen, bez. die Zapfen zu sammeln, an einem trockenen Ort
aufzubewahren und damit die Blöfsen zu besäen. Dann ver-
bot man am 4. Juli die Ausfuhr von Bau-, Nutz- und Brenn-
holz; wer solches auf grund unauflösbarer Verträge an Nicht-
sachsen zu liefern hatte, bedurfte von Fall zu Fall eines
Erlaubnisscheines. Endlich führte das Holzmandat vom
2. August diese Gesichtspunkte weiter aus. Händler sollten
überhauj^t kein Holz mehr, die Städte nur das notwendigste
bekommen und für Feuerungszwecke Abfälle und Reisig an-
nehmen. Die Bauherren erhielten allerdings Stamm- und
nicht blos Klafterholz, wofern sie Keller und Erdgeschofs
aus Stein aufführten, das Dach statt mit Stroh oder Schindeln
mit Ziegeln deckten und .sich verpflichteten, statt der Planken-
zäune solche aus Latten oder lebende Hecken anzulegen.
Auch wurde angeregt, zur Feuerung tunlichst nur Kohlen
und Torf zu verwenden und in den Dörfern Gemeinde-
backöfen zu errichten. Den Forstbeamten machte das
Mandat Hoffnung, die Naturalbezüge an Reisig und Ab-
fall, die selbstverständlich oft genug zu Unredlich-
keiten verleiteten, mit barem Gelde abzulösen. Gleich-
zeitig unterwarf ein Befehl das Jagdrecht der Grundbesitzer
zur Hebung des Wildstandes einer ein- bis dreijährigen Be-
schränkung.
Hoch bedeutend für die Landwirtschaft wurde namentlich
durch das Zusammengehen amtlicher und privater Tätigkeit
Zur Bedeutung des siebeniälirigen Krieges. iai
die längst geplante, aber erst am 26. Mai 1764 zu Leipzig
gegründete ökonomische Sozietät. In ihr verbanden sich
etliche 30 hochgestellte und reichbegüterte Rittergutsbesitzer,
um durch feste Beiträge, gegenseitigen Austausch und Ver-
öffentlichung eigener untrüglicher Erfahrungen alle Zweige
des Ackerbaus zu verbessern und zu heben. Konnten sie
auch vielfach nur statistisches, nicht eigentlich produktives
Material liefern, so leisteten sie durch persönliche Bedeutung
und weithin leuchtendes Vorbild dem Gemeinwesen doch er-
spriefsliche Dienste. In Stadt und Land pflanzten, wo es
irgend anging, Beamte und Grundeigentümer die verschieden-
artigsten Frucht- und Nutzbäume an und gründeten in der
freilich bald als trügerisch erkannten Hoffnung, den Seiden-
bau in Sachsen heimisch zu machen, zahlreiche Maulbeer-
plantagen. In den Lausitzen mühten sich insbesondere Geist-
liche und Lehrer mit schönem Erfolg um die Bienenzucht
im grofsen. Das Beste freilich tat des Himmels Güte, die
dem Lande eine unerwartet günstige Ernte bescheerte, infolge
deren die Getreidepreise schon im August 1763 auf den
normalen Stand herabginofen. Drückte sich die Wiederkehr
froher Lebenshoffnung schon damals in dem raschen Steigen
der Eheschliefsungen aus, so erwachte mit der ungewöhnlich
ergiebigen Ernte des folgenden Jahres in den Städten eine
aufserordentliche Lust zur FamiUengründung, während auf
dem Lande allerdings infolg-e weiteren Preissturzes stellen-
weise Verkaufsnot und Entmutigung herrschte. Dem abzu-
helfen empfahlen die ,, Dresdner Gelehrten und Politischen
Anzeigen" gegen Vorschüsse aus öffentlichen Kassen Landes-
magazine zu errichten; für diese seien Getreide und Heu,
welch letzteres bis auf 4 Groschen pro Zentner gefallen war,
um I bis 2 Groschen erhöhten Preis anzukaufen, um in Not-
jahren mit Vorteil und dennoch für den Untertanen billig
abgegeben zu werden. Dieselbe Zeitung suchte durch ihre
Artikel über den Bauernstand, die uns heute allerdings un-
endlich trivial erscheinen, die rohen sozialen Anschauungen
über diesen wichtigen Kulturfaktor zu bekämpfen und das
Verständnis dafür zu beleben, dafs an der Rentabilität der
Landwirtschaft auch Handel und Gewerbe hervorragend inter-
essiert wären. Auch riet sie sehr vernünftig, den Überschufs
an Getreide und Kartoffeln zu Brennereizwecken zu verwerten
und das für Branntwein exportierte Geld somit dem Lande
zu erhalten.
Der gleiche frische Geist durchwehte auch auf indus-
triellem Gebiete manch halb verfallenes Unternehmen. Vor
142
Carl Görler :
allem ging die Meifsner Porzellanmanufaktur') einer zehn-
jährigen Blüteperiode entgegen. Die Stiftung einer Maler-
schule, als deren Direktor Hofmaler Dietrich berufen ward,
und die Herstellung billigen Massengutes, das man teils in
Meifsen, teils auf der Leipziger Messe verauktionierte, besserten
die vordem allerdings kläglichen finanziellen Ergebnisse er-
heblich und förderten den künstlerischen Ruf der Anstalt.
Kommerzienrat Heibig, der die an den Grafen Schimmelmann
verkauften Porzellanvorräte um 160000 Taler vmd von den
Preufsen die Betriebskonzession um 60000 Taler Pacht er-
worben hatte, bekam zur Tilgung seiner Ansprüche eine
Jahresrente von 1 2 000 Talern.
Das junge Geschlecht mühte sich ehrlich um Fortschritt
und Gewinn. So konnte Herr von Wurmb als Mefskommissar-)
berichten, dafs verschiedene Peniger Fabrikantensöhne Eng-
land und Frankreich zwecks Studium der dortigen Manufaktur
besuchten und ihre Mühe bereits nach Jahresfrist durch bessere
Qualität und höheren Wert ihrer Erzeugnisse belohnt fanden.
Wenn manche Versuche, wie z. B. derjenige, die Bleiche auf
chemischem Wege zu bewerkstelligen, mifslangen oder nur
rein statistische Daten ergaben, so zeugten doch auch sie
für das sittliche Erstarken der Bevölkerung. Eingehende
Betrachtungen widmete die Presse dem Handwerk, um dessen
Lage insbesondere durch Nachahmung fremder Muster und
durch kaufmännische Gestaltung des Geschäftsbetriebes zu
heben, während allerdings die Grundfrage, nämlich die ganz
veraltete Zunftverfassung kaum berührt ward. Zum Besten
des Kleinkredits gründeten Leipziger Kaufleute mit
700000 Talern Kapital die Leihkasse. Wenngleich dies In-
stitut durch die ihm überwiesene Miet-, Tür- und Fenstersteuer
gerade im Anfange viel böses Blut machte, so erlöste es
durch seine mit 5 "/„ zu verzinsenden Vorschüsse von 50 Talern
an aufwärts manchen Geschäftsmann aus drückender Not.
All diese Bestrebungen unterstützte in umfassendster Weise
die gleichfalls in Sachsens geistiger Hauptstadt verlegte Leip-
ziger Intelligenzzeitung, die in oft wirklich gediegenen Artikeln
Erfahrungen, Ratschläge und Mitteilungen volkswirtschaftlichen
Inhaltes darbot. Fügen wir hinzu, dafs schon 1762 der
Lübbener Bürgermeister Erdmann durch letztwillige Vermächt-
1) Victor Böhmert, Urkundliche Geschichte der Meifsner
Porzellanmanufaktur von 1710 — 1880, in der Zeitschrift des Sachs.
Statistischen Bureaus, Band 28.
') Acta: Die Zeug-Manufaktur zu Penig betr. H.St. A., Loc. 1 1 095.
Anno 1764.
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. 143
nisse für Kirchen und Schulen zu sorgen anregte, so erschöpft
sich damit die gewifs ansehnhche Fülle praktischer Be-
strebungen. Sachsens vorwiegend agrarischem Charakter ist
dies verhältnismäfsig rasche Erholen von furchtbarer Heim-
suchung in erster Linie zu danken. Der Boden litt eben
naturgemäfs längst nicht so empfindlich wie das leichter zer-
störbare bewegliche Kapital. Und in der Tat würde eine
eingehende Untersuchung erweisen, dafs die ländlichen Dis-
trikte den Kriegsjammer rascher überwanden als die vor-
wiegend industriellen gröfseren Städte. Um nur ein Beispiel
zu nennen, lag der Zittauer Leinwandhandel 1767 noch derart
darnieder, dafs die Kommerziendeputation') trotz der unge-
eigneten Bodenverhältnisse doch die Rückkehr zum Feldbau
als das einzige aussichtsreiche Heilmittel empfahl.
So bereitwillig die Regierung solch kleine Bausteine zu-
sammentrug, so schwer entschlofs sie sich die Axt an die
Wurzel des Übels zu legen, d. h. in Gemeinschaft mit der
verfassungsmäfsigen Landesvertretung ihre Verwaltung und
Finanzen zu reformieren. Schon dem Vorschlage der Restau-
rationskommission, 28 Deputierte von Ritterschaft und Städten
zur Vorberatung nach Dresden zu berufen, widerstrebten am
22. März die Geheimen Räte mit der Begründung, ,,dafs die
Prädeliberationes den Landtag eher verzögern als fördern
und damit der Steuerkasse grofse Lasten aufbürden werden,
indem die Stände sich — einer mehr als der andere — be-
schwert und mitgenommen fühlen und gewifs Particular-
Gravamina vereinbaren würden". Trafen auch diese Be-
fürchtungen nicht zu, so war doch das Ergebnis der drei-
wöchigen Beratvmgen — vom 10. bis 31. Mai 1763 — insofern
negativ, als die Deputierten mangels Auftrags ihrer Mitstände
irgendwelche Verbindlichkeiten nicht übernahmen. Immerhin
klärte sich die Sachlage so weit, dafs das Geheime Konsil
je 48 Pfennige und Quatember bei sehr mäfsigem Einzel -
ansatze als die Grenze der Steuerkraft bezeichnete. Aber
die Regierung und der auf den 7. August 1763 anberaumte
Landtag waren vom Geiste tiefen, gegenseitigen Mifstrauens
erfüllt. Ohne dafs ihnen die Aufsätze der Restaurations-
kommission anders als auszugsweise -), besonders unter Weg-
lassung all ihrer kritischen Teile, zugegangen wären, unter-
') Der Landes-Oeconomie-, Manufactur- und Commercien-Depu-
tation Mel's-Relatiunes. (H.St.A., Loc. 2235.)
'-) Diese Auszüge haben die Mängel in Hüttigs Darstellung der
sächsischen Steuerreform verschuldet. Aus dem vollständigen Text
ergibt sich, dal's Friedrich IL nur die Sicherstellung der preufsischen
144
Carl Görler :
zogen doch die Stände Brühls Finanzwirtschaft dem schärfsten
Tadel. Insbesondere rügten sie mit Recht, dafs trotz der-
bündigsten Gegenversicherungen seit 1749 die schon damals
imgeheuere Staatsschuld, noch dazu unter Teilnahme land-
schaftlicher Obereinnehmer um fast 2 Millionen gewachsen
sei. Sie verlangten deshalb die 1749 niedergesetzte aber 175 1
aufgelöste Kommission zur Abnahme der Steuerrechnunofen
neu zu beleben; hierauf erwiderte die Regierung, dafs sie
zuvor für diese äufserst kostspielige Kommission einen ge-
eigneten Fond ausfindig machen sollten. Ihre gerechten
Beschwerden über die Mifswirtschaft in General- und Land-
akzise speiste man mit der nichtssagenden Zusicherung ab,
,,dafs alle Einzelcontraventionen in Land- und Generalaccis-
sachen, wie solches schon 1749 umfassend zugesagt, prom])t
reguliert werden sollen". Auf die dringenden Vorstellungen
gegen das höchst gehässige Mandat vom 7. Juni 1736 zur
Vermeidung prozessualer Weitläufigkeiten in Kammersachen
antwortete man ausweichend, ,,dafs dieses an sich nützliche
und nötige Mandat nach höchster Willensmeinung nie und
nimmer zur Verkürzung der getreuen Stände gemifsbraucht
werden dürfe und dafs, wie in den Antworten auf die Prälimi-
narschriften von 1737, 1742, 1746 und 1749 bereits hinläng-
lich versichert, ständischen Beschwerden über etwaigen Mifs-
brauch desselben sofort Gerechtigkeit widerfahren werde".
Der wundeste Punkt aber war und blieb der Militär-Etat.
Im Vorgefühl des zu erwartenden Widerstands vermied das
Kabinett ziemlich würdelos, eine bestimmte Summe zu fordern
und legte den Ständen nur die Tabellen über den uns be-
reits bekannten Gesamtbedarf von jährlich 1673000 Talern
und 459000 Taler Extraordinarium für einmalige Anschaffungen
vor. Die Stände bedienten sich nun einer verwandten Taktik,
indem sie in ihrer Präliminarschrift nur die Wichtigkeit des
Heeres in allgemeinen hochtönenden Phrasen anerkannten,
und als man sich über den Etat auch ferner beharrlich in
Schweigen hüllte, erklärten sie in ihrem diesbezüglichen
Memorial vom 27. September 1763 allen nur möglichen Eifer
anwenden zu wollen, ,, sobald wir wohin Ew, Königl. Majestät
Allerhöchste Intention desfalls eigentlich gerichtet sei, mit
mehrerer Zuverlässigkeit ersehen werden". Tags darauf ward
ihnen eine Million Taler aufser der Kavallerieverpflegung,
Steuergläubiger forderte und die IModalitäten dem sächsischen Ober-
steuerkolleg überliefs. Letzteres hat in Gemeinschaft mit der Restau-
rationskommission das Projekt ausgearbeitet.
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. 14c
deren Surrogat man auf 600 000 Taler berechnete, angesonnen.
Obwohl selbst die Geheimen Räte das ständische Geo;enoe-
bot von höchstens 821 500 Talern anzunehmen geneigt waren,
beharrte das noch bei Lebzeiten Friedrich Augusts entworfene
Dekret vom 9. Oktober bei der vollen Million.
Unter solchen Umständen darf es nicht Wunder nehmen,
wenn die Ansprüche der Landschaft betreffs des Staatsschulden -
Wesens bisw^eilen über das Ziel hinausschössen. Ihr anfängliches
Begehren, die der Steuerkreditkasse zustehenden Gelder durch
eigene Deputierte von den Untertanen zu erheben, wurde von
dem Obersteuerküllegium unschwer mit dem Hinweis abge-
lehnt, dafs keine kurfürstliche Behörde sich jemals auf eine
solche Weise ein Staatshoheitsrecht entwinden lassen dürfe.
Der weitere Wunsch, die ganze Steuererhebung minder
drückend zu gestalten, war mangels Eingehens auf die tech-
nischen Einzelfragen ebenfalls kaum beachtlich. Endlich übten
noch am 17. November die Stände zwar an dem Vorschlage
des Obersteuerkollegiums, für die Abgebrannten weitere 4 Qua-
tember zu bewilligen, eine geradezu herausfordernd scharfe
Kritik ; aber in kläglicher Unfähigkeit endeten sie doch nur
mit der Bitte, ,,der Churfürst möge nach seiner angestammten
Milde und Clemence den Calamitosen alle nur tunliche Schonung
angedeihen lassen". Von der Notwendigkeit überzeugt, in
Erfüllung des Hubertusburger Friedens für die dreiprozentige
Verzinsung und Tilgung der Landesschulden zu sorgen, be-
willigten sie am 28. September die hierfür erforderlichen
1,1 Million Taler, gaben sich auch damit zufrieden, dafs die
dieser Ausgabe gewidmeten ,, klarsten, sichersten und be-
reitesten Einnahmen" ihnen aus der Hauptkasse monathch
unter Rechnungslegung zugeführt werden sollten. Aber sie
verbaten sich in den schärfsten Ausdrücken künftighin jede
Einmischung in dieser Sache und forderten vor allem, dafs
aus der Instruktion der Ober- und Kreissteuereinnehmer
die Ermächtigung zur Aufnahme von Kapitalien gestrichen
würde.
Die Verhandlungen machen den Eindruck der Stagnation.
Nicht nur erwiesen sich die Stände zur eigentlichen Rechts-
schöpfung gänzlich unfähig, nein, sie kamen auch nicht in
einem Punkte über die ihnen vorliegenden Anträge der
Restaurationskommission hinaus. Nur ihre eigenen Interessen
verfolgten sie mit oft geradezu häfslicher Selbstsucht. Mochten
sich Ritterschaft und Städte über Woll- und Holzausfuhr,
über Biermeile und ähnliche seit Jahrhunderten umstrittene
Fragen totfeindlich befehden, so reichten sie sich z. B. bei
Neues Archiv f. S.jG. u. A. XXIX. i. 2. lO
1^.6 Carl Görler :
der Gesindeordnung zur Unterdrückung der unteren Stände
versöhnt die Hand. In all diesen Dingen erhob sich der
Landtag von 1763 nicht über seine Vorgänger.
Da änderte am 5. Oktober der Tod Friedrich Augusts II.
und der ihm unmittelbar folgende Rücktritt des Grafen Brühl
mit einem Schlage die ganze Sachlage. Dem neuen Kurfürsten
Friedrich Christian und dessen Gemahlin Maria Antonia, die
durch mehrere Jahre Dresdens Kriegsleiden geteilt, kam das
Volk mit Liebe und Vertrauen entgegen. Es ist aus Flathes
Darstellungen längst bekannt, wie der Kurfürst den Landtag
zu unerwartet befriedigendem Abschlufs brachte. Seine Er-
klärungen, zu den Militärausgaben mit 150000 Talern per-
sönlich beizutragen, das nur erwähnte Mandat von 1736
zeitgemäfs abändern und wenigstens künftig jedem Landtag
über die abgelaufene Budgetperiode Rechnung legen lassen
zu wollen, haben hierzu zusammengewirkt. Ohne die viel-
gerühmten Reformen dieser zelmwöchigen Regierung hier zu
wiederholen, glaubt Verfasser doch zum Schlüsse auf wenige
Hauptpunkte hinweisen zu sollen. Die endgültige Regelung
des Staatshaushaltes wird man ja leicht überschätzen. Die
schliefslichen Landtagsbewilligungen trafen mit ihrer Voraus-
setzung, dafs die Einnahmen sich auf 2173000 Taler belaufen
und etwa 37000 Taler Überschufs abwerfen würden^), nicht
einmal sachlich zu. Während Trank- und Quatembersteuer
hinter dem Voranschlage zurückblieben, überstiegen ihn 1764
die Land- und Pfennigsteuer, so erheblich, dafs dieses Jahr
mit 105000 Talern Überschufs schlofs. Von dieser Summe
erhielten die beiden Landesuniversitäten wenigstens zu einiger
Entschädigung für den harten Verlust, den sie und nament-
lich ihre armen Stipendiaten durch die Herabsetzung der
Staatsschuldenzinsen auf 3 ";,; erlitten, jährlich 8000 Taler zu-
^) Infolge der Bewilligung vom 12. November stellt sich der
Staatshaushaltsplan pro 1764 — 66 wie folgt:
Eingänge: Ausgänge:
52V2 Pf- ä 13125 = 682500 Steuerkredit . . . i 100 000
43 Qw. ä 21875 = 940625 Militär 850000
Tranksteuer . . . 270000 Zur Steuerkasse . 112649*4
Imposten .... 30000 Gesandtschaftskasse 45 937 ''2
Kopfsteuer . . . 250000 Landtagsspesen . . 26666%
2i73i25Tlr. 2 135 253*/, Tlr.
Es brachten 1764: i Pf. 15247 Tlr. 3 Gr.
I Qu. 21713 „ iii ,, „
1765: 1 Pt. 15199 „ .lo ., 5 Pt.
I Qu. 21385 „3 „8 „
Zur Bedeutung des siebeiijälirigen Krieges. iaj
gewiesen. Ein weiterer nicht normierter erheblicher Betrag
riofs der neu errichteten Prämienkasse für wertvolle gewerb-
liche Leistungen und Erfindungen zu. Nach wie vor blieb
der Einflufs des Staatsoberhauptes auf dem ökonomischen
Gebiet der weitaus bedeutendste, da einerseits das der
ständischen Bewilligung unterworfene Budget des Obersteuer-
kollegiums nach Ausweis der Akten zur sächsischen Finanz-
geschichte nur etwa 30 "/„ des Gesamtstaatshaushaltes dar-
stellte und überdies in semem gröfsten Posten durch den
Hubertusburger Vertrag festgelegt war, andererseits aber die
Kreis- und Kommunalschuldverhältnisse wesentlich der Regie-
rung unterstanden. Da wurden denn von hohem Segen die
täglichen Kabinettskonferenzen'), jener Ministerrat, der unter
Vorsitz Friedrich Christians und seiner Gemahlin alle wichtigen
Angelegenheiten erörterte und entschied. War man noch
wenige Wochen vorher in Kreisschuldensachen so erbarmungs-
los verfahren, dafs man z. B. in der Leipziger Gegend den
Säumigen für je 100 Taler Rückstand einen Mann Exekution
einlegte, ohne darum mehr als 7 "/^j zu erpressen, so wies
man unter dem 29. Oktober die voigtländischen Deputierten
zur äufsersten Mäfsigung an. Zwar dürften sie von böswilligen
Schuldnern die noch unbeglichenen preufsischen Fourage- und
Kontributionsreste zwangsweise beitreiben, hatten aber alle
anderen zu verschonen, genaue Register einzureichen und vor
allem jeder Gemeinde die Hand zu einem anständigen Ab-
kommen zu bieten. Erhöhte Sorgfalt wendete man den von
den alten sieben Kreisen getrennt verwalteten inkorporierten
Landen zu. Den Plan, beiden furchtbar heimgesuchten
Lausitzen die Kopfsteuer zu erlassen, machten die Geheimen
Räte scheitern, weil sie mit Recht die Eifersucht der mit
dieser Abgabe belasteten altsächsischen Stände fürchteten.
Dafür bestimmte der Kurfürst am 16. November deren mut-
mafslichen Ertrag für die Oberlausitz auf 20000 Taler und
erliefs ihr die entsprechende Summe an dem Beitrage zum
Militär-Etat : die kurfürstliche Rentkammer werde das Geld
der Generalkriegskasse ersetzen. In der Niederlausitz solle
man künftig analog verfahren. Auch erklärte er für billig,
die General- und Landakzisegelder in den am Verfalltag
kursierenden Münzen zu deren Nennwert anzunehmen. Zum
Ausgleich dieser Opfer gedachte er unter Kündigung des
1) Konferenz -Protokolle, in höchster Gegenwart Ihrer Künigl.
Hoheit des Kurfürsten Friedrich Christian gehalten. Vol. L Vom
6. Oktober bis 16. Dezember 1763. HStA., Loc. 4777.
1^.8 Carl Görler:
Pachtvertrages beide Akzisen wieder staatlich verwalten zu
lassen und die aus Gunst und Willkür gerade den reichsten
Leuten zugestandenen Accis-Fixa ein für allemal abzuschaffen.
Als sein glänzendstes, leider unerfüllt gebliebenes Verdienst
ist wohl die Anbahnung der Staatseinheit zu betrachten. Ihr
galt der Befehl an das Kammerkolleg vom 4. November, an
Stelle der kostspiehgen Regierung des Herzogtums Sachsen-
Weifsenfels, der Grafschaft Barby und des Fürstentums Quer-
furt durch drei hohe Beamte eine einfachere, billigere Or-
ganisation vorzuschlagen. Ihr galt wohl vor allem, soweit
dies die freilich herzlich dürftigen Protokolle erkennen lassen,
die Verfügung vom 25. Oktober, dafs sämtliche Kollegien
in- und aufserhalb Dresdens, die ersteren binnen 14 Tagen,
die letzteren binnen 4 Wochen, ihre zuletzt ergangenen In-
struktionen abschriftlich einzureichen hätten. Die zahlreichen
SpezialVerfügungen atmen Milde und Gerechtigkeitsgefühl,
So wird, um hiervon nur das belangreichste Beispiel zu geben,
am 2. November die heifs erstritt ene Gleichstellung der
französischen Kaufleute zu Leipzig mit den einheimischen
auch auf die italienischen ausgedehnt.
Aus solcher Saat hätten sich im Laufe eines Menschen-
alters gewifs die trefflichsten Früchte entwickelt. Wie in
der Person des Fürsten hätte sich im Volksbewufstsein das
Gefühl für Ordnung und Rechtschaffenheit zu dem höheren
für sittliche und politische Notwendigkeiten durchgerungen.
Gerade diesen letzteren weihte ja das Herrscherpaar durch
seine Beziehungen zu Friedrich dem Grofsen, durch das Ver-
zeihen des Geschehenen ein würdiges Opfer. Trotz seiner
polnischen Pläne sistierte der Kurfürst die Heeresvermehrung.
Allen Lausitzer Vasallen, die sich nicht geradezu des offenbaren
Landesverrates schuldig gemacht hätten, bestätigte er trotz
ihrer zwangsweise genommenen preufsischen Dienste ihre
Lehen und Mitbelehnschaften. Und als das sächsische Holz-
ausfuhrverbot in Berlin Unwille erregte, liefs er diese Mafs-
regel als durch die Verwüstung der sächsischen Waldungen
unbedingt geboten entschuldigen. Da er gleiche freundschaft-
liche Beziehungen auch zu Österreich pflegte, so zog er mit
dieser sich selbst bescheidenden friedlichen Politik aus den
blutigen Lehren des siebenjährigen Krieges die letzten und
höchsten Folgerungen. Es wäre müfsige Arbeit, sich das
glückliche Bild langjährigen derartigen Wirkens auszumalen.
Sachsens Unstern hat diesen hoffnungsvollen Fürsten bereits
am 17. Dezember desselben Jahres dahingerafft. Sein Bruder,
Prinz Xaver, der als Administrator die Regierung für den
Zur Bedeutung des siebenjährigen Krieges. iaq
minderjährigen Kurfürsten übernahm, war durch Charakter
und Vergangenheit, hauptsächhch aber durch seine gebundene
Stellung zum Antritt dieser Erbschaft nur teilweise befähigt.
So wandelte sich zweimal im Laufe des einen Jahres das
System, und wenngleich namentlich von den ökonomischen
Reformen das meiste hinüber gerettet wurde, ruhten doch
die politischen Lehren des siebenjährigen Krieges ein volles
Jahrhundert im Dunkel der Archive, bis die Ära Bismarck sie
nunmehr hoffentlich unvergefslich ans Tageslicht brachte.
VI.
Kleinere Mitteilungen.
I. Vlämisches Recht in der Umgebung von Leipzig.
Von B, O. Markgraf.
'f?'
Bisher sind in Sachsen zwei Dörfer als vlämische Siede-
lun^en bekannt: Kühren und Flemmino-en. Es darf als sicher
gelten, dafs die Vlämen über Leipzig ihren Weg nahmen.
Die fruchtbare Niederung bei Leipzig mufste den Einwanderern
zur Niederlassung verlockend sein. Sie mufsten geneigt sein,
hier Halt zu machen, wenn nicht zwingende Gründe zur
Fortsetzung der Reise nötigten.
Ich bin der Überzeugung, dafs sich hier Vlämen tat-
sächlich angesiedelt haben. Eutritzsch, Reudnitz, Gohlis und
Mölkau bestanden offenbar schon als slavische Dörfer, als die
deutschen Bauern seit dem Anfange des 12. Jahrhunderts in
Sachsen einzogen.
Ein historisches Zeugnis für vlämische Niederlassung in
diesen Marken aus dem Mittelalter steht mir allerdings nicht
zur Verfügung; wohl aber gestatten spätere Nachrichten
einen Rückschlufs.
Das spätere Dorf Reudnitz be.stand aus zwei Teilen:
dem ursprünglich slavischen Reudnitz und einer deutschen
Siedelung: Tutzschendorf, Duitschendorf (= Deutschendorf).
Der letztere Name schwand allmählich in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Eine (handschriftliche) Matrikel vom Jahre
1574 spricht schon von ,,Dütschendorff, so anjetzo unter den
generalen Nahmen von Reudnitz mit begriffen')." Die slavischen
Bewohner haben also augenscheinlich nach den Einwanderern
') Titschendorf wird aber noch später neben Reudnitz als Orts-
name weiter genannt in Schulangelegenheiten (1577 und 161 8).
Kleinere Mitteilungen. 151
den neuen Ortsteil benannt. Später, nach vollendeter Ger-
manisierung, als die Bewohner beider Siedelungen deutsch
waren, hatte es wenig Sinn, die eine Deutschendorf zu nennen.
Man übertrug den älteren slavischen Namen auch auf die
jüngere Siedelung.
Wann die Deutschen eingewandert sind, sagen die Quellen
nicht'). Dagegen verrät die älteste urkundliche Erwähnung
von Reudnitz vom Jahre 1278, dafs zwei Hufen zerstreut in
der Dorfflur lagen (quia praedictorum duorum mansorum jugera
dispersa erant in diversis locis^).
Zu der Annahme, dafs Vlämen die Besiedler waren, be-
stimmt mich der Umstand, dafs in Reudnitz noch im Jahre
1684 das vlämische Erbrecht galt. In einer Abschrift vom
jähre 1701 sagt der Anhang zum Reudnitzer Erbregister des
Jahres 1684: Wenn ein Mann oder Weib verstürbet, erbet
der überlebende Ehegatte die Helffte, und gehet weder Ge-
rade noch Heergeräthe, sondern alles ins Erbe, auch hat der
jüngste Sohn die Kühr.
Hier ist mit seltener Deutlichkeit die Geltung des vlä-
mischen Erbrechtes bezeugt, für welches eheliche Güter-
gemeinschaft und Halbteilung bei Erbgang die charakteristischen
Merkmale sind. Und für den, der weifs, mit welch zähem
Konservatismus die Bauern früherer Jahrhunderte an der
althergebrachten Sitte und Rechtsgewohnheit festhielten, ist
kaum eine andere Erklärung möglich, als die, dafs das vlä-
mische Erbrecht bei der Ansiedlung vlämischer Bauern im-
portiert ward.
Eine gewisse Bestätigung findet meine Annahme in einigen
Namen von Reudnitzer Gutsbesitzern, die sich im Jahre 1525
nachweisen lassen'^). Genannt wird einer mit sicher nieder-
ländischem Namen: Peter Breugel. Bei einem andern, Theys
Gollis, erscheint mir die Abkürzung von Matthäus auffällig.
Im Amte Stollberg (Erzgeb.) habe ich nur die Abkürzung
Matthes gefunden (am Ende des 16. Jahrhunderts und später).
Das sind die Gründe, die mich zu der Annahme bestimmen,
dafs Reudnitz bezw. Tutzschendorf von Vlämen besiedelt ist.
In Eutritzsch*) fand sich noch im Jahre 1705 im Erb-
register ein Dorfartikel folgenden Inhaltes: ,,Wann ein Mann
1) Vgl. Moser, Chronik von Reudnitz (1890) S. 16: Der Name
Tutzschendorf erscheint spät, im Jahre 1525, zum ersten Male.
2) Ebenda S. 6.
») Ebenda S. 18.
*) Vgl. für das Folgende: Barth, Ausführl. Bericht von der
Gerade (Leipzig 1721) S. 92; auch Hoffmann, Statuta localia II, 182.
Itj Kleinere Mitteilungen.
oder Weib verstirbet, fället die Helffte der Güter auf den
überlebenden Ehegatten, die andere Helffte aber auf die Kinder
und nächsten Anverwandten, und gehet, sonder Gerade- oder
Heer-Geräths-Stücken auszuziehen, alles ins Erbe." Hier ist
die vlämische Halbteilung klar bezeugt. Unklar läfst die
Formulierung, ob eheliche Gütergemeinschaft galt. Aber ein
Erbteilungsprozefs stellt diesen Punkt klar. Ein Witwer fafste
den Dorfartikel so auf, als fiele die eine Hälfte der Hinter-
lassenschaft seiner Frau an ihn, die andere Hälfte an das
erbende Kind. Wenigstens nahm er in diesem Sinne die
Erbteilung vor. Gegen diesen Teilungsmodus erhob aber der
Vormund des Kindes Einspruch. Er sagte, ,,dafs vermöge
Statuti oder Dorff-Artickels unter denen Eheleuten daselbst
communio bonorum obtinirete: Und dafs, wenn ein Mann
oder Weib verstirbe, die Helffte der Güter auf den über-
lebenden Ehegatten, die andere Helffte aber auf die Kinder
vmd nächsten Anverwandten falle." Der Vormund las also
aus den zweideutigen Worten die (vlämische) Gütergemeinschaft
heraus. Er kannte das vlämische Erbrecht; vermutlich deshalb,
weil er als Einheimischer die Eutritzscher Erbteilungspraxis aus
Erfahrung kannte. Die ihm aus der Praxis oder durch münd-
liche Tradition bekannte Sitte las er aus der unklar formulierten
schriftlichen Überlieferung heraus bezw. legte er in sie hinein.
Also auch in Eutritzsch galt das vlämische Erbrecht nach
altem Dorfsbrauche, der freilich zu Anfang des i8. Jahr-
hunderts im Orte nicht mehr allgemein bekannt war.
In Gohlis schweigt die — in beschädigtem Zustande
handschriftlich erhaltene — Dorfordnung vom Jahre 1657 über
das Erbrecht vollständig. Dagegen enthält der 27. Artikel
der Dorfordnung vom Jahre 1720^) folgende Stelle: ,,0b wohl
bey Erb-Fällen unter Ehe-Leuten bishero eine Dorf-Gewohn-
heit, dafs eines von dem andern die Helffte erben sollte, an-
gegeben und öfters beobachtet worden, so ist doch sämtliche
Gemeinde zu frieden, und hält es vor billiger, dafs hierunter
inskünfftige den Landes-Constitutionen, Gesetzen, Gewohn-
heiten und allg-emeinen Rechten nachofesangen werde . ."
In Gohlis wurde also erst damals von Gemeinde wegen das
sächsische Erbrecht eingeführt. Bis dahin hatte man parti-
kulares Dorfrecht mit Halbteilung. Das ist offenbar wie-
derum das von den Bauern (wie in Eutritzsch) undevitlich
formulierte vlämische Erbrecht.
') Klingner, Sammlungen zum Dorf- und Bauernrechte (Leipzig
1749) I, 600.
Kleinere Mitteiluniien.
153
Über Mölkau berichtet die alte sächsische Kirchen-
galerie'): Unter den früheren erbrechtlichen Bestimmungen
wird ausdrücklich erwähnt, dafs der Witwe, wenn sie nach
Mölkauer Dorfgerichtsgewohnheit erben wolle, collatio bono-
rum auferlegt, auch derselben nach dem Reskript vom 15. De-
zember 1606 illata zu repetieren nicht nachgelassen sei; der
jüngste Sohn habe die Kühe -).
Hier zeigt schon der Schlufssatz Übereinstimmung mit
dem Erbteilungsmodus der Nachbargemeinde Reudnitz. Ferner
ist die eheliche Gütergemeinschaft ausgesprochen in der
Forderung der collatio bonorum bei Erbteilung und in der
Bestimmung, dafs die Witwe ihr Eingebrachtes nicht zurück-
verlangen dürfe aus der gesamten Erbmasse, welche die Güter
beider Gatten bildeten.
Die Stelle ist noch in andrer Hinsicht sehr lehrreich.
Hier ist das vlämische Erbrecht bereits zu Beginn des
17. Jahrhunderts bezeugt. Ferner erfahren wir, dafs sich be-
reits damals ein Reskript nötig machte ; die Gütergemeinschaft
mit ihren Konsequenzen für den Fall der Erbteilung war be-
reits nicht mehr unangefochten, nicht mehr über allen Zweifel
erhaben.
Einen sehr anschaulichen Bericht zu unserm Thema gibt
der Leipziger Jurist Gottfried Barth-^). Er hat (als Depu-
tierter des Leipziger Rates für dessen Dörfer) 1684 und 1685
,,bey revidirung E. E. Raths allhier Erb - Registern auf dero
Dörffern und gehaltenen Gerichts-Tagen . . und Untersuchung
der . . Dorff-Artickeln und Gewohnheiten observiret, dafs auf
zwey Dorf fern dergleichen Artickel und Gewohnheiten an-
getroffen worden, da es, als die Bauern gefraget wurden,
wie es bey Erbschafften gehalten würde, hiefse: Wenn eines
von Eheleuten stirbet, gehet (item: theilet) das andere zur
Helifte. Welches die Bauern auch also auslegeten, als ob
das überlebende Theil sein eigen Vermögen mit des ver-
storbenen Freunden theilen müfste, wie sie es denn auch vor
40, 50 und mehr Jahren immer so gehalten hätten ..." In
einem Dorfe ist damals das — von den Juristen und dem
Stadtrate nicht als solches erkannte — vlämische Erbrecht
trotz des Widerstandes der konservativen Bauern zwangs-
weise beseitigt worden, nachdem der kurfürstliche Schöppen-
») Abteil. X, 135.
-) Das letzte Wort raufs, wie in Reudnitz, hinten: Kühr; r und e
sind in den Handschritten alter Zeit oft sehr ähnlich beschrieben.
») a. a. O. S. 92.
ICA Kleinere Mitteilungen.
stuhl in Leipzig dahin erkannt hatte, ,,dafs E. E. Rath solche
zu ihrer Unterthanen Ruin reichende Übeln Gewohnheiten zu
gestatten nicht schvildig."
Barth sagt nicht, in welchen zwei Dörfern er das vlä-
mische Recht gefunden hat. Eines ist sicher Reudnitz, Dort
hat er nachweislich 1684 dem Gerichtstage beigewohnt. Dort
sind 1684 Erhebungen über die Dorfartikel und Dorfgewohn-
heiten beim Gerichtstage angestellt und in dem oben ge-
streiften Anhange zum Erbregister aufgezeichnet worden. Das
andere Dorf ist entweder Eutritzsch oder Mölkau. Gohlis
war nicht Leipziger Ratsdorf.
Ich habe auch bisher noch nicht ermitteln können, in
welchem der zwei Dörfer das vlämische Recht 1684 oder 1685
abgeschafft wurde. Die geringere Wahrscheinlichkeit spricht
für Eutritzsch. Dort war es noch 1705 in Geltung. Es ist
aber zu beachten, dafs in früherer Zeit obrigkeitliche Gebote
rasch unberücksichtigt bleiben konnten. Zum Beispiel verbot
die Gerichtsordnung für den Bezirk der Rittergutsherrschaft
Niederpolenz bei Meifsen 1585 § 59 „bei ernster Straffe" den
Lobetanz; 1592 wurde er trotzdem abgehalten laut Rügen-
protokoll ^). Trotzdem spricht die gröfsere Wahrscheinlich-
keit für Mölkau.
Fest steht aber, dafs das vlämische Erbrecht in Gohlis
1720 als überlebt abgeschafft wurde von der Gemeinde;
ferner, dafs es in Mölkau vor 1606 galt.
Wir haben das vlämische Erbrecht in vier aneinander
grenzenden Dörfern im Osten und Norden Leipzigs nach-
gewiesen. Darf man vom Vorhandensein des vlämischen
Rechtes auf vlämische Niederlassung schliefsen? Ich bejahe
die Frage so lange, bis das Gegenteil bewiesen ist. Meines
Erachtens hat auch die Annahme wenig Wahrscheinlichkeit
für sich, dafs das vlämische Recht von dem einen oder andern
Dorfe rezipiert sei. Wer da weils, wie zäh die deutschen
Bauern an ihrem althergebrachten Rechte, am partikularen
Dorfrechte hingen"-), der kann sich nicht zu der Vermutung
bekehren, dafs hier Bauern von dem sehr abweichenden
fränkischen oder sächsischen Erbrechte zu dem vlämischen
jemals übergegangen seien.
^) Nach Abschriften aus dem 17. Jahrhundert.
-) Zum Konservatismus deutscher Bauern vgl. auch Mark-
graf: Das Moselländische Volkstum in seinen Weistümern (Gotha
1907) S. i29ff., 532.
KleiiiLTe Mitteilungen. 1^5
2. Zur Biographie des Stammvaters des sächsischen
Königshauses, Herzog Albrechts des Beherzten, und
seines Bruders, Kurfürsten Ernst von Sachsen.
Von Maximilian Buchner.
Es ist wie ein letztes Aufflackern des absterbenden Ritter-
tums, wenn an der Scheide des ausgehenden Mittelahers und
der beginnenden Neuzeit uns so manche Gestalten auf deutschen
Fürstenthronen entgegentreten, die in ihrer ganzen Persön-
hchkeit so recht den Geist ritterlichen Wesens und Treibens
verkörpern. An ihrer Spitze steht bekanntHch der deutsche
König Maximilian I.; wie er, so ist der ritterliche Branden-
burger Albrecht Achill \), ferner der Regent des Würtemberg-
Urachschen Territoriums, Graf Eberhard im Bart-), vor allem
auch Herzog Christoph von Bayern -München, der berühmte
Sieger in dem Turniere, das er auf der glänzenden Lands-
huter Hochzeit von 1475 mit einem polnischen Edlen aus-
focht^), der wackeren Schar derer beizuzählen, die als ,,die
letzten Ritter" einem neuen Zeitraum der Geschichte ent-
gegengingen. Nicht zuletzt aber ragt unter diesen ritterlichen
Fürsten ein Herzog aus dem Geschlecht der Wettiner hervor:
Herzog Albrecht von Sachsen, ,,der Beherzte" zubenannt.
Es war in den Februartagen des Jahres 1474, da in
Amberg, der Hauptstadt der damaligen zu Kurpfalz gehörigen
Oberpfalz, die Hochzeit des pfälzischen Thronfolgers Philipp
mit der Tochter Herzog Ludwigs des Reichen von Nieder-
bayern, Margarethe, festlich begangen werden sollte. Dank vor
allem einem Bericht ''), den der kurpfälzische Kanzler, Bischof
Mathias Ramung von Speier '^j, an seinen Herrn, Kurfürst
Friedrich I. den Siegreichen, der von der Teilnahme an der
Hochzeit abgehalten war, geschrieben hat, können wir uns
') Vgl. W. Böhm i. d. Allg. deutschen Biogr. I, 243.
®) Vgl. Stalin, Wirtemb. Gesch. III, 549 und meinen demnächst in
den Württemb. Vierteljahrsheften erscheinenden Beitrag: Zur Bio-
graphie des ersten Herzogs von Würtemberg.
*) Vgl. Riezler, Gesch. Bayerns III, 469.
*) Ich werde diesen Bericht wie auch andre Quellen für die
„Amberger Hochzeit", nämlich mehrere Hochzeitsordnungen und eine
Aufzählung der auf der Hochzeit Anwesenden sowie der Teilnehmer
an dem Gesellenstechen, das dort stattfand, im nächsten Band (1908)
des Archivs f. Kulturgesch. veröftentlichen.
^) Über seine geistliche Bistumsverwaltrmg vgl. Remling,
Gesch. d. Bischöfe von Speyer II, 145 ff., über seine weltliche innere
Regienmg s. meine Dissertation (erschienen in den Mitteilungen
des hist. X'er. d. Pfalz XXIX und XXX, 108 ff.).
1^6 Kleinere Mitteikingen.
ein anschauliches Bild machen von dem Leben und Treiben,
das sich damals in Ambergs Mauern abspielte. Auf all die
Pracht, die bei dieser Gelegenheit dort entfaltet wurde, auf
die Turniere und Tänze, die Aufzüge und die festlichen Ge-
lage, die anläfslich jener Hochzeit stattfanden, ist natürlich
an dieser Stelle nicht einzugehen^). Nur das, was für die
sächsischen Fürsten und ihre Geschichte von Interesse zu sein
scheint, mag hier kurz zusammengestellt werden.
Am 20. Februar, dem Tage, da die Vermählung statt-
finden sollte, kamen die sächsischen Herzoge, Kurfürst Ernst
und sein Bruder Albrecht, in Amberg an; um 10 Uhr vor-
mittags hielten sie ihren Einzug. Der fürstliche Bräutigam,
Pfalzgraf Philipp, war ihnen mit anderen Herren, die bereits
in der Feststadt angekommen waren, entgegengeritten. Kur-
fürst Ernst und sein Bruder Albrecht waren dem nieder-
bayrischen Hofe sehr nahe verwandt, da ja die Landshuter
Herzogin Amalie, die Gemahlin Herzog Ludwigs, ihre Schwester
war; sie waren also Oheime der Braut.
Der Pfleger des oberpfälzischen Amtes Vilseck, Paulus
von Streitberg, wurde den sächsischen Fürsten bei ihrer An-
kunft in Amberg zum persönlichen Dienst zugewiesen^). Mit
ihnen kam jedenfalls auch der Merseburger Bischof, den wir
unter den Festgästen in Amberg treff'en'^), an, Thilo von Trotha,
der verdienstvolle Förderer der Leipziger LIniversität*), der
Bruder Hansens vonTratt (Trotha), der nachmals am pfälzischen
Hofe noch eine grofse Rolle spielen sollte''). Im Gefolge der
Sachsenherzoge'''), das aus etwa 400 Berittenen bestand, be-
^) Vgl. darüljer meine Allhandlung: Die Amberger Hochzeit, im
nächsten Bande (1908) der Forschungen z. Gesch. Bayerns.
-) So wird in der oben S. 155 Anm. 4 erwähnten Hochzeits-
ordnung Ijestimmt.
^) Nach dem ebenda erwähnten Verzeichnis der Anwesenden.
*) Vgl. V. Langenn, Albrecht der Beherzte S. 385; über Thilo
vgl. das Chron. episc. Merseb. in den Mon. Germ, liist. SS. X, 209 ft.
und die Reg. episc. Merseb., herausgegeben v. Wilmans i. Archiv d.
Ges. f. ältere deutsche Gesch.-Kunde XI, 208 ff.
^) Vgl. über ihn J. G. Lehmann, Urk. Gesch. d. Burgen d. bayr.
Pfalz I, 58 und meinen im nächsten Heft des Pfälzischen Museums
erscheinenden Beitrag: Zur Biographie des kurpfälzischen Marschalls
Hanns v. Tratt. Desgl. den Aufsatz: Hans Trapp — das Gespenst
von der Wieslauter in Nr. 68 ff. der Palati na (Beiblatt zur Ptälzer
Zeitung) 1907.
«) Die Namen der Grafen und Herren, Ritter und Edlen aus
Sachsen, die in dem oben S. 155 Anm. 4 erwähnten Verzeichnis auf-
gezählt werden, seien hier angeführt. Grafen und Herren: Wil-
Kleinere Mitteilunj;eii. icy
fand sich manche berühmte PersönUchkeit: Hugolt von Schlei-
nitz, der sächsische Obermarschall, der durch seine diplo-
matischen Missionen keine unbedeutende Rolle im politischen
Leben seiner Zeit gespielt zu haben scheint'); daneben sah
man eine Reihe von Angehörigen des Geschlechtes derer von
Schönberg, darunter Kasj^ar von Schönberg, der kurz zuvor
im Dienste seiner Herren in Breslau bei Verhandlungen mit
heim von Hennel)erg; Sigmund von Anhalt; Schenk Jörg, Herr zu
Tautenberg; [Heinrich | R^eufs, Herr zu Plauen; [Jarusfav] von Stern-
berg; Niklas SchHck, Herr zu Ellbogen. Ritter: Hugolt von Schlei-
nitz, Obermarschall; Hans Birk (von der Duba zu Mühlbera;); Kaspar
und Ernst von Schönberg; Heinrich von Einsiedel; Heinrich Trvich-
seis; Fabian von Mühlheim. Adlige: Bernhard, Heinrich und Hans
von Schönberg; Georg von Milatz (wohl Mildtz oder Maltitz?); Johann
von Haugwitz (l'ext: Lurgwitz); Friedrich von Schleinitz; Götz von
Ende (Text: Bund); Klaus von Tratt (Trotha); Hans Pflug; Jörg von
Reinsberg (Text: Rengspurckh); Sigmund von Miltitz (oder Maltitz?
Text: Matitz); Dietz von Schleinitz der Jüngere; Hans von Ende;
Heinrich von Pflug; Diether von Erdmannsdorl; Heid von Erdmamis-
dorf; Götz von Wolfsbach ; Kaspar Metsch; Ott von Pirkisch (Birgigk);
Heinrich Löser; Diethrich Spiegel; Heinrich Starschädel; Balthasar
Kreysig (Text: Greusig); HansGrüner; Friedrich von Schönfeld; Dieth-
rich von Knepelheim; Günther Walmann; Jörg von Roberts (Robert); Ott
Pflug; Jörg von Waidenfels; Sigmund Zechau (Tschechau); Hans
von Natterwitz; Heinrich Weickhart. — Nähere Angaben über die
einzelnen Persönlichkeiten gebe ich bei der Herausgabe des Ver-
zeichnisses a. a. O.
') Vgl. V. Langenn a. a. O. S. 82, 141, 146, 176, 462, 558; A. Bach-
mann, Deutsche Reichsgesch. i. Zeitalter Friedrichs IlL u. Max L I,
152, II, 694ff; Fontes rar. Austr. IL Abt. XLIV, 623!., 643; XLVL 36f.,
113, 130, 142, 145, 160, 273!'., 299ff., 3o6fl'., 425!'., 44ofl-"; vgl. Mone,
Quellensammlung z. bad. Landesgesch. I, 508. — Von Interesse für
die Persönlichkeit Hugolts ist ein Brief Ramungs an Kurfürst Fried-
rich von der Pfalz, den er vom Nürnberger Reichstag von 1470 schrieb
(Orig. i. k. b. Staats-Archiv zu München K. Bl. 103 '2b fol. 95; der Name
des Autors wie auch die Abfassungszeit des Schreil^ens ist in dem-
selben zwar nicht angegeben, aber doch zweifellos); aus ihm gelit
hervor, dafs Schleinitz nn Sinne der pfälzischen Politik tätig war:
Hugolt wäre nicht nach Nürnberg gekommen, so berichtete Ramung
damals, wenn er nicht gewufst hätte, dafs dies dem Pfälzer erwünscht
sei. Hugolt empfahl auf jenem Nürnberger Reichstag (s. Ba chmann
a. a. O. II, 304 ff.) dem pfälzischen Kanzler für einen allenfalsigen
Krieg des Kurfürsten „zwei wohigeschickte, junge Gesellen vom
Adel", die Meifsener seien,' Hans von Schönberg is. vorhergehende
Anm.; vgl. Font. rer. Austr. II. Abt., XLIV, 623) und Jan von Haug-
witz (s. v. Langenn S. 87) mit Namen. Ferner versprach damals
Hugolt, nötigenfalls dem Pfälzer 3 — 400 Reisige und 1000 Fufsknechtc
zu verschaffen. — Wie ich in dem zitierten Beitrage zur Biographie
Hanns v. Tratts (a. a. O.) nachgewiesen, traten in jenen Jahren auch
wirklich eine Anzahl von Adligen aus dem sächsischen Dienst in
kurpfälzischen über.
1^8 Kleinere Mitteilunijen.
dem Ungarnkönig Mathias Korvinus tätig gewesen war^),
Ernst von Schönberg, den Herrn zu Glauchau'-), der dann
bei der Belagerung des ihm von Herzog Albrecht verliehenen
Schlosses Grünberg seinen Tod finden sollte^), und Bernhard
von Schönberg, der bei Herzog Albrecht das Amt eines Mar-
schalls inne hatte und 1476 mit seinem Herrn nach dem hl.
Lande zog^).
Das ganze sächsische Gefolge war in Rot gekleidet; diese
Farbe hatten auch die meisten anderen Festgäste für ihre
Kleidung ausgewählt: denn es lag in dem Geschmacke der
Zeit, möglichst grofse Menschenmassen in eine Farbe ge-
kleidet zu sehen ''^).
Als nach dem Mittagsmahl der Einzug der Braut erfolgen
sollte, da ritten Pfalzgraf Philipp und mit ihm der sächsische
Kurfürst der Braut entgegen. Herzog Albrecht aber, so heifst
es in dem erwähnten Bericht Ramungs, ritt nicht mit, sondern
wartete auf das ,, Stechen und Bereiten" — ein charakte-
ristischer Zug für die so leidenschaftliche Freude des Wet-
tiners an den ritterlichen Übungen seiner Zeit.
Auch an dem feierlichen Gottesdienst, der am folgenden
Tag sich an die Einsegnung des jungen Paares anschlofs,
nahm Herzog: Albrecht nicht teil. Mit anderen seiner fürst-
liehen Standesgenossen wartete er vielmehr auch damals auf
seine ,, Handlung zum Stechen". Ebenso finden wir ihn bei
der Tafel, die an diesem Tage stattfand, nicht anwesend.
Bevor wir aber Herzog Albrecht auf dem Turnierplatz
folgen, möge zunächst ein Wort zur Bedeutung der Amberger
Hochzeit in politischer Hinsicht mit besonderer Rücksicht auf
die Stelluno^ des sächsischen Kurfürsten hierbei g-estattet sein.
Freilich wissen wir von den politischen Verhandlungen,
die in Amberg geführt werden sollten, nicht allzuviel. Soviel
aber scheint «rewifs: man wollte die Amberger Hochzeit zur
Anbahnung eines Ausgleichs benützen, eines Ausgleichs wohl
') Vgl. V. Langenn S. 93; Kaspar war Landvogt von Meifsen,
s. Font. rer. Austr. II. Abt., XLIV, 650; XL VI, 306, 310; vgl. über ihn
auch Fraustadt, Gesch. d. Geschlechtes v. Schönberg lA, 306 ff. und
Mone a. a. O. I, 508.
•-) Mone I, 511.
^) Sagittarius, Splendor familiae Schönbergicae (1676) S. 40.
— Die genealogischen Angaben Fraustadts (vgl. II, 503) scheinen
hier zu versagen.
*) Sagittarius S. 15; Fraustadt I A, 151; vgl. Font. rer.
Austr. II. Abt., XLIV, 166, 294, 350; Mone I, 507.
^) Vgl. meine Abhandlung: Die Amberger Hochzeit a. a. O. —
All das nach Ramungs Bericht.
Kleinere Mitteilungen.
159
insbesonders auch zwischen dem Brandenburger Markgrafen
Albrecht Achill und seinen langjährigen Gegnern, Herzog
Ludwig dem Reichen von Niederbayern und der Reichsstadt
Nürnberg. Eine Hauptrolle hierbei war der Vermittlungs-
tätigkeit des sächsischen Kurfürsten zugedacht; er sollte das
seine dazu beitragen, dafs „zwischen den Häusern allen . . ,
Einigkeit" herrsche. So der Gedanke eines alten Diplomaten:
Martin Mairs'). Es war die Idee eines vom Kaiser unab-
hängigen deutschen Bundes, der zur Vormacht im Reiche
berufen schien. Aber freilich! Die Macht der äufseren Ver-
hältnisse, de Macht langjähriger Gegensätze war stärker als
alle Vermittlungspläne. Herzog Ludwig von Niederbayern
war durch Krankheit an der Teilnahme an der Hochzeit ver-
hindert und der Brandenburger kam gleichfalls nicht"-). Unter
solchen Umständen konnte man sich von der Vermittlungs-
tätigkeit des sächsischen Kurfürsten von vornherein nicht
allzuviel Erfolg versprechen. Ja es scheint sogar, als ob
zwischen den alten politischen Freunden, den Sachsen einer-
seits und den Bayern und Pfälzern andrerseits, gerade in den
Tagen der Amberger Hochzeit eine gewisse Rivalität zum
Ausdruck gekommen sei, wie wir hören werden. —
Doch sehen wir nun dem Turniere zu, das Herzog Albrecht
auf dem Amberger Marktplatz am Tage nach seinem Einzug
ausfocht. Mit einem pfälzischen Adligen''), Schenk Philipp,
Herrn zu Erbach, hatte er ,,ein stark Rennen". Wie an den
ritterlichen Übungen selbst, so scheint Herzog Albrecht auch
an der Mode seiner Zeit seine Freude gehabt zu haben. Zu dem
Turniere, das er damals ausfocht, war er in der sogenannten
,, geteilten Tracht"*) gezogen, die uns heute freilich nichts
weniger als geschmackvoll erscheinen mufs. Die eine (jeden-
falls die rechte)"*) Seite seines Rockes war von grüner Farbe,
auf der anderen wechselten rot, weifs und grün. Wie es
scheint, fand der ritterliche Sachsenherzog an seinem pfäl-
zischen Gegner damals seinen Meister.
^) Die Quelle hierfür bietet ein Brief Ludwigs v. Eyb an Kur-
fürst Albrecht Achill vom 19. Dezember 1473 ün den Font. rer. Austr.
Abt. XLVI, 243).
-) Vgl. darüber meine Abhandlung: Die Amberger Hochzeit
a. a. O.
*) Unter dem pfälzischen Adel wird er in dem oben S. 155
Anm. 4 erwähnten Verzeichnis genannt.
"•) Vgl. Falke, Deutsche Trachten- u. Modenwelt (= Deutsches
Leben I) S. 147 und die Abbildungen bei A. Schultz, Deutsches
Leben im XIV. u. XV. Jhriidt. (IL Halbband) Tafel XXIX u. XXXII.
5) Vgl. Falke a. a. O.
l6o Kleinere Mitteilungen.
Als am Abend jenes Tages im Amberger Tanzhaus')
unter dem Arrangement der Erzherzogin Mechthilde von
Österreich, einer Tante des Bräutigams, ein origineller Tanz
veranstaltet wurde, bei dem die Damen mit Damen und die
Herren mit Herren tanzten, bildeten die beiden sächsischen
Fürsten das erste Paar, das seitens der Herren diesen Tanz
eröffnete ; ihnen nach tanzte ihre Ritterschaft, dann die anderen
Fürsten mit ihrem Gefolge — was lustig zu sehen war, wie
der Berichterstatter versichert. —
Was der pfälzische Kanzler und mit ihm auch die anderen
Festgäste wahrnehmen zu können glaubten, war, dafs Kur-
fürst Ernst und Herzog Albrecht ,,gar brüderlich" gegen
einander sich verhielten, so dafs dies allgemein an ihnen ge-
rühmt wurde. Das Bestehen einer wahren Eintracht, die,
wie wir auch sonst hören"-), zwischen dem sächsischen Brüder-
paar in jener Zeit herrschte, wird also durch diese in Ramungs
Bericht sich findende Stelle bezeugt. — Wer hätte es da-
mals in Amberg geahnt, dafs Zwistigkeiten, die im Laufe der
Jahre zwischen Ernst und Albrecht entstehen sollten, diese
noch zur Teilung ihres Landes veranlassen würden ! —
Die Sachsenherzoge erregten in Amberg grofses Staunen
durch die ,, guten und gar fremden" Trompeten, welche sie
mit sich gebracht hatten; wie Ramung seinem Herrn, Kur-
fürst Friedrich, berichtet, zeichneten sich diese dadurch aus,
dafs man auf ihnen auch hohe Töne klar zum Ausdruck bringen
konnte; es werden also unter jenen Instrumenten bereits Trom-
peten mit gebogenem Rohre zu verstehen sein, für deren Her-
stellung natürlich eine Vorbedingung die Kunst des Metall-
schmiedens war, und deren tatsächliche Herstellung sonst
erst in das i6. Jahrhundert verlegt wird'^). Dafs diese ,, neuen
und gar fremden" Trompeten vor allem im Hofstaat der
sächsischen Fürsten eine Heimstätte gefunden haben, ist umso
mehr erklärlich, als sich an ihrem Hofe die Musik überhaupt
einer regen Pflege erfreut zu haben scheint*).
Wie ihr Herzog, so taten sich auch manche der sächsischen
Grofsen bei dem zu Amberg stattfindenden Turniere durch
ihre Stärke und Gewandtheit hervor. Als ein ,,vast (^ sehr)
^) Vgl. darüber in meiner Abhandlung: Zur Gesch. u. Topographie
der Stadt Amberg im nächsten Bd. d. Verh. d. hist. Ver. f. Oherpfalz
u. Regensburg.
"-) Vgl. V. Langenn S. 43 f.
^) Vgl. Eichhorn, Die Trompete in alter und neuer Zeit (1881)
S. iff. und F. L. Schubert, Die Tanzmusik S. 53.
*) Vgl. V. Langenn S. 483.
Kleinere Mitteilungen. l6i
gut Rennen'") wird jenes Turnier bezeichnet-), das der uns
schon bekannte Kaspar von Schönberg mit dem fürstUchen
Bräutigam, Pfalzgraf Philipp, auskämpfte. Eine gewisse Riva-
lität scheint bei diesen ritterlichen Spielen zwischen den
Sachsen und den Bayern^) entstanden zu sein*), der vielleicht
die Schuld zuzuschreiben ist an dem traurigen Unfall, der
hier auch erwähnt werden mag.
Bei dem Gesellenstechen , das am Aschermittwoch
(23. Februar) stattfand, linden wir unter den bayrischen Ad-
ligen auch Wolfgang von Frauenberg beteiligt^). Wie uns
der bayrische Chronist Veit Arnpeck berichtet*'), bediente
sich der sächsische Gegner dieses bayrischen Edelmannes
einer längeren Lanze, als gestattet war'), und tötete hiermit
Wolfgang von Frauenberg.
Natürlich zeigte in diesem Gesellenstechen ^) auch der
tapfere Sachsenherzog Albrecht seine ritterlichen Vorzüge.
Aus der speirischen Chronik®) wissen wir, dafs ihm der be-
deutendste Preis, der „Fürstenpreis", zufiel. Nach Ramungs
Bericht sollte dieser darin bestehen, dafs die „schönste Frau"
1) Beim „Rennen" handelte es sich um das Abstechen der Tartsche
(ein kleiner Schild; s. Schmeller-Fromann, Bayr. Wörterbuch
I, 626); beim „Scharfrennen" mufste diese so getroffen werden, dafs
der Reiter aus dem Sattel flog. A. Schultz, Deutsches Leben im
XIV. u. XV. Jhrhdt. (IL Halbband) S. 484.
-) In Ramungs Bericht a. a. O.
^) Zu denselben werden wohl auch die Pfälzer (eben als Gefolge
von wittelsbachischen Fürsten) zu rechnen sein; wenigstens werden
bei der Aufzählung der Teilnehmer am Gesellenstechen die Pfälzer
vinter den Bayern genannt.
■*) Darauf beziehen sich jedenfalls die Worte in Ramungs Be-
richt: „[Die Sachsenherzoge] haben starck stickher, die wollen das
best than (d. h. tun) umb den danck (d. i. Siegespreis) für di Bairn
und wollen di Bairn versuchen; das han sy macht."
^) Nach der oben S. 155 Anm. 4 erwähnten Aufzählung der
Teilnehmer.
") V e i t A r n p e c k, Chron. Bajoariorum, bei Pez, Thesaurus anecdo-
torum III, 3, 309; m deutscher Bearbeitung in M. v. Frey bergs hist.
Schriften I, 81.
'') So in der deutschen Bearbeitung; in der lateinischen heifst
es nur: „iniqua Saxonvim versutia . . penit."
^) Von den Sachsen nahmen daran teil : Graf Wilhelm von Henne-
berg; (Heinrich) Reufs, Herr zu Plauen; Schenk Jörg von Tauten-
berg; (Jaruslav) von Sternberg; Kaspar, Bernhard und Hans von
Schönberg; Heinrich Truchsefs; Heinrich Starschädel; Christof von
Maltitz; Hans Grüner; beide von Erdmannsdorf; Klaus von Tratt
(Trotha); Erhart Wechmaier (vielleicht das Geschlecht Wechmar?);
Hans Truchsefs; Wilhelm von Wolfstein; Georg Marschalk; Jan
von Linz; Götz von Ende.
") Bei Mone, Quellensammlung z. bad. Landesgesch. I, 511.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. l. 2. II
162 Kleinere Mitteilungen.
ein „Heftlein", einen Schmuckgegenstand, im Werte von
300 Gulden dem Sieger reichen sollte. Dieser Preis ward
also dem ritterlichen Sachsenherzog beschieden.
Albrechts Sieg in jenem Gesellenstechen mufste umso
glänzender erscheinen, als an demselben auch ein anderer
fürstlicher Turnierheld teilnahm, Herzog Christoph von Bayern,
der wohl schon damals ein gefürchteter Partner war. Als
Herzog Albrecht nach dem Verlauf der glänzenden Amberger
Tage mit seinem kurfürstlichen Bruder wieder ins Sachsen-
land zog, hatte er daher gewifs die Achtung und Beliebtheit
gesteigert, deren sich seine Persönlichkeit naturgemäfs in den
ritterlichen Kreisen der Zeit erfreuen mufste.
3. Noch einmal das Jahr der Erfindung des Meißner
Porzellans?
Von E. Zimmermann.
Im XXVII. Band dieser Zeitschrift habe ich versucht,
nachzuweisen, dafs die Erfindung des Meifsner Porzellans durch
Böttger nicht, wie es Engelhardt zuerst in seiner bekannten,
im Jahre 1837 erschienenen Biographie Böttgers behauptet hat
und dann fast von allen Seiten immer wiederholt worden ist,
im Jahre 1707, vielmehr, wie es das ganze 18. Jahrhundert
angegeben hat, im Jahre 1709 erfolgte. Ich hatte dies ge-
tan auf Grund verschiedener aus den Überlieferungen dieser
Zeit sich ergebender Schlüsse und der einzigen bestimmten
Zeitangabe des Ereignisses, die wir noch aus Böttgers Leb-
zeiten besitzen, nämlich der seines Mitarbeiters und Schwagers,
des Inspektors der Meifsner Manufaktur Steinbrück, der dies
Jahr ohne Rückhalt für die Erfindung in einem in der Königl.
Porzellansammlung zu Dresden aufbewahrten ausführlichen
Berichte über die ganzen industriellen Unternehmungen Böttgers
angegeben hat. Inzwischen ist mir — leider erst nach Ab-
schlufs jenes Aufsatzes — von der Königl. Porzellanmanufaktur
zu Meifsen eine andere Arbeit desselben Steinbrück zur Ver-
fügung gestellt worden, der sogenannte ,, Geschichtskalender",
in dem dieser — scheinbar im Auftrage Böttgers — alle die
dessen Manufakturen betreffenden Ereignisse vom März 1709
bis zum gleichen Monat 17 12 in gedrängter Form aufzählt;
darin findet sich aber eine kurze Notiz, die auf diese Frage
ein neues Licht zu werfen vermag. Sie besagt unter dem
Kleinere Mitteilungen. • 163
Monat Oktober 17 10, dafs damals Dr. Bartelmei, der Leib-
arzt Böttgers und Mitwisser eines Teils der Porzellanarcana
vor einer damals tagenden, die Angelegenheiten der Bött-
gerschen Manufakturen prüfenden Kommission „attestiert''
hätte, dafs Böttger ihm bereits vor zwei Jahren die Masse
sowohl zu dem roten wie zu dem weifsen Porzellan erlernet
hatte, aber ohne die Glasur. Damach also kann man, wo-
fern man nicht an der Glaubwürdigkeit oder dem Gedächt-
nis Dr. Bartelmeis zweifeln will, kaum umhin, die Erfindung
wenigstens der Porzellanmasse in das Jahr 1708 zu setzen,
behält aber doch bei der Allgemeinheit des Ausdrucks ,,vor
zwei Jahren" durchaus das Recht, hierbei an das Ende dieses
Jahres zu denken, so dafs immer noch nichts daran hindert,
sie als erst nach dem Tode Tschirnhausens, den man (vgl.
meinen Aufsatz: Wer war der Erfinder des Meifsner Porzel-
lans im XXVIII. Band dieser Zeitschrift) mehrfach für den
Miterfinder Böttgers gehalten hat, geschehen anzusehen. Aber
freilich besagt auch diese Stelle eben nur, dafs damals im
Jahre 1708 bereits die Masse des Porzellans erfunden war, nicht
aber auch bereits die ihr zukommende Glasur. Nun aber ist Por-
zellan ohne Glasur eigentlich gar kein Porzellan und namentlich
auch nicht damals zu Böttgers Zeiten als solches angesehen
worden. Erst Generationen nach Böttger, d, h. vor allem zur
Zeit des wieder beginnenden Klassizismus hat man den Typus
des unglasierten Porzellans, das sogenannte Biskuit, erfunden,
um damit vor allem Statuen in Marmor imitieren zu können.
Dafs aber die Glasur des Porzellans nicht im Jahre 1708 er-
funden ward, dafs vielmehr diese Erfindung, die eigentlich
eine ganz neue, eine zweite innerhalb der Erfindung des Por-
zellans gewesen ist, erst im folgenden Jahre 1709 gelang,
dafür dürften wir darin die sprechendsten Beweise haben,
dafs Böttger zwar sich der Erfindung des Porzellans ,,sammt
der allerfeinsten Glasur" bereits am 28. März 1709 in einem
Memoriale dem Könige gegenüber gerühmt hat, dafs er aber
dann im November desselben Jahres der Kommission, die da-
mals seine Erfindungen zum zweiten Male zu prüfen sich an-
schickte, die Erfindung der PorzcUangiasur noch als etwas
Besonderes anzeigte, ohne hierbei die der Porzellanmasse, die
damit damals als etwas bereits ganz Selbstverständliches galt,
noch zu erwähnen. Er mufs demnach mit der Glasur erst
zwischen dem März und Oktober dieses Jahres zurecht ge-
kommen sein, und somit können auch wir die Beendigung
der Porzellanerfindung und damit diese Erfindung selber wohl
nur in das Jahr 1709 setzen, wie ich es eben in meinem
164 " Kleinere Mitteilungen.
früheren Aufsatze getan habe und wie es Steinbrück be-
richtet hat.
Mit dieser Tatsache dürfte dann auch durchaus über-
einstimmen, dafs Engelhardt — für uns freihch heute unkontrol-
Herbar — berichtet, dafs Böttger selber seine Erfindung bald in
das Jahr 1708, bald in das Jahr 1709 gesetzt hat: er hat eben
in ersterem Falle an die der Masse, in letzterem an die des
Porzellans mitsamt der Glasur gedacht. Sein Widerspruch
ist also nur ein scheinbarer.
Literatur.
Bilder aus der Kulturgeschichte unserer Heimat. Mit besonderer Be-
rücksichtigung der Provinz Sachsen, des Herzogtums Anhalt und
des Königreichs Sachsen. Von Richard Erfurth, Lehrer an der
Übungs- Schule (Lutherschule) des Königl. Predigerseminars zu
Wittenberg. Zweite vermehrte Auflage. Mit einer Tafel: Vor-
und frühgeschichtliche Altertümer. Halle a. S., Richard Mühlmanns
Verlag (Max Große). 1907. V, 132 SS. 8".
Das vorüegende, lediglich pädagogischen Zwecken dienende
Büchlein reiht kulturgeschichtliche Bilder aneinander, ohne jedoch
den Stoff irgend zu erschöpfen. Die Kunst z. B. wird nirgends be-
handelt. Der Volksschullehrer findet hier Stoff über die älteste Zeit
imd die ältesten Bewohner, die Einführung des Christentums, die
Ansiedlung der Slawen, deren Besiegung, die Einteilung des Landes
in Marken, Gaue, Burgwarten, über Bistümer, Lehen, Land, Be-
völkerung, die niederländischen Ansiedler, Klöster, Wendenbekehrung,
die geistüchen Ritterorden, die Ansiedlung der deutschen Bauern,
die soziale Gliederung der Bauern, die Lasten der bäuerlichen Be-
wohner, Landstände und Landtag, Ablösungen, Rittergüter, Gericht,
Am ehesten wird der Volksschullehrer auf dem Lande sich mit dem
Buche befreunden; für den in der Stadt fehlt zu viel, z. B. die soziale
Gliederung der nichtbäuerlichen Stände. Die Darstellung ist ge-
fällig und geeignet, Sinn für die Heimat und für Vaterlandsliebe zu
wecken. Aber damit, dafs die Erkenntnis sich immer weiter Bahn
breche, dafs der Geschichtsunterricht nicht im blofsen Aneinander-
reihen der historischen Tatsachen nach ihrer Zeitfolge bestehen darf,
sollten auch pädagogische Bücher nicht begründet werden. Solche
f)ädagogische Selbstver.ständlichkeiten sollten auch jedem Volksschul-
ehrer ganz geläufig sein. Für Mittelschüler bietet das Büchlein zu
wenig. Aber auch wer dem Volksschullehrer derartige Stoffe dar-
bieten will, sollte auf einer breiteren wissenschaftlichen Grundlage
aufbauen, als sie das von Erfurth angeo;ebene Literaturverzeichnis
angibt. Von zusammenhängenden Werken über das Königreich
Sachsen sind nur Schmidts Kursächsische Streifzüge erwähnt. Ge-
rade für die von Erfurth verfolgten Zwecke würde z. B. die bereits
wiederholt erschienene Sächsische Volkskunde von Wuttke vielseitige
Ausbeute geliefert haben. Die Auswahl der Beispiele in diesen
„Bildern aus der Kulturgeschichte unserer Heimat" läfst wäederholt
erkennen, dafs der \^ertasser den Stoff zu wenig beherrscht. So
l66 Literatur.
wird z. B. bei dem deutschen Ritterorden, S. 8i, ein Hinweis auf die
Stadt Mühlhausen in der Provinz Sachsen vermifst; beruht doch die
jiesamte Finanzlage dieser ehemaligen Reichsstadt noch heute auf
dem dereinst dem deutschen Ritterorden daselbst zugehörig gewesenen
Stadtwald, und erinnern unendlich viele Einzelheiten in jener Stadt
noch gegenwärtig an die alte Ordenszeit. Die Bevorzugung der
Prähistorie möchte ich nicht tadeln. Die Beigabe der von der Histo-
rischen Kommission für die Provinz Sachsen 1898 veröffentlichten
Tafel kann manchen zur Bergung einschlagender Überreste veran-
lassen. Es hätte dann al^er auch im Literaturverzeichnis die reich-
haltige „Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen
Länder" genannt werden sollen, welche das Provinzial - Museum in
Halle a. S. herausgegeben hat.
Dresden. Eduard Heydenreich.
Kursächsische Streifzüge. Dritter Band. Aus der alten Mark Meifsen.
Von Otto Eduard Schmidt, Rektor des Königl. Gymnasiums zu
Würzen. Mit 4 Autotypien und 15 Federzeichnungen von Max
Näther. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow. 1906. X, 403 SS. 8".
Das günstige Urteil, das über die beiden ersten Bände der
„Kursächsischen Streifzüge" in dieser Zeitschrift XXIII (1902), 349 f.
und XXVI (1905), 164! gefällt werden konnte, gilt auch für den
vorliegenden dritten Band; kleine Versehen, wie sie W. Lippert in
der Historischen Zeitschrift, III. Folge, 3. Band (1907), S. 6ioff. richtig
gestellt hat, können es nicht wesentlich beeinträchtigen. Wieder hat
es der auf den verschiedensten Gebieten treftlich bewanderte Verfasser
verstanden, in angenehmstem Plaudertone, der nur selten (z. B. bei
Behandlung der Schleinitzischen Familiengeschichte, S. 78 ff.) in einen
etwas trockenen Chronistenstil A'erfällt, vor dem Leser ein bunt-
farbiges Gemälde zu entwickeln, in dem reizvolle Landschaftsschilde-
rungen geschickt mit allerhand wertvollen geschichtlichen, literar-
historischen und kulturgeschichtüchen Ausführungen verwoben sind.
Die Gegend, in der uns diesmal Schmidt als kundiger Führer dient,
ist das eigentliche Kernland des Königreiches Sachsen, die Mark
Meifsen, die dem langjährigen Lehrer an der Meifsner Fürstenschule
natürlich besonders vertraut ist. Die Stadt Meifsen mit der Albrechts-
burg bildet den Ausgangspunkt der Betrachtung, den Beschlufs die
an der Elbe bei Meifsen gelegenen Schlösser Siebeneichen und
Scharfenberg, die durch die Beziehungen Fichtes, Schlegels, Novalis',
Fouqu6s, Apels und der Familie Körner zu den markanten Persön-
lichkeiten Ernst Haubold, Dietrich und Karl Borromaeus von Miltitz
eine wichtige Rolle in der deutschen Romantik gespielt haben. Da-
zwischen führen uns längere Ausflüge strahlenförmig von Meifsen
aus in die Lommatzscher Pflege, deren Geschichte eng mit dem in
Schleinitz, Ragewitz, Lommatzsch, Leutewitz und Seebschütz ange-
sessenen Geschlechte von Schleinitz verwachsen ist, in die ^anz be-
sonders gearteten meifsner Eibdörfer Nieder-Muschütz, Nieder-Lom-
matzsch, Neu-Hirschstein, Klein-Zadel, Diesbar, Seufslitz, Boritz (die
Wirkun^stätte des meifsner Historikers Ursinus) und Lorenzkirchen,
in die Grofsenhainer Gegend, nach Zabeltitz, das zahlreiche Er-
innerungen an die Familie von Wackerbarth, die Kurprinzessin Maria
Antonia (Gemahlin Friedrich Christians, f 1780) und den Prinzen
Xaver weckt, und endlich nach den Ortschaften an der meifsnisch-
Literatur.
167
lausitzischen Grenze Frauenhain, Elsterwerda, Gr<klen, Hirsclifeld,
(Trols-Thiemio-, Grol's-Kniehlen (die jiröfsten der ,soo;enannten Schraden-
dörfer), Ortrand, Ponickau, Lüttichau, Königsbrück und Lausa. Vieles,
was uns Verfasser bei diesen Fahrten erzählt, anknüpfend an die
Schilderung der teilweise sehr romantischen Herrensitze und der
vielfach eigenartigen Ortschaften, ist an und für sich nicht neu, aber
neu in der geschickten Zusammenfassung und Anordnung, so, was er
mit grofser Wärme über die dem sächsischen Volke bisher viel zu
wenig bekannten Mitglieder unseres Herrscherhauses Maria Antonia
und Xaver, oder was er über die Entwicklung der Lommatzscher Pflege
und über die Stellung Grofsenhains in der Geschichte berichtet.
Vieles aber bedeutet geradezu eine Bereichenmg unserer historischen
Kenntnisse, indem aus dem Dresdner Hauptstaatsarchive, aus Schlofs-
und Pfarrarchiven, aus alten Chroniken und aus dem Munde von
Ortskundigen l:)isher unbekannte Tatsachen mitgeteilt werden. Dahin
sind zu zählen der Abrifs der meifsner Sfadtgeschichte, die bisher
leider noch keine zusammenfassende Darstellung erfahren hat, teilweise
die Nachrichten über das bedeutende Geschlecht von Schleinitz, die
Angaben über den Pfarrer und Chronisten Sappuhn (vgl. dazu des
Verfassers Selbstberichtigung in dieser Zeitschrift XXVIII, 136) und
den berühmten Lorenzkirchener Markt, der mehrfache Hinweis auf
die bisher noch nicht weiter beachtete Grofsenhainer Kunstschule, aus
der offenbar die Altarwerke in Frauenhain, Grofs-Kmehlen, Ponickau
und Streumen hervorgegangen sind (vgl. S. 196!, 277, 298, 314), und
die Schilderung der eigentümlichen Wirtschafts- und Kulturentwick-
lung der „Schradendörter" auf Grund eines 1474 niedergeschriebenen
Haushalts- und Wirtschaftsberichtes Seiffart von Lüttichaus auf Grofs-
Kmehlen, eines Visitatorenberichtes von 1575 und der Erbbücher von
Frauenhain und Merzdorf. Ganz besondere Beachtung aber ver-
dienen die Angaben über Dietrich von Miltitz, „der zwischen 1806
und 18 15 als einer der gröfsten und edelsten deutschen Patrioten,
ja man kann sagen, als der sächsische Vertreter der Ideen des Reichs-
freiherm von Stein erscheint". Hoffentlich hält Schmidt sein Ver-
sprechen, uns mit Hilfe der reichen Schätze des Siebeneichener
Archivs das in den Streifzügen nur angedeutete „Bild des Lebens
und Wirkens dieses bedeutenden Mannes" in einer besonderen Ver-
öffentlichung genauer auszuführen und damit einen erwünschten
Beitrag zur Geschichte der deutschen Freiheitsbewegung in Sachsen
zu geben, \vie er in seinem eben erschienenen Buche „Fouque, Apel,
Miltitz" (Leipzig, Dürr, 1908) einen schätzenswerten „Beitrag zur Ge-
schichte der deutschen Romantik" geUefert hat.
Gleich den früheren Bänden ist auch dieser dritte mit teilweise
sehr feinen Federzeichnungen von M. Näther geschmückt, die u. a.
Ansichten der Schlösser Schleinitz, Hirschstein, Zabeltitz, Frauenhain,
Grols-Kmehlen, Siebeneichen und Scharfenberg; zeigen; dazu kommen
die vier Autotypien von Meifsen, der Kurfürstin Maria Antonia, einer
Partie an der Röder bei Zabeltitz und Hirschfeld im Winter.
Ob noch weitere Fortsetzungen der Kursächsischen Streifzüge
geplant sind, ist Referenten nicht bekannt. Es wäre aber zu wünschen;
denn die bisher erschienenen Bände dürfen wohl mit zu dem Besten
gezählt werden, was an in gutem Sinne volkstümlichen Darstellungen
auf dem Gebiete der .sächsischen Geschichte in den letzten Jahren
geleistet worden ist.
Dresden. Hans Beschorner.
l68 Literatur.
Die historisch-geographischen Arbeiten im Königreich Sachsen. Im
Aviftrag der Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte zu-
sammengestellt von R. Kötzsche, H. Beschorner, A. Meiche, R. Becker.
Leipzig, Druck von B. G. Teubner. 1907. 88 S. 8".
Als im Jahre 1896 die Königlich Sächsische Kommission für
Geschichte begründet wurde, falste sie von vornherein als eine ihrer
wesenthchsten Aufgaben die Schaffung eines geschichtlichen Atlas
ihrer Gebiete ins Auge. Die Überzeugung, dafs nur auf diesem
Wege die meisten Fragen auf dem Gebiete der politischen wie der
Kulturgeschichte gelöst werden können und dafs alle historisch-
geographischen Arbeiten gröfseren Stils ohne entsprechende Speziai-
torschung auf kleineren Gebieten nur unvollkommene Ergebnisse
zu liefern im Stande sind, hatte schon früher die Rheinische Kom-
mission für Geschichte zu einem ähnlichen Unternehmen gedrängt
und ist seitdem auch anderwärts durchgedrungen. Freilich lehrten
die gemachten Erfahrungen, dafs alle solche Unternehmen umfassende
Vorarbeiten schwierigster Art voraussetzen. Dafs sich die Kom-
mission dadurch nicht abhalten liefs, das Werk mutig in Angriff zu
nehmen, ist vor allem das Verdienst ihres Geschäftsführers Prof. Lamp-
recht. Es ist ihm gelungen, eine Reihe tüchtiger Mitarbeiter zu
gewinnen, die verständmsvoll und opferwillig sich der scheinbar
undankbaren Arbeiten unterziehen. Eben weil man voraussichtlich
erst nach langen Jahren che Früchte dieser Arbeiten ernten vdrd, ist
es sehr dankenswert, dafs die Kommission die vorjährige Versamm-
lung Deutscher Historiker zum Anlafs nahm, um über ihre Pläne und
das, was zu deren Ausführung bi.sher geschehen, einen Überblick
in der uns vorliegenden Schrift zu geben. Prof. Kötzschke, der Vor-
stand des historisch-geographischen Seminars der Universität Leipzig,
leitet sie mit einigen Bemerkungen über die Eigenart der zu lösen-
den Aufgaben ein. Die machtvolle Herrschaft des Hauses Wettin
führte zu einer Konsolidation der altgeschichtüchen Territorien, die
ihre ursprüngliche Gliederung zurücktreten liefs hinter einerim späteren
Mittelalter geschaffenen und bis ins 19. Jahrhundert fortbestehenden
administrativen__Einteilung; von dieser, von den Ämtern, mufs man
ausgehen, die Ämter aber, anfangs vielleicht geschlossene Bezirke,
später aber durch Vergabungen mancher Art vielfach zerrissen, lassen
sich nur feststellen, wenn man die kleineren und kleinsten Raum-
gebilde, aus denen sie sich zusammensetzen, die Siedelungen, die
Ortsfluren, untersucht. Mit den vergleichsweise reichen Quellen, die
dafür zu Gebote stehen, beschäftigt sich der erste Hauptabschnitt
des Schriftchens, H. Beschorner gibt einen Überblick über die seit
dem 16. Jahrhundert entstandenen Risse und Karten der sächsischen
Lande, sofern sie für die Lösvmg der Aufgaben von Bedeutung sind;
in erster Linie stehen die Aufnahmen von Matthias Oeder, die von
August dem Starken angeregten kartographischen Arbeiten Zürners
und anderer, die für weitere Kreise im Schenckschen Atlas nieder-
gelegt wurden, und die hauptsächlich durch den sächsischen General-
stab seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ausgeführte vmd noch jetzt
tortgesetzte topographische Landesaufnahme, deren Hauptergebnisse
die Oberreitsche Karte, die sog. Generalstabskarte 1 : 100 000 und die sog.
Topographische Karte i : 25000 sind. Zur Ergänzung dieser kartogra-
phischen dienen die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichenden historisch-
statistischen Quellen^ die Kötzschke knapp und klar zusammenstellt
Ein zweiter Abschnitt beschäftigt sich dann mit den historisch-geo-
graphischen Unternehmungen der Kommission selbst. Die Einleitung
Literatur. 169
Bildete die Herstellung von „Grundkiirten" im Malsstabe von i : 100 000
(mit Flurgrenzen), die als zeichnerische Unterlage für alk? Arbeiten
unentbehrlich waren; darüber berichtet Kötzschke. Man suchte dann
durch Fragebogen, P^intragung historisch-geographischer Einzelheiten
in den Karten 1 : 25000, eine planmäfsige Sammlung von Flurnamen
und die kostspieligen, aber reiche Früchte versprechenden photogra-
pliischen Reproduktionen sämtlicher Flurkrokis das Material bis ins
Detail zusammenzubringen, eine Arbeit, die freilich noch geraume Zeit
in Anspruch nehmen wird, bevor sie als abgeschlossen gelten kann, und
über cfie Beschorner uns Mitteilungen macht. Die Bearbeitung eines
die verschiedenartigen Typen der Fluranlagen veranschaulichenden
Atlas hat Kötzschke übernommen. Von grofser Wichtigkeit ist das
historisch-geographische Ortsverzeichnis, ein ebenfalls noch eine
Reihe von" Jahren beanspruchendes Unternehmen, über das der von
O. Mörtzsch und G. Pilk unterstützte Bearbeiter A. Meiche berichtet.
Der kirchlichen Geographie unserer Lande endlich verspricht die von
R. Becker übernommene Beschreibung der Bistümer Meifsen und
Merseburg feste Grundlagen zu geben. Es ist ein kühnes, aber durch-
aus aussichtsvolies Unternehmen, das sich die Kommission vor-
o;enommen und in umsichtiger Weise vorbereitet hat. Möchte es den
Mitarbeitern bescliieden sein, das grofse Werk bis zu Ende durch-
zuführen.
Dresden. Ermisch.
Briefwechsel des Herzogs Christoph von Württemberg. Im Auftrage
der Kommission für Landesgeschichte herausgegeben von Viktor
Ernst. Dritter Band: 1555. Vierter Band: 1556—1559. Stuttgart,
W. Kohlhammer. 1902, 1907. LXVIII, 419; LIV, 747 SS. 8".
Über die beiden ersten Bände dieses Unternehmens habe ich in
dieser Zeitschrift XXII, 38oft'. berichtet. Die Fortsetzung, welche
jetzt in zwei weiteren Bänden vorUegt, hat für die sächsische Ge-
schichte eine erheblich gröfsere W^ichtigkeit. Denn im Vordergrunde
stehen Fragen, welche den gesamten deutschen Protestantismus be-
trafen, in welchen auch Kurfürst August eine bedeutende Rolle
spielte Der Briefwechsel mufs deshalb auch die damaligen Be-
ziehungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Sachsen und
Württembero; berücksichtigen und vielfach in ein helleres Licht
setzen. Leider wird jedoch nach dieser Richtung der dritte Band
einigermafsen dadurch beeinträchtigt, dafs Ernst auch für diesen die
kursächsischen Reichstagsakten nicht herangezogen hat. Darunter
leidet vor allem die Beurteilung des Verhaltens, welches Kurfürst
August beim Abschlufs des Augsburger Religionsfriedens einnahm.
Ich will, um nicht blofs zu tadeln, sondern auch neue Anregungen
zu geben, den Mangel an einem konkreten Beispiel vergegenwärtigen.
Die gegensätzhche Anschauung Augusts und Christophs vom Werte
de^ Rehgionsfriedens tritt besonders scharf im Mai 1555 zutage. Da-
mals hatten die evangelischen Mitgüeder des Fürstenrats mit den
welthchen Katholiken einen Kompromifs verabredet, welcher dem
kursächsischen Bevollmächtigten Lorenz Lindeman nicht gefiel, und
dieser bewog seine Glaubensgenossen im Fürstenrat, von der Ver-
einbarung zurückzutreten. Schwabe (in dieser Zeitschrift X, 263 f.)
und ich in meiner Monographie konnten natürlich über diese Vor-
gänge nicht mit der Ausführlichkeit berichten, mit welcher sie in
den kursächsischen Papieren behandelt sind. Infolgedessen bringt
lyo Literatur.
auch Ernst zu uns beiden keine Ergänzungen, sondern schildert auf
Grund seiner allgemeinen Wahrnehmungen mit den Worten (S. L):
„Manches, was vom Standpunkte der fürstlichen Augsburgischen
Konfessionsverwandten aus nicht viel Bedenken erweckte, mulste für
sie (die kursächsischen Gesandten) ein Greuel sein." Auch auf
Seite 185, wo er nochmals auf das Thema zurückkommt, spricht er
darüber ganz summarisch. Nun sind gerade die Dresdner Reichs-
tagsakten für die Beurteilung der kursächsischen Politik sehr er-
giebig. Zunächst lagert im zweiten Bande derselben El. 281 ff. der
Entwurf des Religionsfriedens, wie er sich nach den Kompromifs-
verhandlungen des Fürstenrats gestaltet hatte. Diesen Entwurf hat
Lindeman mit einer grofsen Anzahl eigenhändiger Randiiotizen be-
gleitet, und in diesen hat man wohl die erste Vorarbeit zu seinem
Eingreifen zu erblicken. Des weiteren berichten die Räte am 22. Mai
(ebendaselbst Bl. 343 If.) ausführlich nach Hause: „Wir haben inen
(den verabredeten Artikel über die Jurisdiktion) . . zeitlichen zu sehen
bekommen und haben derwegen mit den Sächsischen, Wlrten-
bergischen, Pommerischen und Pfalzgraven Otten Heinrichs allerlei
unterredet und vmsere Meinung inen auch angezeigt, das wir disen
Artikel im Eingang ansehen, das er gut genug sein mochte, auch ein
zimliche Versehung von der Jurisdiction machte, wiewol es clarer
sein solte, wan nit allein die Suspension gesetzt, sondern die Vor-
ordnung, wie es die A. C. V. damit machen wurden, also rein gestalt
wurde, das inen solchs freistehen und nachgelassen sein solte, wie
wir dan in unserm Rath solchs mit disen Worten gemeint ,Cere-
monien, Kirchenordnungen etc., so sie aufgericht oder nachmals auf-
richten möchten', wiewol sie auch etwas unclar, dieweil keine Speci-
fication der Jurisdiction gescheen. Wan aber diselbige vorgehende
Wort steen blieben und dise Clausel auch volgt, so solte es unsers
Erachtens desto besser sein. Aber der Anhang von Stedten hat uns
angeseen, das er keineswegs zu udlligen, aus Ursachen, das dadurch
non tantum tacite, sondern auch öffentlichen und expresse nachgeben
wurde, die Abgotterei zu leiden, zum anderen, das auch den Stedten,
so zu uns treten Avolten, dardurch der Zutritt ganz gespert wurde.
Dan die Geistlicheit in denselbigen Städten, so nachmals zu uns
treten wolten, die Jurisdiction ganz hetten. Wan es nuen unvor-
andert bleiben solte, so konte wider Pfarren noch Schulen bestalt
werden. Zu dem dritten, so hette es auch ein sonderlich Bedenken
mit den bischoflichen Stedten, Flecken und Oertern, die in deren
Landen gelegen, so zu uns treten wolten. Dan wan sie in denselbigen
gleich den Schutz über Gericht und anders hetten, dieselbigen auch
mitten in iren Landen gelegen, so musten .sie doch die Abgotterei
gestatten samljt andern." Hierauf folgt ein ausführlicher Bericht
über die Abänderungsvorschläge, welche die Kursachsen gemacht
haben, und über die Einzelverhandlungen zwischen den kur-
sächsischen Räten und ihren Glaubensgenossen aus dem Fürstenrate.
Es ist naturgemäfs, dafs Lindeman und seine Kollegen diesen mit
Erfolg gekrönten Verhandlungen in ihren Gesandtschaftsberichten
ein gröfseres Gewicht Ijeilegten als die württembergischen Räte, die
den ganzen Hergang mehr als eine ihnen nicht besonders angenehme
Episode betrachteten. Dadurch mufs sich aber für jemand, der sich
an die weniger redselige Seite hält, ein unvollständiges Bild des
Vorfalls ergeben.
Übrigens schliefst die Nichtbenutzung des Dresdner Archivs
nicht aus, dafs auch der dritte Band von Ernsts Publikation für die
Literatur.
171
kursächsische Politik manche wertvollen Beiträge enthält. Das ergibt
sich schon rein äulserUch. Wir besafsen zur Geschichte des Augs-
burger Religionsfriedens, welcher seine Entstehung doch vor allem
den all>ertinischen Bemühungen verdankt, keine eigene neuere Akten-
veröffentlichung. Der vierte Band der Druffelschen Edition erstreckt
sich bekanntlich auf die ganze Zeit von 1552 bis 1555 und verfährt
um so summarischer, je mehr er sich dem Ende nähert. Deshalb
ist es sehr dankenswert, dafs gerade die Schlufspartieen von Druffeis
Beiträgen durch Ernst wesentlich ergänzt werden. Dadurch, dafs
Ernst auch die kurmainzischen Akten herangezogen hat, die ich
freilich ebenfalls schon für meine Darstellung ausgebeutet habe, ist
auch seine Arbeit nicht einseitig nur dem Fürstenrate zu gute ge-
kommen.
Im vierten Bande hat Ernst den in den ersten drei begangenen
Fehler vermieden und die Archive von Marburg, Dresden, Berlin,
Weimar und München, also sämtliche wichtigeren evangeUschen
Archive benutzt. Dadurch steht auch der vierte Band erheblich
über seinen Vorgäno;ern. Denn so viel ich weifs, war noch keiner
der Forscher, die sich mit den auf den Religionsfrieden folgenden
Jahren beschäftigt haben, in der Lage, sich auf ein so vielseitiges
Aktenmaterial zu stützen. Das ist aber gerade für die Behandlung
der Zeit unmittelbar nach 1555 \\'ichtig. Denn bekanntlich stand
damals im Vordergrunde des Interesses die Frage, wie die Meinungs-
\ erschiedenlieiten innerhalb des deutschen Protestantismus aus-
geglichen werden sollten. Hierbei kommt es vor allem darauf an,
die Sonderstandpunkte und abweichenden Bedürfnisse der einzelnen
evangelischen Fürsten und Gruppen kennen und würdigen zu lernen.
Denn wenn man sich hierfür nur auf ein eng abgegrenztes Material
stützt, läuft man Gefahr, die Motive eines Teiles der damaligen
Protestanten durch die Brille der mit ihnen nicht völlig einverstan-
denen Glaubensgenossen anzusehen. Unter diesem Mangel hat be-
sonders die Beurteilung des kursächsischen Verhaltens gelitten.
August hat sich gegen die Versuche, die deutschen Protestanten zur
Verteidigung gegen die Katholiken zu einigen, am sprödesten gezeigt,
und da besonders aus dem Marburger Archiv wichtige Darstellungen
und Veröffentlichungen hervorgegangen sind, so sieht man clen
Albertiner noch heute vielfach als den Störenfried im Emporsteigen
des Protestantismus an, ohne die speziellen für den Dresdner Hof
mafsgebenden Erwägungen, wie sie nur aus den kursächsischen
Akten erkenntlich sind, zu beilicksichtigen.
Nun liegt es freilich auf der Hand, dafs eine sehr einschneidende
Korrektur dieses Bildes nicht gerade von einer Arbeit erwartet
werden darf, in deren Mittelpunkt Herzog Christoph von Württem-
berg, ein Haupturheber der von Kursachsen Ijeanstandeten kur-
pfälzischen Unionsbestrebungen, steht. Aber ohne Berücksichtigung
der Dresdner Akten würde eine so ausführliche Puljlikation wie die
von Ernst wesentlich dazu beigetragen haben, das ungünstige und
einseitige Bild der kursächsischen Politik wesentlich zu verschärfen,
während jetzt doch auch die Gegenpartei zu Geliör kommt.
Die wichtigsten Neuigkeiten des vierten Bandes sind die Akten-
stücke über den Frankfurter Fürstentag von 1557. Von demselben
wufste man trotz der reichhaltigen Literatur bisher recht wenig.
In der Hauptsache war nur der endgültige Abschied und ein Sonder-
gutachten des Regensburger Theologen Nikolaus Gallus bekannt.
Von der Meinungsäufserung der anderen geistlichen Teilnehmer,
172
Literatur.
gegen welche sich das Sondergutachten richtete, und überhaupt vom
ganzen Verlaufe der Verhandlungen war so gut wie nichts bekannt.
Die Lücke wird durch Ernst genügend ausgefüllt. Jetzt gewinnen
wir einen sicheren Wegweiser durch die Verhandlungen dank dem
aus dem Amberger Kreisarchiv entnommenen pfalzzweibrückischen
Protokoll, und dadurch sind wir imstande, die verschiedenen un-
datierten Gutachten wenigstens annähernd zu bestimmen und ein-
zureihen. Auch zum zweiten Frankfurter Fürstentag von 1558 er-
halten wir einen neuen Beitrag, indem ein württembergisches Gut-
achten, welches ich als Beilage zu einem Schreiben an August vom
31. Januar 1558 vorgefunden und demgemäfs verwertet hatte, von
Ernst als Bestandteil der Verhandlungen im März aufgefafst wird.
Für die Richtigkeit dieser Vermutung spricht abgesehen von den
durch Ernst vorgetragenen Gründen die Tatsache, dals den Frank-
furter Beratungen ein württembergischer Ent^vurf vorgelegen haben
mufs, dem aber dann Melanchthons Bedenken vorgezogen wurde.
Freiburg- B, Gustav Wolf,
Johannes Mathesius, Ausgewählte Werke. Dritter Band : Luthers Leben
in Predigten. Nach dem Urdruck. Kritische Ausgabe mit Kom-
mentar von Prof. Dr. Georg Loesche. Zweite verbesserte und ver-
mehrte Auflage mit 3 Porträts. Vierter Band: Handsteine. Her-
ausgegeben, eingeleitet und erläutert von Dr. Georg Loesche. Mit
zwei Lichtdrucktafeln. [Auch u. d. T. : Bibliothek Deutscher Schrift-
steller aus Böhmen. Herausgegeben im Auftrage der Gesellschaft
zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in
Böhmen. Band IX und XIV.] Prag, J. G. Calvesche, k. u. k. Hof-
u. Universitäts-ßuchhandlung (Josef Koch). 1904 u. 1906. VI, 704;
XXIV, 619 SS. 8".
Nach wenigen Jahren hat Loesches Ausgabe der Lutherpredigten
eine neue Auflage erlebt; in stattlichem Gewände ist sie erschienen.
Narnenthch die Anmerkungen haben in der neuen Form wesentlich
an Übersicht gewonnen. Hinzugekommen ist auch ein zweites Bild
des Predigers aus der Kirche zu Prieisnitz bei Borna, wo der Patron,
Hans von Einsiedel, zwischen 1571 und 1630 32 Porträts aus der
Reformationszeit gesammelt hat. Der Inhalt des Buches hat eine
wesentliche Bereicherung erfahren. Die neueste Literatur ist sorg-
fältig benützt und verzeichnet worden. Dies tritt schon in der Ein-
leitung hervor; auch stilistisch zeigt sie eine wohlerwogene Durch-
arbeitung. Bezüglich der Anmerkungen, die auf 160 Seiten an-
gewachsen sind, sei auf sprachlich genauere Erklärungen, bestimmte
Datierung der einzelnen Ereignisse, nähere Bezugnahme auf die Zeit-
geschichte und literarische Erscheinungen aufmerksam gemacht. Das
Personen- und Ortsregister weist neue Namen auf.
Die Handsteine bieten eine Reihe von Predigten, z. B. eine
Schulpredigt (S. 31 — 54); von den Majestätsreden wird die zur Königs-
krönung Maximilians IL hier zum ersten Male abgedruckt; die Predigt
über den 130. Psalm „De profundis" fesselt durch die Erinnerung
des Predigers an seine Frau und Töchter. Aus der Bergpostille
oder Sarepta, die nach ihrem Erscheinen nicht weniger als 14 Auf-
lagen in 18 Jahren erlebte, hat der Herausgeber neben der Vorrede
die zweite und dritte Predigt wegen des technischen, kultur- und
ortsgeschichtlichen Interesses gewählt, dazu die Rede vom Glas, da
Literatur, l'73
diese auch nocli in den neueren technischen Glasschriften mit An-
erkennung besprochen wird. Der Verfasser durfte sie im Januar 1564
Kiinig Maximilian II. zu Schlackenwerth überreichen. Die Eber-
briefe, meist aus der Nürnberger Stadtbibliothek, führen eine Reihe
persönlicher Momente vor. Zu Petrus Dresdensis S. 36 und 627 ist
jetzt der Aufsatz von Otto Meltzer in dem neuesten Hefte der
Dresdner Geschichtsblätter zu vergleichen.
Leipzig, Georg Müller,
Kriegsbaumeister Graf Rochus zu Linar, sein Leben und Wirken. Von
Richard Korn. In der Hauptsache nach archivalischen Quellen be-
arbeitet. Dresden, C. Heinrich. O.J. [1905]. XIII, 140 SS. 8".
Die alten vorherrschenden Geschlechter der Niederlausitz sind
alle erloschen oder aus dem Lande gewichen, neue FamiUen haben
die grofsen Herrschaften in Besitz genommen, vinter ihnen als Herrin
des schönsten Teiles des Spreewaldes die itaUenische Familie Lj-nar
zu Lübbenau, mit deren erstem Vertreter in Deutschland, dem Grafen
Rochus, sich die vorliegende Monographie eines Architekten, eine
Doktorarbeit der technischen Hochschule zu Dresden, befafst. Für
die Anfänge seines Helden (geb. 1525) war der Biograph aller-
dings in milslicher Lage; betreßs der Familienherkunft folgt er ledig-
lich der Tradition, die schon zu Rochus' Zeiten bei einzelnen Gegnern
Widerspruch fand (s. S. 65); aber auch für die französische Periode
1542—1568 sah er sich genötigt, sich auf spätere Darstellungen zu
stützen, nicht auf zeitgenössische Akten selbst. Lynars Hauptwerk
war der Bau der Zitadelle von Metz 1561— 1564. Aus seiner kurzen
Efälzischen Zeit ist wenig bekannt; bedeutend war sein Wirken im
»ienste des Kurfürsten August von Sachsen. Er beteiligte sich am
Bau der neuen Dresdner Festungswerke und der dadurch veranlafsten
Eindämmung der Elbe und Weifseritz. Als energischer, auf seines
Herrn Vorteil bedachter Beamter (seit 1569 war er als Oberbaumeister
bestallt) sah er selbst fleifsig überall zum rechten, kontrollierte die
Holz-, Stein- und andere Lieferungen und schritt kräftigst gegen
Unterschleife ein. Daher erwarb er bald Augusts volles Vertrauen,
der den vielgewandten Mann mit den verschiedensten Aufträgen
versah. Auf wiederholten Reisen besichtigte Lynar die Zeughäuser,
die kurfürstlichen Waldungen und Eisenhämmer und bemühte sich
überall um die Einführung eines leistungsfähigeren Betriebes; nach
seinen Vorschlägen und Entwürfen wurden Mühlen gebaut, Schleusen
für Holzflöfserei angelegt, Geschütze gegossen, Münzen geprägt,
Schlofsbauten unternommen oder fortgesetzt (besonders in Freiberg
und Augustvisburg). Auch poHtische Aufträge beschäftigten ihn ge-
legentlich. Solche Vielseitigkeit ist allerdings damals m'chts aufser-
gewöhnliches ; bei seinem Vorgänger Hans von Dehn-Rothfelser
finden wir ähnliches.
Nachreden und Beschwerden zahlreicher Neider und Gegner,
auch religiöse Bedenken des orthodox-lutherischen Kurfürstenpaares
gegenüber dem einstigen Hugenotten, erschütterten allmählich seine
Stellung, doch blieb Lynar in sächsischem Dienst, weilte aber vielfach
auswärts, denn mit Augusts Genehmigung stand er auch in einem
Dienste- erhältnis zur Kurpfalz, Hessen (Festuno;sbau in Kassel) und
Anhalt (Schlofsbau in Dessau). Alle diese Verpnichtvmgen nebst den
sächsischen behielt er auch bei, als er 1578 oberster Artillerie-, Zeug-
inA Literatur.
und Baumeister Johann Georgs von Brandenburg wurde. Aufser
Bauten an Schlössern, wirtschaftlichen Betrieben (Hammer- und Salz-
werken) sind seine Hauptwerke in brandenburgischen Diensten die
Festungswerke von Spandau (Zitadelle) von 1578 ab, vollendet 1593,
und die von Peitz in der Niederlausitz von 1580 ab; nebenher er-
ledigte er auch noch sächsische Aufträge, besonders nach Augusts
Tod unter Christian I., so bei dem weiteren Ausbau der Festung
Dresden und des Königsteins; ferner auch in Heidelberg, wo Korn
die Anlage des Fafsbaues und der grofsen Batterie durch ihn wahr-
scheinlich macht. 1593 wurde er Kommandant von Spandau und
starb als solcher am 22. Dezember 1596; seine Ruhestätte fand er
unter dem von ihm 1581 gestifteten Altar der dortigen Nikolai,
kirche.
Sein künstlerisches Können als Architekt war nach Korns Ur-
teil mäfsig, seine Bedeutung beruht in seinen fortifikatorischen Ar-
beiten. Zum besseren Verständnis dieser Leistungen schickt Koni
einen einleitenden Abschnitt über den Stand der Befestigvmgskunst
im 16. Jahrhvmdert voraus. Auch die zahlreichen Illustrationen (ein
Bild Lynars, Pläne, Baurisse u. a.) erhöhen in willkommener Weise
die Anschauhchkeit der Darstellung. Korn bedient sich stets der
Form Linar, weil Rochus selbst sich so geschrieben habe. Eine
solche Begründung mag gelten, wenn wir für eine Schreibung nur
ältere Zeugnisse der Zeit selbst haben und nicht wissen können, wie
sich der Name bis heute entwickelt haben würde. Wo aber der
heutige Familienname vorliegt, empfiehlt es sich nicht, archaistische
Formen auszugraben. Es wird z. B. schwerlich einem Historiker
beikommen, Herzog Georgs Räte Dietrich von Werthern und Hans
von der Planitz „Wertter" und „Plawnicz" zu nennen, weil sie sich
selbst so schrieben. Bei der Wiedergabe der Briefe und Aktenstücke
sind die wissenschaftlich anerkannten Editionsgrundsätze nirgends
beachtet, und das Verständnis wird dadvnxh gerade fürNichthistoriker,
die für diese Schrift sich interessieren könnten, nicht erleichtert; in
den französischen Texten ergeben sich dadurch Wortformen, die dem
Uneingeweihten rätselhaft erscheinen werden (z. B. S. 16 „duny" statt
„d'ung", „deux" statt „d'eux", „aure Celsitude" statt „a Votre Cel-
situde"). Die Anordnung ist rein chronologisch; die einzelnen Ar-
beiten, Aufträge, Pläne L^-nars, Ereignisse aus seinem Privatleben
usw., wichtiges und unwichtiges, alles geht bunt durcheinander (vgl.
z. B. S. 24). Wie viel klarer wäre Lynars militärische und technische
Bedeutung hervorgetreten, wenn Korn seine Tätigkeit an den einzelnen
Werken im Zusammenhang verfolgt und andrerseits die zahlreichen
wirtschaftlichen Einzelnotizen in sachlichen Gruppen (Berg- und
Hüttenwesen, Forstwirtschaft nebst Flöfserei usw.) zusammengefalst
und gewürdigt hätte. Nicht nur die Bedeutung Lynars wäre besser
hervorgetreten, sondern auch der wissenschaftliche Wert der fleifsigen
Studie wäre mehr zur Geltuno; gekommen. Zur Vervollständigung
seiner Angaben sei hier noch der Entlassung Lynars aus sächsischem
Dienste gedacht. Am 25. November 1591 erging an ihn aus Dresden
von der vormundschaftlichen Regierung die Mitteilung, er sei bisher
bei Christian L „von Haus aus bestelt gewesen. Dieweil aber Seiner
Liebden nach sich gelassener junger Herschaft Notturft erfordert,
solche und dergleichen Dinstbestallungen soviel mugelich einzuziehen,
als wollen wier (der Kuradministrator Herzog Friedrich Wilhelm von
Sachsen -Alten bürg) .... euch eure gehapte Dinstbestallung himit
aufgekundigit haben, gnedigst gesinnende, ihr wollet dieselbe dem
Literatur. 175
in Vormundscliaft verordneten Cammermeister Gregor Unwirden
uberschicken, der hatt Befelich, euch dakegen euere gehapte Be-
soldunge, welche bil's ufs itzt furstehende Quartal Lucie betagt,
volgen'zu lassen . . . ," vgl.HStA. Dresden Cammercopial 1591 fol. 368.
Dresden. W. Lippert.
Fouque, Apel, Miltitz. Beiträge zur Geschichte der deutschen Romantik.
Von Otto Eduard Schmidt. Mit 12 Illustrationen und 2 Musikbei-
lagen. Leipzig, Dürr'sche Buchhandlung. 1908. 220 SS. 8".
Auf die Besuche Fouques, desVerfassers der„Undine", in Meifsen
und sein Verhältnis zu dem Komponisten Karl Borromäus von Miltitz
hat bereits Wilhelm Loose in seinem in den Mitteilungen des Ver-
eins für Geschichte der Stadt Meifsen (Bd. V, S. 330!) abgedruckten
Aufsatz: „Beziehungen deutscher Dichter zu Meifsen" hingewiesen.
Auf dieser Grundlage fufsend hat dann Schmidt im dritten Bande
seiner viel gelesenen „Kursächsischen Streifzüge" am Schlüsse des
Siebeneichen und Scharfenberg, „den Burgen der deutschen Roman-
tik", gewidmeten Abschnittes mit kurzen Worten an die Verbindung
dieser beiden Männer wieder erinnert und dabei auch des Leipziger
Rechtsgelehrten Johann August Apel, des Verfassers des Gespenster-
buches, und des Malers Moritz Retzsch gedacht, die sich gleichfalls
wie jene tui dem romantischen Tun und Treiben auf Scharfenberg
beteiligten. Jetzt bietet er uns die schon von Loose erwähnten 53
ungedruckten Briefe Fouques an Karl Borromäus von Miltitz aus den
Jahren 1812 — 1818, die sich im Archive des Siebeneichener Schlosses
erhalten haben und ihm von dem F'reifräulein Therese von Miltitz
zur Bearbeitung und Herausgabe übergeben wurden, und verbindet
damit die Mitteilung einer Anzahl von Briefen des Adressaten an
Apel und Retzsch, die durch Aufzeichnungen aus dem Siebeneichener
Familienarchiv ergänzt werden. Im ganzen sind es 77 bisher un-
gedruckte Briefe, die hier zum erstenmal veröffentlicht werden. Sie
werfen manches interessante Licht auf die mittlere Zeit der roman-
tischen Bewegung während der Freiheitskriege, die Schmidt zutref-
fend als die „heroische" bezeichnet und auf die Jahre von 1806 bis
1815 verteilt. Vor allem verbreiten sie aber einen neuen hellen
Schein über die Persönlichkeit Fouques, der gerade in den Jahren
1812 — 1815 den Höhepunkt seiner dichterischen Leistvmgen erreichte
und sich der Gunst der deutschen Lesewelt erfreute, während er im
Alter gegen Mifsachtung und Unverständnis seines Wesens vergeblich
ankämpfte. Schmidt nimmt sich seines Helden in der als Einleitung
vorausgeschickten Darstellung seines Lebens, die mancherlei Berich-
ti^ning "falscher Daten und anderer Ungenaviigkeiten bringt, auf das
Wärrnste an und versucht auch für seine dichterische Bedeutung
eine Lanze zu brechen. Unseres Erachtens vergebens. Das strenge
Urteil, das Goedeke im Grundrifs über Fouques romantischen Über-
schwang luid sein Nordlandsreckeutum gefällt hat, dürfte schlielslich
doch das Richtige treffen : Es wäre vergebliche Liebesmühe, wenn
sich, wie Schmidt wünscht, ein Bearbeiter linden sollte, der seine
Trilogie „Siguard", wenn auch in verkürzter Gestalt, auf die Bühne
brächte; der Erfolg würde ausbleiben, da unsere Zeit durchaus noch
nicht wieder so romantisch gesinnt ist, wie Schmidt im Eingang
seiner Darlegungen zu meinen scheint, wo sich auch die etwas kühne
Bemerkung befindet, dafs Novalis „wieder einer der gelesensten
Schriftstelfer" der Gegenwart sei. Davon kann im Ernste nicht die
jnß ' Literatur.
Rede sein. Die Wahrheit ist viehiiehr die, dals sich die Germanisten,
nachdem sie die Goethe-Schillerzeit so gründUch abgegrast haben,
dafs auf diesem Gebiete kaum noch etwas Neues zu holen ist,
nun notgedrungen der Zeit der Romantik zuwenden, und dals ein
verschwindend kleiner Bruchteil des Publikums sich dieser Bewegung
anschliefst. Je nachdem man nun die Dichtungen Fouques bewertet,
wird man auch die von Schmidt herausgegebenen Briefe in ihrer
Bedeutimg einschätzen. Viel neue Freunde werden sie dem Dichter
kaum gewinnen; dazu sind sie viel zu breit und weichlich und be-
rühren zu viele Dinge, die nur für den Spezialforscher von Interesse
sind. Dazu kommt, dafs Fouques Charakter nicht nur liebenswürdige
Seiten hatte. Das wufste er übrigens selbst und gestand es zu, in-
dem er einmal bemerkte, dafs er „der ungünstige Züge so gar sehr
viele in sich trage, die allesamt bei längerer Bekanntschaft heraus-
treten werden und heraustreten sollen." (S. 89.)
Auch die übrigen drei Freunde, Miltitz, Apel und Retzsch, die
in Schmidts Buch neben Fouque besonders behandelt werden, sind in
keiner Weise führende Persönlickkeiten ihrer Zeit gewesen. Miltitzens
Kompositionen haben sich nicht als lebensfähig erwiesen, und seine
Erzählungen und sonstigen poetischen Versuche sind ja nach Goe-
deke so flach und unbedeutend, wie' das meiste, was damals in
der Dresdner „Abendzeitimg" erschien, so dafs man sich nicht zu
wundern braucht, dafs sie in Vergessenheit geraten sind. Übrigens
stand Miltitz nicht blofs mit den von Schmidt auf Seite 55 erwähn-
ten Dresdner Persönlichkeiten in regem Verkehr. Auch der bekannte
Dr. Ubique, C. A. Böttiger, war mm näher getreten, da er wie
jener eine leitende Stellung in dem neu begründeten Verein für Er-
forschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer bekleidete.
74 Briefe von Miltitz an ßöttiger, die sich in dessen Nachlafs er-
halten haben, geben über die Beziehungen der beiden Männer Kunde.
Auch Apel, über dessen Leben und Dichtungen Schmidt seit dem
Erscheinen seines Buches neuerUch in den „Grenzboten" berichtet
hat, gehörte zu den Korrespondenten Böttigers. Er sandte ihm sein
Trauerspiel „Die Aitolier" zur Würdigung zu und liefs diesem ersten
Schreiben noch drei weitere folgen. Dem Maler Moritz Retzsch, der
in dauernder Verbindung mit der Familie Miltitz lebte, spendet
Schmidt viel Lob als einem „Meister des gemütvoll ausgeführten
Porträts". Wie weit er mit dieser Bemerkung Recht hat, Täfst sich
nach den beigegebenen Nachbildungen von Bildnissen dieses Künstlers
nicht entscheiden. Immerhin regen sich beim Betrachten dieser Proben
berechtigte Zweifel dagegen, und es fällt schwer, nicht an Über-
treibung zu glauben, wenn Schmidt sich auf S. 48 folgenderrnafsen
äufsert: „Das schönste Werk dieser Art von Retzsch ist das Ölbild
des ihm so befreundeten Miltitzschen Ehepaars, wie es, beide in alt-
deutscher Tracht, vor einem Söller des Scharfenbergschen Gartens,
so dafs das ScMofs den Hintergrund bildet, in die reich gegliederte [?]
Landschaft hinausschaut. Das stille, sinnige Wesen der schönen
Frau, die geistig erregtere, ein wenig lebhafte, fast nervöse Art des
Mannes — kurz das innerste Seelenleben der beiden Gatten ist auf
diesem Bilde mit solcher Treue und Tiefe gemalt, dafs es uns — ■
der höchste Triumph des Malers — im Innersten packt und zwingt,
den dargestellten Personen, ja sogar dem „Gehäuse ihres Daseins"
unsere lebhafteste Teilnahme zu schenken". Diese Kritik dürfte doch
wohl des Guten zu viel tun. Das Bildnis ist gewifs schon Avegen
seiner Steifheit in hohem Mafse für die Zeit seiner Entstehung
Literatur. l'j-y
charakteristisch, zeigt aber niclit nur in der Behandlung der Hämle
verschiedene zeichnerische Schwächen, sondern auch eine auffallende
Leere des Ausdrucks in den Gesichtszügen der Frau.
Radebeul. H. A. Lier.
Ferdinand von Rayski. Ein biographischer Versuch von Ernst Sigis-
mund. (Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. 20. Heft.)
Dresden, Wilhelm Baensch. 1907. VI, 86 Si>. 8".
Zur Kunstgeschichte Sachsens im neunzehnten Jahrhundert
liegt bis heute noch ziemlich wenig archivalisch und kritisch durch-
gearbeitetes Material vor. Man hat sich daran gewöhnt, immer nur
der Flugbahn der grofsen Planeten wie Rietschel, Schnorr, Semper,
I-iahnel mit den Augen zu folgen und das bescheidenere Funkeln
zu übersehen, das von der Schar der Gestirne zweiten und dritten
Ranges herrührt. LTnter diesen erkennen wir dem Helden der vor-
liegenden Lebensbeschreibung heute willig einen führenden Platz
zu. Den ]\Ialer Rayski, dessen Bildnisse auf der Berüner Jahr-
hundert-Ausstellung vor zwei Jahren als reife OiTenbanuigen eines
sfltenen Talentes begrüfst wurden, hat man, intra muros et extra,
seitdem immer wieder mit einer Verehrvmg genannt, die um so
leidenschaftlicher sich äufserte, je weniger man in das Dunkel dieses
Künstlerlebens sonst hineinzublicken imstande war. Eine Aus-
stellung, die darauf der Arnoldsche Kunstsalon veranstaltete, konnte
den einmal gewonnenen Eindruck wohl erweitern, aber nicht gerade
vertiefen. Man sah hier eine Künstlerpersönlichkeit von bemerkens-
werter Frische und Ungez\\aingenheit des malerischen Ausdruckes,
einen Porträtisten, der mehr hebenswürdig als tiefeindringend zu
charakterisieren weifs, der nicht immer mit Originalität, aber stets
mit Geschmack stellt und gruppiert, vor allem aber ein technisches
Können, das für die Zeit des niedergehenden Präraffaelismus , für
die Periode der Gedankenmalerei geradezu glänzend genannt werden
mufs. Denn das unstreitig bedeutendste der Rayskischen Porträts,
sowohl der Mache wie der Auffassung nach, stammt aus dem
Jahre 1843; '"nan weifs, was das heifsen wäll. Einen wirklich hervor-
ragenden Menschen konnte man hinter keiner der zahlreichen, dort
gesammelten Arbeiten vermuten; dazu waren ihre Werte zu ungleich,
war ihr Entwicklungsgang zu wenig ausgeprägt. Aber die Wieder-
eroberung dieses Meisters für den künstlerischen Besitzstand unseres
Landes konnte doch als ein wertvoller Gewinn gelten.
Dem fleifsigen Forscher, der um die Dresdner Rayski- Aus-
stellung von 1907 die gröfsten Verdienste hatte, danken wir die
gegenwärtige biographische Stvidie.» Sigismimd zeichnet mit sicheren
Strichen ein klares Bild von dem menschlichen und künstlerischen
Werdegang des jungen Oftiziers, der zum berufenen Schilderer der
sächsischen Aristokratie um die Jahrhundertmitte werden sollte.
Wichtig ist hier nach der eingehenden Darstellung seiner Familien-
verhältnisse, seiner ersten künstlerischen Versuche im Kadettenkorps
und auf der Akademie die Pariser Episode von 1834 35; wir ver-
mögen hier den Fäden zu folgen, die Rayskis Schaffen mit dem
der grofsen Franzosen, eines Delaroche und Horace Vemet, ver-
bindet. Seit 1840 in Dresden ansässig und dreifsig Jahre lang hier
und in der Umgegend tätig, gewinnt der Künstler, scheinbar spielend
und fast ohne Vorstufen, jene Sicherheit des malerischen Erlassens,
Neues Archiv f. S. G.' u. A. XXIX. I. 2. 12
178
Literatur.
die aus allen seinen Arbeiten spricht. Das berühmte Wildschwein-
bild von 1863 steht als malerische Leistung fast allein; um so er-
staunlicher ist sein Temperament, seine dekorative Gröfse und seine
farbige Geschlossenheit.
Sigismunds Arbeit, der mehrere Lichtdruckrejiroduktionen
wichtiger Bilder sehr zu statten kommen, hat den grofsen Vorzug
des ruhigen und, bei aller Wärme, objektiven Tones, der niemals
zvnn Panegyrikus wird. Um Rayskis Stellung im sächsischen Kunst-
und Gesellschaftsleben des neunzehnten Jahrhunderts richtig zu
verstehen, wird man stets zu ihr greifen müssen. LTnd bei der
s;rofsen Revision der neueren Kunstgeschichte, zu der jetzt allent-
halben Stoff zusammengetragen wirct, \vird man Ra3'ski von nun
an auch seinen fest umschriebenen Platz anweisen können.
Dresden. Erich Haenel.
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte, herausgegeben im Auf-
trage der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte von Franz
Dibelius und Theodor Brieger. 21. Heft. (Jahresheft für 1907.) Leip-
zig, Johann Aml^rosius Barth. 1908. III, 132 SS. 8°.
Während das Heft sich fast ausschhefslich mit der neueren und
neuesten Zeit beschäftigt, berührt der Herausgeber, Franz Dibelius,
das Mittelalter mit seiner „Anfrage, Gründonnerstag betreffend.''
Der Verfasser weist auf die ungelöste Frage der Entstehung und
Bedeutung des Namens hin. Zu erwähnen wäre noch des Dresserus
Deutung: Jovis dies, qui ex viriditate nominatus est der gruene
Donnerstag propter passum Christum perpetue florentem. Von Inter-
esse ist, dafs während des Mittelalters in Westfalen auch der Donners-
tag nach Ostern grüner Donnerstag genannt wurde. So heifst es
1393: to gronen donnersdaghe dey dar is dey nehste donnersdagh
na paschen, oder 1542: op gronen donderdag na paschen; die
Freckenhorster Nonnen bekamen an dem Tage groine pankoken,
wie es jetzt noch am Donnerstag vor Ostern in Westfalen üblich
ist. Vgl. Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der
Neuzeft. i. Band (Hannover 1891), S. 77. Auf der folgenden Seite
sind auch zahlreiche Beispiele für die Bezeichnung „Guter Donnerstag"
angeführt. In der Magdeburger Schöppenchronik heifsen die Tage der
Karwoche: Palmen, Middeweken darna, des guden donresdages, in
dem stillen fridage usw. In dem Mittelniederdeutschen Wörterbuche
von K. Schiller und A. Lübben, Bd. I (Bremen 1875), S. 540, wird der
Himmelfahrtstag Guter Donnerstag genannt. Zu vergleichen ist Kühl,
Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit S. 95. 103, Weiden-
bach, Calendai'ium historico-chrLstianum medii et novi aevi S. 196.
Zu der Anfrage über sächsische Volksgebräuche am Grünen Donners-
tage sei iiuf die Lausitzer Sitte verwiesen, Kinder mit Eiern zu
beschenken, die mit grünem Korne gekocht sind, Rapssalat zu be-
reiten, die Wohnung mit Weidenkätzchen zu schmücken und Honig
zu genielsen, letzteres, damit man nicht im neuen Jahre ein Esel
werde. — Frank Ludwigs, auf gründlichen archivalischen Studien
beruhende Arbeit „Zur Entstehungsgeschichte der Lokalvisitationen,
des ,Synodus' und des Oberkonsistoriums in Kursachsen" ist ein
Seitenstück zu der im vorigen Jahre erschienenen, umfangreichen
Studie über die Scliulordnung von 1580. Die neuere vuid neueste
Literatur ist sorgfältig benutzt. Hervorgeholten seien die ausgiebigen
Literatur. X79
MitteiIuno;en über Jakob Andrea als Verwaltungsmann. — O. Pinder
macht Mitteilunoen über die in der neuen Ausgabe der Sächsischen
Kirchengalerie in das Bereich unbeglaubigter Sagen verwiesene
Erzählung von der Rettung Pegaus 1644 vor Torstensons Zorn
durch das Lied „Wenn wir in höchsten Nöten sein". Auf die Frage
der Entstehung des Liedes und seines Verhältnisses zur Dichtung
des Camerarius geht der Verfasser nicht ein. Vgl. dazu Fischer,
Kirchenheder- Lexikon (Gotha 1878) S. 354 f. — Einen charakteristi-
schen Beitrag zur Predigtpolemik und geistlichen Standesgeschichie
bietet Ernst Otto mit seiner Darstellung des Streites zwischen Hue
und Hänichen. Bereits mehrfach in geschichtlichen Arbeiten gestreift,
werden die einzelnen Episoden hier auf grund der Akten eingehend
behandelt. Das Verzeichnis des benutzten handschriftlichen Materials
auf S. 122 zeigt, welche umfänglichen Unterlagen ausgebeutet worden
sind. — Aus Franz Blanckmeisters Artikel über "„Valentin Emst
Löscher und den Rat zu Dresden" sei der Satz herausgehoben: „Es
bestand zwischen dem Rate zu Dresden und dem ersten Geistlichen
der Stadt ein Vertrauensverhältnis wie zwischen dem Magistrat zu
Wittenberg und dem grofsen Reformator." — Mit Recht macht zuin
Schlüsse F. Dibelius auf Edmund Brückners .sorgfältige Schrift „Die
Glocken der Oberlausitz" aufmerksam.
Leipzig. Georg Müller.
Schloß und Amt Vogtsberg bis Mitte des 16. Jahrhunderts und das Erb-
buch vom Jahre 1542. Bearbeitet von f Dr. C. v. Raab. (Mitteilungen
des Altertumsvereins zu Plauen i. V. 18. Jahresschrift auf die Jahre
1907/08.) Plauen i.V., Druckerei Neupert. 1907. 526 SS. 8".
Diese letzte Arbeit des um die vogtländische Geschichte wohl-
verdienten, unterdessen leider verstorbenen Verfassers bietet eine
grlnidJiche Geschichte des Amtes Vogtsberg bis um die Mitte des
16. Jahrhunderts als Einleitung zu einem Erl:)buch von 1542, das
S. 171— 451 in exten.so mitgeteilt wird. Durch urkundliche Beilagen,
ein Orts- und Personenregister und eine gute Karte ist die dankens-
werte Publikation auf jede mögUche Weise nutzbar gemacht.
Das Gebiet um Ölsnitz mit dem in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts erbauten Schlofs Vogtsberg war ursprünglich nicht
im Besitz der Vögte von Plauen; die Edlen von Strafsberg, die später
den Nanien ihres Schlosses Vogtsberg annahmen, trugen es von den
Land^afen von Thüringen und Markgrafen von Meifsen und diese
vom Reiche zu Lehen. Die Vögte von Plauen gelangten in den
Besitz der Herrschaft Vogtsberg erst 1327 durch das Eingreifen des
Königs Johann von Böhmen, bei dem sie Rückhalt gegen die Wet-
tiner fanden. Diese haben jedoch 1356 im vogtländischen Kriege
Vogtsberg mit Ölsnitz eingenommen und seitdem behauptet. Der
lange Vogt von Plauen, Heinnch der Ältere, vertauschte am 3 1 . Ok-
tober 1357 auch seine sonstigen vogtländischen Schlösser und Güter,
darunter Adorf und (Mark) Neukirchen, an die Wettiner, und diese
sicherten durch ein Bündnis mit Kaiser Karl IV. vom i. März 1358
ihren gesamten Erwerb ; er bildete im wesentlichen später das Amt
\'ogtsberg.
Über die Verwaltung des Amtes geben für die älteste Zeit ein
Wirtschaftsbuch des Vogtes Jan Rabe von 1383 bis 1386, Abrechnungen
12*"
1 8o Literatur.
aus den Jahren 1389 bis 1405 und ein Rechnungsbuch des Vogtes
Hans von Heyde aus den Jahren 1403 bis 1405 Auskunft. Dann wurde
das Amt verpfändet und erst 1447 von Kurfürst Friedrich wieder
eingelöst. Eine Reihe von weiteren Verpfändungen fand 1471 ihren
Abschlvifs durch Bestellung Hermanns von Weifsenbach zum Amt-
mann. Seine Nachfolger verwalteten seit 1477 auch die Ämter Plauen
imd Pausa, doch wurde dieses 1488 wieder selbständig gemacht. Für
die Wirtschafts- und Kanzleiangelegenheiten wurde gegen Ende des
15. Jahrhunderts ein neuer Beamter, der Schösser, in die Amtsver-
waltung eingefügt. Aber während der erste Schösser von Plauen,
Jobst Krefs, sich als sehr tüchtig vmd umsichtig erwies, war der
Vogtsberger Schösser Johann Müller seiner Aufgabe in keiner
Weise gewachsen. Die Verwaltung des Amtes geriet bedenklich
in Unordnung, und erst mit dem 1510 eingewiesenen Schösser Leon-
hard Engelschall, der die Amts\virtschaft völlig umgestaltete, be-
gannen wieder gedeihliche Zustände. Unter ihm ist auch die An-
lage des Erbbuches erfolgt, in Ausführung einer Verordnung, die
in den ernestinischen Landen schon vor 1 506 ergangen sein mufs.
Aber während aus Plauen und Pausa Erbbücher schon aus diesem
Jahre vorhanden sind, zog sich in Vogtsberg das Unternehmen Jahr-
zehnte lang Irin.
Bei Engelschalls Amtsantritt war ein Erbbuch schon „mehr als
zum halben Teile fertig gemacht", aber wir erfahren 24 Jahre lang
nichts von dem Fortschreiten der Arbeit. Erst aus dem Jahre 1534
liegt ein Erbbuch vor, das nicht mehr wie die Erbbücher aus dem
Anfang des Jahrhunderts auf Pergament, sondern auf Papier ge-
schrieben ist. Abermals ist dann das Erbbuch 1542 neu angelegt
und um 10 Kapitel vennehrt worden. Eine kurz nach 1546 angefertigte
Abschrift davon, wahrscheinlich die für die kurfürstliche Kanzlei
bestimmte Reinschrift des Originals, befindet sich im Dresdner Haupt-
staatsarchiv und ist der Publikation von Raabs zu Grunde gelegt
worden. Die 1542 neu hinzugefügten Kapitel füllen darin die Blätter
391 bis 442. Eine zweite Abschrift, 1904 vom Amtsgericht Ölsnitz
dem Hauptstaatsarchiv überwiesen, ist veniiutlich gelegentlich der
Umschreil3ung der Erbbücher um das Jahr 1591 entstanden.
Das langsame Fortschreiten der Arbeit am Vogtsberger Erb-
buch war wohl zum guten Teil verursacht durch den Widerstand,
den der Adel den landesherrlichen Bestrebungen entgegensetzte. Von
Anfang an stand allenthalben die sächsische Ritterschaft den Er-
hebungen, die für die Erbliücher von den Amtleuten angestellt
wurden, mit feindseligem Milstrauen gegenüber. Schon seit 1506
beschwerte sie sich im Amte Coljurg mehrfach, dafs die Schösser
und Kastner die Angesessenen nach ihren Gütern frugen, um sie in
die neuen Erbbücher einzutragen, und 1531 werden Klagen der
Ritterschaft über die Einführung der Erbbücher auf dem Landtag
verhandelt. Im Amt Vogtsberg beteiligte sich auch die Stadt Ölsnitz
an dem Widerstand. Der Schösser mufs am 7. Juni 1544 dem Kur-
fürsten berichten, er sei bei Abfassung der Erbbücher erst wegen
der Obergerichte mit etlichen vom Adel, dann mit der Stadt Ölsnitz
in Streit geraten und könne in Enuanglung einer Entscheidung über
die streitigen Punkte die Bücher nicht vervollständigen. Gleichwohl
habe er sich die Ungunst und Feindschaft derer vom Adel und
anderer Amtsverwandten zugezogen, so dafs er gezwungen sei, sich
einen anderen Wohnsitz zu suchen. Und er habe in die Erbbücher
doch nur das geschrieben, was er „mit bestendigem grünte erfaren
Literatur. " i8i
und mit Junten 5ie\vielscii kegen den ewigen got mein untertenigen
schuldigen pflichten nach zu verantworten wisse" (S. 120).
Dals diese Klage nicht unbegründet gewesen sein kann, zeigen
die Angaben des Erblniches iÜDer den Ritterdienst. Zum Vergleich
mit ihnen hat v. Raali (S. isaft.) drei Listen der Vogtsberger ehr-
baren Mannschaft von 1445, 1447 und 1463 herangezogen^ Der Schösser
Engelschall besafs von ihnen keine Kenntnis, erklärt vielmehr (v. Raab
S. 195), er habe über die Ritterdienste „in annehminge seines dinsts
gar nichts befunden, sich aber des bey den eltisten vom adel er-
kundet", insbesondere den Umfang des' ritterlichen Aufgebotes für
den Reichskrieg gegen Karl den l\ühnen 1475 festzustellen gesucht.
Der so erzielte Ansatz weist 49' ., Ritterpferde auf gegen 66 im Jahre
1447 '•Uitl 57 im Jahre 1463. Die seit dieser Zeit nachweisbaren Ver-
änderungen im ntterschaftlichen Besitz durch Veräufsemng und Über-
gang an eine andere Landes- oder Amtsherrschaft gleichen sich un-
gefähr aus. Das Aufgebot von 1475 war von dem Schösser demnach
mit 49' 2 Pferden sicherlich nicht zu hoch angesetzt und stellte ja
gegenüber dem von 1447 schon eine bedeutende Ermäfsigimg dar.
Gleichwohl erhob die Ritterschaft gegen die Aufstellungen des Erb-
buches Einspruch, der zu langwierigen Auseinandersetzungen führte,
obwohl seine rechtliche Unhaltbarkeit durch die Listen des 15. Jahr-
hunderts zum Teil ohne weiteres nachgewiesen werden kann.
Jedenlalls hat die Ritterschaft durchzusetzen gewufst, dafs ihre
Leistungen für den Staat nach dem niedrigsten im 15. Jahrhundert
erreichten Ansatz im Erbbuch festgelegt wurden. Dagegen haben
die Leistimgen der bäuerlichen Bevölkerung, wie v. Raab S. 80 ff. an
der Hand der Rechnungen darlegt, seit der Mitte des 15. Jahrhunderts
eine fortdauernde Steigerung erfahren. Der Haferzms ist von
87 Scheffel im Jahi-e 1448 auf 145' ,> Scheffel im Jahre 1471 gestiegen.
Seitdem erschemt ein neuer Haferzins, der 258 Scheffel einträgt, neben
dem alten. Schon seit 1478 wurden beide als einheitliche Abgabe,
die 403' .3 Scheffel bringt, in den Rechnungen geführt. 1488 ist sie
auf 497 Scheffel gestiegen, 1504 wieder auf rvmd 400 Scheffel ge-
sunken und hat sich unter Engelschalls Amtsfühnmg auf dieser Höhe
gehalten. Ferner wurde seit 1449 die Haferlandbede erhoben, in den
ungeraden Jahren die kleine, die rund 70 Scheffel, in den geraden
lahren die groise, die rund 540 Scheffel eintmg. Zu dieser Hafer-
bede hatten nur die Erbleute des Amtes beizutragen, die Hinter-
sassen des Adels waren von ihr befreit. Drittens^ endlich wurde
neben dem in Geld entrichteten Erlizins, der rund 33 Schock Groschen
eintrug, .seit 147 1 ein neuer von rund 29 Schock erhoben; seit 1478
bilden beide in den Rechnungen nur einen Posten \on nnid 70 Schock.
Zur Einfühnmg der Landbede haben offenbar militärische Bedürf-
nisse während des Bruderkrieges den Anlal's gegeben. Die neuen
Auflagen des Jahres 147 1 dagegen sind wohl mehr dem landcsfürst-
lichen Bestreben entspnmgen, die Einkünfte des Landes durch eine
geordnete Verwaltvmg möglichst zu steigern.
Noch sei hervorgehoben, dafs das zweite, die geistlichen Lehen
behandelnde Kapitel des Erbbuches vorreformatorische Zustände
wiedergibt (vgl. v. Raab S. 135 ff".). Auch darin tritt zu Tage, dafs
schon die Niederschrift von 1534 auf älteren \'orarbeiten fufst, wie
das ja nach der oben mitgeteilten Entstehungsgeschichte des Buches
angenommen werden mufs.
Utrecht. O. O p p e r m a n n.
iSz Literatur.
Die mittelalterliche Baukunst Bautzens. Von Dr. ing. Fritz Rauda,
Architekt. Herausgegeben von der Oberlausitzischen Gesellschaft
der Wissenschaften zu Görlitz. 1905. XI, 99 SS. 8".
Die Erforschung der Baudenkmäler fordert die Kenntnisse des
Kunstgelehrten wie cles Architekten. Archivalische Studien und die
Anschauung der Bauwerke allein werden in den seltensten Fällen
zum Ziele führen', meist wird die bautechnische Prüfung herange-
zogen werden müssen, um ein brauchbares und lückenloses Ergebnis
zu erhalten. Wie wertvoll sie für den einzelnen Gegenstand werden
kann, beweist die Arbeit von Rauda über die mittelalterliche Bau-
kunst Bautzens. Durch mannigfache Brände und Zerstörungen in
Kriegszeiten sind die Archive dieser Stadt so heimgesucht worden,
dal's kavmi ein nennenswerter Rest auf uns gekommen ist. Der Ver-
fasser fand deshalb nur wenige handschriftliche Quellen und Urkunden
über bauliche Vorgänge vor und sah sich genötigt, die einzelnen
Bauwerke vor allem nach Konstruktion und m formaler Hinsicht zu
prüfen, um über ihre Entstehung Klarheit zu erlangen.
Dieser bei den schon vorhandenen Beschreibungen der Stadt
und ihrer Baudenkmäler bisher noch niemals eingeschlagene Weg
führte zu einer Reihe sehr wertvoller und überraschender Ergebnisse.
Nach einer kurzen Schildenmg der Entvvickelung des alten Budissin
mit seinem noch heute überaus malerischen und mittelalterlichen
Stadtbilde beginnt Rauda seine Untersuchungen an der Schlofs-
kapelle, einem reizvollen W^erke mittelalterlicher Baukunst mit be-
sonders schöner Gewölbebildung, die Anklänge an die Albrechtsburg
in Meifsen vmd die Kunst Arnolds von Westphalen verrät. Auch
die Prolilljildung der Türumrahmungen mit der oft vorkommenden
Doppelkehle und der Brüstungssims der Empore weisen dorthin.
Weitere Ähnlichkeit mit Profilen und Steinmetzzeichen an der heutigen
Kreuzkapelle zu Görlitz scheint für den dort beschäftigt gewesenen
Konrad Pflüger, einen Schüler Arnolds, zu sprechen. Allein die
Ornamentation widerspricht dem, und Rauda kommt zu dem Ergebnis,
dafs ein am Rathaus zu Breslau beteiligter Künstler der Meister der
Schlofskapelle sein mufs.
Der Mönchskirche, einer zum Franziskanerkloster gehörigen,
heute leider fast gänzlich verschütteten Kirchenruine, die erst durch
Ausgrabungen freigelegt werden mufste, wendet der Verfasser sich
weiter zu und gibt uns eine Rekonstruktion dieses Bauwerkes. Für
die Datierung sind in erster Linie die Baustoffe von urkundlicher
Bedeutung. Die Mauertechnik unter Vei^wendung von Bruchstein-
mauerwerk mit Backsteineinfassung, ebenso die Profile der Gewölb-
rippensteine, geben wertvolle Aufschlüsse. Der Grundrifs wird auf
diese Weise mit grolser Wahrscheinlichkeit festgelegt, während für
den Aufrifs, namentlich die Bildung des Querschnittes, nur Ver-
mutungen ausgesprochen werden können. Bei dem Dome, wohl
dem interessantesten mittelalterlichen Bauwerke Bautzens, unter-
scheidet Rauda vier Bauperioden, zwei frühgotische und zwei spät-
gotische. Als alte Anlage, der auch der Turmquerbau angehört,
wird von ihm ein annähernd quadratisches, dreischiffiges Langhaus
mit drei Gewölbejochen angenommen. Durch einen Erweiterungsbau
wird das Langhaus später vierschiffig, bis in der zweiten Hälfte des
fünfzehnten Jahrhunderts der alte Chor abgebrochen wird und an
seiner Stelle ein Neubau in der Breite des ersten dreischiffigen
Langhauses unter eigentümlicher Axenbrechung entsteht. Für den
Literatur. 183
Turm von „oranitner Monumentalität, prächtig ergänzt und zu
schlanker Wirkung gebracht, durch den Haubenautsatz de)' Spät-
renaissance" nimmt Rauda den Meister Wolf zu Komitz (Kamenz)
als Erbauer in Anspruch.
Weitere A1)schnitte I)eschäftigen sich mit der Michaeliskirche,
Kikolaikirche, Liebfrauenldrche und den beiden Hospitalkirchen.
Auch hier geben die Baustoffe, die Prolilbildungen und aufgefundene
Steinmetzzeichen sichere Auskunft über die Entstehungszeit der
einzelnen Bauwerke. Im Schlufskapitel wird che bürgerliche Bau-
kunst Bautzens kurz betrachtet. Rauda kommt hier noch einmal
auf die von C'iurlitt und Brück angenommene Tätigkeit Konrad
Pflügers in Bautzen zurück und schreibt ihm den 1507 begonnenen
Neubau des Dekanatsgebäudes für Dr. Kaspar Emmerich zu. Eine
davon erhaltene Granittür weist zweifellos die Profilbildung dieses
Meisters auf. Unter den Befestigungsw-erken der Stadt wird die
malerisch an der Spree gelegene alte W'asserkunst besonders erwähnt,
und wir erfahren interessante Einzelheiten über die Konstruktion
und den Zweck dieses von W^enzel Röhrscheidt dem Älteren im
Tahre 1558 geschaffenen trotzigen Bauwerkes.
Die Abhandlung sttitzt sich auf ein sehr gewissenhaftes Quellen-
studium und eine sorgfältige Aufnahme der besprochenen Bauwerke.
Von verschiedenen erhalten wir nach des Verfassers eigenen Auf-
messungen und Skizzen zum ersten Male sichere Grvmd- und Aut-
risse, die für das weitere Studium der Bauten von grundlegender
Bedgutimg sein werden. Wenn damit die Arbeit für den Forscher
unentbehrlich wird, so ist sie für den schaftenden Architekten nicht
minder beachtenswert. Man kann aus ihr für die form- und .stilge-
rechte Verwendung der Baustofte, die gerade in der mittelalterlichen
Baukunst zu höchster Vollendung heranreifte, manches erlernen und
wird dann von Verirrungen, wie" sie das moderne Stadtbild Bautzens
leider aufweist, bewahrt bleiben. So werden der Historiker und
Laie wie auch der Architekt dem Verfasser für viele wertvolle
Aruregungen avis dem Studium dieses Buches dankbar sein.
Dresden. Walter Mackowsky.
Leipzigs Handelskorporationen (Kramerinnung, Handlungsdepvitierte,
fiandelsvorstand, Handelsgenossenschaft. Die Leipziger Kaufmann-
schaft und die Kommunerepräsentation). Versuch der Gründung
Sächsischer Handelskammern im 19. Jahrhundert. Herausgegeben
von der Handelskammer zu Leipzig. Verfafst von deren Biblio-
thekar Siegfried Moltke. Mit mehreren Ablaildungen. Leipzig, in
Kommission bei A. Twietmeyer. 1907. VIII, 248 SS. 8".
Seinen lieiden früheren Büchern über die Leipziger Kramer-
innung und die erste Leipziger Gro fsh an dels Vertretung, die
der Unterzeichnete in dieser Zeitschrift XXIII, 175 und XXVI, 176
anzeigte, hat Moltke ein drittes folgen lassen, das sich vorwiegend
mit der Entstehung der Leipziger Handelskammer im 19. Jahrhundert
beschäftigt. Da es sich aber den veränderten Zeitvnnständen ent-
sprechend nicht mehr um eine nur Leipziger Angelegenheit handelte,
mufste die Entstehung der sächsischen Handelskammern überhau]5t
dargestellt werden, und dadurch gewinnt die fleifsige, auf den ersten
Quellen aufgebaute Arbeit eine allgemeinere Bedeutung.
184 Literatur.
In einem einleitenden Kapitel (S. i — 17,1 werden die Ersjebnisse
der früheren Arbeiten kurz zusanimenijefalst, indem die Entwicklung
der Kramerinnung, der Handelsdeputierten (seit 1 681) und des Handels-
vorstandes vorgetührt wird; unter letzterem ist die seit 1829 bestehende
Vereinigung der Vorstände der beiden ersteren, dem Klein- und
Grofshandel dienenden Korporationen zu verstehen. Der Schwer-
punkt des Buches liegt im zweiten Kapitel (S, 19 — 72), das sich mit
aen Verhandlungen über die Errichtung sächsischer Handelskammern
1842 — 1861 beschältigt und eni auiserord entlieh anschauliches Bild
der damaligen Wirtschaftsverhältnisse Sachsens gibt, insofern sich
die praktischen Bedürfnisse in den Kundgebungen über eine gesetz-
liche Vertretung der Industrie und des Handels widerspiegeln, wenn
auch die herrschenden liberalen Ideen überall durchblicken und eine
offenkundige Überschätzung der Verfassungsformen verraten. Wenn
die naturgemäfs den Stoff stark zusammendrängende Darstellung das
Interesse weiterer Kreise an der Erforschung der neueren Wirt-
schaftsgeschichte wachrufen sollte, so Aväre das sehr zu begrüfseu;
denn es ist bedauerlich, dafs wir weder von der Tätigkeit des seit
1828 bestehenden „Industrievereins für das Königreich Sachsen" (Sitz
Chemnitz) nähere Kunde besitzen, noch durch Darstellungen und Ver-
ölfentlichungen über das gesamte Tatsachenmaterial unterrichtet sind,
das in den Akten über die gesetzliche Regelung des W^irtschafts-
lebens niedergelegt ist. Vom dritten Kapitel an beschäftigen uns
wieder speziell Leipziger Verhältnisse; denn es wird der vergebliche
Versuch einer Verschmelzung der Kramerinnung mit der Gesamtheit
der Grofshändler 1862 — 1864 eingehend beschrieben (S. 75 — 120), ferner
die Neugestaltimg der Kramerinnung ciurch das Statut von 1867
(S. 121 — 137), die Gründung einer Handelsgenossenschaft 1866, Inder
sich die Grofshändler den neuen gesetzlichen Anforderungen ent-
sprechend organisierten (S. 141 — 158), und zuletzt die Beteiligung der
Leipziger Kaufmannschaft bei der Erriclitung einer „Kommune-
Repräsentation" 1814 — 1817. Als Anlagen sind S. 185—248 neun
Aktenstücke abgedruckt, deren Mitteilung dankbar zu begrüfsen ist;
im besoncieren gilt das für die Arbeit des Advokaten Christoph vom
9. August 1848, in der dieser als Ergebnis der von einer Anzahl
Leipziger Kaufleute gepflogenen Verhandlungen einen Statuten-
entwurf für eine den Leipziger Verhältnissen entsprechende Handels-
kammer vorlegt.
Dresden. Dr. Armin Tille.
Geschichte des Dorfes Leuba in der Königlich Sächsischen Oberlausitz.
Nach archivalischen Quellen bearl^eitet von P. Richard Doehler.
Zittau, in Komm. -Verl. bei Arthur Graun (Olivas Buchhandlung).
1907. 2 Bll. 201 SS. 8".
Wir freuen uns, diesmal auch eine Dorfgeschichte anzeigen zu
können, die den Durchschnitt weit ül)erragt und wohl eine vorbild-
liche Bedeutung für ähnliche Arljeiten zu gewinnen verdient. Es
wird das freilich niemanden überraschen, der die früheren Arbeiten
des Verfassers, des ehemaligen Pfarrers zu Leuba, Richard Döhler,
vor allem seine Urkundenbücher des Klosters Marienthal und des
Stiftes Joachimstein, kennt. W^ie diese Werke, so bezeugt auch
seine Geschichte cies Dorfes Leuba die eingehendste, durchaus auf
archivalischen Studien beruhende Vertrautheit mit seinem Gecken-
Literatur. 185
Stande uuil eine seltene Gewandtheit in der Formung des spröden
Stofles. Nach i'incr Einleitung ül)er die Lage, die Besiedlung", den
— ursprünglich shivischen — Namen und die Einteilung des Ortes,
die sehr kurz ausfallen konnte, weil der Verfasser mit Recht darauf
verzichtet, den Mangel quellenmäfsiger Nachrichten aus der Zeit vor
dem 14. Jahrhundert durch allgemeine Erörterungen und wohlfeile
Mutmal'sungen zu verschleiern, behandelt der erste Teil des ßücli-
leins die Geschichte der politischen, der zweite die der Kirch-
gemeinde. Von den beiden Ortsteilen kam Oberleuba, ursprünglich
nn Besitze der Herren von Baruth, in den Jahren 1326 — 1417 an das
Kloster Marienthal, das, abgesehen von wenigen LInter1)rechungen,
bis heute die Ortsherrschaft geblieben ist. Niederleuba gehörte
wohl schon im 14. Jahrhundert clen Gersdorffs, seit 1638 den Familien
von Uechtritz und von Schweinitz, bis es 1759 von demselben Kloster
erworben wurde. So gab die Geschichte der Besitzer dem Verfasser
Anlals zu mancher willkommenen Ergänzung der Geschichte des
oberlausitzer Adels; auch für die Geschichte der Stadt Görlitz, zu
deren Weichbilddörfern Leuba gehörte und die einige Zeit (1532 — 1547)
auch Besitzerin von Oberleuba war, sind seine Ausführungen von
Interesse. Weiter werden dann die Flur- und Untertanenverhält-
nisse (unter Beifügvuig eines vollständigen Verzeichnisses der Flur-
namen und einer Flurkarte), die Gerichtsverhältnisse, die Ge-
meindeverwaltung, die Wohlfahrtseinrichtungen, das Verkehrs-
wesen mit eingehender Sachkenntnis und streng c[uellenmäfsig be-
handelt; es war dabei vor allem von Wichtigkeit, dafs dem Ver-
fasser ein aufsergewöhnlich reichhaltiges Pfarrarchiv zu Gel^ote stand.
Dafs er aufserdem die Archive zu Görlitz und Dresden fleil'sig be-
nutzt hat, bedarf kaum der Hervorhebung. Der zweite Teil gibt
eine eingehende Geschichte der Kirche, der Pfarre und der Pfarrer,
der Schule und der Lehrer: eine weitere Ausführung der kurzen
Angaben, die der Verfasser darüber in der Neuen Sächsischen
Kirchengalerie, Diöcese Zittau (1904), gemacht hat. Endlich wird in
einem 3. Teile die „Kriegso;eschichte von Leuba und Umgebung"
behandelt, hauptsächlich der Schicksale des Orts während der
Hussitenkriege, des dreifsigjährigen Krieges, des Schwedenkrieges,
der schlesischen Kriege und des siebenjährigen Krieges, der Be-
freiungskriege und des Krieges von 1866, wofür namentlich in den
sorglich geführten Pfarrchroniken sich Material fand; auch hier ist
es anerkennenswert, dafs sich der Verfasser streng an seine Auf-
gabe hält und der Versuchung ins Weite zu schweifen, der so
mancher Ortschronist erliegt, tapfer Widerstand leistet. Der beste
Prüfstein für die Sorgfalt und Wissenschaftlichkeit der Arbeit ist
der beigefügte Urkundenanhang; wenn hier freilich aus dem Mittel-
alter nur zwei Notizen von 141 3 lieigebracht werden, während von
1532 an die Urkunden in grofser Zahl vorhanden sind, so liegt das
daran, dais die in der obengenannten Urkundensammlung enthaltenen
verständigerweise nicht wiederholt werden.
Dresden. E rm i s c h.
l86 Literatur.
Übersieht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze
zur sächsischen Geschichte und Altertumskunde^).
Von Viktor Hantzsch.
[Ackermann?] Aus der letzten Zeit der Republik Polen. Gedenk-
blätter eines Posener Bürgers (1760 — 1793». Herausgegeben von
Christian Meyer. München, Selbstverlag. 1908. V, 83 SS. 8".
Apelt, F. U. Franz Gareis, ein Oberlausitzer Maler. Ein Beitrag zur
Kunstgesclüchte des Empire: Neues Lausitzisches Magazin LXXXIII
(1907), 239—248.
Arnold, E. M. Körnerstätten in und um Leipzig: Der Leipziger II
(1907), io28f. Mit 4 Abb.
Arras, Faul. Die Bekenntnisse der Jahre 1443 — 1456. (Aus dem
Gerichtsbuche i43off. im Bautzner StadtarchiAe mitgeteilt): Neues
Lausitzisches Magazin LXXXIII (1907), 91 — 109.
„ Steuern in der Oberlausitz vor 150 Jahren: Bautzner Nachrichten.
1907. Nr. 4.
Baarmatm. Die „Faule Magd" der Königlichen Arsenalsammlung zu
Dresden. Mit 4 Abb. : Zeitschrift tur'historische Waffenkunde IV
(1907). Heft 8.
Bachern, J. Der Meister der Kreuzigungsgruppe in Wechselburg:
Zeitschrift für christliche Kunst XX 11907/08). Heft 1 1 f . mt
9 Abb.
Bärge, li ermann. Luther und Karlstadt in Wittenberg: Historische
Zeitschrift IC (1907), 256 — 324.
Barth, Alfred. Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. Studien
über den protestantischen Kirchenbau und Dresdens Kunst-
bestrebungen im 18. Jahrhundert. Mit 120 Abb. (Dresdner Diss.)
Dresden, C. C. Meinhold & Söhne. 1907. (II), 148 SS. 4".
Bauer, Ludwig. Theodor Körners Leben. Dem Volk und der Jugend
geschildert. 2. Auflage. Mit Titelbild. Stuttgart, J. F. Steinkopf.
1907. 144 SS. 8".
BecTcer, F. Das neue Leipziger Rathaus: Kuustgewerbeblatt. N. F.
XVII (1906), 15—22. Mit Abb.
^) Vgl. die Ül^ersicht über neuerdings erschienene Literatur zur
Geschichte und Altertumskunde der Oberlausitz von R. jecht im
Neuen Lausitzischen Magazin LXXXIII (1907), 276 — 284.
Literatur. 187
Benndorf, Paul. Die Entstehung; der israelitischen Fricdhc'ife, des
Neuen Johannis-, Nord- und Südfriedhofes in Leipzig. Ein Beitrag
zur Leipziger Stadtgeschichte: Wissenschafthche Beilage der Lpz.
Ztg. 1907.^ Nr. 47.
„ Volkstümlicher Humor und andere Redensarten. Leipzig und
Umgebung (sächsisches Niederland). Fortsetzung: Mitteilungen
des Vereins für sächs. Volkskunde IV (1907), 272—274.
Berbig, Georg. Acta Comiciorum Augustae ex litteris Philippi, Jonae
et aliorum ad Martinum Lutherum. Aus dem Veit Dietnch-Kodex
der Ratsbibliothek zu Nürnberg. (Quellen und Darstellungen aus
der Geschichte des Reformationsjahrhunderts. Herausgegeben von
G. Berbig. Heft 2.) Halle, C. Nietschmann. 1907. 58 SS. Mit
I Faksmiile. 8".
„ Bilder aus Coburgs Vergangenheit. IL Teil. Leipzig, M. Heinsius
Nachfolger. 1907. (III), 182 SS. 8". (Darin S. 83—103: Die erste
Schulvisitation im Zeitalter der Reformation im Kurfürstentum
Sachsen des Ortslandes Franken; S. 154—159: Kurfürst Johann
Friedrich, genannt der Grofsmütige; S. 160—166: Johann Friedrichs
Erziehungsplan für seine Söhne während seiner Gefangenschaft
i. J. 1547— 1552.)
„ Die erste Kursächsische Visitation im Ortsland Franken. II:
Arcliiv für Reformationsgeschichte IV (1907), 370 — 408. (Schlufs
folgt.)
,, Spalatiniana: Theologische Studien und Kritiken. 1908. S. 27 — 61.
245—271.
[Beriing, Karl.] Wegweiser durch das Königliche Kunstgewerbe-
Museum Dresden. Dresden, Druck von C. Heinrich. 1907. 38 SS.
Mit 2 Plänen. 8".
Beschoruer, Hans. Geschichte der sächsischen Kartographie im Grund-
rifs. Leipzig, B. G. Teubner. 1907. 27 SS. 8".
„ VII. Fkrmamenbericht: Mitteilungen des Vereins für sächs. Volks-
kunde IV (1907), 215—217.
Beschorner, [Herbert]. Das Steinkreuz im Basteiwalde: Über Berg und
Thal XXXI (1908), 254f.
Bettelheim, Anton. Berthold Auerbach. Der Mann. Sein Werk. Sein
Nachlai's. Mit einem Bildnis des Dichters. Stuttgart und Berlin,
J. G. Cotta Nachfolger. 1907. XI, 450 SS. 8". (S. 227 — 270: Zehn
Jahre Dresden.)
Biermann, G. Leipzigs altes Rathaus und seine künstlerische Auf-
erstehung: Daheim XLIV (1908). Nr. 19. Mit 11 Abb.
Blanckmeister, Franz. Vater Grofsmann [Superintendent in Leipzig].
(Festschriften für Gustav-Adolf-Vereine. Nr. 56.) Leipzig, Arwed
Strauch. (1908.) 30 SS. 8".
„ Die weifse Erde von Aue: Kalender für das Erzgebirge, Vogt-
land und die Sächsische Schweiz IV (1908), 16 f.
Bönhoff, Leo. Aus der alten Geschichte Mügelns : Mügelner Anzeiger.
1907. Nr. 129.
„ Die älteste Urkunde von Mutzschen : Mutzschener Anzeiger. 1907.
Nr. 126 f.
„ Der Pfarrer von Glösa und sein Küster. Ein Kleinbild aus dem
kirchlichen Leben eines Dorfes der Chemnitzer Gegend kurz nach
Einführung der Reformation: Beilage des Wahrheitszeugen III
(1907). Nr. II.
i88 Literatur.
Bönhoff, Leo. Königswalde. Das 350jährige Bestehen seiner Parochie,
gegründet Weihnachten 1557: Beilage zum Annaberger Wochen-
blatt. 1908. Nr. 13 — 15.
„ Bischof Thietmar von Merseburg. Eine Skizze aus der heimat-
lichen Kirchengeschichte: Neues Sächsisches Kirchenblatt XIV
(1907), Sp. 785— 792. 801—810. 817 — 824.
„ Kirchliche Notizen aus dem Lehnbuche Markgraf Friedrichs des
Strengen von Meifsen (i349'5ol: Sächsisches Kirchen- und Schul-
blatt. 1907. Sp. 599 — 601. 615 — 617.
„ Herrschaft und Amt Schwarzenberg. Eine geschichtliche sta-
tistische Skizze: Schwarzenberger Tageblatt. 1907. Nr. 249 f.
„ Einiges aus der ältesten und älteren Geschichte der Stadt Eiterlein:
Obererzgebirgische Zeitung. 1908. Nr. 11. 16.
Bruchniüller, W. Die Leipziger Winkelschulen: Wissenschaftliche
Beilage der Lpz. Ztg. 1908. Nr. 7.
„ Der alte Leipziger Johannisfriedhof: Daheim XLIV (1907). Nr. 8.
Mit 14 Abb.
„ Kulturelle Beziehungen zwischen Schlesien und Obersachsen:
Nord und Süd XXXI (1907). Septemberheft.
Buchenau, H. Ein Groschen- und Hohlpfennigfund aus der Zeit
des sächsischen Bruderkrieges. (S.-A. aus der Numismatischen
Monatsschrift „Blätter für Münzfreunde" XLII. 1907.) Dresden,
C. G. Thieme. 1907. 7 SS. 4".
Buchwald, Georg. Ergänzungen zur Biographie des M. Stephan Reich:
Archiv für Reformationsgeschichte V (1908), 69—76.
Carlson, Ernst. FtJrdraget mellan Karl XII och Kejsareni Altranstädt
1707. Ett Trähundräar.sminne. Stockholm, P. A. Norstedt & Söner.
1907. 69 SS. Mit 10 Taft'. 4".
Giemen, Otto. Alexius Chrosner, Herzog Georgs von Sachsen evan-
gelischer Hofprediger. Leipzig, M. Hein.sius Nachfolger. 1907.
70 SS. 8».
„ Etwas vom Katzenveit auf dem Kohlenberge bei Zwickau:
Wissenschaftliche Beilage der Lpz. Ztg. 1907. Nr. 39.
„ Zur ältesten Geschichte von Schulpforta: Mitteilungen der Ge-
sellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte XVII
(1907), 238-241.
„ Ein Bruderschafts- und Ablalsbrief von 1485 [in Zwickau]: Zeit-
schrift für Kirchengeschichte XXIX (1908), 79!.
V. Griegern, [Hermami Ferdinand] . Die Priesterhäuser der Leipziger
Thomaskirche: Leipziger Kalender V (1908), 137!. Mit Abb.
— d — . Das Dresdner Innungswesen seit Einführung der Gewerbe-
freiheit: Dresdner Anzeiger. 1907. Nr. 358. S. 3.
D., H. Bemerkenswerte Bäume in Sachsen: Sachsen-Post II (1908).
Heft 22. S. 7—9. Mit 3 Abb.
U emmier , Heinrich. Anteil der Bayrischen Division Raglovich am
Frühjahrsfeldzuge 181.3 [ii^ Sachsen]: Darstellungen aus der
Bayerischen Kriegs- und Heeresgeschichte XVI (1907), 165 — 232.
Uevrient, Ernst. Thüringische Geschichte. (Sammlung Göschen.
Band 352.) Leipzig, G.J.Göschen. 1907. 181 SS. 8".
JJi — . Die Königlich Sächsische Po.st. Ein Erinnerung.sblatt: Dresdner
Anzeiger. 1907. Nr. 360. S. 35.
Diederich, Franz. Die freie öffenthche Bibliothek Dresden -Plauen:
Blätter für Volksbibliotheken und Lesehallen VIII (1907), 113 — 120.
Literatur. 189
Dieterich, K. Sozialpsychologische Eindrücke aus deutschen Grofs-
städten. i. Leipzig: Die örenzboten LXVI (1907). Nr. 42.
Dietrich, Rudolf. Das Christfest zu Lindenau Anno 1632. Aus der
Lebensliistorie eines alten Magisters : Leipziger Kalender V (1908),
49—56.
Dittrich, Max. König Albert als Heerführer. Ein deutsches Feld-
herrnleben. Leipzig, Friedrich Engelmann. 1907. 71 SS. Mit
I Bildnis. 8".
„ Die Sachsen in Rufsland 181 2. Ein Gedenkblatt aus der Zeit der
Fremdherrschaft: Der Patriot XIV (1908). Nr. 3.
V. Dobenccl-, Alhan Freiherr. Geschichte der Familie von Dobeneck,
verfafst von Alban Frhr. v. Dobeneck, herausgegeben und mit
Dlustrationen, Nachträgen und Register versehen von Arnold
Frhr. v. Dobeneck. (Als Manuskript gedruckt.) Schöneberg- Berlin,
Druck von Gebhardt, Jahn & Landt. 1906. (IV), 512, (20) SS. Mit
Taft"., Abb. u. 16 Stammtafeln. 4".
DodgsOH, Campbell. Die Wappen Peter Apians von Michael Osten-
dorfer: Monatshefte für Kunstwissenschaft I (1908), 35 — 39. Mit
3 Abb.
Doehler, Gottfried. Riedel-Gedenkbuch mit Beiträgen vogtländischer
und stammverwandter Dichter und Künstler. Im Auftrag des
Festausschusses für die 60. Geburtstagsfeier unsres vogtländischen
Volksdichters L. Riedel herausgegeben. Plauen, Verlag „Unser
Vogtland". 1907. VIII, 94 SS. Mit Taft'. 8".
Doengvs, Willy. Meifsner Porzellan, seine Geschichte und künst-
lerische Entwicklung. Mit 4 farbigen Vollbildern, 16 Doppelton-
drucktafeln, 2 Blautafeln, i Brauntafel, 249 Abbildungen im Text,
I Faksimile und i MarkenalDbildung. Berlin, Marquardt & Co.
(1908.) XII, 30«; SS. 8'\
Dohrn, Wolf. Hellerau. Eine Gartenvorstadt bei Dresden: Dresdner
Anzeiger. 1908. Nr. 55. S. 2!
DfrescherJ, G. Aus der Vorzeit unserer Heimat. II : Der Leipziger II
(1907), 925 — 928. Mit Abb.
„ Die Leipziger Promenade vor hundert Jahren: ebenda 951 f. Mit
Abb.
„ Alt-Leipziger Höfe: ebenda 1163!". Mit 4 Abb.
,, Von der Leipziger Schützen - Gesellschaft : ebenda iigif. Mit
4 Abb.
E., H. Das Jubiläum der Hocksteinhütte: Über Berg und Thal XXX
(19071, 207.
Ehrlich, Artved. Die innere Organisation der Leipziger Nicht-
verbindungsstudenten vor 40 Jahren: Finkenblätter II (1906/7),
13—15-
Einfeldt, W. Slaven, .speziell Polen, Tschechen, Wenden. München,
A. Reusch. (1907.) 95 SS. 8".
Endeil, Mary. Dresden. History, Stage, Galler)^ Illustrated with
ten mezzotints, and book-decorations by Fritz Endell. Dresden,
Johannes Seifert. 1908. X, 212 SS. 8".
Erhard, Theodor. Über die Entwickelung des Studiums an der Frei-
berger Bergakademie von ihrer Eröffnung im Jahre 1766 bis zur
Gegenwart. Antrittsrede bei Übernahme des Rektorates der Kgl.
Sachs. Bergakademie für das 142. Studienjahr, gehalten am 13. No-
vember 1907. Freiberg, Craz & Gerlach (Joh. Stettner). 1908.
25 SS. 8".
190
Literatur.
d'JSrmite, W. Sächsische Soldatenehre und Ehrenstrafen im 18. Jahr-
hundert: Dresdner Neueste Nachrichten. 1908. Nr. 37. S. it.
Escherich, Mela. Ludwig Richter und seine Kunst. (Deutsche Kunst-
Hefte. Nr. 3.) Stuttgart, K. A. E. Müller. (1907.) 40 SS. Mit
50 Abb. 4".
V. Feilitsch, Erwin. Die Beziehungen der Stadt Schandau zu den
sächsischen Fürstenschulen: Über Berg und Thal XXX (1907),
198 — 200. 213 — 215.
Feyerabeiid. Der gegenwärtige Stand der vorgeschichtlichen For-
schung in der Oberlavisitz : Korrespondenzblatt der Deutschen
Gesellschaft für Anthropologie XXXVII (1906), 88 — 91.
Finck, Emil. Erzgebirgs- Museum : Glückauf XXVII (1907), 155 — 157.
Findeisen. Aus dem Wachtjournale der Bürgerwache zu Eibenstock
a. 1843/44: Sachsen-Post II {1908). Nr. 13. S. 7 — 10. Mit 12 Abb.
Fischer, Adolf. Aus der „Lausizischen Monatsschrift": Vierteljahrs-
schrift für Wappen-, Siegel- u. Familienkunde XXXVI (1908),
I — 29.
Fischer, Kurt. Eine Studie über die Eibschiffahrt in den letzten
100 Jahren unter spezieller Berücksichtigung der Frage der Erhebung
von Schiffahrtsabgaben. (Sammlung nationalökonomischer und
statistischer Abhandlungen des staatswissenschaftlichen Seminars
zu Halle a. d. S., herausgegeben von Joh. Conrad. 58. Band.) Jena,
Gustav Fischer. 1907. XVI, 269 SS. 8".
Flake, 0. Die Theaterstadt Leipzig: Die Schaubühne II (1907). Nr. 34.
Flössel, Ernst M. Robert Blum und Sachsen. Zum 100. Geburtstag
am 10. November: Dresdner Neueste Nachrichten. 1907. Nr. 305.
Forwerg, Martin. Gesetzeszustimmung und Bewilligung im König-
reiche Sachsen. (Leipziger Diss.l iBonia- Leipzig, Buchdruckerei
Robert Noske. 1907. VIII, 69 SS. 8".
V. Frcytag- Loringhoven, Freiherr. Kriegslehren nach Clausewitz aus
den Feldzügen 181 3 und 18 14. Mit 15 Anlagen und 4 Skizzen im
Text. Berlin, Ernst Siegfried Mittler & Sohn. VIII, 156 SS. 8".
Fuchs, Gerhard. Christian Gottlob Leberecht Grofsmann, der Leip-
ziger Superintendent, ein Bannerträger evangelischer Kultur. Ein
Gedächtnisblatt zu seinem 50. Todestag. Leipzig, Arwed Strauch.
1907. 59 SS. Mit Bildnis. 8".
Fuchs, K. Zur Erinnerung an die Konvention von Altranstädt
(22. August 1707): Der Leipziger II (1907), 949f. 972. Mit Abb.
Gaul, M. Zum Ausbau des Marktplatzes in Aue: Der Städtebau V
(1908). Heft I.
Gensei, Julius. Prellers Odysseelandschaften aus dem Römischen
Haus in Leipzig: Die Grenzboten LXVI (1907), II, 583 f.
„ Aus [Friedrich] Rochlitzens Briefen an Henriette Voigt [in Leipzig]:
Leipziger Kalender V (1908), 103 — 124. Mit i Bildnis.
Gerhardt, Friedrich. Geschichte der Stadt Weifsenfeis a. S. mit neuen
Beiträgen zur Geschichte des Herzogtums Sachsen -Weifsenfeis.
Weifsenfeis, R. Schirde\yahn. 1907. XVI, 398 SS. Mit Taft'. 8".
Germanilcus. Politische Briefe aus Sachsen i — 4: Die Grenzboten
LXVI (i<;o7), I, 77—80. 179 — 186.
Glootz. Schandaus Ent^vicklung zur Bade- und Fremdenstadt: Über
Berg und Thal XXX (1907),' 197!". Mit Abb.
„ Die erste Instandsetzung der Sächsischen Schweiz für den Fremden-
verkehr und die Errichtung und Verpachtung von Wirtschaften
auf den besuchtesten Punkten: ebenda XXXI (1908), 241 — 243.
250 — 252. (Schlufs folgt.)
Literatur.
191
Goldfriedrich, Johannen. Geschichte des deutschen Buchhandels vom
WestfäHschcMi Frieden bis zum Beginn der klassischen Literatur-
periüde. (1648 — 1740.) (Geschichte des deutschen Buchhandels.
Im Auftrage des Börsenvereins der deutschen Buchhändler heraus-
gegeben von der historischen Kommission desselben. Band 2.)
Leipzig, Geschäftsstelle des Börsen Vereins der deutschen Buch-
händler. 1908. XVI, 552 SS. 8".
Göpfert. Von unserer Ortsgrvippe Fi'auenstein i. Erzgeb. Jahres-
bericht 1906: Der BurgAvart IX (19071, 14—17. Mit 2 Abb.
Grahowski, Joseph. Memoires militaires de Joseph Grabowski, officier
ä l'^tatmajor imperial de Napoleon ler 1812 — 1813— 1814. Publi^s
par M. Waclaw Gasiorowski. Traduits du polonais par Jan
V. Chelminski et le commandant A. Malibran. Paris, Plon-Nourrit
et Cie. 1907. IX, 311 SS. Mit i Bildnis. 8". (Behandelt u. a. den
Feldzug in Sachsen.)
Graul. Meisterwerke der Kunst aus Sachsen und Thüringen : Kunst-
gewerbeblatt. N. F. XVII (1906), 115—118. Mit Abb.
Gretschel, E. Die Weihe des Kesselsdorfer Gedenksteins : Über Berg
und Thal XXXI (1908), 244 f. Mit i Abb.
Grohberger, B. Zwei neue sächsische Dorfkirchen (Kipsdorf und
Zinnwald): ebenda 252 — 254. Mit 4 Abb.
Große, Otto. Prinz Xaver von Sachsen und das sächsische Korps
bei der französischen Armee 1758 — 1763. (Leipz. Diss.) Leipzig 1907.
92 SS. 8".
f Günther J. Jugend -Erinnerungen einer Grofsmutter [in Dresden].
1. Heft. Dresden, C. C. Meinhold & Söhne in Komm. (1908.)
66 SS. 8".
Gurlitt, Cornelius. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. Unter Mitwirkung des
K. Sächsischen Altertumsvereins herausgegeben von dem K. Säch-
sischen Ministerium des Innern. 30. Heft: Zittau (Stadt). Dresden,
C. C. Meinhold & Söhne in Komm. 1907. 292 SS. Mit Taflf. u.
Abb. 8".
„ Ein Beljauvuigsplan für die Flur Zschertnitz bei Dresden: Der
Städtebau IV"(,i907). Heft 12. Mit 3 Taft".
Haebler, Konrad. Der Capotius- Drucker = Martin Land.sberg [in
Leipzig]: Beiträge zur Inkunabelkunde II (1908), 1 — 7. Mit
2 Taftr
„ Ein Psalterium aus der Offizin des Peter Schöft'er [in der Kgl.
öff. Bibliothek zu Dresden] : Zentralblatt für Bililiothekswesen XXR''
(1907), 155 — 163.
HaUendcrff, Carl. Handlingar angäende Konung August den Starkes
Utrikespolitik före hans Afsättning är 1704 utgifna af Kungl.
Samfundet för Utgifvande af Handskrifter rörande Skandinaviens
Historia. (Historiska Handlingar Del. 19. Nr. 2.I Stockholm, P. A.
Nor.stedt & Söner. 1908. X, 272 SS. 8".
V. Hammer stein -Equord, Heino Freiherr. Beiträge zur Genealogie
der Familien v.Hammerstein,v.01dershausen,v.Gustedt,v. Fl emming.
Bearbeitet und mit Ouellenangalien versehen. (S.-A. aus Viertel-
jahrsschrift für Wajjpen-, Siegel- und Familienkunde.) Görlitz,
C.A.Starke. 1907. 93 SS. 8".
Hanisch, Rudolf. Die Leipziger Freie Studentenschaft im Wechsel
der Zeiten: Finkenblätter II (1906 071, 15 — 18.
192
Literatur.
Hünsch, P., ((• Alfred Pelz. Das Zwickau -Chemnitzer Kohlengebiet.
Mit 10 Abb., 17 Skizzen, 3 Karten im Text, einer geologischen
Übersichtskarte und 6 Profilen, sowie einer topographischen und
einer orohydrographischen Karte. (Landschaftsbüder aus dem
Königreiche Sachsen. Unter Mitwirkung bewährter Fachleute
heraus2;egeben von Emil Schöne.) Meifsen, H. W. Schlimpert,
1908. tili), 160 SS. 8".
[Häntzschel, Gustav Emil.] Krieg.s-Unruhen, welche die Stiidt Neustadt
und Umgegend betroffen, nebst lairzer Berück.sichtigiuig der
deutschen Befreiuno^skriege und der deutschen Revolution (Forts. 1:
Kirchliclie Nachrichten für 1907 aus der Panjchie Neustadt i. Sa.
15. Bericht. S. 33 - 48.
Härtung, Otto. Der Dresdener Lehrerverein. Bericht über 75 Jahre
Vereinsleben und Schaffen. Verfalst vom Vereinsarchivar. Dresden,
Druck von O. & R. Becker. 1908. 125 SS. 8".
,, Vor 75 vmd 60 Jahren. Gründung des Sächsischen und Deutschen
Lehrervereins, so^vie des Pestalozzi Vereins. Anlälslich des 75-
jährigen Bestehens des Dresdner Lehrervereins dargestellt: Säch-
sische Schulzeitung. 1908. S. 47 — 49.
HasencU'ver, Adolf. Neue Mitteilun2;en über den Verbleib von
Melanchthons lateinischer Originalhandschrift der Confessio
Augustana: Zeitschrift für Kirchengeschichte XXDC (1908), 81 — 83.
Häußler, G. Beiträge zur Kenntnis der Stromlaufveränderungen
der mittleren Elbe: Zeitschrift für Gewässerkunde VIII (1908).
Heft 2.
Häußler, Oskar. Moritz, Herzog und Kurfürst zu Sachsen. Ein
Bild aus der Geschichte Sachsens: Rochlitzer Tageblatt. 1907.
Nr. 219—231.
Hede, Fh. Der Ursprung der sächsischen Dienstmannschaft: Viertel-
jahrsschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte V (1907), 116 — 172.
Htidler, K. Die Schatzgräber auf dem Geldberg [bei Lausigk 1826 :
Mitteilung;en des Vereins für sächs. Volkskunde IV (1907), 258 — 262.
Hehnricli, Richard. Julius Mosen, der Sänger des Liedes: Zu Mantua
in Banden. Wolfenbüttel, Heckner. 1907. 115 SS. Mit Bildnis. 8".
(In stenographischer Schrift.)
Henschel, A. Justus Jonas: Der alte Glaube IX (1907 08). Nr. 15.
Herrlich, Hermann Ferdinand. Ein Beitrag zur Musikgescliichte der
Oberlausitz: Der Kirchenchor XVIII (19071, 74—76. 82 — 85.90 — 92.
Hetzer, Oskar. Das gegenw^ärtige öffentliche Leihhaus in Deutscliland
mit besonderer Beriicksichtigung des Leipziger Leihhauses. (Tü-
binger Diss.) Borna -Leipzig, Druck von R. Noske. 1907. VIII,
126SS. 8".
Heubner, Paul. Leipziger Vermögensverhältnisse: Leipziger Kalender
V (1908), 171 — 179.
Hirsch. Die Venmglückungen beim Steinkohlenbergbau im König-
reiche Sachsen in den letzten 40 Jahren : Jahrbuch für das Berg-
und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen. 1907. S. 49 — 80.
Hirschberg. J. Zum Leipziger Augen durchschnittsbilde avis dem Ende
des 15. Jahrhunderts. (Ein Brief mit Glosse des Herausgebers und
einer Lichtdn.;cktafel) : Archiv für Geschichte der Medizin I
(1907/08), 316.
Hoffmann, J. Den Kirchgemeinden Nieder- und Ober- Ebersbach
zum Eintritt in das Jahr des Heils 1908. Radeburg, Wilhelm
Fritzsche. (1908.) 4 SS. 8". (Darin: Denk\vlirdiges aus der Ver-
gangenheit. B. Aus dem Jahrhundert der Reformation. I.)
Literatur.
193
Holz, Georg. Die Franzosenzeit in Sachsen und Leipzig;. 111. 1808:
Leipziger Kalender V (.1908), 57 — 63.
V. Hoersckelnuinii, Emiliv. Rosalba Carriera, die Meisterin der Pastell-
malerei. Studien und Bilder aus der Kunst- und Kulturgeschichte
des 18. jahrliunderts. Leipzig, Klinkhardt & Biemiann. 1908. (II),
368 SS. 'Mit Taft". 8".
Hüttig, Oskar. Orts- und Flurnamen der Amtshauptmannschaft Leipzig
und ihre geschichtliche Bedeutimg. Ein Vortrag, gehalten im
Bezirkslehrer -Verein Leipzig-Land. Leipzig, Emil Stock. 1908.
29 SS. 8".
Jacoh, Eugen. Johannes von Capistrano. II. Teil: Die auf der
Königlichen und üniversitäts- Bibliothek zu Breslau befindlichen
handschriftlichen Aufzeichnungen von Reden vmd Tractaten Ca-
pistrans. 2. Folge; Materia trigmta sex sermonibus Lipsiae prae-
dicata. Tractatus de cupiditate. Breslau, Max Woywod. 1907.
472 SS. 8".
Jädicke, A. Die Forsthaus-Brücke und der Wehrabfall in Plauen-
Dresden: Elbtal-Abendpost. 1906. Nr. 233. S. gf. Mit i Abb.
„ Die Mühlen- Sagen im Plauenschen Grund, die Zauber -Märchen
vom Pumphut: ebenda Nr. 286. S. 7.
Jecht. jRichard. Codex diplomaticus Lusatiae superioris III, enthaltend
die ältesten Görlitzer Ratsrechnungen bis 14 19. Im Auftrage der
Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften herausgegeben.
Heft 3, umfassend die Jahre 1399 bis 1406. Görlitz, H. Tzschaschel
in Komm. (1907.)» S. 329 — 504. 8".
.. Gedächtnisrede zum hundertjährigen Todestage Adolph Traugott
v. Gersdorfs, gehalten am 16. Juni 1907 im Kretscham zu Meffers-
dorf: Neues Lausitzisches Magazin LXXXIII (1907), 265 — 272.
„ Adolph Traugott v. Gersdorf, fein Gedenkblatt zu seinem 100-
jährigen Todestage (am 16. Juni 1807): Görlitzer Nachrichten und
Anzeiger. 1907. Nr. 140. — Neuer Görlitzer Anzeiger. 1907.
Nr. 140. — Schlesische Zeitung. 1907. Nr. 415. — Niederschlesische
Zeitung. 1907. Nr. 141.
Jtntsch, J. A. Der Bjelbog der Sächsischen Schweiz: Über Berg und
Thal XXXI (1908), 261—263.
John, Ernst. Aberglaube, Sitte und Braucli im sächsischen Erz-
gebirge: Mitteilungen des Vereins für sächs. Volkskunde IV (1907),
236—239.
Kaiser, E. Das Turnwesen in Plauen und im Vogtland in der
2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein geschichtlicher Abrifs. Hof,
R. Lion. 1907. IX, 43 SS. Mit 2 Bildnissen. 8".
Kalkschmidt, E. Aus dem Dresdner Eibgau: Die Grenzboten LXVI
(1907). Nr. 50.
V. Kauftungen, Kunz. Dr. Curt v. Raab f, Kgl. Sächs. General der
Infanterie z. D. : Neue Preufsische (Kreuz-)Zeitimg. 1908. Beilage
zu Nr. 20.
.. Dr. ("urt v. Raab: Über Land und Meer IC (1908). Nr. 19.
S. 484.
[.,] Dr. Curt v. Raab: Illustrierte Zeitung CXXX (1908). Nr. 3367.
S. 54.
Kayser, Rudolf. Elisa von der Recke: Preufsische Jahrbücher CXXVIII
(1907), 52 — 66.
Kekule v. Stradonitz, Stephan. Die Leipziger Ahnen des Fürsten
Bismarck: Die Grenzboten LXVI (1907). Nr. 49.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI.X. 1.2. 13
194
Literatur.
Klatt. Beliauungsplan für Buchholz rechts der Sehma: Der Städte-
bau V (1908). Heft I.
Klette. Mitteilungen über den Umbau der Aug;ustusbrücke in Dresden.
Vortrag, gehalten in der Sitzung des Groisen Ausschusses des
„Centralvereins für Hebung der deutschen Flufs- und Kanal-
schiffahrt" vom II. Mai 1907 in Dresden. (Sonderdruck aus der
„Zeitschrift für Binnenschiffahrt". 1907. Heft 17.) Zossen -Berlin,
Deutsche Buch- und Kunstdruckerei. 7 SS. Mit 10 Abb. 4".
Knebel, Konrad. Führer durch die Sammlung für Altertum, Kunst
und Volkskunde des Freiberger Altertumsvereins im König-Albert-
Museum. Freiberg, Gerlach. 1906. (II), 60 SS. Mit i Abb. 8".
Knopf, Karl. Deutsches Land und Volk in Liedern deutscher Dichter.
Beiträge zur vaterländischen Erdkunde. Braunschweig, E. Appel-
hans & Comp. (1907.) (XVIII), 440 SS. Mit Taff. 8". (S. 157—172;
Sachsen und seine Rand^ebirge.i
Koch, Ernst. Moskowiter m der Oberlausitz und M. Bartholomäus
Scultetus in Görlitz. Kulturbilder aus der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts: Neues Lau.sitzisches Magazin LXXXIII (1907),
1—90. Mit 1 Bildnis.
„ Ein Zittauer Stammbuchblatt aus dem Brandjahre 1757: Dresdner
Anzeiger. Sonntags-Beilage. 1908. Nr. 3.
Koegler, Hans. Das [Freiberger] Mönchskalli vor Papst Hadrian und
das Wiener Prognostikon. Zwei wiedergefundene Flugblätter aus
der Presse des Pamphilus Gengenbach in Basel: Zeitschrift für
Bücherfreunde XI (190708), 411 — 416. •
Koetschau, Karl. Die Generaldirektion der Königlich Säch.sischen
Sammlungen. (Ein Nachwort zu dem Aufsatz von E. v. Ubisch):
Museumskunde IV (1908), 7 — 11. (Dazu Entgegnung: Dresdner
Anzeiger. 1908. Nr. 39. S. 2!. Erwiderung: ebenda Nr. 44. S. 3.)
Kohiit, Adolph. Anton Philipp Reclam. Ein Gedenkblatt zum
IOC. Geburtstage: Comenius- Blätter für Volkserziehung XV
(1907), 86—93.
„ Sächsische Humoristen unserer Zeit. I. II: Der Leipziger II (1907),
ii73f. 1342!'. Mit Bildnissen.
[Kotte, 0.] Rückblick beim 60jährigen Bestehen der Städtischen
Sparkasse zu Auerbach i. V. 5. Juni 1847 bis 5. Juni 1907.
Auerbach, Druck von Adolf Gröger. 1907. 38 SS. und i Ta-
belle. 8".
Kraut, 0. H. Das Verfahren bei Besetzung geistlicher Stellen und
die Vorschriften für die Kandidaten der Theologie und des Predigt-
amts in der evangelisch-lutherischen Landeskirche des Königreichs
Sachsen. Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen zum prak-
tischen Gebrauclie bearbeitet für die Herren Ephoren, KoUatoren,
Bewerber um geistliche Stellen und Kandidaten, sowie für die
Kirchenvor-stände. Leipzig, Julius Klinkhardt. 1907. VIII,
190 SS. 8".
Kroker, Ernst. Beiträge zur Geschichte der Stadt Leipzig im Refor-
mationszeitalter. (Neujahrsblätter der Bililiothek und des Archivs
der Stadt Leipzig. IV.) Leipzig, J. B. Hirschfeld. 1908. (II), 134 SS.
8". (Inhalt: Leipziger Studenten auf der Universität Wittenberg
im Reformationszeifalter. — Doktor Georg Curio, Luthers Leib-
arzt. — Heinz Probst, ein Leipziger Wucherer. — Doktor Kaspar
Deichsel, ein Leipziger Gottesgelehrter. — Die sächsischen Berg-
werke und Leipzig: Martin Leubel, Heinz Schcrl. — Georg
Literatur. loc
von Weiler und Hans Breu. — Hieronymus Walter, der \'()rkämpfer
der Katholiken.)
Äioker, J^rnnt. Die Universität Leipzig im Jahre 1742: Leipziger
Kalender V (1908), 71 — 79.
Kids. Die Grvindzüge der Revidierten Städteordnung, kriti.sch be-
trachtet vom Standpunkte der neuesten deutschen Städteordnung:
Fischers Zeitschrift für Praxis und Gesetzgebung der Verwaltung
XXXIII (,1907), I — 14.
Knrzioelly, A. Leipziger Kunstgewerbe: Kunstgewerbeblatt. N. F.
XVIII (1907), 45-63. Mit Abb.
Lang, A. Grenzen, Unterschiede und Herkunft des Westerzge-
birgischen (Forts.): Zeitschrift für Deutsche Mundarten. 1908.
S. 3 — 22.
Lange, Heinrich. Der Umbau des alten [Leipziger] Rathauses:
Leipziger Kalender V (1908), 251 — 259. Mit Abb.
Langer, Erich. Das Mönchsgesicht an der Kirche zu Schiettau:
Sachsen-Post II (1907). Nr. 55. S. i f .
Lcede, 0. Unsere einheimische Flora im Lichte der Kulturgeschichte
und des Volksaberglaubens: Über Berg und Thal XXX (1907),
221 — 223.
Lehmann, Johanneif. Was die alte Eiche an der Callenberger Brauerei
erlebt hat: Callenberger Kirchenspiegel. i907._ S. 44—49.
Liehe, Arthur. Der Hohe Stein bei Coswig: Über Berg und Thal
XXX (1907), 206 f.
Liebscher, H. Königreich Sachsen. Übersichtliche Zusammenstellung
der Stimmenabgabe bei den Wahlen zum Deutschen Reichstage
1871 — 1907 in den 23 Wahlkreisen. Radeberg-Dresden, Druck von
Max Mauersberger. (1907.) 24 SS. qu.-4".
Lindner, B. Das erste Winzerfest in der Löfsnitz: Mitteilungen des
Vereins für sächs. Volkskunde IV (1907), 254—258.
Lingke, A. Der Streittag, ein Bergfeiertag der Freiberger Knapp-
schaft. (Zum 22. Juli): ebenda 247 — 252.
„ Ein Gedenktag der Kreuzschule. Zum 27. Oktober: Dresdner
Neueste Nachrichten. 1907. Nr. 294. S. 2.
[Lippert, WoldcmarJ General der Infanterie z. D. v. Raal ) : Dresdner
Jovirnal. 1908. Nr. i. S. 2.
Laewi/, Willy. Weinböhla: Sachsen-Post II (1907). Nr. 56. S. 5—7.
Mit Abb.
Luther, Martin. Zwo predigt vber der Leiche des Kurfürsten Her-
zogen Friderichs zu Sachsen. Anno 1525: D. Martin Luthers
Werke. Kritische Gesamtausgabe XVII, i (1907), 196—243.
V Mangoldt, R. Die Städtische Bodenfrage. Eine Untersuchung
über Tatsachen, Ursachen und Abhilfe. (Die W^ohnungsfrage und
das Reich. Eine Sammlung von A1:)handlungen, herausgegeben
vom Deutschen Verein für Wohnungsrefomi. Heft 8.) Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht. 1907. XXX, 745 SS. 8". (Behandelt
Dresden.)
V. Mansberg, Bichard Freiherr. Erbannanschaft W'ettinischer Lande.
LIrkundliche Beiträge zur Obersächsischen Landes- und Orts-
";eschichte in Re'gesten vom 12. bis Mitte des 16. fahrhunderts.
IV. Band: Die Ostmark (Niederlausizi und Fürstentum Sachsen,
Oberlausiz, Sagan-Nordl)öhmen. Mit 6657 Regesten, 19 Tafeln,
62 Abbildungen. Dresden, Wilhelm Baensch. 1908. XIV, 735 SS. 4".
Martell, Paul. Die Kr)nigliche Bibliotliek zu Dresden: Archiv für
Buchgewerbe XLI\' (19071, 234 — 237.
13*
1^6 Literatur.
Martzsch, Otto. Neue Leipziger Bauten: Leipziger Kalender V (1908),
201 — 222. Mit Abb.
Jlaa, G. Katharina von Bora: Allgemeine evangelisch -lutherische
Kirchenzeitung XL (1907). Nr. 45 — 49.
Meichc, Alfred, Die Anfänge der Kunstblumenindustrie in Dresden,
Leipzig, Berlin und Sebnitz. Dresden, C. C. ^leinhold & Söhne
in Komm. 1908. 41 SS. Mit i Bildnis. 8**.
„ Unser [Hermann] Krone: Über Berg und Thal XXX I.1907),
200 — 203. Mit Bildnis.
Meiner, Felix. Bodenspekulation und Recht der Stadterweiterung
in Plauen i. V, Mit einem Stadtplan und einer Übersichtskarte der
Umgebung. Leipzig, Duncker & Humblot. 1907. XVI, 183 SS. 8**.
Merkd, Richard. Ein jesuitischer Hochstapler in Leipzig (1645):
Leipziger Kalender V (1908), 151 — 154.
V. MetzscJt, G. Allianzen der Familie von Metzsch: Vierteljahrsschrift
für Wappen-, Siegel- u. Familienkunde XXXVI (1908), 62 — 78.
Mitzschke, Faul. Das Naumliurger Hussitenlied. Ein Beitrag zur
Geschichte der deutschen volkstümlichen Dichtring. Unter Be-
nutzung der Akten des Naumburger Referendar -Kirschfestzeltes.
Mit Bildnissen, Noten und einem Bogen Karikaturen von 1832.
Naumburg, J. Domrich. 1907. 32 SS. 8".
Moltke, Siegfried. Das „Königshaus" in Leipzig: Leipziger Kalender V
(1908), 183-198. Mit Abb.
Mucke, jEriist. Deutsches Inhaltsverzeichnis der wendischen wissen-
schaftlichen Zeitschrift „Casopis Maöicy Serbskeje" in Bautzen,
Jahrgang 1895 bis 1905: Neues Lausitzisches Magazin LXXXIII
(1907), 230—238.
Müller, Gurt. Gevatterbitten: Mitteilungen des Vereins für Sachs.
Volkskvmde IV (1907), 217 -220.
Midier, Georg. Königin Carola und die praktische Mädchenerziehung
in Sachsen. Ansprache bei der Trauerfeier in der Carolaschule:
Wissenschaftliche Beilage der Lpz. Ztg. 1907. Nr. 51.
MiÜler, J. Th. Das Aeltestenamt Christi in der erneuerten Brüder-
kirche: Zeitschrift für Brüdergeschichte I (1907), 1 — 32.
Müller, Karl. Luther und Karlstadt. Stücke aus ihrem gegenseitigen
Verhältnis. Tübingen, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). 1907. XVI,
243 SS. 8".
Xauiiiann, A. Der Schandauer Pflanzengarten mit seinen im Jahre
1907 fertiggestellten Neuanlagen: Über Berg und Thal XXXI
(1908), 263"— 265. Mit Plan.
Keedon, E. Beiträge zur Geschichte des Bautzner Gymnasiums
(Forts.): Neues Lausitzisches Magazin LXXXIII 11907), 196 — 229.
"„ Vorgeschichtliches aus der Lausitz : Wissenschaftliche Beilage der
Lpz. Ztg. 1908. Nr. 2.
Neapcrt, Alwin. Üljersicht über erschienene Schriften und Aufsätze
zur Geschichte, Landes- vuid Volkskunde des Vogtlandes. (Mit-
teilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. V. 19. Jahresschrift
auf die Jahre 1908 -1909. Herausgegeben vom Vereins -Vorstand.
Beilageheft.) Plauen, R. Neupert jr! 1908. IV, 96 SS. 8".
„ Heinrich, der unechte. Ein trübes Bild aus der Geschichte des
fürstlichen Hauses Plauen: Plauener Sonntags -Anzeiger. (1907.)
Nr. 1454a und 1455a.
„ Schlofs Reusa, seine Vorbesitzer und der durch eingeworfene
Fehdebriefe daselbst im Jahre 1746 erregte Aufstand, nach einem
Aktenstück aus dem Reusaer Schlofsarchiv: el^enda Nr. 1457 a.
Literatur. loy
Niecks, Fr. The Sons ot" |. S. Bach: f. C. Friedrich and \V. Friede-
mann Bach. I.: Monthly Musical' Record XXXVHI (190708).
Nr. 446.
Kimpfer, J. Theodor Kömers Lustspiele und ilir \'erhältnis zu
Kotzebue. Ein Beitrag zur Charakteristik des Dramatikers Körner:
Zeitschrift für die österreicliischen Gymnasien L\TII (1907). Heft 11.
f. Oettiiigen, Wolf gang. Aus stiller Werkstatt. Natur und Kunst.
Erlebtes und Erdachtes. Leipzi»;, Klinkhardt & Biermann. 1908.
IV, 389 SS. 8**. (Darin S. 109 -117: Die sehr beliebte Sixtinische
Madonna. S. 195 — 198: Einige Gemälde von Sascha Schneider.
S. 204—211: Adrian Ludwig Richter.)
F. Die handschriftlichen Schätze der Deutschen Gesellschaft zu
Leipzig: Wissenschaftliche Beilage der Lpz. Ztg. 1908. Nr. 5.
Pullas, Karl. Die Registraturen der Kirchenvisitationen mi ehemals
sächsischen Kurkreise. Herausgegeben von der Historischen Kom-
mission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt.
2. Teil: Die Ephorie Bitterfeld. (Geschichtsquellen der Provinz
Sachsen und angrenzender Gebiete. Band 41. 2. Abteilung. 2. Teil.)
Halle, Otto Hendel. 1907. XXIV, 368 SS. 8".
Fankow, Hans. Die Besiedelung unseres Vaterlandes. Eine histo-
rische Skizze: Sachsen-Post if (1908). Nr. 71. S. if. Nr. 72. S. 2 f.
Nr. 73. S. 2 — 4.
Fastor, Ludwig. Der Unsprung des Schmalkaldischen Krieges und
das Bündnis zwischen Papst Paul III. und Kaiser Karl V.': Histo-
risch-politische Blätter für das kathoHsche Deutschland CXLI
(1908), 225—240.
FfeterJ, H. Zur \'ollendung der Meifsner Domtümie. Ein Kapitel
aus einer Geschichte Meilsens: Meifsner illustriertes Unterhaltungs-
blatt. Mitt^vochs - Beilage zum Meifsner Tageblatt. 1907. Nr. 34.
S. 265 — 270. Mit 4 Abb.
Pfeffer, Georg. Gottlob Regis [Leipziger Schriftsteller], ein Kapitel
aus seinem Leben : Beilage zur Allgemeinen Zeitung. 1906. Nr. 145.
Pßster, Albert. Auf der Strafse von Leipzig nach Erfurt im Herbst
181 3: ebenda 1907. Nr. 188.
Philipp, Albrecht. August der Starke und die Pragmatische Sanktion.
(Leipziger Historische Abhandlungen, herausgegeben von E. Bran-
denburg, G. Seeliger, U. Wilcken. Heft IV.) Leipzig, Quelle &
Meyer. 1908. XV, 139 SS. 8".
Pietzsch. Aus schwerer Zeit des Ortes Bräunsdorf: Glückauf XXVIl
(1907), 146—149.
Pilk, Jur. Kurwjerch August Sakskj a Serbowstwo: Casopis Macicy
Serbskeje LX (1907), 2, 81 — 84.
Finder, Wilhelm. Ein Gruppenbildnis Friedrich Tischbeins in Leipzig:
Kunst\vissenschaftliche Beiträge, August Schmarsow gewidmet . " .
Leipzig, Karl W. Hiersemann. 1907." S. 170—178. 4"." Mit i Tafel.
Prümers, Adolf. Berühmte Thomaskantoren und ihre Schüler: Blätter
für Haus- und Kirchenmusik XII (1907 08). Nr. 3 f.
Eeichel, G. u. J. Th. Müller. Zinzendorts Tagebuch 1716 — 17 19: Zeit-
schrift für Brüdergeschichte I (1907), 113—191.
Reinhardt. Das Martinstift zu Sohland am Rothstein. 1879. ^o- No-
vember 1907. Bautzen, G. M. Monse. (1907.) 8 SS. Mi^ i Abb. 8".
Reuß, Eduard. Zum fünfzigjährigen Bestehen des Kgl. Konser-
vatoriums in Dresden: Zeitschrift der Internationalen Musik-Gesell-
schaft VII (1906). 231 — 234.
I q8 Literatur.
Richter, Bernhard Friedrich. Die ]\Iotette in der Thomas-Kirche [zu
Leipzig;]: Leipziger Kalender V (1908), 131 — 137. I\'Iit Abb.
B'chter, Paul Emil. Literatur der Landes- und Volkskunde und Ge-
schichte des Königreichs Sachsen aus den Jahren 1905 und 1906.
(Mit Nachträgen aus früheren Jahren.) Nachtrag 6. Herausgegeben
vom Verein für Erdkunde zu Dresden. (Sonderabdruck aus den
Mitteilungen des Vereins für Erdkunde. Heft 6.) Dresden, Wilhelm
Baensch. 1907. IV, 80 SS. 8".
Hocke, G. August Israel: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche
Erziehungs- und Schulgeschichte XVII (1907), 75 — 78.
Roth, F. Der offizielle Bericht der von den Evangehschen nach
Regensburg Verordneten. 1546. 1.: Archiv für Reformation.s-
geschichte V (1908), i — 30.
Roiher, R. Stadt und Schlofs Waldheim i. S.: Sachsen-Post II U908).
Heft 23. S. 7— 10. Mit 5 Abb. (Fortsetzung folgt.)
Ridinff, Georg. Zur Geschichte der Papiermühlen Kursachsens:
Wissenschaftliche Beilage der Lpz. Ztg. 1907. Nr. 45.
Ruß, Ralph. Afranisches Ecce 1907. 12. Heft. Dresden, Niederlage
des Vereins ehemaliger Fürstenschüler. 1907. (II), 67 SS. Mit Bild-
nissen. 8 ".
S., F. W. Das Wahrzeichen der Nicolaikirche in Leipzig: Der Leip-
ziger II (1907), 1313. Mit Abb.
Sauppe. Geschichte der Burg und des Cölestinerklosters Oybin
(Forts.): Neues Lausitzisches Magazin LXXXIII (1907), 110 — 195.
Sauzey. Les Allemands sous les Aigles Fran^aises. Essai sur les
Troupes de la Conf6d6ration du Rhin 1806 — 1813. III: Les Saxons
dans nos Rangs. Paris, R. Chapelot et Co. 1907. (II), 265 SS.
Mit Taff. 8".
Schenkel. Das Kruzilix auf der neuen Augustusbrücke in Dresden:
Sächsisches Kirchen- vmd Schulblatt. 1908. Sp. 113 — 115..
Scheiiffler, Heinrich Johannes. Grimmaisches Ecce 1907. 28. Heft.
Dresden, Niederlage des Vereins ehemaliger Fürstenschüler. 1907.
(II), 69 SS. Mit Bildnis.sen. 8".
Scheumann , A. Richard. Das Richard Wagner-Haus zu Graupa bei
Dresden: Neue Musik-Zeitung XXVIII (1^907), 479 f. Mit i Ansicht.
„ Carl Maria v. Webers Erholungs- und Arbeitsstätte in Hosterwitz
bei Dresden: ebenda XXIX (1907), 14 — 16. Mit 4 Abb.
„ Sängerveteranen vom I. Deutschen Sängerl^undcsfest zu Dresden
1865: Die Sängerhalle XLVIII (1908). Nr. 3—6.
Schlosser, Heimann. Pechgewinnung und Pechbereitung in früherer
Zeit: Glückauf XXVII (1907), i72i.
Schluttig, M. Chronik der Gemeinde Thalheim i. Erzgeb. i. Die
politische Gemeinde. 2. Die Kirchgemeinde. 3. Die Pfarre. 4. Die
Schulgemeinde. Thalheim, Gustav Hofmann. (1906.) 58 SS. 8".
Schmidt, Berthold, und Karl Knab. Reufsische Münzgescliichte.
Bearbeitet unter Mitwirkung des Geh. Hofrats Dr. J. Erbstein.
Dresden, Verlag der Numismatischen Gesellschaft. 1907. V,
283 SS. Mit 17 Taff. 8".
Schmidt, Hermann. Der Bielplatz bei Georgewitz: Aus deutschen
Bergen XXII (1907), 81—85. Mit 3 Abb.
„ Prähistorisches aus der Oberlausitz: Sächsischer Postillon. 1907.
Beilage zu Nr. 199.
Schmidt, Otto Eduard. Fouque, Apel, Miltitz. Beiträge zur Ge-
schichte der deutschen Romantik. Mit 12 Jllustrationen und
2 Musikbeilagen. Leipzig, Dürr. 1908. 220 SS. 8".
Literatur.
199
Schmidt, Otto Eduard. Auiiust Ai)^, eine Studie aus dem alten
Leipzig: Die Grenzboten' LXVI (1907). Nr. 47!".
Schmidt, IVatther E. Das religiöse Leben in den ersten Zeiten der
Brüderunitiit: Zeitschrift für Brüdergeschichte I (1907), 33—92.
Schneider, Bernhard. Der wendische Hochzeitsbitter (Bra§ka). Ein
Beitrag zur sächsischen Volkskunde: Mitteilungen des Vereins
für .Sachs. Volkskunde 1\' (1907), 220—226. 263--271. Mit Musik-
noten.
Schön, Theodor. Zwei Württemberger als chursächsische Leib-
chirurgen [Johann Friedrich Weifs und Wittel, iS.Jahrh.]: Medi-
cinisches Corresp(jndenz-Blatt des Württembergischen ärztlichen
Landesvereins LXXVII (1907), 775 f.
„ Das Räu1)erunwesen im Scheinburgischen während des 17. und
18. Jahrhunderts: Schönburgischer Hauskalender avif das Schalt-
jahr 1908. vS. 25 - 31.
Schröder, Ferdinand. Maria Kunigunde. von Sachsen (1740 — 1826),
letzte Aebtissin von Essen. E.ssen, Fredebeul & Koenen. 1907.
47 SS. Mit 3 Taff. 8".
V. Schröttcr, Friedrich Freiherr. Das Münzwesen Brandenburgs
während der Geltung des Münzfufses von Zinna und Leipzig:
Hohenzollern-Jahrlxich XI (1907), 63—74. Mit 28 Abb.
Schulze, F. Die Leipziger Bibliotheken im Jahre 1779: Das schwarze
Brett VI (1908), 195!
Schurig, Arthur. Fi'iedrich August der Starke. Ein zeitgenössisches
Charakterliild. Aus dem unveröffentlichten Originalmanuskript
von 1722 übertragen: Frankfurter Zeitini^ und Handelsblatt.
1907. Nr. 246. (Dazu Bemerkungen von Paul Haake ebenda
Nr. 250, Schurig ebenda Nr. 254, Haake ebenda Nr. 261.)
., Ein Gang durch Dresden vor 80 Jahren. Nach einem vergessenen
Buche von W. v. Lüdemann und alten Aufzeichnungen: Dresdner
Anzeiger. Sonntags-Beilage. 1908. Nr. i.
Sfchiirig], Efuqen]. Das 2. Jägerbataillön Nr. 13 fünfundzwanzig
jähre in Dresden. 1882 — 30. September — 1907: Der Kamerad
XLV (1907). Nr. 39. S. 2 f.
,, Sächsische Künstler im W^afl'enrock. V — X: ebenda Nr. 39. S. 17.
Nr. 40. S. i8f. Nr. 41. S. 17! Nr. 50. S. 9! XLVI (1908). Nr. 1.
S. 17 — 19. Nr. 5. S. lyf. Nr. 9. S. 17 — 20.
,, Neunzig Jahre Garde-Reiter-Herrenwache [im Dresdner Schlois].
1817 — 1907: ebenda XLV (1907). Nr. 52. S. 3f.
,, Die Sächsischen Eisenbahnen während des Feldzuges 1870 71.
I-III: ebenda XLVI (1908). Nr. 3. S. 18. Nr. 4. S. 17—20. Nr. 6.
S. lyf. Nr. 7. S. 17 f.
.. Der Philosoph Fichte und die Herren von Miltitz: ebenda Nr. 8. S. 2.
Schubter, Georg. Die Verwandtschaft der Häuser Hohenzollern und
Wettin: Hohenzollern -Jahrbuch XI (1907), 109 — 154. ?Jebst
3 Konsanguinitätstafeln.
Schivabe, Ernst. Pläne und Versuche, uni in Kursachsen eine Ritter-
akademie zu errichten: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche
Erziehungs- und Schulgeschichte XVII (1907), 89 — 112.
Schweitzer, Albert. ]. S. Bach. Vorrede von Charles Marii- Widor.
Leipzig, Breitkopf & Härtel. 1908. XVI, 844 -SS. Mit i Bildnis. 8".
Seeliger, E. A. Geschichte der Heimat. Für Schule und Haus in
L()bau und Umgeliung. Im Auftrage des Pädagogischen Vereins
zu Löbau herausgegel)en. Li Jbau, j. G. Walde (Woldemar Marx).
1908. 100 SS. 8".
ZOO Literatur.
Üceliger, E A. Exulanten aus der Herrschaft Rumburg 1652 [iu
Sachsen]: Mitteilungen des Nordböhmischen Exkursions -Klubs
XXX (1907), 285—287.
Siyffarth, W. Die Lage der akademisch gebildeten Lehrer an den
sächsischen Seminaren. Herausgegeben vom Ausschuis der \'er-
einigung akademisch gebildeter sächsischer Seminarlehrer. Als
Manuskript gedruckt. Dresden, Druck von Oscar Siegel. (1907.)
13 SS. 8".
Siehmacher, J. Grofses und allgemeines Wappenbuch in einer neuen
vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heral-
dischen und historisch-genealogischen Erläuterungen neu heraus-
§egeben. VL Band. 12. Abteilung: Der abgestorbene Adel der
ächsischen Herzogtümer, bearbeitet von G. A. v. Mülverstedt.
Nürnberg, Bauer «Sc^Raspe. 1907. IV, 118 SS. Mit 88 Taff. 4".
S[igisviHn]d, EfrnstJ. Theobald v. Oer und Dresden: Dresdner
^ Anzeiger. 1907. Nr. 280. S. 2.
Siinak, J. V. Bohemica v Lipsku. ^ [ßoheinica in Leipzig.] (Histo-
ricky Archiv vydävä L tfida Ceske Akademie ^Cisafe Frantiska
Tosefa pro, vedy, slovesno.st a umeni v Praze. Cislo 29.) V Praze,
NäklademCesk^ Akademie Cisafe Frantiska Josefa pro vedy, sloves-
nost a umeni. 1907. 117 SS. 8".
Skolh, H. Geschichtliches über das Quellgebiet der Neunzehnhainer
Talsperre: Wissenschaftl. Beilage der (Chemnitzer) Allgemeinen
Zeitung. 1907. Nr. 27 f
Speck, Oskar. Der Sonnenstein als Festung: Über Berg und Thal XXX
(1907), 229—232.
Stocket, Albert. In Leid und Lust! Grüfse aus Gottes Wort an
seine liebe Schönefelder Kirchgemeinde. Schönefeld bei Leipzig,
Johann Schölermann. 1907. 72 SS. 8".
Störsner, S. Ernstes und Heiteres vom Frienstein (Vorderes Raub-
schlofs): Über Berg und Thal XXX I1907), 232 — 234.
Sudhoff, Karl. Dürers anatomische Zeichnungen in Dresden und
Lionardo da Vinci: Archiv für Geschichte der Medizin I (1907/08),
317 — 321. Mit 2 Abb.
Tungl, M. Die Vita Bennonis und das Regalien- und Spolienrecht:
Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts-
kunde XXXIII (1907), 75—94.
Theissen, Johann Samuel. Centraal Gezag en Friesche Vrijheid.
Friesland onder Karel V. Proefschrift ter verkrijging van den
Graad van Doctnr in de Nederlandsche Letteren aan de Rijks-
universiteit te Leiden. Groningen, M. de Waal. 1907. XXXVI,
507 SS. 8". (S. i4ff. : All:irecht van Saksen, Gubernator van Fries-
land; S. 29ff.: Het Saksisch Bestuur in Friesland.)
Theissig, Kurt. Die Rechtsstellung der Strafsenbahngesellschaften
gegenüber dem Staat und der Gemeinde nach sächsischem Recht.
Leipzig, Veit & Comp. 1908. IV, 76 SS. 8".
Theobald, Leonhard. Das Leben und Wirken des Tendenzdramatikers
der Reformationszeit Thomas Naogeorgus seit seiner Flucht aus
Sachsen. (Quellen und Darstellungen aus der Geschichte des
Reformationsjahrhunderts. Herausgegeben von Georg Berbig.
Band IV.) Leipzig, M. Heinsius Nachfolger. 1908. 106 SS. 8".
Tille, Armin. Eutritzscher Kriegsnöte im Jahre 1745: Leipziger
Kalender V (1908), 81—90.
V, Ubisch, E. Das Fürstenmuseum in Dresden: INIuseumskunde IV
(1908), 1-6.
Literatur. 201
Llaszyn, Henryk. Jakiil) Ciszviiski, poeta luzycki. [Dw Luusitzer
Dichter J. C. Sonderahilruck aus Swiat Slowianski Nr. 24.]
Krakaii, Kornecki i Wojnar. 1906. 13 SS. 8".
Ulrich, Herbert. Welclie Nummern sj)ic'len am glückliclisten in der
sächsischen Lotterie? Aus den amthchen Gewinnlisten der königlich
sächsischen Landes-Lotterie der letzten 25 Jahre, also von vollen
50 Lotterien =^ 250 Klassen - Zii'hungen, nämlich von loi. bis
150. Lotterie, welche vom 2. L 1882 bis 23. X. 1905 stattgefunden
haben, ennittelt und zusammengestellt. Hamburg, F.Vogt. (1907.)
128 SS. 8".
Unbescheid, Wilhelm Hermann. Chronik der Familie Unbescheid.
3. Heft. Dresden, Christian Kauchhaus. 1907. S. 90 — 138.
Vogel d. J., Johann Jakob. Kurze Leipziger Jahres-Chronik: Leipziger
Kalender V (1908), 261 — 275.
Vor/el, Julius. Zur (■ranachforschung: Zeitschrift für Inldende Kim.st.
N. F. XVIII (1907), 219-226. Mit 5 Abb.
Voigt, F. Heergewette und Gerade: Mitteilungen des Vereins für
Sachs. Volkskunde IV (1907), 252^254.
Wagner, Faul. Die neue geologische LTbersichtskarte des Königreichs
Sachsen: Dresdner Anzeiger. Sonntags -Beilage. 1908. Nr. 12.
Wncfner, Eichard. Richard Wagner an Minna Wagner, i.— 2. Band.
BerUn u. Leipzig, Scluister & Löftler. 1908. 323, 319 SS. Mit Taft'. 8".
Wegener, Hanns. Ferdinand Avenarius. Der Dichter. (Beiträge zur
Literaturgeschichte. Herausgeber: Hermann Graet. Heft 46.)
Leipzig, Verlag für Literatur, Kunst und Musik. 1908. 34 SS. 8".
Weigel, Philipp. Das sächsische Sibirien. Sein Wirtschaftsleben.
Ein Beitrag zur Würdigung des Erzgebirges. Berlin, R. Trenkel.
(1908.) XVm, III SS. 8".'
Weiser, Martin. Aus dem Leipziger klinischen Viertel. Eine Reihe
E ho tographi scher Bilder. Mit einem Geleitwort von Sudholf.
.eipzig, (A. Lorentz. 1908). 21 SS. 8".
WestjJhal, M. />. Das Dresdner Stadtmuseum: Dresdner Neueste
Nachrichten. 1908. Nr. 42. S. 3. Nr. 43. S. 3.
Wiechel, H. Freie Wahlen. Ein Vorschlag für ein Wahlverfahren in
Anlehnung an den Regierungs-Entwurf vom 7. Juli 1907. Dresden,
C. Heinrich in Komm. (1907.) 44 SS. 8".
Wiechel. Nachträge zum Burgenbuche: Über Berg und Thal XXX
(1907), 234—236. Desgl. Nachträge von Herbert Beschorner, Hans
Beschorner, Alfred Meiche: ebenda 236 f.
Witkowski, Georg. Der Wunnsaamen. Sechs poetische Streitschriften
aus den Jahren 1751 und 1752. Mit Nachbildungen der sechs
Originaltitel. (Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Er-
forschung vaterländischer Sprache und Altertümer in Leipzig.
X. Band, 2. Heft.) Leipzig, Selbstverlag der Deutschen Gesellschaft,
Karl W. Hiersemann. 1908. 79 SS. 8".
Worringer, Wilhelm.. Lukas Cranacli. Mit 63 Al)l)ildungen nach
Gemälden, Zeichnungen, Kupferstiehen und Holzschnitten. (Klas-
sische Illustratoren. Band IIJ.) München, R. Piper & Co. 1908.
128 SS. 8".
Wustmann, G. Frauenhäuser und freie Frauen in Leipzig im Mittel-
alter: Archiv für Kulturgeschichte \' (1907), 469—482.
„ Die Herbatio annua. Zur Geschichte des pharmazeutischen Unter-
richts an der Leipziger Universität: Wissenschaftliche Beilage der
Lpz. Ztg. 1908. Nr.' 8.
202 Literatur.
«
WustmuiDi, G. Kleine Chronik von Leipziij 1015 — 1907: Leipziger
Kalender V (1908), 33—48..
„ Wellklagen der Napoleonsjünger [in Leipzig 1813]: ebenda 63 — 69.
Z., A. Justizpflege im 18. Jahrhundert in Dresden: Dresdner Neueste
Nachrichten. 1908. Nr. 74. S. 2.
„ Das Fürstenhaus Schönburg -Waidenburg: Sachsen- Post 1 (1907).
Nr. 52. S. s-8. Mit 5 Ablx ■" •
„ Freiberg, Sachsens ßerghauptstadt : ebenda II (1907). Nr. 53.
S. 5— 7.' Nr. 54. S. 5—8. ""Mit 15 Abb.
Zachitiaiiii, Wilhelm. Auf dem Bauernhofe [in der Oberlausitz]. Er-
innerungen aus meiner Jugendzeit. Leipzig, Arwed Strauch. 1907.
IX, 437'SS. 8".
V. Zedtwitz, A. Freiherr. Namensverzeichnis und Wappen von Adels-
familien: Dresdner Residenz-Kalender. 1908. S. 71 — 73. Mit i Taf.
[v. Zczfichioitz , P.J Joseph v. Zezschwitz. Ein Lebensbild aus der
Zeit der Freiheitskriege. 3. veränderte Auflage der „Mitteilungen
aus den Papieren emes sächsischen Staatsmannes". Dresden,
Wilhelm Baensch. (1907.) 90 SS. Mit 1 Bildnis. 8".
Zinck, Faul. Inschriften aus dem östlichen Erzgebirge: Kalender
für das Erzgel)irge, Vogtland und die Sächsische Schweiz IV
(1908), 4—8.
„ Etwas vom Lotterieteufel. Studien aus dem Jahre 1755: Leipziger
Kalender V (1908), 141 — 149. Mit i Abb.
„ Rockenlieder, gesammelt in Schellerhau bei Altenberg im Erz-
gebirge: Mitteilungen des Vereins für sächs. Volkskunde IV (1907),
227 — 235. 271 f. Mit Musiknoten.
V. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf. Auswahl aus Zinzendorfs Brief-
wechsel vom 8. April bis 29. Juli 1716: Zeitschrift für Brüder-
geschichte I (1907), 192 — 203.
Die Sächsischen Aktien -Gesellschaften und die an sächsischen
Börsen kurshabenden Staatspapiere, sonstigen Fonds und Industrie-
werte. Jalirl3uch der Dresclner, Leipziger und Zwickauer Börse.
Begründet von Richard Börner. Fortgesetzt von der Redaktion
des „Handbuches der Deutschen Aktien-Gesellschaften". 12. voll-
ständig umgearbeitete Auflage. Ausgabe 1907,08. Berlin und
Leipzig, Verlag für Börsen- und Finanzliteratur A.-G. 1908. XX,
661 ss: 8". '
1707. 1907. Festbericht über die Feier am i. September 1907 bei der
Enthüllung des Denkmals zur Erinnerung an König Karl XII. von
Schweden und den Abschluls der Convention von Altranstädt.
Leipzig, Giesecke & Devrient. (1907.) 47 SS. Mit Taff. 8".
125 Jahrgänge der Bautzner Nachrichten: Bautzner Nachrichten.
1907. Nr. 4.
Bunte Bilder aus dem Sachsenlande. Für Jugend und Volk. Heraus-
gegeben von dem Sächsischen Pestalozzi-Vereine. Mit zahlreichen
Abb. IV. Band. Leipzig, Julius Klinkhardt in Komm. 1907. VIII,
416 SS. 8".
Robert Blum. Zum Andenken an den 100 jährigen Geburtstag
10. November 1907: Der Leipziger II (1907), 121 9 f. Mit 2 Abb.
Zum 175. Gedächtnistag der Grünclung der Brüdermission. Rück-
blick auf das letzte Vierteljahrhundert unserer Missionsarbeit.
Herausgegeben von der Missions-Direktion. Herrnhut, Missions-
buchhandlung. 1907. 29 SS. 8".
Literatur.
203
Die von Burgsdorf (Stammtafel): Zeitschrift für BriUlergeschichte I
(1907), Tat. 6.
Crimmitschauer Bürgerljuch. Sammlung der Ortsgesetze und der
wichtigsten Regulative, Bekanntmachungen und Verträge aus der
Verwaltung der Stadt Crimmitschau, herausgegeben vom Stadt-
rat zu Crimmitschau. 2. Auflage. Crimmitschau, Aug. Ludwig
Stofs. 1907. X, 89s SS. 8".
Die Ermordung des Landgrafen Diezmann von Thüringen: Der
Leipziger II (1907), 141 3. Mit 2 Abb.
Blätter für die Böhmische Exulantengemeinde zu Dresden. Heraus-
gegeben im Auftrage des Vorstandes von Pfarrer A. Neuberg.
Nr. I. Dezember 1907. Königsbrück, Druck von A. Pabst. 11 SS. 8".
Der Kammweg des Erzgebirges: Industrie des Erzgebirges und
Vogtlandes XX (1908), i — 5.
1857 — 1907. Die Brauerei zum Felsenkeller bei Dresden. Rück-
blick auf eine 50 jährige Vergangenheit. Leipzig und Berlin,
Giesecke & Devrient. (1907.) 36 SS. Mit Taff. und Abb. qu.-4''.
Die neueren sächsischen Forst haus bauten: Kalender für das
Erzgebirge, Vogtland und die Sächsische Schweiz IV (1908),
32—36. Mit Abb.
Die von Friesen auf Rötha (Stammtafel): Zeitschrift für Brüder-
geschichte I (1907), Taf. I.
Der Frohnauer Hammer: Glückauf XXVII (1907), 127 — 129. Mit
2 Abb.
Die von Gersdorff auf Malschwitz in Schlesien und Meftersdort
(Stammtafeln): Zeitschrift für Brüdergeschichte I (1907), Taf. 2, 4, 5.
Ein geistlicher Abenteurer [Pfarrer Johannes Hollenhagen in Geyer]:
Kirchliche Nachrichten aus der Stadt Geyer aus dem Jahre 1907.
1 Bl. 2".
Jubelfeier zur Erinnerung an das 150 jährige Bestehen des Gemein-
saales zu Herrnhut am 13. August 1907. Herrnhut, Missions-
buchhandlung. (1907.) 63 SS. Mit" Abb. und i Taf. 8".
Ein kleines Silbermann'sches Orgelwerk aus dem Jahre 1724 [aus
Hilbersdorfbei Freiberg] : Zeitschrift für Instrumentenbau XXVIII
(1907), 3 f. Mit Abb.
Gutzkow und Auerbach und das Kamenzer Lessingdenkmal:
Wissenschaftliche Beilage der Lpz. Ztg. 1908. Nr. 2.
Aus alten Kirchenbüchern und Kirchrechnungen tSchlufs folgt):
Neues Sächsisches Kirchenblatt XV (19081, Sp. 145 — 148.
Neue Sächsische Kirchengalerie. Unter Mitwirkung der säch-
sischen Geistlichen herausgegeben. Die Ephorie Marienberg.
Liefervmg 35 — 38. Sp. 825 — 914. — Die Diöcese Löbau. Liefe-
rung I — 16. Sp. I — 384. Leipzig, Arwed Strauch. I1907 08.) Mit
Taft', und Abb. 4".
Das Schlofs Lauer: Der Leipziger II (19071, 1224. Mit 2 Abb.
Leipziiier Kalender. JUustriertes Jahrbuch und Chronik. Heraus-
gegeben von Georg Merseburger. 5. Jahrgang. Leipzig, Georg
Merseburger. 1908. 288 SS. Mit i farbigen Taf. und i Musik-
beilage. 8".
Der Thüringer Hof [in Leipzig]: Leipziger Kalender V (1908),
279 — 282. Mit Abb.
Graf Pappenheim in Leipzig: Der Leipziger II (1907), 1277. Mit
2 Abb.
Das alte Leipzig: ebenda III (1908), ii8f. Mit 3 Abb.
204 Literatur.
Adrelsbuch für Liebertwolkwitz und die Nachbarorte . . . Auf
Grund amtlicher Quellen herausgegeben vom Verlage des An-
zeigers für Liebertwolkwitz u. Umg. Liebertwolkwitz, Druck von
Fr.^Zeugner. (1908.) XIV, 112 SS. 8". (S. V— XIV: Geschicht-
Uches von Liebertwolkwitz.)
Lob au er Bote. Blätter der Erinnerung für Angehörige des Löbauer
Seminars. I (1906). Nr. i — 4.
Mirusblatt. Vereinsorgan des Mirusbundes. Leisnig, Druck von
Hernn. Ulrich (Wölbung & Feiste). 1907. Nr. 17 f. S. 257 — 292.
Sächsische Orden und Ehrenzeichen: Der Leipziger II (1907), i438f.
Mit Abb.
Mundartliche Formen sächsischer Ortsnamen: Dresdner Anzeiger.
Sonntags-Beilage. 1908. Nr. 9. (Fortsetzung folgt.)
General von Raab -{-: Dresdner Anzeiger. 1908. Nr. 2. S. 2.
Nr. 5. S.S.
Sachsen (neb.st zugehörigen Artikeln): Meyers Grolses Konver-
sations-Lexikon XVIP (1907), 367 — 402. Mit 3 Karten.
Schiller-Gedenkstätten in Sachsen: Sachsen-Post II (1907).
Nr. 57. S. 6—9. Mit 7 Abb.
Hervorragende Männer aus dem Schönburgischen im 18. und
19. Jahrhundert: Schönburgischer Hauskalender auf das Schalt-
jahr 1908. S. 33.
Der Stammbuch böte. Nachrichtenblatt der Stammbuchführer des
Vereins ehemaliger Fürstenschüler. 2. Runde. Nr. 40. Dezember
1907.
Völkers chlacht-Erinneiamgen (16. — 19. Oktober 181 3): Der Leip-
zio;er II (1907), 113s — 1139. Mit Abb.
Ter'sches Familienblatt. Vereinsorgan des Waplerbundes.
Leisnig. Druck von Hernn. Ulrich (Wölbling «Sc Feiste). 1907,08.
Nr. 3 3-- 35- S. 513—564.
Burg Wettin: Der Leipziger II (1907), 1275t. Mit 3 Abb.
Die Grafen von Zinzendorf, der Zelkingsche Zweig (Stammtafel):
Zeitschrift für Brüdergeschichte I (1907), Taf. 3 a— c.
Ein Bierkrieg vor 400 Jahren [in Zittau]: Unterhaltungsbeilage der
Bautzner Nachrichten. 1906. Nr. 73.
Waplt
Alt-Kirchberg. Mitteilungen des Altertumsvereins Kirchberg. Kirch-
berg, C. J. Kandel. (1907 08.) Nr. 5 — 14. S. 17 — 56.
Inhalt: Cam. Bräuer, Die Kirchberger Hausbesitzer im Innern
der Stadt während der letzten 200 Jahre. — S[cheibeJ, Die
Kirchberger Spitznamen, ein Beitrag zur sächsischen Volkskunde. —
Bönhoft, Das Bergwerk „Hohenforst" im Mittelalter. — Scheibe,
Proben geistlichen Briefstils aus den Jahren 1770 — 1840. — A.
Göbel, Die „Brezelschule" in Schönau - Wiesenbvirg. — Sieben
denkwürdige Kirchberger Schulexameneinladungen aus den 17
letzten Jahren des 17. Jahrhunderts.
Beiträge zur sächsisehot, Kinhenge schichte. Herausgegeben im Auf-
trage der „Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte" von
Franz Dibelius und Theodor Brieger. Heft 21. (Jahresheft für
1907.) Leipzig, Johann Ambrosius Barth. II, 132 SS. 8".
Inhalt: Frank Ludwig, Zur Entstehungsgeschichte der Lokal-
visitationen , des „Synodus" und des Oberkonsistoriums in Kur-
sachsen (Kirchenordnung von 1580). — O. Pinder, „Wenn wir
Literatur. 20<
in höchsten Nöten sein und wissen nicht, wo aus noch ein'\ —
Ernst Otto, Der Streit der beiden kursächsischen Hofprediger
D. Mattliias Hoe von Hoenego; und Mag. Daniel Hänichen (1613
bis 161 8». Nach den Akten des Königl. Sachs. Hauptstaatsarchivs.
— Franz Blanckmeister, Valentin Ernst Löscher und der
Rat zu Dresden. — Dil)elius, Zur sächsischen Glockenkunde.
— Derselbe, Anfrage, Gründonnerstag betreffend.
Blätter für die Geschichte der Sächsischen Armee. 1907. Nr. 10 — 12.
1908. Nr. I — 3.
Inhalt: Johann Edmund Hottenroth, Historietten aus den
Jahren 1806 und 1807 iSchlufs). — C. v. Metzsch, Die Königlich
Sächsischen Truppen im Feldzuge 1807 gegen Preufsen und
Russen (Fortsetzung und Schlufs). — Zwei Schwester-Regimenter:
7. Infanterie-Regiment „König Georg" Nr. 106 ; S.Infanterie-Regiment
„Prinz Johann Georg" Nr. 107. — 3. Infanterie- Regiment Nr. 102
„Prinz- Regent Luitpold von Bayern" und 4. Infanterie-Regiment
Nr. 103. — E. Schuri^, Die Sächsische Feldpost. Eine geschicht-
liche Betrachtung. — Rochlitz als Infanterie-Garnison (Fortsetzung
folgt'. — Das Schützen-(Füsilier-)Regiment „Prinz Georg" Nr. 108.
— Das I. Husaren-Regiment „König Albert" Nr. 18 fünfzig Jahre
in Grofsenhain. — Zur Geschichte des Dresdner Kadettenkorps.
Dresdner Geschichtsblätter. Herausgegeben vom Verein für Geschichte
Dresdens. XVI. Jahrgang. 1907" Nr. 3— 4.
Inhalt: Otto Richter, Erlebnisse eines Annenschülers 1758 — 72.
Aus der Selbstbiographie des Pastors Christian Heinrich Schreyer.
— Derselbe, Dresdens Bedeutimg in der Geschichte. Vortrag,
gehalten bei der 10. Versammlung deutscher Historiker in Dresden
am 4. September 1907. — Otto Meltzer, Ein Traktat Peters
von Dresden. - Paul Rachel, Eine höfische Festordnung aus
Kurfürst Augusts Tagen (1572).
Mitteiluru/en des Freiberger AHertumsvereins mit Bildern aus Frei-
bertjs Vergangenheit. Herausgegeben von Konrad Knebel. Heft 43.
Freiberg, Gerlach. 1907. (II), 92 SS. 8".
Inhalt: Reich, Zur Erinnerung an den Freiberger Notstand
vor 200 Jahren. — Aug. Lingke, Die ehemalige Bürger-Grenadier-
Kompagnie zu Freiberg. Ein Uniformstreit aus dem Jahre 1794.
— Wappler, Die Holtzmannsche Bildersammlung unseres Mu-
seums. - Konrad Knebel, Die Freiberger Kupferschmiede.
Die Zarworchten, Plattner oder Panzermacher. 7.-8. Beitrag zur
Kenntnis des älteren Handwerks in Sachsen. — Wappler, Alte
sächsische Wünschelruten-Geschichten. — Nachtrag zu dem Auf-
satz: Die Familie Hilliger von Otto Hübner in Heft 42. — A.
Lingke, Bergschulanstalten.
Mitteilungen des AHertumsvereins zu Plauen i.V. 19. Jahresschrift auf
dieJahreigoS — 09. Herausgegeben vom Vereinsvorstand. Plaueni.V.,
Druckerei R. Neupert jr. 1908. XV, 269 SS. Mit 3 Taft. 8".
Inhalt: K. v. Kauffungen, Dr. Curt v. Raab f- — A. Scholtze»
Plauen im Jahre 1813. — A. Neupert sen., Dr. phil. j. G. Heynig,
der teutsche Sokrates aus dem Voigtland. - Bönhoff, Die
Parochie Plauen und ihre Entwickelung im Zeiträume von 1122
bis 1905. —Derselbe, Die Parochie Reichenbach und ihre Ent-
wicklung bis zum Jahre 1529. — Derselbe, Die Parochie
2o6 Literatur.
Elsterberg und ihre Entwicklung bis zum Ende des 15. Jahrhunderts.
— Rieh. Frey tag, Zur Gescliichte der Stadt Auerbach i. V. —
Angermann, Die Faiuilie Jugler und ihre Beziehungen zu Plauen.
-r^ Rieh. Helmrich, Plauener Theatergeschichte bis zur Weihe
des Stadttheaters im Jahre 1898. — A. Neupert sen., Verkehns-
verhältnisse und wirtschaftliche Zustände im alten Plauen.
Beiträge zur Geschichte der Stadt Buchholz. Herausgegeben vom
Buchholzer Geschichtsverein. Heft VI. Buchholz, Albert Handreka.
1907. III SS. 8".
Inhalt: Otto Giemen, Briefe von Georg Sturfz. — L. Bartsch,
Die Beteiligrmg der Stadt Buchholz an der Erbhuldigung im
Jahre 1769. — Derselbe, Die Zunft- Briefe des Buchholzer Zimmer-
handwerks v.J. 1657 und der Buchholzer Maurerinnung vom Jahre
1767. — Derselbe, Briefwechsel zwischen Hofrat Christian
Gottlob Voigt und Bürgermeister Christian Hieron3-mus Sommer
1785 und 1786. — Derselbe, Buchholzer Rektorenproben und
Rechnungen darüber aus der Zeit von 1722 — 1823.
Mitteilwigen des Vereins für Geschichte der Stadt Gleißen. 27. Heft.
(7. Band. 3. Heft.) Meifsen, Louis Mosche in Komm. 1907.
S. 261—427. 8".
Inhalt: Hellmuth Schmidt, Die sächsischen Bauernunnihen
des Jahres 1790. (Auch Leipziger Diss.)
Nachrichten.
Am 14. Dezember v. ]. tand die diesmalige Jahresversammlung
der Königl. Sächsischen Kommission für Geschichte zu Leipzig statt.
Da Seine Exzellenz der Kultusminister von Schlieben leider durch
schwere Erkrankung an der Leitung der Versammlung behindert war,
übernahm Wirkl. Geh. Rat Dr. Waentig den Vorsitz. Er begrüfste
den frülieren Vorsitzenden Exzellenz Dr. von Seidewitz, der als Ehren-
mitglied der Kommission an der Sitzung teilnahm, und sprach dem
Kammerherrn von Frege-Weltzien für die von ihm begründete Stiftung
zur Förderung der vaterländischen Geschichtsforscliung imd Ge-
schichtsschreil)ung (vgl. diese Zeitschrift XXVill, 375) den Dank
der Kommission aus. Die Zvisammensetzung der Kommission ist
unverändert geblieben.
Veröffentlicht wurde im Laufe des Jahres 1907 die von P.
E. Richter und Chr. Krollmann besorgte Ausgabe von Wilhelm
D i 1 i eil s F e d e r z e i c h n u n g e n k u r s ä c h s i s c h e r u n d m e i f s n i s c h e r
Ortschaften aus den Jahren 1626 — 1629 (3 Bde.).
Demnächst wird erscheinen der von W. Lippert herausgegebene
Briefwechsel der Kurfürstin Maria Antonia von Sachsen
mit der Kaiserin Maria Theresia. Auch das erste Heft der
von E. Flechsig bearbeiteten Hauptwerke der sächsischen
Bildnerei des 15. und i 6. Jahrhunderts darf man wohl im laufen-
den Jahre erwarten.
Im Manuskript nahezu vollendet ist die Ausgabe der „Haus-
haltung in Vorwerken", des ältesten landwirtschaftlichen Lehr-
buchs in deutscher Sprache, herausgegefien von R. Wuttke und
H. Ermisch.
Der erste Band der sächsischen Ständeakten, bearbeitet
von W. Görlitz, soll bestimmt im Jahre 1909 erscheinen. Rüstig vor-
gSESchritten sind der zweite Band der Akten und Briefe des
Herzogs Georg (F. Gefs), der dritte Band der Politischen
Korrespondenz des Kurfürsten Moritz (E. Brandenburg unter
Mitwirkung von O. A. Hecker), die ersten Bände der Akten zur Ge-
schichte des Bauernkrieges in Mitteldeutschland (Otto Merx),
dieAkten zur Geschichte des Heilbrunner Bundes (J. Kretzsch-
niar), die Briefe Augusts des Starken (P. Haake), der Brief-
wechsel zwischen Graf Brühl und Karl Heinrich von Hei-
necken (Ed. O. Schmidt), die Ausgabe der Acta Nicolaitana
und Thomana (F. K. Sachse), die Geschichte der amtlichenSta-
tistik in Sachsen (R. Wuttke), die Beschreibun g des Bisturas
Meifsen (R.Becker)-, einige dieser Werke werden wohl noch im
Laufe dieses Jahres druckfertig werden.
2o8 Xachrichten.
Die verschiedenen Werke zur Geschichte des geistigen
Lebens der Stadt Leipzig, die war hier nicht nochmals im
einzelnen aufführen, sind so weit gefördert, dafs wenigstens einige
von ihnen im Jahre des Leipziger Universitätsjubiläums 1909 fertig
vorliegen werden.
Was die historisch -geographischen Arbeiten der Kommission
anlangt, so ist die photograpliische Reproduktion der sächsischen
Flurkarten vollendet. \^on der Grundkarte fehlt leider noch
immer die Sektion Finsterwalde-Grofsenhain, deren Bearbeitung die
Kommission für die Provinz Sachsen und Anhalt übernommen hat.
Die Sammlung von Flurnamen(H.Beschomer) hat auch im letzten
Jahre erfreuliche Fortschritte gemacht; mit den Reproduktionen für
den von Prof. Kötzschke übernommenen Flurkartenatlas soll im
Jahre 1908 ein Anfang^ gemacht werden. Die umfänglichen Arbeiten
für das historische Ortsverzeichnis von Sachsen hat A.Meiche,
unterstützt von G. Pilk und Otto Mörtzsch, fleifsig fortgesetzt.
Auch die Bibliographie der sächsischen Geschichte,
deren Herausgabe von Victor Hantzsch besorgt wird, ist wesentlich
gefördert worden. Über eine Sitzung des für dieses Werk ge-
bildeten Unterausschusses, die am 23. November zu Dresden statt-
fand, machte Oberregiennigsrat Dr. Ermisch eingehende ^li tt eilungen ;
er hofft, dals 19 10 mit dem Diaicke des Werkes werde begonnen
werden können.
Für das Registrum der Markgrafen von Meifsen vom
Jahr 1378, eine "der wichtigsten Quellen für die ältere Landes-
geschichte und Topographie, hat sich in der Person des Archivrat
Dr. Beschorner ein wohl vorbereiteter Bearbeiter gefunden. Schulrat
Prof. Dr. G. Müller in Leipzig ist mit der Bearbeitung der sächsi-
schen Visitationsakten aus der Reformationszeit beauftragt
worden. Ferner wurde dem Plane einer Sammlung der säch-
sischen Dorfordnungen näher getreten. Um auch in weiteren
Kreisen anregend zu wirken, wird die Kommission in Zukunft
Neujahrsblätter mit kurzen, abgenmdeten Darstellungen aus dem
Gebiete der sächsischen Geschichte erscheinen lassen.
Im Königlich Sächsischen Altertumsverein hielten im Laufe des
Winters 1907 08 Vorträge am 4. November Archivrat Dr. Beschorner:
Der historische Atlas von Sachsen; am 2. Dezember Dr. Görler:
Die Bedeutung des siebenjährigen Krieges für Kursachsen; am
13. Januar Dr. Hecker: Kurfürst Moritz von Sachsen und seine Räte
bis zum Ausgange des schmalkaldischen Krieges; am 3. Februar:
Archivrat Dr. Brabant: Maxen, acht Tao;e Daunscher und Fride-
ricianischer Strategie; am 2. März Dr. O. Crofse: Prinz Xaver von
Sachsen im siebenjährigen Kriege: am 13. April Seminaroberlehrer
Sigismund: Ferdmand Berthold und Ludwdg Richter, ein Beitrag
zur Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts. — Einen schweren Verlust
erlitt der Verein durch den Tod seines langjährigen ersten Vorsitzen-
den General der Infanterie Dr. von Raab. In der am 2. März statt-
gehabten Vorstandswahl wurden der bisherige zweite Vorsitzende
Oberregierungsrat Dr. Ermisch, Direktor der Kgl. öffentl. Bibhothek,
zum ersten. Geh. Hofrat Professor Dr. Gurlitt zum zweiten ^"or-
sitzenden gewählt.
In der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in
Görlitz sprachen am 1. Mai 1907 Pastor Döh 1er- Dresden „über die
Beschiefsung und Einäscherung Zittaus am 23. Juli 1757", am 9. Ok-
Nachrichten. 209
tober Prof. Dr. Wetzold „über da.s Gefecht bei Moys und ilen Tod
Winterfeldts (zum 150 jährigen Gedächtnisse)", am 10. Dezeml)er 1907
Prof. Dr. Jecht „über die Magdeburger und Dohnischen Schöppen-
.sprüche im Ratsarchive zu Görhtz". Am 16. Juni 1907 fand die Ge-
dächtnisfeier zum ICO jährigen Todestage des Stifters der Gesellschaft
Adolph Traugott v. Gersdorf in MelTersdorf a. d. Tafeltichte .statt,
wobei der Gesellschaftspräsident Kgl. Zeremonienmeister von Wiede-
l'ach und Nostitz-Jänkendorf, der Reichstagsabgeordnete von Gers-
dorffials Vertreter des Geschlechtsverbandes) und der Sekretär der Ge-
sellschaft Prof. Dr. Jecht Ansprachen hielten. Der Gesellschaft liel von
lustizrat Prasse in Görlitz ein Legat zu.
Der Verein für Geschichte von Annaberg und Umgegend zählt
gegenwärtig 142 Mitglieder. Das Amt des Schriftführers üljernahm
Seminaroberlehrer Segnitz, das des Bibliothekars Realgymnasial-
oberlehrer Dr. Meier. Im November sprach Pastor Dr. Lic. ßönhoff
über die Altäre der Parochie Annaberg in ihrer kirchenrechtlichen
Beziehung, im Januar Bürgerschuloberlehrer Finck über die heimat-
kundliche Bedeutung der "Annaberger Strafsenbenennvmg. Am 1 . Ja-
nuar d.J. ist eine Verschmelzung des vom Annaberger Geschichts-
verein fns Leben gerufenen „Museums erzgebirgischer Altertümer"
mit dem neuerrichteten „Erzgebirgs- Museum" erfolgt. Die hieraus
erwachsenden gegenseitigen Beziehungen des Geschichtsvereins und
des Erzgebirgsvereins sind im wesentlichen geregelt durch die von
beiden \7ereinen aufgestellte und im „Glückauf" 26. Jahrgang (1906)
S. 76—78 veröffentlichte „Satzung für das Erzgebirgs-Museum". Leiter
des Museums ist Bürgerschuloberlehrer Finck.
Der Verein für Chemnitzer Geschichte zählt gegenwärtig 188 Mit-
glieder. Versammlungen fanden am 28. Februar, 24. April, 19. No-
vember 1907, am 21. Januar und 17. März 1908 statt; in ihnen hielten
Vorträge Handelskarnmersyndikus Dr. M umm über „Chemnitz als In-
dustriestadt", Baurat Prof. Gottschaldt über „Märchen von Chem-
nitz und Umgegend", „unsere alten Grabmonumente", „ Jugender-
innerungen eines alten Chemnitzers", Prof. Dr. Schwarz-Leipzig über
„den Komponisten Philipp Duhchius (Deulich) aus Chemnitz", Real-
gymnasiallehrer Happach über „Becher, Rektor des ehemaligen
Chemnitzer Lyceuras", Prof. Dr. Uhle über „die Pest in Chemnitz
(und Sachsen) 1680". Im Laufe des Jahres ist die Eröffnung des
König- Albert- Museums zu erwarten, wohin der Verein mit seinen
Sammlungen und seiner Bibliothek übersiedelt.
Der Freiberger Altertumsverein (MitgHederzahl 328) beschäftigte
sich auch im letzten Jahre vorzugsweise mit dem Ausbau, der Beschrei-
bung und der Katalogisierung seines Museums. Ein „Führer durch die
Sammlungen des Freiberger Altertums vereins" ging den Mito;Uedern als
Beigabe zum 43. Hefte der Mitteilungen zu. In der Chronik des Vereins
verdient ferner der Besuch erwähnt zu werden, den am 7. Sept. v. T.
die X. Versammlung Deutscher Historiker von Dresden aus der Stadt
Freiberg abstattete; wenn er allen Teilnehmern in der angenehmsten
Erinnerung bleiben wird, so ist dies vor allem den Bemühungen des
Vereins Vorstandes zu verdanken, der die Führung durch die histo-
rischen und Kunststätten Freibergs übernommen hatte und durch
musikalische Veranstaltungen im Dom und beim gemeinschaftlichen
Mahl die Versammlung überraschte.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. l. 2. 14
2 10 Nachrichten.
Der Geschichts- und Altertumsverein zu Leisnig f6o Mitglieder)
hat am 21. November v. J. seinen Mitbegründer und Vorsitzenden
Heirat Dr. Miras verloren. Am 16. Dezember wurden Pfarrer Gerber-
Tragnitz an seine Stelle zum ersten, Bürgermeister Schickert zum
zweiten Vor.>itzenden gewählt. Vorträge aus dem Gebiete der
.sächsischen Geschichte hielten am 4. März 1907 Pfarrer Eisemann-
Gersdorf „Klagen und Plagen in Sachsen vor 150 Jahren"; am
28. Oktober Lic. Dr. Bönhoff „Der Leisniger Kirchensprengel mid
sein ursprünglicher Umfang"; am 16. Dezember Pfarrer Gerber
„Hans Conen von der Gabelentz (der geistige Vater des Vereins),
geb. 13. Oktober 1807"; am 20. Januar 1908 Realschullehrer Müller
„Kunstgewerbliche Gegenstände aus voro;eschichtlicher Zeit"; am
24. Februar 1908 P. em. Schöpff-Niederlöfsnitz „D. Zacharias
Rivander". Ein Gesuch um Überlassung geeigneter Räume im
Vorderschlosse zur besseren Unterbringung der Sammlungen des
Vereins hat bei der Kommission zur Erhaltung der Kvmstdenkmäler
eine wohlwollende Aufnahme gefunden und der Verein hoifc daher
auf Gewährung.
Im Verein für Orts- und Volkskunde zu Oschatz (48 Mitglieder)
hielten Vorträge am 29. November 1906 Lehrer Vödisch über „Die
Hubertusburger Fayence- und Steingutfabrik" und über „Die Gruppen
zum Heimatszuge" (bei dem hauptsäclüich dvTrch die Bemühungen des
Vereins veranstalteten Heimatsfest am 7. bis 9. Juli 1906); am 27. April
1907 derselbe über „Volkskunst" (mit Lichtbildern); am 9. Januar 1908
Rechtsanwalt Schmorl über „Das wüste Schlofs und die Ergebnisse
der Ausgrabungen"; am 26. Februar 1908 Bürgemieister Hartwig
über „Den Konkurs der Stadt Oschatz im Jahre 1640". Es wurde
ferner ein Ausflug nach dem wüsten Schlosse Osterland unternommen.
Im Altertunisverein zu Plauen i. V. (Mitgliederzahl: 316) sprachen
am 24. Oktober 1907 Pastor Kurt Klemm: „Was uns die Glocken
der Johanneskirche in Plauen erzählen"; A. Neupert sen.: „Heinrich
der Unechte, ein trübes Bild aus der Geschichte des fürstlichen
Hauses Plauen" und „Schlofs Reusa, seine Vorbesitzer und der durch
eingeworfene Fehdebriefe daselbst im Jahre 1746 erregte Aufstand,
nach einem Aktenstücke aus dem Reusaer Schlofsarchiv"; am 28. No-
vember Rektor Prof. Dr. An g e r m a n n : „Die Erlebnisse einer sächsischen
Pfarrerfamilie im Jahre 1813", Gymnasial-Oberlehrer Dr. H. Krause:
„Die prähistorische Forschung im Vogtlande", am 3o.Januar Gjarmasial-
lehrer Dr. Wilh. Vogel: „Kritische Darstellung der politischen
Geschichte Mylaus und Reichenbachs und das angeblich kaiserliche
Residenzschlofs zu Mylau". Dem vor kurzem erschienenen 19. Jahres-
bericht des Vereins ist eine von Alwin Neupert bearbeitete Biblio-
graphie zur Geschichte des Vogtlandes, deren Grundlage eine
Sammlung des Buchhändlers Curt Sünderhauf in Nordhausen bildet,
beigefügt worden Der Vorstand des Vereins besteht zurzeit aus Alwin
Neupert sen. als Vorsitzendem, Rektor Prof. Dr. Angermann als
stellvertretendem Vorsitzenden, Oberlehrer Dr. H. Krause als Kon-
servator, Oberlehrer H. Skolle als stellvertretendem Konservator,
Bürgerschullehrer Benedict als Schriftführer, Oberlehrer Dr. Dorsch,
Pfarrer Kesselring, Oberlehrer Prof. Streit und Dr. med. Wenzel als
Beisitzern.
Der Verein für Rochlitzer Geschichte (88 Mitglieder), dessen Vor-
stand unverändert geblieben ist, veranstaltete anläfslich der Feier
Nachricliten. 2 1 1
des 40Jähriü;en Bestehens des Ks>;l. Sachs. 2. Ulanenregiments Xr. 18
(8. — 10. Juni 1907) eine Sonderausstellung von Gegenständen, die sich
auf Rochlitzer Garnisons- und Militärwesen bezogen; sie ist im
„Kamerad" beschrieben worden. Als Festschrift erschien bei dieser
Gelegenheit ein ,,Grundrifs der Rochlitzer Garnisonsgeschichte", be-
arbeitet vom Vorsitzenden des Vereins Dr. Pfau.
In der Gesellschaft für Zittauer Geschichte, die zurzeit 120 Mit-
glieder zählt, hielten im letzten Jahre Vorträge: Pfarrer Sauppe in
Lückendorf über „Das Hospital St. Jakob in Zfttau" (am 6. März 1907);
Zeichenlehrer Seh orisch über ,, Architektonische und kunstgewerb-
liche Schönheiten Zittaus" (am 10. April 1907); Prof. Dr. Nefse „Zur
ältesten Geschichte der Johanniter-Kommende in Zittau und Hirsch-
felde 1373" (am 24. April 1907)-, Pfarrer Sauppe in Lückendorf über
„Ferdinand I. und seme Stellung zur Reformation in der Oberlausitz"
(am 6. November 1907); Prof. Dr, Koch „Ein neues Hauptwerk über
Zittaus Altertümer und Kunstdenkmäler" (am 19. Februar 1908).
Der Ausschufs für die Zeitschrift der Gesellschaft und ihre
Herausgabe wurde neu gebildet. Von dem die Stadt Zittau be-
handelnden 30. Hefte der „Beschreibenden Darstellung der Bau- und
Kunstdenkmäler Sachsens" wurden 50 Exemplare angekauft. Dem
Stadtrat lieferte die Gesellschaft auf seinen Wunsch kurze Erklä-
rungen zu den Stralsennamen. Bei Enthüllung des Gedenksteins für
Prot. Paudier in Böhra.-Leipa vertrat die Gesellschaft deren Vor-
sitzender, Bürgermeister Mietzsch.
Der Verein für Sächsische Volkskunde, dem zur Zeit 2188 Mit-
gheder und 43 Städte angehören, hielt am 20. Oktober v.J. zu Grofsenhain
seine XL Hauptversammlung ab. Am Tage vorher wurde äie durch
einen volkskundlichen Abend im Gesellschaftshause eingeleitet, bei
dem Lichtbilder, Gesangsvorträge und eine Spinnstube mitGesprächen
in Grofsenhainer Mundart zur Aufführung gelangten. In der Haupt-
versammlung sprach Prof. Dr. Reuschel- DrQsden über „Theodor Fon-
tane in seiner Beziehung zum Volkstum". In den Vorstand würden
statt des austretenden Prof. Dr. Stimime Prof. Dr. Ficker-Leipzig als
Stellvertreter des Leiters der Bibliothek, zu Beisitzern statt desver-
storbenen Prof. Dr. Lücke und des Oberregierungsrats Dr. Ermisch,
der eine AViederwahl abgelehnt hatte, Archivrat Dr. Beschorner und
Geh. Regienmgsrat Dr. Stadler, ferner Baurat E. Kühn und Geh. Bau-
rat Wanckel-.Altenl^urg gewählt. In der Ortsgruppe Dresden hielten
Vorträge: am 28. November Baurat Kühn über den „gegenwärtigen
Stand unserer ländlichen wirtschattlich-kulturellen Verhältnisse und
deren Hebung", am 13. Februar Hauptmann a. D. Meinhold: „Volks-
kundliche Bilder aus den Deutschen Kolonien in Südbrasilien". Ein
weiterer Vortragsabend vor geladenen Gästen fand am 16. Januar im
Festsaale der Königl. Kunstgewerbeschule statt; dabei sprachen Prof.
Seyffert über „Volkskunst", Oberbaurat Karl Schmidt und Geh.
Hofrat Prof. Dr. Gurlitt über „Denkmalpflege und Heimatschutz".
Die Vorträge wurden am 28. Januar vor einem gröfseren Publikum
wiederholt.
In der Historischen Sektion des Gebirgsvereins für die Sachs.
Schweiz sprach am 10. Oktober 1907 Prof. Speck über „Das
Pirnaische Schulelend im 17. Jahrhundert"; am 7. November derselbe
üher ..Pirna als Artilleriegarnison vor 100 Jahren"; am 5. Dezember
Dr. Meiche über „Die Oberlausitzer Grenzurkunde von 1241
14*
212 Nachrichten.
und die Sächsische Schweiz"; am 9. |anuar 1908 Kantor Storzner
über „Die Kaufsurkunden des Gasthofs zum Fuchs in Schmiedefeld" ;
am 6. Februar Lehrer A. Jentsch über „Das Land der Land-
gräben"; am 5. März Lehrer A. Bergmann über „Das Bauerntum
vmserer Heimat" ; am 2. April Postdirektor a.D. von Gizycki über
„Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland". Studienwande-
rungen wurden im Sommer 1907 ausgeführt nach den wüsten Elb-
orten zwischen Dresden und Pirna und aui^ den Sibyllenstein und
Umgegend. Aufserdem fand am 13. November 1907 unter Leitung
von Direktor Döring ein Besuch der Sonderausstellung „Die Elbe"
im heimatkundlichen Schulmuseum zu Dresden statt. Für den
Sommer 1908 sind folgende Ausflüge geplant: Mittwoch, den
22. April, nachmittags, zum Fuchs bei Schmiedefeld (Führer Kantor
Storzner); Sonntag, den 5. Juli (Tagespartie) nach Neustadt, Raupen-
berg, Bozen bei Schluckenau (Führer Dr. Meiche); Freitag, den
28. August, nachmittags, auf das Schlachtfeld bei Dresden (Führer
Schuldirektor Döring). Teilnehmer haben sich l^eim Schriftführer
Kirchenbuchführer H. Boehme, Annenkirche, zu melden. Vor-
sitzender ist Prof. O. Speck in Pirna, Stellvertreter Lehrer A. Berg-
mann in Dresden.
Im Jahre 1906 wurde zu Hen'nhut ein Verein für Brüder-
geschichte begründet, der schon deshalb, weil in Sachsen bekanntlich
die Brüdergemeine gestiftet wurde und noch heute ihren Hauptsitz
hat, auch an dieser Stelle zu erwähnen ist, obwohl die Aufgaben,
die er sich gestellt hat, weit über die Grenzen unsers Landes hinaus-
gehen. Den Anlafs zur Gründung des Vereins o;ab die bei dem
150jährigen Jubiläum der theologischen Fakultät der Gemeine, des
theologischen Seminars zu Gnadenfeld, von dem Prediger W. E.
Schmidt zu Herrnhut gegebene Anregung zur Veröfi^entlichvmg des
Archivs der alten Brüderunität, der 13 sog. Lissaer Folianten, in
böhmischer und deutscher Sprache. Der Verein l^esteht zurzeit aus
41 Gründern und 331 Teilnehmern in allen Weltteilen aufser Australien.
Den Vorsitz führt der Archivar der Gemeine D. Jos. Th. Müller in
Herrnhut und als Stellvertreter der Dozent Lic. Gerh. Reichel in
Gnadenfeld; Schriftführer und Schatzmeister ist W. E. Schmidt. Der
Zweck des Vereins ist Förderung der wissenschaftlichen Forschung
über die Geschichte der alten und neuen Brüderunität und damit
zusammenhängende Forschungsgebiete. Er sucht diesen Zweck zu
erreichen durch Herausgabe einer Zeitschrift für Brüdergeschichte
und Veröffentlichung von Quellen zur ßrüdergescliichte. Von der
ersteren, die halbjährlich in Heften von etwa sechs Bogen erscheint,
liegt der erste Jahrgang 1907 vor (Herrnhut, Verlag des Vereins für
Brüdergeschichte, in Kommission der Unitätsbuchhandlung in Gnadau).
Das erste Heft enthält aufser Bücherbesprechungen und einer Biblio-
graphie der im Jahre 1906 von Mitgliedern der ßrüdergemeine ver-
öflentlichten Bücher, Artikel usw. zwei Aufsätze von J. Th. Müller
über das auf einem 1741 in der Synodal -Konferenz gefafsten Be-
schlüsse beruhende „Ältestenamt Christi in der erneuerten Brüder-
kirche", der zugleich einen interessanten Überblick über die Älteste
Verfassungsentwicklung der Brüdergemeine gibt, und von Walter
E. Schmidt ,,über das religiöse Leben in den ersten Zeiten der
Brüderunität", in dem zunächst über die Anfänge der Brüdergemeine
im 15. Jahrhundert gehandelt wird. Das zweite Heft bringt einen
Abdruck des ältesten erhaltenen Tagebuches \on Zinzendorf aus
Nachrichten. 213
den Jahren 1716 — 1719 und fügt als Beilagen eine Anzahl Schreiben
aus Zinzendorfs Briefweclisel vom 8. April bis 29 Juli 1716 und
sechs Stammtaleln bei, die über die Abstammung von Zinzendorfs
Vater und Mutter Auskunft geben und die Familien von Friesen,
von Gersdortf , von Burgsdorff und der Grafen von Zinzendorf be-
treffen. Seine erste Hauptversammlung wird der Verein im Früh-
jahr d. J. gelegenthch der Synode der deutschen Brüderunität ab-
halten.
Von den zahlreichen Hammerwerken, die einst die Täler des
Erzgebirges belebten, ist das einzige, das sich in alter Gestalt bis
auf die neueste Zeit erhalten hat, der Frohnauer Hammer. Sein Be-
stehen läfst sich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts sicher belegen;
zur Zeit Herzog Georgs diente er als älteste Stätte der späteren
Annaberger Münze. Sein jetziger Besitzer, der „alte Martin", hat
bisher treulich den alten Bestand gewahrt, der nach dem Ableben
des Greises gefährdet ist. Die Königliche Kommission zur Erhaltung
der Kunstdenkmäler hat sich der Angelegenheit angenommen; die
Hauptfrage bildete aber die Beschafumg des Geldes zum Ankauf.
Unter Förderung des Annaberger Amtshauptmanns von Welck ist
nun in Annaberg ein „Hammerbund" 2;eschaffen worden, der sich
den Ankauf zum Ziele setzt. Das öeld soll zusammengebracht
werden: i. durch auf den Namen lautende Anteilscheine zu 20, 100,
200, 500. loco und 2000 Mark, die, bis Ende 19 12 unverzinslich, dann
mit 3" verzinst und ausgelost werden sollen; 2. durch Beitritt zum
Hammerbunde mit Jahresbeiträgen, deren Bemessung den Beitreten-
den überlassen bleibt; 3. durch einmalige höhere Beiträge.
Die Ausführung der vom Ministerium des Innern bereits ge-
nehmigten Lotterie ist unsicher.
Der Königlich Sächsische Altertumsverein hat dem Hammerljund
einen einmaligen Beitrag von 120 Mark, der Dresdner Geschichts-
verein einen solchen von 100 Mark bewilligt; auch andere Körper-
schaften fördern in entsprechender Weise diese der Pflege historischer
Interessen und des Heimatschutzes gemeinsam dienenden anerkennens-
werten Bestrebungen, deren Unterstützung auch weiteren Kreisen
warm empfohlen werden kann. Auch der Erlös aus dem Verkauf
einer hübschen Kartenserie mit Ansichten des Hammers und seines
Betriebes kommt dem Hammerbunde zusfute.
"»^
Vorgeschichtliche Funde in Sachsen 1906 und 1907. Im Herbste
1906 konnten die bereits 1832 im Jahresbericht der Deutschen Ge-
sellschaft zu Leipzig erwähnten, bisher noch nicht durchforschten Hügel-
fräber am Bienitz westlich von Leipzig nach Abschlagen des Wald-
estandes untersucht werden. In einem der noch vorhandenen fünf
Hügel fanden sich die Trümmer zweier Schnuramphoren, ein unver-
zierter Becher, eine fasettierte Steinaxt mit Schaftloch, aber keine
Skelettreste. Die Hügel gehören der jüngeren Steinzeit an und sind die
ersten in Sachsen durch Gefäfsfunde sicher bestimmten Hügelgräber
aus dieser Periode.
Ein steinzeitliches Skelettgrab fand man im Frühjahr 1906 bei
der Feldbestellung am Eckardsberg südlich von Naundorf bei
Zehren in geringer Tiefe unter einem Steinpflaster. Vor der Brust
des in hoclcender Stellung auf der linken Seite ruhenden Skeletts
standen mehrere schnurverzierte Becher, am Fufsende eine Schnur-
amphore, dabei lagen ein längerer Flintspan und das Bruchstück eines
Wetzsteines. Bei der Untersuchung der Fundstelle stiefs man noch
21^. Nachrichten.
auf mehrere Gräber mit Steindecken, die nach den Bei_si;aben — drei-
eckigen Bronzedolchen, einer bronzenen Randaxt, zwei Spiraltinger-
ringen aus glattem, dünnem Golddraht und Triunmern von zum Teil
schnurverzierten Gefäfsen — aus der Übergangszeit vom Stein- zum
Bronzealter stammen.
Einzelfunde von Gefäfsen aus der Gruppe der Schnurkeramik
und von Äxten aus Feuerstein und Hornblendeschiefer, sowie Wohn-
gruben mit bandkeramischen Resten kamen in der Kiesgrube der
Lambertsschen Glashütte in Langenberg bei Riesa zum Voi'schein.
Bei der Verbreiterung der Hamburger Strafse in Dresden-Cotta
wurden Herdgruben mit zahlreichen l:)andverzierten Gefäfsresten auf-
geschlossen und hierdurch der Zusammenhang der 1892 bei der An-
lage des neuen Weifseritzbettes entdeckten und der in den folgen-
den Jahren bei Neubauten an der Warthaer und Cossebauder Strafse
nachgewiesenen Überreste einer ausgedehnten neolithischen An-
siedelung am Hochufer der Elbe festgestellt.
Die seit langem aus Oberflächenfunden bekannte steinzeitliche
Ansiedelung von Seebschütz bei Meifsen war im Herbst 1906 nach
dem Tiefpflügen in ihrer ganzen Ausdehnung blofsgelegt; 102 ein-
zelne Wohn- und Abfallgruben waren sichtbar.
Weitere Wohnplätze aus der jüngeren Steinzeit konnten in der
Umgebung von Mügeln, Bez. Leipzig, bei Baderitz, Paschkowitz,
Kemmlitz, Schlagwitz und Glossen festgestellt werden.
Ein Wohnplatz der Bronzezeit wurde beim Abbau der D3xker-
hofifschen Kie.sgmbe in der Flur Gohlis bei Dresden, eine Anzahl
neuer ürnenfelder aus derselben Zeit bei Brock witz, Piskowitz,
Niedermus chütz und Rähnitz nachgewiesen.
Der späten Latenezeit und der frührömischen Kaiserzeit gehört
ein Brandgräberfeld bei Piskowitz an, in welchem aufser einigen
Mäander-Ürnen Eisenwaffen und mehrere provinzialrömische Bronze-
fibeln gefunden wurden. Deichmüller.
&^
In Großenhain wurde bei den Ausschachtungsarbeiten eines
Grundstücks der Gafielsberger Strafse in einer Tiefe von 2 m ein Topf
mit mehreren hundert Brakteaten, darunter solche mit den Bildnissen
Markgraf Heinrichs des Erlauchten und Landgraf Albrechts des Ent-
arteten, gefunden. Leider wurde der Topf, der am oberen Rande mit
Band Verzierungen versehen ist, zertrümmert; doch ist es gelungen,
aus den gesammelten Scherben die Form des Gefäfses festzustellen.
Der Fund ist dem Grofsenhainer Heimatsmuseum geschenkt worden.
Zum Direktor des Gemeinschaft]. Ernestin. Archivs und des
Großherzogl. Geheimen Haupt- und Staatsarchivs zu Weimar ist an
Stelle des wegen schwerer Erkrankung in den Ruliestand getretenen
Geh. Hofrat Dr. Burkhardt der bisherige Archivar Dr. J. Trefftz, zum
Archivar des Geh. Haupt- und Staatsarchivs der Archivassistent am
lothringischen Bezirksarchiv zu Metz Dr. E. Gri tzner ernannt worden.
Nach Mühlhausen wurde als Stadtarchivar Dr. R u d o 1 f B e m m a n n
an Stelle des in gleicher Eigenschaft nach Metz übersiedelnden
Dr. Kunz von Brunn gen. von Kaulfungen berufen.
Preisaufgabe. Für den ersten Preis der v. Frege-Weltzienstiftung
stellte die Künigl. Sächsische Kommission für Geschichte die Auf-
gabe: „Der Einflufs der Kontinentalsperre auf die Entwicklung des
Wirtschaftslebens im Königreich Sachsen soll möglichst allseitig so
Nachrichten. 2 1 s
untersucht werden, dafs die Ergebnisse sichere Bausteine zu einer
vertieften Geschichte Sachsens in der Zeit Friedrich Augusts des
Gerecliten l)ietcn." Bear1)eitunuen sind unter Beigabe des Namens
des Veriassers in einem versclilossenen Brietumschhitie, der ein
Kennwort und eine Adresse für die Rücksendung des Manuskriptes
tragen mufs, bis zum i. September 1910 an die Königl. Sächsische
Kommission für G(>schichte, Leipzig, Universität, Bornerianum, ein-
zusenden. Preis 1000 Mark.
Am 17. Oktober v. J. starl) zu Blasewitz der Geh. Hofrat Dr. jur.
Julius Richard Erbstein. Geboren 30. Juni 1838 als Sohn des Archivars
am Hauptstaatsarchiv zu Dresden Julius Theodor Erbstein, liatte er
1858 — 1860 in Leipzig Rechtswissenschaft und Geschichte studiert
und war dann 1861 — 1866 gemeinschaftlich mit seinem Bruder Heinrich
Albert Erbstein am Germanischen Museum zu Nürnberg als Sekretär
tätig. Nach einem dreivierteljährigen Aufenthalt in Zürich, wo
die Brüder eine Beschreibung der Ritter von Schulthefs-Rechen-
bero'ischen Münzen- und Äledaillensammlung bearbeiteten, verlegten
sie ihren Wohnsitz nach Dresden, wo sie anfänglich als Privatgelehrte
lebten, bis nach dem Tode von Th. Graefse 1885 Albert zum Direktor
des Krmigl. ^Münzkabinetts, Julius zum Direktor des Königl. Grünen
Gewölbes ernannt wurden; im Jahre 1885 \vurden dem letzteren die
beiden genannten Sammlungen übertragen, während Albert an die
Spitze des historischen Museums und der Porzellansammlung trat.
Nachdem Albert im Jahre 1890 gestorben war, wui'de Julius Dn-ektor
des Königl. Grünen Gewolltes, des Königl. Münzkabinetts und der
Königl. Porzellansammlung und blieb in dieser Stellung bis zu seinem
Rücktritt im Frühjahr 1907. J. Erbstein galt als einer der kenntnis-
reichsten Münzkenner und Münzforscher und hat auf diesem Gebiete
eine Reihe von gründlichen Arbeiten veröffentlicht, so das schon er-
wähnte- umfangreiche Werk über die v. Schulthefs- Rechenbergische
Münz- und Medaillensammlung (Dresden 1868), die „Erörterungen
auf dem Gebiete der sächsischen Münz- und Medaillengeschichte"
(Dresden 1886— 1898) und zahlreiche Aufsätze, die haupt'sächlich in
der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Münz- und Medaillenfreund"
erschienen sind. Er war Vorsitzender der Dresdner numismatischen Ge-
sellschaft und seit 1890 zweiter Vorsitzender des Königl. Sächsischen
Altertumsvereins. Seine eigene Münz- und Medaillen'sammlun^ ^alt
als eine der bedeutendsten Privatsammhmgen Deutschlands; leider
ist es nicht gelungen, sie, wie man hoffte, ungeteilt dem sächsischen
Staate zu erhalten, sondern sie wird in diesem Sommer durch die
Münzhandlung von Adolph Hefs Nachfolger in Frankfurt a. M. ver-
steigert werden.
Hof rat Dr. Bruno Stübel, Oberbibliothekar an der Königl. öft'entl.
Bibhothek zu Dresden, starb nach längerem Leiden am 28. November
v.J. Geboren am 18. November 1842 zu Leipzig und auf der Nicolai-
schule daselbst vorgebildet, studierte er 1862 — 1865 in Leipzig Medizin,
dann in München Geschichte, promovierte 1867 in Leipzig mit einer
Schrift über dasChronicon Sampetrinum. wurde iSbyalsVolontär an der
Leipziger Stadtbibliothek angestellt und gehörte seit 1869 der dortigen
Universitätsl)libliothek an, bis er 1887 als Oberbibliothekar nach
Dresden berufen wurtle. Unter seinen historischen Arbeiten ver-
dienen besonders die Au.sgabe des Chronicon Sampetrinum (Geschicht.s-
quellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, heraus-
gegeben von den geschichtlichen Vereinen der Provinz. Bd. L Erfurter
2 1 6 Nachrichten.
Denkmäler. Halle 1870) und das ürkvmdenbucli der Universität
Leipzig (Codex diplomat. Saxon. Abt. II. Bd. 11. Leipzig 1879)
hervorgehoben zu werden. Ein fleifsiger Forscher, ein stets ge-
fälliger und hilfsbereiter Beamter, eine gerade und liebenswürdige
Natur, wird er in der Erinnenmg aller, die ihn näher kannten, fort-
leben.
In Hofrat Dr. Karl .Adolf Mirus (geb. 27. Februar 1829), dessen
jäher Tod am 21. November v.J. die grofse Zahl seiner Freunde in
tiefe Trauer versetzte, hat nicht allein die Stadt Leisnig einen ihrer
besten Söhne, sondern auch die vaterländische Geschichtspflege einen
verständnisvollen Förderer verloren, wenn auch der Verstorbene selbst,
abgesehen von seinen familiengeschichtlichen Forschungen, nur
selten kleine Arbeiten veröffentlicht hat. Er gehörte 1866 zu den
Gründern des Leisniger Geschichtsvereins, eines der ersten unter
den zahlreichen ortsgeschichtlichen Vereinen Sachsens, und hat zu
ihm bis zu seinem Tode mit seltener Treue gehalten; seit 1898 stand
er als erster Vorsitzender an seiner Spitze. Vor allem das stattliche
Museum, das der Verein zusammengebracht hat, verdankt ihm sehr
viel, wie er denn jederzeit, wenn es galt, ein geschichtliches Denkinal
seiner Stadt zu erhalten oder wiederherzustellen, seine freigebige
Hand gern auftat. Jeder, der den anregenden, liebenswürdigen und
bis in sein hohes Alter jugendfrischen Mann kennen gelernt hat,
wird ihm stets ein freundliches Andenken bewahren.
Am 25. Januar d. J. starb zu Kirchberg der Vizedirektor und
Organist em. A. Bär, geboren 25. August 1827 zu Mühlhausen, der
Verfasser der „Beiträge zur Geschichte der Herrschaft Wiesenburg
und der Stadt Kirchberg" (Kirchberg 1898).
^i^i^nm^jwi *- -
Bistum
••s^^S^
*1 *■
■^4
tS -ö
(^
■'S
-KD
1^
<
5-HD
iijirii%i
^
*^ -KD +0!S \ "
^
o
a t I
S+-0
i
Äi
§ - 1
, . fc £- r§rS ^
V
^
CO
CO
•53
'S
^
VII.
Der Pleifsensprengel.
Ein Beitrag zur kirchlichen Geographie von Sachsen.
Von
Leo Bönhoff.
(Schlufs.)
3. Die Bildung des Archidiakonates
und seine Erweiterung.
Ehe wir die Frage erörtern, wer den Pleifsensprengel
verwaltete, müssen wir erst untersuchen, wann er ins Leben
trat, und ob sein Umfang allezeit sich gleich blieb oder Ver-
änderungen erfuhr. Einen Fingerzeig dafür, wann im Naum-
burger Bistume Archidiakonate eingerichtet sein möchten,
geben uns drei Urkunden: zwei, miteinander verglichen, die
dritte, für sich allein betrachtet; jene beiden für den Zeitzer
Propsteisprengel, diese für unsere Kirchenprovinz. Es handelt
sich erstens um den Vergleich der Urkunden der Bischöfe
Dietrich L und Udo L von Naumburg für die Pfarrkirchen
von Plauen (1122) und Reichenbach (1140); während es
dort heifst: sacerdos ecclesie Plawensis curam de manu succes-
sorum nostrorum (i. e. episcoporum Nuenburgensium) reci-
piat'), wird hier schon anders verfügt: sacerdos Reichen-
bach ensi ecclesie preficiendus curam de manu prepositi
ecclesie Czicensis recipiat"-). Das Ergebnis unserer Be-
') Dresden HStA. Or. Nr. 43. Gedr. Mitteil. d. Altertumsver. zu
Plauen (MAP.) I Nr. i.
^) Dresden HStA. Or. Nr. 765. Gedr. MAP. Nr. 2. Die Urkunde
ist Transsumt (s.o.) und darum nicht frei von Interpolationen. Kritische
Untersvichungen haben mir die obigen Worte bis auf Reichenbachensi
als unverdächtig erwiesen.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. 3. 4. 15
2l8
Leo Bönhoff:
trachtung dürfte kein anderes sein, als dafs — da auch Plauen
bis um 1470 dem Zeitzer Propste als Archidiakonus unter-
stand^) — der letztere diese Eigenschaft in der Zeit
zwischen 1122 — 1140 erhalten hat. Eine wertvolle Be-
stätigung hierfür empfangen wir durch die dritte Urkunde,
die ebenfalls von Bischof Udo I. und aus dem Jahre 1140
herrührt, den erneuerten Fundationsbrief für Altenkirchen-).
Unsere Aufmerksamkeit wendet sich hierbei den verschiedenen
Kirchweihen zu, von denen wir nachstehende Übersicht ent-
werfen :
Nr.
Bischof
P auart
König Aktor
I.
2.
3-
4.
Günther
Walram
[Udo I.
Holz
Stein
Heinrich IV.' Richer
(1080— 1105) Alexander
1 Konrad III. Witrad i ,
((1138-1152) Heinrich )
Am allerwichtioslcn ist hier der Vergleich der beiden Aktoren-
paare: das eine von ihnen besteht aus zwei Pfarrern: Richer
wird als sacerdos, Alexander als provisor'') bezeichnet, das
andere hingegen aus zwei Archidiakonen im Gaue Plisni.
Das ist sehr bezeichnend: zwischen der zweiten und dritten
Kirchweihe ist der Archidiakonat aufgekommen und hat sich
zwischen Bischof und Pfarrer eingeschoben. Der Spielraum
läge hier zwischen 1105 und 1138, wenn wir nach den Königen,
zwischen im und 11 38, wenn wir nach den Bischöfen uns
richten. Auf Walram (-{- im April im) folgten als Udos 1.
Vorgänger Dietrich I. (ermordet 27. September 11 23) und
Richwin (-]- 11. April 1125); da 1122 noch keine Archidiakonen
bestanden, Dietrich auch kaum kurz vor seinem Tode solche
durchgreifende Neuorganisation der Diözese unternommen
haben wird, und Richwins Regierungszeit nur i '/., Jahre um-
fafste, so werden wir die Einrichtung der Archidiakonate dem
tüchtigen und ausgezeichneten U do zuschreiben und sie zwischen
1125 und II 38 anzusetzen haben. Bedenken wir, dafs er nicht
sofort nach seinem Antritte den wichtioen Schritt unternommen
haben mag, und dafs ein Bestehen der Institution bereits
1) MAP. VII (1888 f.), 47- (66,).
-) Cod. dipl. Sax. I, 2, loi.
^) Damit ist kein laiischer Kirchen Vorsteher gemeint. (Gegen
Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. VII, 372.) Der
„laicus parochialis ecclesiae provisor seu vitricus, qui altiniiannus vul-
gär! vocabulo nuncupatur", ist erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts
nachweisbar.
Der Pleifsensprengel. 219
einige Jahre vor 1138 vorausgesetzt werden darf, so wird
sich der Zeitpunkt auf 1127 — 1135 beschränken lassen.
Ebenso wichtig ist die Frage nach einer etwaigen Er-
weiterung des Pleifsensprengels. Die obigen Archidiakonen,
die ersten, von denen wir hören, und die es wohl auch über-
haupt gewesen sind, werden bezeichnet: Witrad als in pago
memorato (sc. Plisna) archidiaconus, Heinrich ebenfalls zweimal
als in Plisna archidiaconus. Ihr Bezirk umfafste mithin nur
den Gau; darüber läfst uns diese Bezeichnung rieht im un-
klaren. Sie erscheint nicht wieder, sondern wird abgelöst
durch die andere fortan gebräuchliche: archidiaconus terre
Plisnensis. Hieraus ergibt sich, dafs eine Erweiterung statt-
gefunden hat; terra Plisnensis ist ein weiterer geographischer
und politischer Begriff als pagus Plisna. Von einem Pleifsen-
lande kann erst seit Kaiser Friedrich I. die Rede sein; an ihn
waren ja vor 1158 die Allodialbesitzungen des Grafen Rabodo
von Abensberg, der die Enkelin Wiprechts von Groitzsch,
Herthas von Morungen einzige Tochter Mathilde, geheiratet
hatte, durch Kauf (quingentis marcis) gelangt. Sie umfafsten
die Schlösser Leisnig und Colditz sowie den Markt Lausigk
nebst Zubehör, den Hof Schkölen, die Burg Gleisberg, den
Berg Jenzig und das Schlofs Morungen. Diese Liegenschaften,
seinen (hohenstaufischen) Hausbesitz, schlug der Kaiser, der
dem Herzog Heinrich von Ba3'ern und Sachsen die Burg
Baden durch die Reichsgüter Herzberg, Scharzfeld und Pöhlde
abgetauscht hatte, um seinerseits das Reich zu entschädigen,
zu dessen Bestände^) und vereinigte sie mit dem Pleifsengau,
von dem er noch am 13. Februar 1160 als pago nostro Plisna
spricht"). Dazu kamen noch Rodungen, die weiter südlich in
regali silva Blisinensi, wie des Kaisers Oheim und Vorgänger,
König Konrad III., im Jahre 1143 diese Gegend nennt '^j, und
so erweiterte sich der Pleifsengau zum Pleifsenlande, für
welches Friedrich ums Jahr 11 60 einen Landrichter (judex
provincialis s. generalis) zu seinem Stellvertreter bestellte*).
Unser Pleifsensprengel erstreckte sich nicht über die
ganze terra Plisnensis, da z. B. Leisnig und Colditz in der
Meifsner und Lausigk in der Merseburger Diözese lagen, wohl
aber über ihre Hauptmasse, die sich die Pleifse von Reo-is
') Cod. dipl. Sax. reg. I, 2, 189. Vgl. Arnoldi chron. Slav. VII, 16.
-) Schöttgenu. Kreysig, Dipl. etc. II, 426.
*j Mitzschke, Urkundenbuch von Bürgel I, 28. Nr. 11.
^) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. IX,
168, 363; X, II.
IS*
2 20 Leo Bönhoff:
bis Werdau hinaufzog, und empfing so seine neue Bezeichnung.
Noch durch einen zweiten Umstand läfst sich seine Erweite-
rung beweisen. Es bedarf nur eines Hinweises auf folgende
i8 Parochien seines Bestandes:
76. Schkinzig
13. Crossen
63. Osterweih
97. Marien ]
rt
.^
7. Bockwa
14. CuHtzsch
36. Kirchberg
4. Bärenwalde
60. Obercrinitz
79. Stangengrün
34. Hirschfeld
88. Rottmannsdorf
64. Planitz
48. Marienthal
87. Weifsenborn
52. Mosel
98. Margaretheni.y
99. H. Geist )^
Auf unserer Karte stellt sich das von ihnen eingenommene
Gebiet als ein länglicher Streifen dar, der durchgängig eine
Breite von zwei Kirchspielen aufweist, ein Anhängsel im Süd-
osten des Archidiakonates. Um diese eigentümliche Bildung
zu verstehen, müssen wir uns, wie schon oben angekündigt,
mit der Zwickauer Marienkirche als dem parochialen Mittel-
punkte eines ganzen Gaues näher beschäftigen. Wir ziehen
hier die in Frage kommenden Stellen ihres vom Naumburger
Bischof Dietrich I. unterm i. Mai 11 18 ausgestellten Stiftungs-
briefes ^)an. ,,Interritorio eins (sc. Berthe comitisse) Zcwickaw
ecclesiam parochialem in honorem beate Marie virginis
consecravimus", teilt hierin der Bischof mit, um etwas später
fortzufahren: ,,Terminos . . . parochialis ecclesie eidem
(prenotamus)
ab Oriente: rivulum Milsenam dictum a capite suo usque
descensum eins in Muldam,
a meridie: montem Luder in (statt Luderni) et per
transversum descensum Scurnice in Muldam collemque
Recina (statt Recma),
ab occidente: fontem, qui Albodis studniza (statt
Albodistudinza) dicitur, descensumque in Plisnam,
a septentrione : fossam, que Hirsis-sprunck dicitur,
et collem, qui Weydemannis-sciets vocatur.
Mit dieser Grenzbeschreibung verbindet Dietrich die
bischöflichen Verfügungen: i. dafs man innerhalb besagten
Gebietes von sämtlichen Feldern, die schon bebaut seien und
noch bebaut würden (also auch vom Neubruchlande) den
Zehnten, den er bisher ganz empfing, fortan halb an ihn,
halb an die sechs Bosauer Mönche, welche dem Gottesdienste
^) Cod. dipl. Sax. reg. I, 2, 45. Nr. 53. Das Original ist nicht
mehr vorhanden, was bei der Schreibung der Eigennamen wohl zu
beherzigen ist.
Der Pleifsensprengel. 221
und der Seelsorge an der Marienkirche obliegen, zu entrichten
habe; 2. dafs alle Kirchen, die sich künftig in dem Pfarr-
bezirke erhöben, als Filiale von Zwickau vollständig abzuhängen
hätten; 3. dafs die incolae loci, d, h. die Zwickauer, die Er-
trägnisse der ihnen von der Gräfin Bertha (im Umkreise der
obigen Grenzen) zugestandenen Fischerei und Jagd zu ver-
zehnten verpflichtet seien. Fügen wir noch zum Verständnis
des Folgenden hinzu, dafs das Widum (dos) der Marienkirche
in zwei Hufen und dem böhmischen Zolle (jährlich 15 Pfund)
bestand, so können wir den beiden Fragen näher treten, die
sich ergeben.
Die eine von ihnen betrifft die Identifikation der Grenzen
in unserer Urkunde, die andere den Zeitpunkt, bis zu welchem
St. Marien in Zwickau eine Gaukirche blieb. Denn dafs mit
dem Ausdrucke territorium ein Gau gemeint sein mufs, ergibt
sich aus einer zweiten Urkunde desselben Bischofs. Am
9. November 11 21 bestätigt nämlich Dietrich dem Kloster
Bosau seine sämtlichen Besitzungen, darunter auch ,,in
Zwickouwe II mansos et dimidium theloneum, qua solvunt
XVI libras, et ecclesiam baptismalem cum dote et deci-
matione eiusdem pagpy. Es sind also die Grenzen des
Gaues Zwickau, die wir festzustellen haben. Wir beginnen
im Westen: hier fliefst die Pleifse (Plisna), in die sich das
Gewässer ergiefst, dessen Ursprung die Quelle (sorbisch:
studniza) des „Albo(l)d" ist. Noch im Jahre 1303 erscheint
unter den Zwickauer Bürgern ein gewisser Konrad aus AI vols -
burn, d. i. Ebersbrunn oder, wie es früher viel richtiger hiefs,
Ebelsbrunn. Die Pleifse setzt sich nach den gründlichen Dar-
legungen des ehemaligen Zwickauer Superintendenten Weiler"-)
zusammen aus drei Bächen; der eine entspringt in Oberneu-
mark, der zweite in Schönbach, der dritte in Schönfels. Die
ersten beiden vereinigen sich in Neumark und nehmen den
dritten in Gospersgrün auf, wo zuerst der Name Pleifse ge-
bräuchlich ist. In Steinpleifs mündet nun in das Flüfschen
^) Schöttgen u. Kreysig", Dipl. etc. II, 41 q. In der Zeit von
m 8 — 1 121 hat also Kloster Bosau im Gau Zwickau noch zwei Hufen
und die andere Hälfte des Bischofszehnten erworben. Letzteren
hat es der Marienkirche überlassen, wogegen diese von ihrem Widum
den halben Zoll abtrat. Derselbe mufs erheblich gestiegen sein,
da er, rechnen wir auf jeden der beiden mansi 30 nummi (Cod. dipl.
Sax. reg. I, 2, 250 [ao. 11 74] Nr. 404), d. i. 30 solidi= i '2 Pfd. rechnen,
im ganzen 26 Pfd. betrug.
-) Kreysig, Beitr. z. Historie d. Chur- u. Fürstl. Sachs. Lande
VI, 146 — 150.
22 2
Leo Bönhoft":
der sogenannte ,,Lichtentanner Bach", der oberhalb von
Ebersbrunn seine Quelle, den ,, Lindenborn", hat und durch
dieses Dorf, durch Stein und Lichtentanne fliefst. Er ist mit
jenem descensus in Plisnam gemeint. Ganz deutlich ist die
Ostgrenze, die zusammenfällt mit dem gesamten Laufe des
Mülsenbaches von seiner Mündung bei Schlunzig bis an seine
Quelle in der Nähe des Prommnitzer Gasthofes (,, Brummer")
bei Neudörfel (Parochie Ortmannsdorf).
Wir besitzen also zwei sichere Punkte der Ost- und West-
grenze nach Norden zu: die Mündungen des Mülsen- und des
Lichtentanner Baches. Zwischen ihnen und den beiden End-
punkten der nördlichen Gaugrenze sind die verbindenden
Linien zu ziehen. Am leichtesten dürfte die fossa (Pfütze
d. i. kleines Wasser) namens „Hirschensprung" (d. i. wo die
Hirsche bespringen) zu ermitteln sein. Oberhalb des Schind-
maaser Wehres ergiefst sich in die Mulde, zu einer Lache sich
verbreiternd, der Scheidenbach, dessen Quelle (310 m hoch)
an der Zwickau-Meeraner Chaussee sich befindet, seit alten
Zeiten die Grenze zwischen Schönburgschem und sächsischem
Gebiete: er durchläuft den gleichnamigen Wald (1361: silva
dicta Scheidenbach) und die Aue, wobei er den Erlbach von
Schlunzig her aufnimmt'). Den Hügel ,, Weidmannsstand"
(d. i. wo der Jäger zum Schusse [sc(h)iets] gelangt) müssen
wir also westlich von der Quelle des Scheidenbachs suchen,
und zwar im Norden der Harthwaldung, südlich von Gersdorf
(Parochie Lauenhain) und Harthau, nordöstlich von Dänkritz
imd nordwestlich von Mosel, d. i, etwa in der Nähe der
,, Steinfüchse". Nicht minder stehen uns aber auch zwei sichere
Punkte der West- und Ostgrenze für den Süden zur Ver-
fügung: die Quellen des Lichtentanner und des Mülsenbaches.
Die Südgrenze selbst, mit deren äufsersten Enden dieselben
zu verbinden sind, wird durch drei Angaben gekennzeichnet.
Wir greifen die mittelste heraus, einmal wxil sie sofort ver-
ständlich ist: es handelt sich um das Schwarzwasser (Scur-
nice vgl. tschechisch cerny = schwarz, und zwar, wie des-
census andeutet, von seiner Mündung bei Aue (in Muldam)
ein Stück stromauf; sodann aber, weil nicht nur dieses des-
census uns nach Südosten weist, sondern auch daspertransversum
(querfeldein) nach Nordwesten. Damit ist der ganze Grenz-
zug gekennzeichnet: den mons Luderin (Lauterberg) haben
wir südöstlich, den coUis Recina nordwestlich von Aue an-
^) Vgl. Herzog, Chronik von Zwickau II, 18. Eckardt, Chronik
von Glauchau S. 3, 271 Kreysig a. a. O. VI, 131 ff. (§ 5).
Der Pleifsensprengel. 223
zunehmen. Der erstere, am Ufer des Schwarzwassers, und
zwar auf dem hnken gelegen, ist der Jeremiasberg zwischen
Lauter und Neuwelt gegenüber dem Teufelssteine (516 m
hoch) und bezeichnet den Anfang der Strecke, längs deren
das Schwarzwasser die Grenze bildet und die an seiner Mün-
dung ihr Ende findet. Jener Hügel Recina aber ist zugleich
in südöstlicher Richtung vom Lindenborne aufzuspüren, wird
also wohl in der Nähe von Kirchberg anzutreffen sein:
es ist der Borberg, vordem auch Hohenforst geheifsen, an
dessen östlichem Gehänge eine sorbische Siedelung, die so-
genannte „Altstadt", lag. Nur eine einzige Lücke existiert,
nämlich zwischen der Mülsenquelle und dem mons Luderin:
vun letzterem zog sich die Grenze auf der Linie Zwönitz-
Beutha durch dichten Wald hin; dann ging sie die Pflocken-
strafse entlang und am ,, Zollhause" von Zschocken vorüber
und führte endlich über die ,,Neue Sorge" zur Mülsenquelle.
Der südliche Teil dieser Strecke ward durch den Löfsnitzer
Gotteswald und den Hartensteiner Forst nach Osten zu be-
grenzt^).
Es fragt sich weiter, wie lange Zwickau kirchlicher
Mittelpunkt für den Gau gleichen Namens blieb. Wir besitzen
nicht weniger als fünf Bestätigungsbriefe über die Besitzungen
des Klosters Bosau"^):
1. desErzbischofsFriedrich von Magdeburg, 29. Mail
2. ,, Bischofs Wichmann von Naumburg, 8. Juni I ^ '
3. ,, Papstes Eugen IIL, 29. Dezember 1152;
4. ,, Kaisers Friedrich L, 13. Februar 11 60;
5. ,, Erzbischofs Wichmann von Magdeburg, 7. Mai 117 1.
Abgesehen vom vierten kehrt in allen die Wöndung wieder:
in (pago) Zwickowe ecclesia, cui attinent duo mansi et deci-
matio ipsius pagi. Die Kirche besafs also den halben Zoll
nicht mehr, da für das cum dote ein cum duobus mansis
(Nt"- 3) getreten ist. Das Kloster, • dem sie einverleibt war,
hatte ihn an sich gezogen und mit der anderen Hälfte im
Jahre 1145 gegen die beiden Dörfer Techwitz bei Zeitz (Teche-
bodiz) und Roda (Wüstung) bei Pölzig (Rodowe) an Bischof
Udo L vertauschte'*); allein dieser Tausch mufs vor 1160
wieder rückgängig gemacht worden sein. In Nr. 4 und 5
1) Mitteil. d. Altertumsver. Kirchberg Nr. 12, S. 47. Vgl. Bär,
Beitr. z. Gesch. d. Herrschaft Wiesenburg u. d. Stadt Kirchberg S. 19.
2j Vgl. N. Sachs. Kirch.-Gal. Eph. Zwickau S. 849—852.
^) Schöttgen u. Kreysig, Dipl. etc. II, 422ff., 426, 433.
^) Herzog I, 88, 246.
2 24 Leo Bönhoff:
nämlich sind die beiden Dörfer verschwunden, und in Nr. 4
besitzt die Marienkirche wenigsten die decima nummorum ex
teloneo. Endlich ist des schiedsrichterlichen Urteiles Kaiser
Heinrichs VI. vom 8. Dezember 1192 zu gedenken, welches
dem Kloster Bosau ecclesiam Zwickowe cum duobus mansis,
decimatione telonii et quinquaginta scobronum et XII curtibus
restituierte^). Danach besafs die Pfarrei als Einkünfte '/m ^^11
und 50 Schober oder 3000 Garben Dezem. Dies ist noch die
ältere Art der Zehntung, die decima plenaria s. ex integro,
wonach von den Garben auf dem Felde diese Abgabe ein-
gehoben wurde. Allein den Gauzehnten stellen jene 50 Schober
sicherlich nicht mehr dar; denn da müfsten ganz andere Zahlen
vorkommen: bezog doch Kloster Bosau im Pleifsengau
aufser i. dem halben Zehnten von den schon bebauten und
2. dem ganzen von allen neugeordneten Äckern noch 3. den-
jenigen von neun alten Dörfern und 4. 1000 Schober obendrein "■^j
und im Geragaue von neun Dörfern über 100 Schober^), Ferner
erinnern wir uns, dafs 1166 die Pfarrkirche von Nobitz je
40 Schober Weizen und Hafer Neubruchzehnt erhielt (s. o.).
Wir dürfen also in den 50 Schobern den Ertrag eines Zehnten
erblicken, der auf bedeutende Abstriche von dem einstigen
Gaukirchspiele schliefsen läfst und viel engere Grenzen als
im Jahre 11 18 voraussetzt. Darauf weisen ebenfalls meines
Erachtens die zwölf Meierhöfe, deren Erwerb durch die Ent-
schädigungen ermöglicht worden sein mag, welche aus-
scheidende oder im Gaue neu entstehende Kirchspiele der
St. Marienkirche in Zwickau boten. Übrigens läfst sich fest-
stellen, dafs auf dem rechten Muldenufer nordwärts die Gau-
grenze durch . die Parochie Osterweih überschritten wurde,
weil Naundorf und die Glauchauer Vorstadt dahin einbezirkt
waren (s. o.). In einem Schiede des Bischofs Engelhard von
Naumburg zwischen Kloster Bosau und Markgraf Dietrich dem
Bedrängten, der am 11. Mai 12 12 gefällt ward, fliefst auch die
Bemerkung ein, der Abt Andreas habe die Pfarrkirche zu
Osterweih freiwillig abgetreten, die er lange besessen hätte.
Es heifst also nicht: ,,die es (d. h. das Kloster) lange besessen",
sondern es handelt sich um die Person des Abtes. Er war
— wohl schon vor seiner Wahl — possessor der Parochie
^) Schöttgen u. Kreysig II, 437.
-) Ebenda II, 423: In pago Plisna decimam M scobronum ....
in pago, quae vocatur Plisna, dimidiam decimationem et ibidem
cunctonim novalium atque novem antiquanim villarum decimam.
^) Ebenda II, 421: In pago etiam Geraha, ubi decimam C scobro-
num et amplius in novem villis . . . possident.
Der Pleifsensprengel. 225
gewesen, d. i. Pfarrer zu Osterweih, so dafs er als ein Mitglied
der Bosauer Propstei in Zwickau anzusehen ist, die 11 18 aus
sechs Konventualen des Klosters bestand. Vielleicht behielt
er auch als Abt die Pfarrstelle bei, nur dafs er sie vikarisch
verwalten liefs^). Erleichtert wurde ihm solches noch durch
den Umstand, dafs er als Abt das Patron atsrecht ausübte,
also über diese Stelle frei verfügen konnte. Jedenfalls aber
dürfte ein Bestehen der Parochie Osterweih lange vor dem
Jahre 1212 sicher sein, und das Wort ,, lange" uns bis an das
Jahr 1192, wenn nicht noch über dasselbe hinausführen. Wir
würden dann mit ihrer Begründung in den Zeitraum zwischen
1171 (s. o.) und II 90 verwiesen.
Die Entscheidung hierüber ist zum Teil davon abhängig,
ob man mit Herzog (Chronik von Zwickau I, 135 ff.) Osterweih
als den östlichen und Marienthal als den westlichen Teil des
sorbischen Dorfes Coarwitz ansehen will. Richtigr ist hierbei
allein, dafs die beiden Orte deutschen Ursprungs sind, was
ja bei Osterweih vor allem der zweite Bestandteil seines
Namens (mhd. wie d. i. die Burg, Stadt, Bezirk) verbürgt;
neben demselben war noch 1219 ein zweiter üblich, nämlich
(villa) Zwickowe im Gegensatz zum oppidum Zw. (12 12).
Allein einen Zusammenhang mit Coarwitz mufs ich aufs Ent-
schiedenste ablehnen. Die oben zitierten Bestätigungsbriefe
des Klosters Bosau fügen zwar den Passus „et villa(m) Coar-
wiz cum molendino et prato'' (bez. et pratis et sylvis) hinter
denjenigen über Zwickau und seine Kirche (wie Nr. i — 4) an
oder gar (wie Nr. 5) in denselben hinein, zwischen die Worte
cui attinent duo mansi einer- und et decimatio ipsius pagi
andererseits. Das zeigt uns deutlich, wie in ihrer Vorlage
der Coarwitz betreffende Passus an den Rand gesetzt worden
') Cod. dipl. Sax. reg. I, 3, 129: Tiilis .... compositio intercessit,
ut abbas Andreas .... parochiam Ostirweine, quam diu possederat,
marchioni dimitteret absolutam. Ein bezeichnendes Beispiel, welches
diese Ansicht unterstützt, bietet die Pfarrkirche zu Leisnig, die dem
Kloster Buch inkorporiert war. Bischof Bruno IL von Meifsen er-
klärt betreffs derselben (Schöttgen u. Kreysig II, 172!'.): Quia
. . ., antequam .... imperator (Heinrich VI. im Jahre 1192) parro-
chiam .... coenobio contulisset, .... Theodericus, praepositus Mis-
nensis ecclesiae, parrochianus eiusdem, redditus ipsius sie duxerat
sequestrandos, ut partem dotis .... suis usibus reservasset cum
donatione capellarum praefatae abbas ecclesiae et conventus
ipsius vestigiis inhaerentes ius patronatus cum praefatis possessionibus
suis et pauperum usibus reservarunt ita, ut loci eiusdem abbas tarn
in parrochia quam capellis plenissimum ius liabeat patronatus
et, quia iure fruitur personatus, instituat in ecclesiis ipsis
vicarios, qui assignatis sibi redditibus sint contenti.
2 20 Leo Bönhoff :
war, weil ihn die Bestätigiingsurkunde Bischofs Udo I. vom
15. April 1146 ausgelassen hatte'). Denn Dietrich I. erklärt
ja ganz deutlich in seiner Verbriefung vom 9. November 1121:
,,In pago Geraha: decimam C scobronum, et hec nomina
villarum: Gnannendorf scobrones IX, Nuendorf VII,
Nigaune XII; villam Coarwiz cum molendino et prato",
während Papst Alexander IV. in seiner Bulle vom 30. Oktober
1256 durch die Zusammenstellung: ,, Allodium unum, quod
halDCtis in loco Choarwicz vulgariter nominato, septem
mansos, sylvas et prata, quae habetis ibidem, decimam,
quam habetis in terra, quae apellatur Gera," die Lage des
Dorfes im letzteren Gau noch vergewissert"). Bemerkens-
wert ist also, dafs das Pfarrdorf (Osterweih) neben einem
sorbischen (s. o.) sowie je ein Beidorf im Süden (Oberhohn-
dorf, doch 12 19 noch ohne den unterscheidenden Beisatz)
und im Norden (Naundorfj deutsche, die übrigen acht hin-
gegen (Schedewitz, Bockwa, Pölbitz, Crossen, zwei Wulm,
SchUmzig und Grabowe) sorbische Namen führen.
Die Ausdehnung des Kirchspiels ist sehr bezeichnend
und läfst auf mancherlei schliefsen. Zwischen seiner öst-
lichen Grenze von Schlunzig bis Bockwa und dem Mülsen-
bache'^) treffen wir im Bereiche des Gaues Zwickau folgende
Parochien an: Thurm (beteiligt mit Berthelsdorf, Jüdenhain
und Schneppendorf), Auerbach, Reinsdorf (mit Pöhlau) und
Vielau (mit der ,, Hasel"). An sie reihen sich nach Osten
hin ebenfalls in dem gleichen Bereiche an: Härtensdorf
(mit Wildenfels) und Zschocken. Diese sämtlichen Pfarreien
werden also von der Zwickauer Gaukirche, wie sie in den
Jahren 11 18 — 1171 bestand, durch das langgestreckte Kirch-
spiel Osterweih abgeschnitten. Da es bereits um 1190
aus dem Gaukirchenverbande ausgeschieden war, so liegt vor
1) Schöttgen u. Kreysig II, 421. Vgl. Lobe, Gesch. der
Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg II, 240.
2) Ebenda II, 419, 443.
*) Am Laufe desselben erstrecken sich „a capite suo usque des-
censum eius in Muldam" (11 18) anfangs zwei grofse Kirchspiele:
I Mülsen (St. Niklas) mit den Kapellen auf dem Rittergute Neu-
dörfel (vordem Ortvvinsdorff) — sie diente auch für das Dorf Ort-
mannsdorf, ehe es eine Pfarrkirche (urkundlich zuerst bezeugt: 1329
Pleban Ludwig) erhielt — , zu St. Jakob und zu St. Michael im
Mülsengrvmde (daher 13 16 Pleban Heinrich zu Mulsin schlechtweg)
und 2. Thurm (1320: ecclesia in Turri — juratus deposuit rector
vgl. v. Ledebur, Allgem. Archiv f. d. Geschichtsk. des preufs. Staats
Xv, 353), an dessen Südgrenze zwischen Crossen und dem Mülsenbache
Stangendorf, Jüdenhain und Schneppendorf lagen. (Herzog II, 56, 59.)
Der Pleifsensprengel. 227
dem Zeitpunkte seines Ausscheidens die Konstituierung der
genannten Pfarrsvsteme, falls man die Entstehung der dazu
gehörigen Dorfschaften, die fast sämtlich (abgesehen von
Pöhlau, Vielau und Zschocken) deutsche Namen tragen, in
den Jahren 1172 — 11 80 annehmen darf. Die 60 novalia,
welche wir im Jahre 1173 noch weiter unten im Süden beim
Klösterlein Zelle an der Mündung des Schwarzwassers er-
wähnt finden'), ermutigen uns zu solcher Annahme. Den
Bischofszehnten derselben überwies, ohne dafs dabei von der
Zustimmung des Klosters Bosau die Rede wäre, welches doch
die decimatio pagi inne hatte, Bischof Udo II. von Naum-
burg an Zelle. Es ist mir dies ein Zeichen, dafs, zumal bei
der Gründung des Klösterleins Meinher von Werben und
Dudo von Meineweh, zwei osterländische Edle, um Harten-
stein und Wilden fels herum begütert, w^esentlich beteiligt
waren, auch Löfsnitz, dessen Gebiet und Umgebung ver-
mutlich jenem, dessen Wälder diesem zustanden, bereits um
H72 als Parochie existierte. Die Fluren der Dörfer Zelle
(1897 der Stadt Aue einverleibt), Nieder- und Oberschlema
lagen, damals eben angebaut, in seinem Pfarrsprengel, so dafs
der Bischof den Neubruchzehnten hätte fordern können: er
verzichtete darauf zugunsten der neuen Stiftung, die natür-
lich mit dem Rechte der Zehntung auch die Pflicht geisthcher
Versorgung gegenüber den Bewohnern der neuen Nieder-
lassungen übernahm. So entstand die Parochie Klösterlein.
Existierte aber Löfsnitz schon um 1172 als Kirchspiel, so hatte
es sich von der Zwickauer Gaukirche freigemacht. Ein
Gleiches können wir für die oben angegebene Zeit (1172 — 1180)
dann auch inbetreff der rein deutsche Namen tragenden Pa-
rochien Hartenstein-) (mit Wildbach) und Schönau (mit
Weifsbach) gelten lassen.
An die Mitte der Westgrenze der Parochie Osterweih
lehnt sich die Marienparochie im engeren Sinne (die Stadt
mit Marienthal und eventuell Weifsenborn) an; nördlich
') Cod. dipl. Sax. reg. I, 2, 275: in terra Plyssne sexaginta nova-
lia, qvie vulgo dicuntur lehn. Sie waien politisch also ein Annex
des Pleifsenlandes !
^) So heilst die Parochie, obwohl das Städtlein noch nicht be-
stand, im 14. Jahrhundert, während sie später den Namen Thier-
feld führt, aus der 1865 die Stadt Hartenstem, nicht aber die Schlofs-
kapelle ausgepfarrt ward. Ledebur S. 352: ecclesia in Hartenstein
(1320); Schmidt, Urkundenbuch der Vögte I, 386. Nr. 778: her
Bertold, der pharrer zcu deme Hartinsteyne (1336); Herzog II, 903:
Er Heinrich, Dechant vnd pharrer zcum Hartenstein (1390).
2 2 8 Leo Bönhoff : .
und südlich von ihr erstrecken sich die Kirchspiele Mosel
(ohne Niederschindmaas und eventuell mit Weifsenborn) und
Planitz (mit Wend.-Rottmannsdorf), so dafs letzteres die
schmale Osterweiher Pfarrgrenze im Süden nach Südwesten
fortsetzen würde. Ihre Selbständigkeit geht zurück auf die
Bemühungen derer von der Planitz und von der Mosel. Aus
jenem Geschlechte begegnen wir ja schon im Jahre 1192
einem namens Ludwig, der dem Kloster Bosau das Gericht
über Marienthal und einen Teil seiner an Planitz stofsenden
Fluren streitig machte. Der erste Vertreter dieses Geschlechtes
erscheint zwar urkundlich erst 1248, allein das Vorhanden-
sein des Dorfes Mosel, seines grofsen Rittersitzes und seiner
südlichen Nachbarorte in dem letzten Viertel des 12. Jahr-
hunderts darf nicht bezweifelt werden. So bleibt nur noch
Kirchberg übrig, das freilich bei der Entstehung seiner
Pfarrei nur zum Teil einer Auspfarrung aus dem Gaukirchen-
sprengel bedurfte, nämlich für seine Nordhälfte, in der sor-
bische Weiler wie Wilkau, Culitzsch und (Nieder-) Crinitz (nach
dem Bache genannt) sich befanden. Die Auspfarrung aber,
welche die ersten uns leider nicht bekannten Besitzer der
Wiesenburg (vermutlich die Vögte von Weida) in die Hand
nahmen, indem sie für ihre Untertanen ein eigenes Pfarr-
system begründeten, kann nicht erst im Jahre 13 17 18 ein-
getreten sein ^ t, sondern geht viel weiter zurück. Nach der
Tradition nämlich soll Bischof Engelhard von Naumburg
(1207 — 1242) die Margarethenkirche zu Kirchberg geweiht
haben. Es ist nun sehr leicht möglich, dafs die Weihe später
vollzogen ward als die Gründung stattfand, zumal das neue
Gotteshaus der ganzen Ansiedlung ihren Namen verlieh. So
wäre es denn wohl denkbar, dafs es seine Entstehung dem
kirchlich sehr interessierten Vogte Heinrich II. dem Reichen
(1180 — 1196 urkundlich bezeugt, -j- vor 1209) zu verdanken
hätte. Wir kämen dann noch ins letzte Viertel des 12. Jähr-
hunderts herab. Zudem mufsten doch auch die entlegeneren
Teile des Gaues (hier im Süden) eher zur Loslösung neigen,
also dafs zuerst Kirchberg, dann Planitz ausschied. Ebenso
wird sicher zuerst der Edelfreie, der Vogt von Weida, dann
der Ministerial, der von der Planitz, ein Kirchspiel ins Leben
gerufen haben.
') N. Sachs. Kirch.-Gal. Eph. Zwickau S. 537 f. Sie wird hier
mit Unrecht dem Vogte Heinrich Reul's II. von Plauen zugeschrieben!
Vgl. Bär a. a. O. S. 67 — 70. Dagegen Mitteil. d. Alterturnsver. Kirch-
berg Nr. 12 S. 46 ff.; Nr. 13 S. 49 f.
Mosel
s.
Auerbach
9-
Härtensdorf
Planitz
6.
Reinsdorf
lO.
Zschocken
Kirchberg
7-
Vielau
II.
Hartenstein
Osterweih
8.
Schönau
12.
Löfsnitz.
Der Pleilsensprengel. 2 20
Nach unsern Darlegungen hat sich also der Sprengel der
Zwickauer Gaukirche vom Jahre 1172 ab aufzulösen begonnen.
Diesen Prozefs, der den Bezirk der Marienkirche auf die Stadt
und ihre nächste Umgebung im Westen beschränkte, hat
gewifs vor 1192 seinen Abschlufs gefunden. Darf hierüber
eine Vermutung geäufsert werden, inwiefern jene zwölf Meier-
höfe (curtes) als Erwerbungen zu betrachten seien, die für
Auspfarrungen als Entschädigungen an die Marienkirche ge-
langten, so möchte ich sagen: jede neuentstandene Parochie
löste sich um den Preis einer curtis ab, die sie für die Gau-
kirche ankaufte oder anlegen liefs. Den zwölf Höfen ent-
sprächen also ebensoviel Auspfarrungen, nämlich:
I.
2.
3-
4-
Jenseits der Südgrenze des Zwickaugaues entstanden Paro-
chien ,,aus freier Wurzel": Hirschfeld, Obercrinitz, Griesbach
und im Anschlufs an das ausgepfarrte Kirchberg die Filiale
zu Hartmannsdort und Bärenw-alde, falls letzteres nicht auch
von Anfang an eine Pfarrkirche besafs.
So waren denn gegen Ende des 12. Jahrhunderts im Gaue
selber 13 Kirchspiele aus dem einen einzigen hervorgegangen.
Immer mehr Kirchen entstanden: im Mülsengrunde, im Lung-
witztale, beim Klösterlein und am Schwarzwasser. Dazu kam,
dafs im Jahre 12 12 Bosau seine Kollatur über Zwückau und
Osterweih nebst seinen Rechten über die Stadt Zwickau, dem
Dorfe Marienthal und einigen anderen Ansprüchen für 250 Mark
Silber an Markgraf Dietrich von Meifsen abtrat^). Damit
ging auch die Zwickauer Propstei ein, w-elche Bosau hier
unterhalten hatte. Seine Stelle als Patronatsherrschaft nahm
das von Triptis nach Zwickau verlegte Nonnenkloster ein^)
und bestellte für die ihm einverleibten Kirchen zu Zwdckau
und Osterweih die Plebane. Allein eins ist zu beachten:
1) Cod. dipl. Sax. re^. I, 3, 129 f.: ... super oppido Zwikkowe
et ecclesia eiusdem oppidi et villa, quae dicitur vallis sancte Marie
et quibusdam aliis longo tempore questio moveretur abbas
Andreas super omnibus predictis liti renunciaret ex toto et
marchio ducentas quinquaginta marcas solveret ecclesie Puzaugiensi.
Abbas renuncians ecclesiani Ostirweine .... resignavit
conferens marchioni ius, quod habebat in illa.
-) Ebenda S. 130: marchio vero eandem parochiam et ecclesiam
in Zwikkowe contulit conventui sanctimonialium, quem de Triptes
transtiüit in Zwikkowe.
230
Leo Bönhoff:
perpetuo tempore a sex fratribus (sc. Bussawie) inibi (i. e. in
pago Zwickowe) divina .... peragantur. So hatte Dietrich I.
II 18 angeordnet; der erste dieser Mönche war der parro-
chianus praecipuus im Gau gewesen, die übrigen fünf waren
ihm also bei der Mission in dessen Bereiche behilfhch gewesen.
Da zu der Zeit, wo die Zwickauer Gaukirche dem Kloster
inkorporiert worden war, noch keine Archidiakonate im Bis-
tum bestanden, so scheint späterhin, als dieselben aufkamen,
der Zwickauer Propst im Gaukirchsprengel archidiakonale^)
Funktionen ausgeübt zu haben, mit denen ihn der Bischof
von Naumburg betraut hatte. Der letzte Propst'-), den Bosau
bestellte und den das Noimenkloster, das ja dem gleichen
Orden angehörte, als den seinen übernahm, mag noch bis
über das Jahr 12 19 amtiert haben. Dann aber trat (s. o.) die
Einrichtungeines neuen Archidiakonates trans Muldam zwischen
1219— 1230 ein, an den die Parochie Osterweih ihr nörd-
lichstes Ende (Naundorf und Grabowe) abtrat. Denn immer
mehr Kirchen entstanden: um Glauchau und Lichtenstein
herum, bei Grünhain, das damals noch ein Rittersitz war, und
im Tale der Miepe (Mitweidis). Mitten durch den Gau Zwickau
ward, nachdem der Tod die archidiakonalen Funktionen des
Zwickauer Propstes zum Erlöschen gebracht, eine Grenzlinie
gezogen. Westlich derselben, d. h. aufserhalb des Mulden-
sprengels kamen zu liegen: i. Zwickau (mit Marienthal),
2. Osterweih (mit Bockwa, Crossen, Schlunzig, Schedewitz),
3. Mosel (mit Weifsenborn?), Planitz (mit Rottmannsdorf
und Cainsdorf), 4. Kirchberg (mit Culitzsch, Hartmanns-
dort — Burkersdorf kam um 13 00 auf — und eventuell) 5. Bären-
walde, 6. (5.J Hirschfeld (mit Stangengrün) und 7. (6.) Ober-
crinitz. Diese 6 — 7 Kirchen wurden zum Pleifsen-
sprengel geschlagen und haben sich bis zu Beginn des
16. Jahrhunderts durch Auspfarrungen in ihrer Zahl ver-
doppelt.
^) Es war z. B. im Magdeburger Erzstift üblich, einzelne Pfarr-
kirchen mit dem Archidiakonate auszustatten. So besafsen ihn da-
selbst die Pfarrer zu P rat au (für seine Kirche und ihre Kapellen),
zu Wörlitz (für die Pfarrkirche St. Petri, ihre 3 Kapellen und
43 Beidörfer) und zu Könnern. An letzterem Orte war immer ein
Magdeburger Domherr archidiaconus banni Conre und plebanus zu-
gleich, der sich seinen viceplebanus hielt. (Nottrott, Aus der
vVendenmission, S. 167, 182. 187. ßöttger, Diözesan- und Gau-
grenzen Norddeutschlands IV, 30.)
-) Ein solcher Bertoldus prepositus de Zvicove wohnte der
Diözesansynode zu Naumburg am 9. Oktober 1217 bei (Cod. dipl. Sax.
reg. I, 3, 178).
Der Pleifsensprenu;el. 231
Ehe der Pleifsner Archidiakonat derartig nach Süden zu
vergröfsert wurde, dafs er sich an der Mulde entlang nicht
nur, wie bisher, von Wolkenburg ab bis unterhalb von Schlun-
zig, sondern bis zur Wiesenburg und weiterhin zu beiden
Ufern des Kirchberger Baches bis zu dessen Quelle ausdehnte,
war er, wie gesagt, auf den Gau Plisni beschränkt gewesen.
Seine Süd grenze, die durch einen Waldsaum von der west-
lichen und nördlichen des Gaues Zwickau geschieden ward,
lernen wir hier in ungefähren Umrissen kennen. In diesen
Waldsaum hinein legten die Deutschen ihre Dörfer auf Rode-
land an, nämlich Königswalde (1270: Kunegeswalde), Hart-
mannsdorf (1273), Dänkritz (d. i. [Siedlung] des Dankrat =
Dancratis), Lauterbach, Lauenhain (1278), Gersdorf (1275:
GerharsdorflF), Harthau (1271: Hart) und Dennheritz (d.i.
[Siedlung] des Degenhart ^ 136 1 : Deinharcz). Jenseits des
Waldsaumes aber lagen folgende sorbische Ortschaften: Gab-
lenz, Ungewifs (Ungewitzi?), Wahlen, Crimmitschau (eine villa
südlich der Stadt), Schiedel und Culten^), während an der
Mulde, hier und da durch Wald unterbrochen, der zwischen
1160 — II 70 von den Deutschen zur Ansiedlung benutzt
ward-), nördUch vom Scheidebach (s. o.) sich aneinander
reihten: Schindmaas (Schimnitz), Gesau (1361: Jesav/), Jerisau
(um 1166: Gerese), Remse, Kertzsch (um 1161: campus Kirtzs)
und Schlagwitz. Crimmitschau, Meerane und Remse bildeten
a'so die drei kirchlichen Hauptstationen im Süden des Pleifsen-
gaues und des mit ihm sich deckenden Archid'akonates.
*) Schönburg. Geschichtsbl. III, i, 144—147.
2) So schieben sich zwischen Jerisau und Remse Weide ns der f,
zwischen Kertzsch und Schlagwitz Waidenburg (Schlots und
Dorf := Altwaldenburg) ein. Für jenes vgl. Mitzschke I, Nr. 24
<ii6i — 1171): Fuervnit quedam .... bona , ex aUqua parte
culti, ex plurima vero parte inculta, que Erchenbertus de Teche-
witz .... de nostra (Bischof Udos IL; manu, secundario vero Petrus
de Guderin ab eo in beneticio possedit — Concordi Erchen-
berti ... et Petri assensu villam, que Weidemannesdorff
dicitur, et quicquid terrae .... culte et inculte in illis partibus
Petrus ab Erkenberto in beneficio habuit .... contradidimus (dem
Kloster Remse). Für Waidenburg beachte Mitteil. d. Gesch. u. Alter-
tumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. IX, 392 (vgl. 411 f., 425), die Gründung
des ßergerklosters zu Altenburg betr.:
„Waldenburgk castnmi, simul isto tempore claustrum
„ Septem completur in annis.
„Anno milleno centeno septuageno
„Et domini bino
„Claustrum Uto sacravit."
Das Schlots Waidenburg ward also 1 165— 1 172 erbaut.
232
Leo Bönhoff:
Warum aber wurde diese Kirchenprovinz im ersten Viertel
des 13, Jahrhunderts durch den Westteil des früheren Zwickauer
Gaupfarrbezirkes erweitert?
Wir versuchen einen Fingerzeig zur Beantwortung dieser
Frage zu geben. Das Kloster Remse oder, wie es auch
hiefs '), „Molda" — es lag an der Mulde, und die Haupt-
masse seines Besitzes zu beiden Seiten des Flusses — hat
in seinem Gebiete auf dem rechten Ufer die Orte Oertels-
hain, Ebersbach, Grumbach und Oberwinkel angelegt-). Der
Grund und Boden dieser Ansiedlungen lag zur Zeit dessen,
der ihn dem Kloster Bürgel schenkte, König Konrads III., in
regali silva ßlisinensi, d. h. der Wald, der ihn im Jahre 11 43
noch bedeckte, war königliche Domäne und gehörte gemäfs
seiner Bezeichnung zum Gaue Plisni (Plisina), der sich dem-
nach hier über die Mulde erstreckte. Denn der König liefs
das geschenkte Land in utraque parte fluminis Mulde anweisen.
Da nun der Gau einst der Diözese Zeitz zugeteilt worden
war, so befanden sich die 100 Königshufen der Schenkung
hüben wie drüben in episcopatu Numburgensi'^). Eine Be-
stätigung dieser Tatsache bietet uns eine Urkunde Bischof
Udos IL, die ums Jahr 1166 anzusetzen ist*). Er weist laut
ihres zweiten Teiles (decimae justa collatio) dem Kloster
Remse zum Unterhalte seiner Insassen kraft bischöflicher
Vollmacht an: i. omnem decimam, que de bonis suis (d. i.
von der Konradinischen Schenkung des Jahres 11 43) circa
(zu beiden Seiten also) Muldam fluvium in utraqiie ripa sitis
und 2. omnem illam (sc. decimam), que de bonis ecclesie
nostrae (d. i. von den Naumburger Stiftsgütern) inter terminos
episcopatus nostri ultra Muldam contra orientein (demnach
rechts des Flusses) provenire poterit. Aus den letzten Worten
ergibt sich, dafs die Gegend noch keineswegs vollständig dem
Anbau eröffnet war. Eine Ausnahme macht der Bischof beim
Zehnten der Stiftsgüter: illa tamen excepta, qua(m) fideli
nostro, Ottoni marchioni (dem Stifts vogte), in beneficio con-
cessimus de bonis suis (die er vom Stifte zu Lehn trug),
circa (also wiederum auf beiden Seiten) eundem fluvium
proventuram (d. h. es war ein Novalzehnt). Alle hier wieder-
gegebenen Ausführungen Udos II. sind auch für den Gegen-
stand unserer Betrachtunof von p;rofser Wichtigkeit.
1) Cod. dipl. Sax. reg. I, 3, 11: Herimannus abbas de Burglere.
Warnerus prepositus de Mol da.
2) Diese Zeitschrift XXVII, 8 f., 15.
2) Mitzschke I, 28. Nr. 11.
^) Ebenda I, Nr. 24. Vgl. dazu diese Zeitschrrift XXVII, 16.
Der Pleifsensprengel. 233
Wollen wir sie würdigen, bedarf es einer kurzen Dar-
legung der Besitzstandsverhältnisse an den Ufern der Mulde
von Glauchau bis herab nach Wolkenburg. Die letztere war
ein Reichslehn; denn Volrad, Otto und Ulrich von Colditz
erklären am 27. Mai 1309 gelegentlich einer Schenkung an
ihre Pfarrkirche zu Wolkenburg als Herren daselbst, dafs sie
die ihr übereigneten zwei Zinsleute in Dürrengerbisdorf
(Gernesdorff) mit ihren Abgaben (5 solidi) und Fronden
(4 messores) vom Reiche zu Lehn trügen'). Die Genannten
werden nun im Jahre 1290 nebst ihrem ältesten und jüngsten
Bruder, Heinrich (dieser für sich allein schon 1277 und mit
seinem zweitjüngeren Bruder Otto 1284 und 1286) und Gum-
pert als Söhne einer Edlen namens Beatrix bezeichnet -j. Ihr
Gemahl aber hiefs Ulrich von Colditz (bereits 1274 ver-
storben) und war der jüngste von drei Brüdern. Er hatte
sie als die Erbtochter von Wolkenburg heimgeführt, so dafs
sich seine Söhne fratres de Wolkenberch dicti de Koldizc
nannten''). Die Burg ihrer mütterlichen Ahnen stand also
auf Reichsboden, die Zubehörungen derselben waren Reichs-
gut^). Dieselbe Eigenschaft kommt dem (s. o.j in der Zeit
von 1165 — 1172 erbauten Schlosse Waidenburg zu, das Hugo
von Wartha, der erste uns bekannte kaiserliche Landrichter
zu Pleifsen (judex terre Plisnensis), aufführen liefs. Er ist
identisch mit dem Reichsministerialen Hugo von Waiden-
burg (so nannte er sich nach dem neuen Schlosse, das eben
reichslehnbar'"') war), der im Jahre 1200 dem Altenburger
Bergerkloster ein Gut in Oberleupten übereignete*^). An den
Bezirk seiner Herrschaft schlofs sich das Gebiet des Klosters
Remse an, ebenfalls Reichsgut, wie wir sahen. Südlich
von seinen Besitzungen befanden sich Ländereien des Hoch-
') Mencke, Script, rer. Germ. III, 934 Anm. 109.
2) Sie erscheint noch im Jahre 1297 nebst vier Söhnen (der
Jüngste fehlt), die als possessores castri in Wolkenberc aufgeführt
werden. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 15. Nr. 295. Jun. 5. a. ej.)
^) Schöttgen u. Krevsig a. a. O. II, 197, 200, 202, 204, 211.
Urkimden des Kl. Buch Nr." 66, 73, 78, 83, 98.
^) Auch die benachbarte Burg Drachenfels bei Penig (nordöst-
Uch von Wolkenburg) war Reichslehn. (Schmidt I, 16 [1212]. Nr. 39:
Henricus de Drakinvelz).
^) Vgl. Dresden HStA. Or. Nr. 2716 (Ludwig der Baier erklärt
10. Januar 1336): Waldinberg, Stat vnd Burg , die von vns
vnd dem riche ze lehn gant.
^) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. IX,
368 f , 41 3. Hugo schenkte demselben Kloster Besitzungen in Schwaben
und Altwaldenburg (Zubehör des Sclüosses). Vgl. Schult es, Dir.
di]!. II, 399.
Neues Archiv f. S. G. u, A. XXIX. 3. 4. l6
2 34 ■ ^^^ Bönhoff:
Stiftes Naumburg, die als Lehen ausgetan waren, nämlich an
Markgraf Otto von Meifsen und den pleifsnischen Edlen Erken-
bert von Tegkwitz. Dieser trug vom Stifte bis gegen 1166
Weidensdorf zu Lehn, welches er an seinen Ministerialen Peter
von Gödern weiter verliehen hatte, und jener? Weidensdorf,
welches die Nonnen zu Remse durch Tausch an sich brachten,
stand in parochialer Verbindung mit dem nahen Jerisau (s. o.).
Sie war entstanden, weil beide Ortschaften, die alte sorbische
und die neue deutsche, naumburgsche Stiftsdörfer waren.
Markgraf Otto trug demnach Jerisau vom Stifte zu Leim,
und wenn es heifst, dafs seine Lehnsgüter zu beiden Seiten
der Mulde lagen, ihr Grund und Boden aber hüben und
drüben noch Rodungen zuliefs, so schickt es sich trefflich,
dafs im Jerisauer Pfarrsprengel die Dörfer Lipprandis (Sied-
lung des Liutprand) links und Reinholdshain nebst Klein-
bernsdorf rechts des Flusses uns begegnen, die mit ihren
Fluren hart an die Südgrenze des Remser Klosterländchens
rücken'). Den Novalzehnten dieser um 1166 noch nicht
bestehenden drei Ortschaften hat Udo IL ausgenommen. Rein-
holdshain und Kleinbernsdorf sind auch späterhin der Naum-
burger Diözese und damit im Pleifsensprengel verblieben.
Allein stimmen denn sonst noch zu den späteren Verhältnissen
die anderen Angaben des Bischofs und König Konrads?
Lagen wirklich die rechtsmuldischen Besitzungen des
Klosters Remse im Bistume Naumburg? Erstreckten sich
die Grenzen des Bistums über sie hinaus ultra Muldam nach
Osten zu? Wohl hat es in der Gegend von Glauchau,
Zwickau, Löfsnitz und Aue einen besonderen Archidiakonat
trans Muldam bilden können, aber nicht in der Umgebung
von Waidenburg! Überschreiten wir die Ostgrenze des ur-
sprünglichen Remser Klosterländchens, den Grumbach (1143:
Lufsnitz), der bei Waidenburg mündet, so gelangen wir in
die Parochien Altstadt - Waidenburg und Callenberg (mit
Reichenbach), an sie stofsen im Süden die ausgedehnten
Hohensteiner Waldungen, die ihre ununterbrochene Fort-
setzung in dem weitausgedehnten Rabensteiner Forste finden.
Da die alte Stadt Waidenburg — sie existierte bereits 1301,
da in diesem Jahre das Dorf Altwaldenburg so bezeichnet
wird^), und wird 13 17 (s. o.) als antiqua unterschieden von
^) Ein anderer Ort als Jerisau kann auch deshalb nicht in Betracht
kommen, weil die decima irumenti im südlich zunächst gelegenen,
d. i. Grabowe, dem Pfarrer zu Osterweih zukam (s. o.).
-) Vgl. Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl.
V, 444; iX, 413.
Der Pleifsensprengel. 235
der gegenüberliegenden neuen Stadtgründung — nicht um
II 66 bestehen konnte, sondern erst das Schlofs in seinen
Anfängen sich erhob, so können wir die bona ecclesie Nuen-
burgensis contra orientem nur zu Callenberg (d. h. dem kahlen,
unbewaldeten Berge, der mit seinen Lichtungen zur Ansied-
lung einlud) suchen, und der zu erhoffende Zehnt mag dann
aus Reichenbach bezogen worden sein, welches das Kloster
Remse durch Tausch vom Deutschordenshause zu Altenburg
1243 an sich brachte'). Da nun Huch (Hugo) de Wart(h)a
in zwei naumburgschen Bischofsurkunden (vom 19. März 1168
und vom Jahre 1171 s. d.) das eine Mal neben Erkenbert
von Tegkwitz, der doch auch vor und nach 11 66 stiftischer
Lehnsmann war-), und Thimo von Colditz unter den nobiles
rangiert, das andere Mal jedoch neben dem letzteren von
Udo II. den Stiftsministerialen zugezählt wird^), so ist er
eben zwischen 1168 — 1171, zu einer Zeit, wo sein Schlofs
Waidenburg der Vollendung (1172 Herbst) entgegenging, in
ein Lehnsverhältnis zum Hochstifte Naumburg getreten, d. h.
er wird das im Südosten seiner neuerbauten Burg gelegene
Callenberg sich vom Bischöfe haben reichen lassen'*). Allein
zu welcher Diözese und zu welcher Kirchenprovinz zählten
denn die Pfarreien Altstadt -Waidenburg, Callenberg und
Oberwinkel, von denen die letztere bis auf Örtelshain und
^) Diese Zeitschrift XXVII, 9. Anm. 2. Die ebenda S. 17 auf-
geworfenen zwei Fragen sind zu verneinen.
"^j Mitzschke I, Nr. 24: Vor 1166 war er mit Weidensdorf,
nach diesem Jahre mit 6\'o Hufen in Nasselwitz (Wüstung bei Gödern)
und mit einer in Lossen belehnt. Afterlehner war Peter von Gödern.
^) Cod. dipl. Sax. reg. I, 2. Nr. 350 u. 378.
■*) Im Jahre 1244 wird als Ministerial des Edlen Günther von
Crimmitschau, des damaligen Pleifsner Landrichters, ein Ritter Albert
von Callenberg (Kallenberc) genannt, der mit dem Zehnten von drei
Hufen in Steinwitz (Stenuwicz) bei Altenburg beliehen war. (Schultes,
Dir. dipl. [MS. d. Königl. Öffentl. Bibliothek zu Dresden] III, i86b.)
Jedenfalls waren die von Callenberg ebensogut Vasallen der Herren
von Waidenburg wie die von Kaufungen solche der Herren von
Wolkenburg. (Schöttgen u. Kreysig II, 211: Volrad, Ulrich und
Gumpert von Colditz, Herren daselbst, bezeichnen 1290 Volkwin
[Volzc] von Kaufungen als „ihren" Ritter.) Übrigens waren die
von Kaufungen Nachfolger derer von Callenberg im Besitze des
gleichnamigen Rittergutes und seiner Zubehörun^^en, welches sie
einige Jahrhunderte gehalten haben. Denn im Jahre 1298 benennt
Unarch von Waidenburg Tunzold von Kaufungen und Hugold
von Alamsdorf nostri castrenses. (Schöttgen u. Kreysig 11,
217.) Dieser safs als Waldenburgscher Burgmann zu Hinteruhls-
dorf bei Flemmingen (Lobe I, 221), jener als solcher zu Callen-
berg.
16*
236 Leo Bönhoff :
Gersdorf (Parochie Remse) Remser Klosterland rechts der
Mulde in sich beschlofs? Die Jurisdiktionsmatrikel des Bis-
tums Meifsen verzeichnet die drei Kirchspiele im Archi-
diakonate Chemnitz und sogar das erste unter ihnen als
Sitz (sedes) eines Erzpriesters. Wir können nicht umhin,
eine Grenz Verschiebung zwischen den beiden Diözesen
Naumburg und Meifsen, und zwar zu Ungunsten jener, wahr-
zunehmen. In der Waldenburger Gegend ist sie bis an die
Mulde zurückgedrängt worden, so dafs der Flufs bis zur
Mündung des Frohnbaches sie vom Meifsner Diözesen-
sprengel schied.
Fragen wir, wie weit etwa anfangs das Bistum Naum-
burg nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in der Walden-
burger Gegend sich ostwärts über die Mulde erstreckte, so
möchte ich auf den Frohnbach^), den wir eben nannten, be-
sonders aufmerksam machen. An seinen Ufern erstrecken
sich die drei Dorfschaften, die mit ihm den gleichen Namen
(1236: Frone) führen, er aber entspringt am Capellenberg
von Meinsdorf, wo der Rufsdorfer und Wüstenbrander Wald,
letzterer die Verbindung zwischen dem Hohensteiner (s. o.)
und dem Rabensteiner darstellend, durch das Meinsdörfer
Gehölz miteinander zusammenhängen. Er begrenzte aber
auch, wie heute noch zum Teile, die Parochie Penig mit
seinem Unterlaufe bis zu den ersten beiden Gütern von
Mittelfrohna an seinem rechten Ufer, so dafs er ihr Zinn-
berg, Tauscha, die rechte, an Mühlau stofsende Dorfseite
von Niederfrohna und jene zwei Güter zuwies und damit
zugleich auch die Merseburger Diözese nach Süden zu ab-
schlofs. Von dem Punkte aber an, wo er in Mittelfrohna
aufhört, Diözesanscheide zu sein, wendet sich die Grenze
zwischen Meifsen und Merseburg erst nordöstlich, hierauf
nördlich, endlich wieder nordöstlich, um dann mit dem Mühl-
bach zusammenzutreffen und in ihm herab bis zur Mulde zu
gehen, so dafs dadurch der Parochie Penig auf dem rechten
Ufer noch Chursdorf zukommt. Auf Meifsen würden somit
entfallen: Hohenkirchen") und Müh lau mit seinem von
den Hussiten zerstörten Filiale zu Elzing (Wüstung zwischen
') HStA. Dresden. Cojj. 27. fol. 73 b. (ao. 1356): a flumine
Fronebach.
2) Cod. dipl. Sax. reg. I, 3, 104. Nr. 131. Am lo. Februar 1209
bestätigte Markgraf Konrad von der Lausitz, dafs in seiner Graf-
schaft kochlitz (in fundo proprietatis nostre) Günther von Rochsburg
(Rochkesberc) dem Kloster Buch die Pfarrei zu Honkirche sowie
zelin Hufen nebst dem anstofsenden Walde überlassen habe.
Der Pleifsensprengel. 237
Hartmannsdorf, Kandier und der Stadt Limbach^). Folgen
wir aber der gegebenen Richtung, so lägen ferner in dieser
Diözese Limbach und Pleifsa, mit anderen Worten: der
Frohnbach, der in Mittelfrohna mit einem Male aufhörte
Diözesanscheide zu sein, fuhr vordem fort, eine solche, und
zwar zwischen Meifsen und Naumburg, bis hinauf zu seiner
Quelle zu bilden. Noch heute trennt er ja mit seinem Ober-
laufe die Amtshauptmannschaft Chemnitz (Limbach und Pleifsa)
einerseits von Sachsen-Altenburg (Exklave Rufsdorf) und
andererseits von der Amtshauptmannschaft Glauchau, dem
früheren Schönburgschen Gebiete (Meinsdorf); so wird er
auch jene beiden Bistümer mit seinen Ufern begrenzt haben.
An ihn schlössen sich dann als Grenzmarken an: die Quell-
gegenden des Pleifsbaches und des Pechgrabens sowie der
Hüttengrund bei Hohenstein mit dem Hüttenbache bis zu
seiner Mündung in die Lungwitz, so dafs man Wüstenbrand
(mit Gecksdorf, einer Wüstung am Pfaffenberge ^) und Ober-
lungwitz, auf dessen Fluren bekannthch die miteinander
vereinigten Städte Hohenstein und Ernstthal erbaut sind, zur
Diözese Meifsen ziehen mufs. Bis an den Frohnbach dehnte
sich also einst die regalis silva Blisinensis (1143) aus, deren
Resten wir im Rufsdorfer Walde, dem Meinsdorfer Ge-
hölze, dem Tümmel bei Pleifsa, den Waldungen der Langen-
berger Höhe und des Kiefernberges, dem Baumgarten bei
Reichenbach, dem Hainholz bei Hohenstein und dem Mühl-
holze bei Kuhschnappel begegnen, während ihre Südseite
durch Punkte, die sorbische Namen aufweisen, markiert
ward, wie durch das eben genannte Dorf Kuhschnappel
(Kosna pole d. i. Schrägenfeld), die Quelle des rivulus
Lufsnitz (des Grumbachs), den mons Crostawitze (im
Trützschler Holze) und die Schirna Blisna (der Örtelshainer
Bach=^).
Wir müssen demnach im letzten Viertel des 12. Jahr-
hunderts folgende Kirchspiele in dem späteren Meifsner Land-
dekanate Waidenburg der Diözese Naumburg zuschreiben:
aufser den drei oben genannten (Altstadt -Waidenburg, Ober-
winkel und Callenberg) auch noch Frohna (d. h. die linke
*) von Webers Arch. f. d. Sachs. Gesch. II, 71.
-) Ebenda II, 74. Die Fluren des von den Hussiten zerstörten Ortes
bebauten „die zur Langenlungkwitz'' und „die vonn Langenbergk".
(HSt A. Dresden, Loc. 10599, fol. 376b. Visitation .... Im Fürstentum
Meifsen etc. 1540.)
^) Diese Zeitschr. XXVII, 13 — 15.
238 Leo Bönhoff:
Dorfseite, soweit sie angebaut war^), Kaufungen (mit
Herrnsdorf s. o.), Bräunsdorf (mit Rufsdorf und IMeinsdorf-j,
Niederwinkel (mit Wasseruhlsdorf s. o.) und Langenchurs-
dorf oder Conradisdorff (mit Falicen und Langenberg"^).
Mithin ist dieses Landkapitel bis auf die drei Pfarreien Lim-
bach, Wüstenbrand und Oberlungwitz einst dem Bistum
Naumburg und damit als in silva Blisinensi gelegen dem
Pleifsensprengel zuständig gewesen. Drei Gründe, die dafür
sprechen, möchte ich zur Erwägung vorlegen. Erstens:
Der Erzpriesterstuhl Waidenburg der Diözese Meilsen ragt
mit seinem Gebiete wie ein Keil zwischen den Pleifsensprengel
(Wolkenburg — Waidenburg — Jerisau) und die naumburgische
Kirchenprovinz jenseits der Mulden (Glauchau, Lobsdorf, Berns-
dorf, Gersdorf) hinein und prallt in einem fast rechten Winkel
bis gegenüber von Remse hervor. Wie eigentümlich aber
setzt sich die Meifsner Diözesangrenze bei Mittelfrohna fort:
von Norden herkommend, ist sie auf den Frohnbach getroffen,
biegt aber dann wieder um und läuft flufsabwärts erst
nach Norden, dann nach Westen zur Mulde, diese hinauf bis
1) Wahrscheinlich hiefs das Kirchspiel anfangs nur ,, Frone";
so nannte sich das ritterliche Geschlecht (s. u.), das zu Niederfrohna
safs, und dessen Rittergut jetzt zerschlagen ist; so hiefs sogar noch
der Anteil der Parochie Penig an Nieder- und Mittelfrohna. Über-
haupt macht es den Eindruck, als sei Oberfrohna später entstanden.
Zum ersten Male erwähnt wird es in einem Leibgedingebriefe Burg-
graf Albrechts XI. von Leisnig für Margarethe von Meckau auf Liin-
bach vom 25. Juni 143 1, worin es dy twerichfrone, d. h. Querfrohna
genannt wird. (Dresden HStA. Or. Nr. 6197.) Zwei Leibgedinge-
briefe für Eüsabeth und Sophie, die Mutter bez. die Gattin des ge-
dachten Burggrafen aus den Jahren 1356 bez. 1366 führen neben Lun-
bach schlechtweg fronen oder Vrone auf, d. h. Oberfrohna existierte
damals nocht nicht, und Nieder- und Mittelfrohna unterschied man
auch noch nicht.
2j Dresden HStA. Visitation ..... Im Fürstentume Meifsen etc.
1540. Loc. 10599. fol. 413a: „Breunsdorff hatt 2 Dorffer:
Rurschdorff vnnd Meyersdorff, aber diese 2 Dorffer sindt durch
denn Churfurstenn vnnd die vonn Schonpergk apgewendt''. In der
zweiten ernestinischen Visitation war eben Rufsdorf 1533 „gein Kauf-
fungen gewisen" worden. Freilich hatten „die Schonburgischen die
Schlüssel . . . zum cleinotern". Daraus geht hervor, dals Meinsdorf
nach Rufsdorf kirchte; um ketzerischen Mifsbrauch mit den heiligen
Gefäfsen zu verhüten, hatte Ernst II. von Schönburg die Schlüssel
zu ihnen weraehmen lassen. (Lobe I, 467.)
^) Als der Kurfürst von Sachsen (s. vor. Anm.) Rufsdorf von
seiner Pfarrkirche losrifs, löste Ernst II. von Schönburg seinerseits
die Verbindung seines Dorfes Meinsdorf mit der Kirche zu Rufsdorf
und verwies es kirchlich nach Langenberg, welches bis zum Jahre
1848 Filial von Langenchursdorf war.
Der Pleifsensprengel. 239
zur Mündung des Ebersbaches ^) und in demselben empor bis
zu seinem Ursprünge, um am mons Crostawitze vorüber,
zwischen Tirschheim und Kuhschnappel hindurch, im Hütten-
grunde der Lungwitz zuzueilen. Wie natürlich verläuft dem-
gegenüber der alte Grenzzug! Zweitens: Gemäfs der neuen
Grenzregelung liegen die Herrschaften Wolkenburg und Waiden-
burg sowie das Kloster Remse mit ihren Bezirken links der
Mulde in der Naumburger, dagegen rechts derselben (Wolken -
bürg mit Kaufungen, Herrnsdorf und Wasseruhlsdorf; Waiden-
burg mit der Altstadt, Niederwinkel, Langenchursdorf, Falken,
Langenberg, Meinsdorf-), Callenberg, den Wüstungen Naun-
dorf und Spielsdorf •^); Remse mit Oberwinkel, Ebersbach,
Grumbach, Tirschheim und Reichenbach in der Meifsner Diö-
zese. Sollte diese doppelte Diözesanzugehörigkeit bei den
zwei Herrschaften wirklich ursprünglich sein, während uns für
Remse urkundlich grade das Gegenteil bezeugt wird? Was
ist natürlicher als dafs hier, wo es doch um lauter Neurodungen
sich handelt, die in einem Waldgebiete (regalis silva Blisi-
nensisj erfolgten, anfänglich auch nur von einer Diözesan-
herrlichkeit, eben der des Naumburger Bischofes, die Rede
sein konnte? Wie aber daraus sich politisch die Reichslehn-
barkeif*) für die eben genannten Orte ergab, so mag Gleiches
auch für die Orte Frohna (Nieder- und Mittel-), Bräunsdorf
und Rufsdorf gefolgert werden. Die beiden letzteren besafsen
kernen Rittersitz — das heutige Bräunsdorfer Rittergut ist aus
zusammengeschlagenen Bauerngütern gebildet worden — , aber
in Frohna gab es zwei allodia, von denen dasjenige in Nieder-
frohna"*) der Stammsitz eines Reichsministerialengeschlechtes
war, das sich nach dem Orte nannte und in dieser Gegend
') Sie macht also vor der östlichen Grenze der Parochien Remse
(Gersdorf, Oertelshain) und Jerisau (Reinholdshain) Halt.
-) Dafs es nicht wie heute nach Langenberg, sondern anfangs
nach Rufsdorf kirchte (s. 0.), führt vielleicht darauf hin, dafs beide
früher gegründet wurden als Langenberg, das mit seiner P'lur die
gröfste Bresche in den Bestand des südlichen Waldgürtels gelegt hat.
*) von Webers Arch. f. d. sächs. Gesch. II, 95, 196. Naundorf
lag zwischen der Altstadt und Callenberg, Spielsdorf zwischen
letzterem und Langenchursdorf.
*) Das o;ilt zunächst auch für Callenberg und Reichenbach, die
das Hochstift Naumburg vom deutschen Kömge genau so wie Remse
seinen Besitz erhalten hatte.
^) Es besteht zurzeit nur noch aus drei kleinen Bachparzellen
(über I Hektar grofs), auf denen das Patronatsrecht über Nieder-
frohna ruht, und ist „in der Vorzeit dismembriert und in Erbpacht
ausgegeben" worden. (Hiersemann, Chron. d. Kirchgemeniden
Niederfrohna u. Mittelfrohna S. 21 — 23; vgl. S. 32.)
240
Leo Bönhoff:
nur einmal urkundlich durch einen Heinricus de Frone ver-
treten ist'). Die sonstigen Nachrichten über alle diese Orte,
die aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen, zeigen sie
bereits in Abhängigkeit von den Burggrafen von Leisnig als
Herren von Penig, in welcher Eigenschaft sie bekanntlich
.1329 infolge einer Gesamtbelehnung den Burggrafen von
Altenburg gefolgt sind, die im 13. Jahrhundert als Herren von
Zinnberg auftreten. Drittens: Es ist sehr beachtenswert, dafs
der Pleifsnische Archidiakonus für die Einbufse, die er jen-
seits der Mulde erlitt, entschädigt worden ist. Er gab an
Meifsen die acht Kirchspiele im Pleifsenwalde, der hier die
Südostecke des gleichnamigen Gaues gebildet hatte, und em-
pfing dafür den westlichen Teil des Zwickaugaues, in dem
6 — 7 Parochien, einige recht umfangreich (s. o.), bestanden.
Es war also ein völliges Äquivalent, was ihm für seinen
Verlust beschieden ward.
Damit hängen nun die beiden Fragen eng zusammen,
warum und wann derselbe für die Diözese Naumburg, für
die er doch bestehen blieb, eingetreten sein mag. Das Bis-
tum Meifsen hat gegen einige seiner Nachbardiözesen wie
Magdeburg, Merseburg und Brandenburg, denen sich
also auch Naumburg (vordem Zeitz) anschliefsen würde, eine
glückliche Expansionspolitik, freilich unter Zuhilfenahme von
gefälschten Urkunden"), betrieben, Merseburg ist in den
1) Schöttgen u. Kreysio;, Dipl. etc. II, 185. Die Besitznach-
folger (lerer von Frone in Mittelfrohna waren die von Florstedt
(1313: Gotfridus de Fluerstedt neben Sefridus de Mecko auf Limbach,
vgl. Cod dipl. Sax. reg. II, 6. Nr. 329); wer dieselben in Niederfrohna
waren, lälst sich nicht feststellen. Bereits Heinrich von Frone mufs
nach dem Vogtlande übergesiedelt sein; denn Vogt Heinrich I. von
Plauen verleiht 1262 einen Zehnten de allodio meo in Taltiz, quod
nunc est puerorum (sie waren wohl noch lehnsunmündig) H(einrici)
de vrone. (MAP. 1875— 1880. S. XXII.) Einer derselben war ge-
wifs Cunradus dictus Vronerus, der dem Deutschordenshause in
Plauen im Jahre 1282 in extremis positus einen Jahreszins von V2 Mark
Silber im Dorfe Taltitz vermacht hatte. ^Seine Freunde (Albert
Von Reinsdorf, Merkelin von der Mühlen, Ulrich Sack und Heinrich
von Rodau) hatten den Vogt Heinrich I. von Plauen um dessen Be-
stätigung ersucht (eljenda S. LXIIL; er war also ein Erbarmann.
Sein Geschlecht starb mit dem raublustigen Vogt von Mühltroff,
Hans Froner, im 14. Jahrhundert aus.
2) Cod. dipl. Sax. reg. I, i. Exe. I S i7ott", lygf, 185 — 189. Es
handelt sich hier vor allem um die Stiftungsurkunde Meifsens vom
II. Januar 948 (ib. Nr. t), eine Bulle Papst Johanns XIII. vom 2. Januar
968 (ib. Nr 7. = 11, I. Nr 4 A) und eine Grenzbestimmung Kaiser
Ottos I. vom 19. Oktober 968 (ib. Nr. 9 = 11, i. Nr. 3), während ich
an der Echtheit des Zehntübereignungsbriefes dieses Monarchen für
Der Pleifsensprengel. 241
Jahren 1004 — 1017 bis zur Mulde zurückgedrängt worden: so
hatte es auf dem zu Merseburg am 22. Februar 1017 ab-
gehaltenen Hoftage Kaiser Heinrich IL im Verein mit Erzbischof
Gero von Magdeburg angeordnet^). Allein auch der Sprengel
des letzteren mufste sich in den 60 er Jahren des 11. Jahr-
hunderts eine Beschränkung gefallen lassen: die Gaue Nizizi
(ohne das nördliche Viertel etwa) und Susah (soweit er rechts
der Mulde lag) wufste Meifsen sich anzueignen. Als aber
Magdeburg nach 70 Jahren noch einmal dagegen reagieren
wollte, erfolgte die Bulle des Papstes Innocenz IL vom 2. Ok-
tober 1137, welche die Grenzregelung zu gunsten Meifsens
beliefs: ,,Ad utriusque ecclesiae firmam pacem et quietem",
so hiefs es darin'-), ,,Magdeburgensis ecclesia suis linibus sit
contenta." Die gröfste Ironie liegt jedoch darin, dafs
Meifsen mit einer Fälschung des 12, Jahrhunderts die echte
Stiftungsurkunde des Bistums Brandenburg vom i. Oktober
949 abtrumpfen konnte, um sich den Gau Lusizi zu sichern.
Brandenburg hat sich aber nicht ohne weiteres zufrieden ge-
geben, sondern von Kaiser Friedrich I. am 20. Juni 1161 und
von Papst Clemens III. am 29. Mai 1188 die Bestätigung jenes
wichtigen Dokumentes erlangt. Gefruchtet haben seine Be-
mühungen schliefslich nichts, allein wir sehen, dafs der Streit
gegen Ende des 12. Jahrhunderts noch nicht ausgeglichen war.
Da nun die Zuteilung des westlichen Zwickaugaues an den
Pleifsensprengel und die Errichtung des Muldensprengels zu-
sammen etwa um 1220 anzunehmen sein werden, so könnte
Meifsens Vorstofs gegen Naumburg in der Waldenburger
Gegend, an den man wohl zur Zeit Bischofs Udo II, (1161
bis 1186) noch nicht dachte, etwa im Anfang des 13. Jahr-
hunderts erfolgt sein. Um ihn zu verstehen, bedarf es einer
kurzen Darlegung der ursprünglichen Abgrenzung der drei
südsorbischen Bistümer Merseburg, Meifsen und Zeitz.
Gewöhnlich stellt man sie ungefähr so dar. Merseburg,
das die Gaue Susali und Chutizi zugewiesen erhielt, grenzte
mit diesem gegen Zeitz und Meifsen folgendermafsen: Bis
die Diözese Meifsen vom Jahre 971 (ib. Nr. 13=: II, i. Nr. 18) fest-
halten möchte. (Vgl. Hauck, Kirchengesch. Deutschlands III, 133.
Anm. 3; S. 135 Anm. i.)
^) Thietmar, Chron. (ed. Kurze) VIII, 52 (VII, 37). Geraäfs
dieser Verfügung hat sich wohl Meifsen dafür, dafs die Parochie
Penig (Diözese Merseburg) aufs rechte Muldenufer hinüberreichte, mit
der Parochie Rochsburg (nebst Arnsdorf, Niedereisdorf, Lunzenau,
Grofs- und Kleinschlaisdorf) entschädigen lassen.
2) Cod. dipl. Sax. reg. II, i. Nr 46.
2A.2 Leo Bönhoff:
in die Gegend von Waidenburg wird die Wyhra von ihrer
Mündung bei Kahnsdorf ab als Scheidelinie betrachtet, dann
ging es nördhch von der Lungwitz, die zwischen Hermsdorf
und Oberlungwitz überschritten ward, bis zu den Quellen der
Würschnitz und Zwönitz. Hier an dem letzteren Orte hörte
der Grenzzug zwischen Merseburg (östlich der eben ge-
schilderten Linie) und Zeitz (westlich der gleichen Linie)
auf; hier begann der Grenzzug zwischen Merseburg und
Meifsen westlich bez. östlich der nunmehr anzugebenden
Linie: er folgte nämlich der Zwönitz stromab und der Chemnitz
bis kurz vor ihrer Mündung, um dann nordwärts abzubiegen
und die Mulde (die Zwickauer und die Vereinigte) auf ihrem
rechten Ufer in einiger Entfernung, ein paar Stunden ostwärts,
zu begleiten. Hier, um nochmals zur Quelle der Zwönitz
zurückzukehren, begann ebenfalls der Grenzzug zwischen Zeitz
und Meifsen, d. h. jenes erhob westlich, dieses östlich einer
Linie seine Machtansprüche, die auf das Tal der Grofsen Mitt-
weida abschrägte und in ihm bis zur Quelle des Flüischens
emporstiegt). Dem ist aber verschiedenes entgegenzuhalten.
1) So etwa schildert Posse den Grenzverlauf. (Vgl. Cod. dipl.
Sax. reg. I, i; Exe. I, lysft.) Ihm folgt Hauck, Kirch.-Gesch. Deutsch-
lands III, 133 f., nur dafs er in Anm. 4 zu S. 133 zum Sprengel Merse-
burgs ein Teil des Daleminzigaues gezogen wissen will. Er fafst
nämlich die allerdings schwierigen Worte Thietmars Chron. (ed.
Kurze) III, 16 (9): ,,Wolcoldo autem, Misnensis aecclesiae antistiti,
pars illa (sc. episcopatus nostri, i. e. Merseburgensis) conceditur
cum adpertinentibus villis Wissepuig (lies Wissep/ng d. i. [Hohen-]
Penig) et Lostatawa (Lastau bei Colditz», quae ad Gutici Orien-
talen! pertinet ac fluviis Caminici Albique distinguitur" so auf, als
handle es sich bei dem an Meifsen abgetretenen Stücke der Merse-
burger Diözese um einen Landstrich zwischen Chemnitz und Elbe,
der an die Ostgrenze des Chutizigaues stofse; damit sei die
Elbe als Ost- und die Chemnitz als Südwestgrenze dieses Trenn-
stückes gegeben und es als ein Teil des Daleminzierlandes kennt-
lich gemacht, wobei er sich noch auf Thietmar, Chron. I, 3, bezieht:
Haec provincia (i. e. quam nos Teutonice Deleminci vocamus, Sclavi
autem Glomaci appellant) ab Albi usque in Caminizi fluvium por-
recta. Hiergegen ist einzuwenden, dafs pertinere auch eine andere
Deutung zuläfst, welche durch das vorangehende adpertinentibus
allein nahegelegt wird. Es handelt sich um einen Landstrich, der
zum. östlichen Chutizigaue gehört, und zu dem die Dörfer
Penig und Lastau hinzugehören. Da die Mulde den genannten
Gau durchfliefst, so zerlegt sie ihn in zwei Teile, einen westlichen
und einen östlichen an ihrem rechten Ufer, wo auch Lastau und
folglich das „hohe" Penig (im Süden der Stadt) liegen. Sie bildet,
da der Landstrich zum östlichen Teile gehört, die West grenze,
während bis 981 das Bistum Meifsen, an das er fiel, die Ost grenze
darstellte. So wollen also die übrigen Worte „fluviis Caminizi Albi-
que distinguitur" die Süd- und die Nordgrenze des Landstriches
Der Pleifsensprengel. 243
Bei dieser Darstellung bleibt ein Umstand unberücksichtigt:
das Vorhandensein jenes grofsen, bis ins 12. Jahrhundert hinein
ungelichteten Urwaldbezirkes, der die beiden Male, wo er
genannt wird^), den Namen Miriquido (Miriquidui) empfängt;
derselbe ist altsächsisch und bedeutet „Finsterwald". Er lag
natürlich aufserhalb der Landschaft irgend eines der ihn vim-
gebenden sorbischen Gaue, stand somit auch, so lange er un-
angetastet blieb, zu keiner der drei südsorbischen Diözesen
in Beziehung-). Von der Grenze Böhmens aus dehnte sich
sein dunkles Revier nach Norden zu bis an die Südgrenze
von Chutizi Orientalis aus, da ja sein Wild hinüber nach dem
grofsen Merseburger Stiftsforste, der zwischen den Flüssen
Saale (Westen) und Mulde (Osten), den Gauen Susali (Norden)
und Plisni (Süden) sich hinzog und an den Burgward Roch-
litz stiefs, der mithin seinerseits zwischen den beiden weiten
Waldkomplexen gleichsam eingebettet war''). Es begrenzte
markieren. Die Chemnitz (etwa von dem Knie bei Stein bis unter-
halb von Gamsdorf) gab die Süd grenze des Chutizigaues (jenseits
der Mulde = orientalis) ab. Dafür bietet Thietmar selbst einen wenn
richtig verstanden, alsdann unwiderleglichen Beweis in Chron. I, 4:
Non longe a predicto amne (i. e. Caminizi) in pago Chutizi dicto
Arn episcopus iuxtaplateam in parte septentriqnali
hostili circumvallatus agmme. Die Strafse, an der jener Überfall am
13. Juli 892 geschah, lief in der Gegend nördlich (vgl. I, 16 [9]) der
Chemnitz, wo man sich eben im Chutizigaue befand. So soll mit-
hin die Elbe dazu dienen, den östlichen Teil desselben im Norden
„kenntlich zu machen" (distinguere), d. h. der nördlichste Strich von
Gutici Orientalis (zu suchen bei den drei Dörfern Musitcin [Mutzschen],
Beliz [Böhlitz], Milus [Wüstung Mahlis] — vgl Cod. dipl. Sax. reg.
I, I. Nr. 151 [ao. 108 1] — und den grofsen Hubertusburger Waldungen)
erstreckte sich bis in die Nähe des genannten Stromes; die Elbe war
das nächste gröfsere Gewässer, nach dem man sich orientieren konnte,
oder sie kennzeichnete den Norden von Ostchutizi durch einen ihrer
Seitenbäche, die DöUnitz. Die oben angezogene Stelle Chron. I, 3
aber will besagen, dafs der Gau Daleminzi von der Elbe sich gen
Westen bis an die Chemnitz ausdehnte. Von Garnsdorf an aufwärts bis
zum Knie bei Dittersdorf stellte sie die West grenze dieses Gaues dar.
') Cod. dipl. Cod. reg. I, i. Nr. 19 [ao. 974]; Thietmar, Chron.
[ed. Kurze] VI, lo (8) [ao. 1C04]; vgl. IX, 28 (VIII, 13) [ao. 1018J:
Silva Mircwidu vocata. (Diesen Namen, der 1018 in Holland auf-
taucht, pflanzt heute der Flufs Merwerle fort.)
2) Vgl. meinen Aufsatz „Die sorbischen Gaue Chutizi und
Daleminzi mit besonderer Berücksichtigung von Chemnitz und Um-
gebung". (Chemn. Tagebl. u. Anz. Jahrg. 1904, Nr. 347. Beil. i. S. 5.)
^) Vgl. Thietmar Chron. IX, 21 (VIll, to) mit Cod. dipl. Sax. reg. I, t.
Nr. 19: Qualescumc^ue venationum species in his modo sint terminis
(i. e. inter Salam et Mildam tluvios ac Siusili et Plisni provincias)
vel nutriantur seu ex magna procedant silva, que Miriquido
dicitur
244
Leo Bönhoff :
also der Mirkwidu im Süden die Diözese Merseburg, soweit
sie bis 981 rechts über die Mulde reichte, und trennte die
Bistümer Meifsen und Zeitz -Naumburg, von denen dieses
mit seinem Gaue Daleminzi an dem Ost-, jenes mit seinem
Gaue Zwickau an dem Westrande des Urwaldes dahinstrich;
mit der Nordfront desselben (von der Mündung der Lungwitz
bis zum Knie der Chemnitz bei Glösa etw-a) in ihrer west-
lichen Hälfte^) stiefs die regalis silva Blisinensis zusammen^).
So kamen also anfangs Zeitz-Naumburof und Meifsen srar nicht
miteinander in Berührung;. Die Westgrenze des letzteren
Sprengeis lief vielmehr die Zschopau von ihrer Mündung ab
hinauf bis in die Nähe von Sachsenburg, wo einst eine alte
Sorbenfeste (981: Hwoznie; 1214: Gozne) sich erhob; hierauf
sprang sie zur Chemnitz über'^), die im tiefsten Süden die
Westgrenze des Daleminzigaues (s. o.) repräsentierte, folgte
ihr bis in die Nähe von Dittersdorf und begleitete die ,,alte
böhmische Strafse", die östlich von Chemnitz, von Norden
herkommend, bei Hermersdorf und Ahenhain vorüber nach
Zschopau und von da über Lauterbach und Niederlautei stein
nach Zöblitz führte, so lange, bis sie die Schwarze Pockau
erreichte*).
') Wir können diese Nordfront identifizieren mit dem „Raben-
steiner Gebirgszuge", ihre westliche Hälfte mit dessen Verlaufe von
der Mulde bei Glauchau bis zur „Langenberger Höhe".
2) Der Älirkwidu selbst bedeckte mit seiner Fläche die Amts-
hauptmannschaften Glauchau (Süden), Chemnitz (Westen und
Süden), Annaberg (total) und Marienberg (Westen und Süden).
') Vgl. Helbig, Die Steinkreuze im Königreich Sachsen als
Grenzzeichen. Sonderabdr. aus Mitteil. d. Ver. f. Sachs. Volksk. 1905.
S. II.
*) Diese Darstellung resultiert aus einer Betrachtung eines Hers-
felder Lehnbriefes, den Abt Heinrich unterm 23. Juli 1292 für Mark-
graf Friedrich den Freidigen ausstellen liefs. Die eingefügte Grenz-
beschreibung ist sehr alt und trägt ein traditionelles Gepräge. Sie
lautet abgesehen von einer kleinen Erweitenmg: Incipit predium
Hersfeldensis ecclesie a loco, ubi major Striguz fiuvius oritur,
secundum cursum illius amnis in Mulda fluvium et per decursum
mulde usque Scapham et Scapham sursum usque ad antiquam
semitam ßoemorum .... et per semitam illam usque Pachowe,
Pachowe sursum usque Nidperg (Südosten von Zöblitz, Westen
von Anspnmg), quod Wernherus edificaverat, et ab amne, qui preter-
fluit ante Nidperg (Knöse-Bach), usque in amnem Striguz. Wo die
Lücke .sich zeigt, ist der alte Text alteriert; „que secernit Proprie-
täten! Kemenitz et Hersveit" — diese Worte, die sie ausfüllen, ver-
raten, dafs Hersfeld durch die neue Abtei zu Chemnitz (gegr. 1 1 37)
von der Chemnitz, der Grenze des Gaues Daleminzi abgedrängt
worden war. Denn unsere Grenzbeschreibung gibt ja nichts anderes
wieder als den Umfang der Bezirke der beiden „castella .... et loca
Der Pleifsensprengel. 245
Die Sachlage änderte sich bereits, als Meifsen 981 den
östlichen Teil des Chutizigaues aus dem Bestände des Merse-
burger Sprengeis bei dessen Aufteilung erhielt. Vorübergehend,
d. h. in den Jahren 981- 1004, waren Meifsen und Zeitz, das
denjenigen Teil des aufgelösten Bistums übernommen hatte, der
zwischen den Flüssen Saale (W.esten), Elster (Norden) und
Mulde (Osten) sowie den Gauen Plisni, Vedu und Tuchurini
lag, benachbart geworden \). Aber im Süden war es noch
wie vordem gebheben: hier lehnte sich Zeitz mit den Gauen
Plisni und Zwicke we an den Norden und Westen, Meifsen
mit den Gauen Chutizi-Ost und Daleminzi an den Norden
und Osten des Mirkwidu an. So verhielt es sich noch im
Jahre 1004, als Zeitz seinen Anteil an Merseburg zurückgab,
Meifsen hingegen ihn festhielt"), und noch darüber hinaus.
Wie sollte es werden, als man anhob, den Urwald zu roden
und dem Anbau zu eröffnen? Zeitz-Naumburg und Meifsen
standen sich hier als Konkurrenten gegenüber: wie sollte nun-
mehr die Grenze zwischen ihnen verlaufen, da Naumburg von
Nordwesten und Westen, Meifsen von Nordosten und Osten
in partibus Sclavonie, Doblin (Döbeln) et Hwozme (am Treppenhauer
bei Sachsenburg) nuncupata, in pago Dalminze seu Zlomecia
vocato juxta fluvium Multha dictum" (Cod. dipl. Sax. reg. I, i. Nr. 28).
Dals aber dieser Gau, dessen "westlichsten Strich im Süden die zwei
Burgwarde einnehmen, über die Zschopau hinausgriff, legen folgende
Worte des Lehnbriefes klar: Hec sunt civitates et castella, que jaceijt
in predictis terminis: civitas Schape et omnia, que attinent illi
vilhcationi, Lichtenwalt et omnes villicationes ibidem attinentes
(damit nähern wir uns der Chemnitz am weitesten), Frankenberg,
castrum et civitas et quidquid ibi attinet, Drinwerdin (Dreiwerden)
cum suis pertinenciis, Doblin: et castrum et civitas cum suis per-
tinenciis .... et Öderen cum suis pertinenciis universis. Ans Ende,
wo die Lücke gelassen ist, sind drei Städte gestellt, die nicht im
predium Hersfeldense liegen, aber auf die Hersfeld Lehnsansprüche
machte: Rofswein, Freiberg und Dresden. Zschopau und Lichten-
walde führen uns auf das linke Ufer der Zschopau. Dahin allein
weist uns auch die Bemerkung, dafs die alte böhmische Strafse
Chemnitzer und Hersfelder Besitz scheide, da das Bergkloster bei
Chemnitz 1290 den Herren von Erdmannsdorf für 32 Mark Silber
Oberhermersdorf abgekauft hatte. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 6. Nr. 319.)
Vgl. Herfurth, Geschichtl. Nachr. v. Zschopau. S. 10 — 14.
') Thietmar, Chron. III, 16 (9).
-) Ibid. V, 44 (26^: De Misni atque de Citici episcopatibus
decrevit (Heinrich IL) regia potestate ad integrum redire, quod
antiquitas hinc demptum voluit explicare. (VI, i.) Meifsen reagierte
nicht darauf. Vgl. VIII, 52 (VII, 37): Cum ego (Thietmar) multa sepe
questus sim imperatori de parte meimet parrochiae ab aecclesia
Misnensi iniuste ablata et scriptis (nicht tatsächlich) restituta
Der königliche Befelil erging am 2. Februar 1004, die Klage erfolgte
am 22. Februar — 1017!
246 Leo Bönhoflf:
her in den bisher neutralen Bannwald vordrangen? Meifsen
produzierte seine Urkunden. Der Passus des unechten Stiftungs-
briefes vom Jahre 948 (s. o.), eines Machwerks des ausgehen-
den 12. Jahrhunderts, der unsere Gegend betraf, besagte nun
zunächst: Ubi oritur fluvius, qui dicitur orientalis Milda,
inde usque, quo idem fluvius intrat in Albiam, Also beginnt
die Schilderung der West grenze des Bistums; nachdem die
Nord- und Ost grenze erledigt ist, schHefst die Beschreibung
der Süd grenze ab mit den Worten: ultra Albiam et
per silvam in occi dentalem partem usque ad caput pre-
dicti fluminis orientalis Milde. Damit stimmt die unechte
Urkunde Ottos I. vom 19. Oktober 968 (s. o.) in dem Kerne
ihrer Darstellung überein, welche zuerst die Südgrenze
schildert und hierbei wieder in den Worten endigt: .... ultra
Albiam et per silvam in occidentalem partem usque ad
Caput Milde et (damit setzt die West grenze ein) sie deorsum
usque dum Milta intrat in Albiam^). Hierauf kommen
die Nord- und Ost grenze an die Reihe. Bliebe es hierbei,
so wäre die Sache eigentlich ganz einfach; die Südgrenze
liefe auf der Scheide des Landes Böhmen und des Gaues
Nisan (ubi divisio et confinium est duarum regionum Behem
et Nisinen) einher, überschritte, wo dieselbe die Elbe erreichte
(ibidem), diesen Strom und dränge nordwärts durch den Wald
des östlichen Erzgebirges bis an die Quelle der östlichen
Mulde vor. Von ihr nähme die Westgrenze ihren Anfang,
ginge erst in der Freiberger (orientalis), dann in der Ver-
einigten Mulde herab bis zur Mündung und fände dort ihren
Abschlufs. Ich habe bisher den Passus schlechtweg betrachtet,
und seine Worte, unmifsverständlich wie sie sind, lassen für
das Caput (= ubi oritur) orientalis (in der zweiten Urkunde
allerdings ausgelassen) Milde keine andere Deutung als die
eben gegebene zu. Böttger (a. a. O. IV, 174. Anm. 314) hat
zu beweisen versucht, dafs unter dem cajiut Milde die Zwönitz-
quelle (?) zu verstehen sei; es finde sich gerade bei Diözesan-
grenzen mehrmals der Fall, dafs ,,ein Nebenflufs von seiner
Quelle ab den Namen des Hauptflusses, dem er zufliefst,
führt". Das mag man zugeben, aber es müfste dann von
einem caput occidentalis Milde die Rede sein. Nun ist
^) In die Lücke zwischen et sie deorsum .... usque dum Milta
intrat schoben sich zunächst die Worte ambas piagas eiusdem
fluminis neu ein. Vgl. die Urkunde Papst Johanns XXIII. vom
2. Januar 968 (s.o.): ultra Albiam et per silvam in occidentalem
partem usque ad caput Milde et sie deorsum per ambas piagas
eiusdem fluminis usque dum etc.
Der Pleifsensprengel. 247
eben in der zweiten kaiserlichen Urkunde (wie auch in der
Johanns XXIII.) ein Beiwort zu Milde vermieden und der
Passus in dem unechten Stiftungsbriefe, der bereits 948 die
Vereinigte Mulde als Westgrenze Meifsens anbringt, die sie
tatsächlich erst seit 981, definitiv seit 1017 bildete, ist 968
noch an zwei Stellen erweitert und erläutert worden.
Von der Quelle der Mulde gehe es, so lesen wir^), weiter
abwärts: sie deorsum ambas piagas eiusdem fluvii, seil ic et
prope occidentalem ripam Rochelinze et sie-) usque
dum Milta intrat in Albiam. Hieran fügt der Interpolator in
den ohnehin überfüllten Text hinein die Bemerkung: Nee non
ob hoc diximus: in occidentali plaga, quia multe ville
pertinent ad orientales urbes''). Sie erläutert ohne Zweifel
den Begriif ambas piagas näher und drückt aus, dafs die
Landschaften östlich und westlich der Mulde an der West-
grenze der Meifsner Diözese beteiligt seien. Denn orientales
urbes, d. h. Burgwarde, die auf dem rechten Muldenufer mit
ihrem Mittelpunkte, dem castellum, und der dazu gehörigen
Bezirkskirche lagen, reichten auch auf das linke mit ihrem
Gebiete herüber, wie z. B. Colditz, Döben, Nerchau und
Würzen'*). Diese Erläuterung aber stammt aus der Zeit vor
1017, da Thietmar in diesem Jahre schreiben kann: Imperator
(Heinrich IL) et archiantistes (Gero) iusserunt, ut parrochiam,
quam ille (Eil ward, Bischof von Meifsenj in occidentali
ripa (sc. Mildae fluminis) teneret, mihi relinqueret'^). Sie bildete
eben einen Rechtstitel für Gebiete, die Meifsen 981 von Merse-
burg an sich brachte, und zwar zur Abwehr von dessen be-
rechtigten Ansprüchen bestimmt, die es seit seiner Wieder-
errichtung (1004) erhob. Der Einschub ,,scilicet prope occi-
dentalem ripam Koch"elinze" (nämlich nahe am westlichen Ufer
hin von Rochlitz ab), wobei Rochelinze ablativisch auf-
gefafst wird, besagt also auch, dafs auf der linken Seite der
Zwickauer Mulde Meifsens Diözesanherrlichkeit Platz greife.
*) Wir linden den Passus nicht nur bei Otto I. (968), sondern
auch wörtlich bei Otto III. (Cod. dipl. Sax. reg. I, i, 276: 996 Dez. 6.)
-) Die hervorgehobenen Worte beruhen auf einen noch späteren
Einschub. Vgl. Heibig a. a. O. S. 12.
^) Sie ist in die Lücke des Textes eingedrungen, der bei allen
drei in Frage kommenden Urkunden fast im gleichen Wortlaute vor-
hegt: usque dum Milda intrat in Albiam .... et sie sursum et ultra
provinciam Nizizi.
-•) Thietmar, Chron. VIII, 52 (VII, 37); IX, 20 (VIII, 10). Cod.
dipl. Sax. reg. I, i. Nr. 47, 106. Schnitze, Die Kolon, u. German.
d. Geb. zw. Saale u. Elbe. S. 67. Anm. 3.
5) Ebenda VIII, 52.
248 Leo Bönhoff :
So war es der Fall gegenüber Merseburg bis zum Jahre 1017
(s. o.), wo eine andere Vereinbarung getroffen wird, welche
die Mulde von Penig bis Würzen als Diözesanscheide der
beiden Bistümer festsetzte. Unser Einschub garantierte nun
auf jedem Fall auch trotz dieser Vereinbarung das rechte
Muldenufer und zwar evident von Rochlitz ab. Das konnte
man, wie es jedenfalls gemeint ist, von der Ortschaft und
ihrer weiteren Umgebung, dem Bnrgward, verstehen; später
aber mochte es auch von der Landschaft (pagus = provincia,
comicia), der sogenannten Grafschaft gleichen Namens gelten,
die südlich bis zum Frohnbach (s. o.) reichte^). Es handelte
sich nun weiter um die Auslegung der Worte usque ad caput
Mildae et sie deorsum, bevor der Grenzzug das westliche
Maidenufer in der Rochlitzer Grafschaft erreichte. Sie gaben
Meifsen gegenüber Naumburg völlige Ellbogenfreiheit. So
schob es denn von der Quelle der Freiberger Mulde in west-
licher Richtung (in occidentalem partem) seine Grenze an die
Zwickauer Mulde vor, soweit es nur anging, und dehnte
sie am Mirkwidu entlang bis zur Mündung des Ebersbaches
aus. Hier aber begann die Nordfront jenes Urwaldes; hier
hörten alle urkundlichen Ansprüche auf; hier eröffnete sich
ein freies Feld für die Konkurrenz beider Diözesen. Meifsen
hat den Löwenanteil davongetragen -j. Nur die Nordwest-
ecke des Mirkwidu, die zwischen dem Mülsenbache und dem
nördlichen Talrande der Lungwitz sich einschob, sowie die
Grünhainer Pflege zwischen dem Zwickaugau, dem südlichen
Westrande des Mirkwidu, der unteren Grofsen Mittweida und
dem Schwarzwasser samt den grofsen, im Süden anstofsenden
Waldungen der oberen Grafschaft Hartenstein") wufste Naum-
burg zu behaupten. Jedoch das rechte Muldenufer in der
Waldenburger Gegend verlor es an Meifsen.
^) von Webers Arch.'f. d. Sachs. Gesch. N. F. III, 214.
2) Das hier in Frage kommende Gebiet ist enthalten in den Be-
zirken der Erzpriester zu Wolkenstein (total), S toll berg (ebenfalls),
Chemnitz (Westen) und Wa 1 d e n b u r g (Kirchspiele Liml^ach, Wüsten-
brand und Oberlungwitz), d. h. abgesehen von einigen Abstrichen im
Osten (Daleminzi^au rechts der Zschupau) und den acht anfänglich
naumburgschen Paruchien des Landkapilels Waidenburg, in der
Kirchen pro vinz Chemnitz, die übrigens urkundlich zuerst im
Jahre 1254 auftritt. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 6. Nr. i.)
*) Zwischen ihnen und dem Westrande des Mirkwidu zog sich
eine alte böhmische Strafse hin, die von Prefsnitz her über die
Sehma nach Schiettau und Zwönitz führte. (Franz, Die Amts-
hauptmannschaft Annaberg. Jahresb. d. Kgl. Realgymn. zu Abg. 1904.
S. 3 1 f.)
Der Pleifsensprengel. 24Q
4. Die Verwaltung'j.
Wir haben bisher die Grenzen und den Bestand, die
Entstehung und die Veränderungen des Pleifsensprengels
beschrieben. Es fragt sich nunmehr, wer die Verwaltung
dieser Kirchenprovinz geführt hat. Die ersten beiden Träger
dieses Amtes haben wir schon oben kennen gelernt: der
eine Witrad, der zur Zeit der dritten Kirchweihe in Alten-
kirchen, d. i. zwischen 11 38 — 1140, bereits als in pago Plisna
archidiaconus fungierte, der andere Heinrich, der in gleicher
Eigenschaft der vierten Kirchweihe in Altenkirchen und der
dritten in Reichenbach beiwohnte'-). Witrad war Dechant
der Zeitzer Stiftskirche, Heinrich Scholaster (magister) des
Naumburger ■^) Domstiftes, als sie die Würde eines Archi-
diakonus bekleideten. Bischof Udo II. hatte dazu also
Dignitare aus den Kapiteln beider Stiftsstädte Zeitz und
Naumburg abwechselnd berufen. Späterhin (1230} kam
es zu dem Beschlüsse, dafs der Zeitzer Propstei- und der
Muldensprengel beständig durch Glieder des Zeitzer Stifts-
kapitels verwaltet werden sollten, während der Naumburger
Propstei-, der Pleifsen- und andere etwa noch entstehende
Archidiakonate stets den Naumburger Domherren verbleiben
und unter der Kollatur des Bischofs stehen möchten*}. Vom
Jahre 1230 ab also sind Pleifsner Archidiakonen nur in den
Reihen der Naumburger Kanoniker zu suchen. Ihre Liste
ist freilich nicht lückenlos, wie sich gleich zeigen wird.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts endlich ward ihr Amt
dauernd mit einer Dignität des Hochstiftes, dem Kantorate,
vereinigt. Am 19. April 1418 inkorporierte Papst Martin V.
in einer Verordnung an den damaligen Merseburger Bischof,
Thilo von Trotha, dieser Pfründe, deren Jahreseinkommen man
auf 4 Mark Silber veranschlagte, die Bezüge des Pleifsner
Archidiakonates, der damals ausnahmsweise von einem
Titularbischof verwaltet ward'^). Vom Jahre 141 8 ab also
1) Vgl. dazu Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d.
Osterl. VII, 508—522; X, 462—472.
^) Lepsius, Gesch. d. Bischöfe von Naumburg- I, 246 f.
^) Er folgt in der Zeugenreihe dem Naumburger Propste
Berthold und dem dortigen Dechanten Dietrich.
*) Lepsius I, 74, 2831 Urk. 57.
^) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. X,
466!: Cum , si archidiaconatvis Plisnensis in . . . . ecelesia
(Nuemburgensi), qui vacat ad praesens, .... cantoriae
incorporaretur, uniretur et annecteretur, extunc cantor ipse
decentius sustentari .... valeret et ... . archidiaconatus praedictus,
Neues Archiv f. S. G. u. A, XXIX. 3 4- I?
250
Leo Bönhoff :
finden wir die Pleifsner Archidiakonen unter den Kantoren
des Hochstiftes, so dafs wir sie heranziehen können, um
unsere Liste zu vervollständigen , auch wenn der archi-
diakonale Titel in einer Urkunde ihnen nicht beigelegt sein
würde.
Wir beginnen die Liste, die wir soeben angekündigt
haben, nachdem bereits Witrad und Heinrich genannt sind,
der Sicherheit halber mit Hermann aus dem Geschlechte
der Burggrafen von Neuenburg (bei Freiburg), die sich
auch Grafen von Mansfeld und seit dem dritten Viertel des
13. Jahrhunderts Grafen von Osterfeld nannten. Weil er
einem gräflichen Hause entstammte, bezeichnete man diesen
Domherrn als comes de novo Castro. Sein Vater Hermann,
ein Abkömmling der Meinheringer , war der jüngere Sohn
Burggraf Meinhers L von Meifsen, seine Mutter Gertrud, eine
der zwei Erbtöchter des alten Mansfeldischen Grafenstammes,
dessen Titel und Wappen ihr Gemahl den seinigen hinzufügte.
Sieben Söhne entsprofsten dieser Ehe, und drei von ihnen
wurden Geistliche: der älteste, Meinher, als Bischof von
Naumburg verstorben (1280), der fünfte, Günther, Kanonikus
von Halberstadt und Naumburg, schliefshch Propst des
letzteren Kapitels, und der sechste, Hermann der Jüngere^),
Domherr desselben Hochstifts, dem auch seine Brüder an-
gehörten. Urkundlich zum ersten Male unter dem Titel
eines archidiaconus terre Plisnensis erscheint dieser Hermann
neben seinen Mitkapitularen als Zeuge im Jahre 1275; er
führt ihn nachweislich zuletzt im Jahre 1296-). In einer
Beutitzer Klosterurkunde vom Jahre 1267, worin er mit
sämtlichen Brüdern einer Schenkung seines Vaters, die in
vier Höfen zu Lissen bestand und für das Familienkloster"^)
licet dignitas curata, non tarnen maior post pontificialem in ipsa
ecclesia sit et per eius canonicum dumtaxat gubernari
consueverit, ad cultum tarnen divinum in eadem ecclesia minima
necessarius censeatur neque archidiaconus Plisnensis pro tempore
existens stallum in choro aut locum in capitulo ipsius ecclesiae
habeat ratione archidiaconatus antedicti , nos mandamus,
quatenus archidiaconatum praedictum praedictae can-
toriae , dummodo ad id venerabilis fratris nostri episcopi et
dilectorum liliorum capituli Nuemburgensis accedit assensus, aucto-
ritate nostra in perpetuum unias, incorpores et annectas.
■) Hermann der Altere, der dritte Bruder, tritt erst als Graf von
Mansfeld (1269), dann als Graf von Osterfeld {1277) auf.
2) Wagner, Collect. IX, 417; XXVIII, i, 35. Schmidt I, 153
Nr. 312.
■') Seine beiden Schwestern traten in dasselbe ein.
Der Pleifsensprengel. 251
bestimmt war, seine Zustimmung erteilte, wird er als Dom-
herr, Meinher, der Älteste, als Propst von Naumburg auf-
geführt^), ohne dafs daraus hervorginge, ob er schon damals
Archidiakonus war; es wäre jedoch nicht unmöglich.
Lobe (I, 29. Anm.*) glaubt, für das Jahr 1205 einen
Gerlach' von Heldrungen, der 1196 Kanonikus am Naum-
burger St. Moritz-, 1205 am dortigen Domstifte war, als
Verwalter des Pleifsensprengels ansehen zu dürfen. Denn
da er in diesem Jahre auch den Titel archidiaconus, freilich
ohne jeden Zusatz, trage, so könne er nur der Pleifsnische
sein, weil der damalige Propst, Hartmann, natürlich den
Naumburger Propsteisprengel unter sich als Archidiakon des
Hochstiftes gehabt habe-). Dieser Schlufs würde durchaus
zulässig sein, wenn er sich auf die Zeit nach 1230 bezöge;
so aber fällt er dahin, weil die Voraussetzung fehlt: der oben
erwähnte Schied des Naumburger Domkapitels aus dem eben
gedachten Jahre! Allein auf eine andere Weise vermögen
wir die Annahme betreffs jenes Gerlachs aufrecht zu erhalten,
indem wir nämlich uns erinnern, dafs es 1205 noch keinen
Muldensprengel gab. Es existierten also nur drei Archi-
diakonen: die beiden Pröi)Ste von Naumburg und Zeitz
sowie der Pleifsnische, so dafs, da jenen auch als Archi-
diakonen der Name ihrer Dignität beigelegt zu werden
pflegte, mit dem schlichten Titel archidiaconus in jener
Zeit nur dieser gemeint sein konnte. Da Gerlach 121 5 bis
1233 die Würde eines Naumburger Dompropstes bekleidete,
so ist er gewifs im ersteren Jahre von seinen archidiakonalen
Verrichtungen für den Pleifsengau, dessen kirchliche Aufsicht
ihm damals noch ausschliefslich oblag, zurückgetreten, nach-
dem er sie nach 1196 und vor 1205 aufgenommen batte'^).
So würde sich mithin zweimal je eine Lücke von 60 Jahren
ergeben: eine für die Zeit von 11 40 — 1200 und eine für
die Jahre 1215-1275. Es ist dabei nur zu bedauern, dafs
in zwei Urkunden für die Klöster zu Crimmitschau (1222)
und U. L. Fr. auf dem Berge zu Altenburg (1224) der Name
des Pleifsner Archidiakonus, dessen Jurisdiktion die ihnen
einverleibten Kirchen St. Lorenz und St. Martini zu Crimmit-
') Lepsius I, 99.
2) Mitteil. d. Gesell, u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl.
VII, siyf.
^) Vermutlich war er schon 1204 in seinem Amte, als der vom
Bergerkloster zu Treben angestellte Pfarrer durch Bischof Berthold II.
an den Pleifsner Archidiakonus in spiritualibus gewiesen ward.
(Lobe I, 513.)
17*
252
Leo Bönhoff:
schau und St. Bartholomäi zu Altenburg unterworfen waren,
unerwähnt geblieben ist^).
Wiederum der Sicherheit halber setzen wir aufs neue
ein mit der Person des Edlen Otto von Colditz. Nebst
seinem (älteren) Bruder Ulrich, der nachmals am 15. März
13 16 als Bischof von Naumburg verstarb, gehörte er der
Wolkenburger Linie des alten meifsnischen Dynasten-
geschlechtes an und war durch seinen Vater Heinrich
(-j- nach 1308) der Enkel der Wolkenburger Erbtochter
Beatrix (s. o.-). Ausdrücklich wird ihm der Titel archi-
diaconus Plisnensis verhältnismäfsig spät beigelegt, nämlich
im Jahre 13 ig''); er fungiert noch mit seinen Kollegen im
Archidiakonate, dem Zeitzer Propste Otto und dem Archi-
diakonus jenseits der Mulde Heinrich (de Czernczin), als
Schiedsrichter am 16. Juni 1322*). Eine spätere Nachricht
existiert über ihn nicht. Er amtierte also auch zu der Zeit,
wo der von uns vielfach benutzte Abschätzungsbericht der
Naumburger Diözese (1320) zur Abfassung gelangte. Wir
besitzen aber aufserdem eine der Schrift nach aus dem An-
fange des 14. Jahrhunderts stammende Pergamenturkunde,
mittels deren er dem Duminikanerprior Johannes von Lieben-
werda und der Priorin von Cronschwitz''') verspricht, das
Investiturrecht des Konventes anerkennen zu wollen. Das
Schreiben hat er sicher kurz nach seinem Amtsantritte an
die Adressaten gerichtet; es lautet*'): ,,Ot(to), dei gracia')
archidiaconus Plisnensis, dictus de Koldicz discreto viro
(Johanni) priori de Libenwerde, ordinis fratrum predicatorum,
et domine (Mechthildi de Plawe), priorisse de Cronswicz,
quidquid poterit servicii et honoris. Noverit vestra discrecio
et devocio, quod ad devotam instanciam precium vestrarum
et favore speciali, quo vos amplectimur, articulum de in-
^) Schultes, Direct. diplom. II, 571.
2) Schöttgen u. Kreysig II, 453 (anno 1304): Bischof Ulrich
von Naumburg nennt als Zeugen: Otio, f rat er noster, Cicensis
ecclesie canonicus, Volradus dictus de Wolkenberg, patruus noster.
(Volrad war seines Vaters nächstjüngerer Bruder.)
^) Ebenda II, 457.
•») Schmidt II, 637. Nachtr. Nr. 57.
^) Ihr Name ist wie der des Priors ausgelassen, kann aber wie
der seine ergänzt werden. Sie hiefs nämlich Mechtild und war die
Tochter Vogt Heinrichs I. von Plauen. Urkundlich tritt sie als
Priorin (Nachfolgerin ihrer Schwester Agnes) auf in den Jahren
1304 — 1328. (Schmidtl, 179, 312. Nr. 369, 651.)
♦*) Ebenda I, i6if. Nr. 330.
"') Vgl. Hauck, Kirch.-Gesch. Deutschi. IV, 12 und 13, Anm. i.
Der Pleifsensprengel. 2^7
vestitura et alios articulos, prout nobiscum contulistis,
libenter admittere volumus, dum modo idonea persona ad
illam parrochiam ordinetur, que laudabiliter illi loco
preesse possit et prodesse. Cetera rator(um) (?). Datum VI. ka-
lendas Februarii" (27. Januar). Das Jahr fehlt leider, und so
sind wir auf Kombinationen angewiesen. Der Prior Johann von
Liebenwerda war noch im Jahre 13 11 Lektor seines Ordens^).
Otto von Colditz selbst tritt noch im Jahre 1305 als Zeitzer
Stiftsherr auf, wo sein Bruder, Bischof Ulrich, am 31. August d.J.
dem Kloster Cronschwitz das Investiturrecht für Langen-
bernsdorf und Langenreinsdorf im Pleifsensprengel bestätigte^),
welches ihm sein Vorgänger, Bischof Bruno, bereits am
10. Februar 1302 ebenso, wie für SchmöUn (in derselben
Kirchenprovinz) am 18. h. m., verliehen hatte^). Erst am
Mittwoch vor Pfingsten 1305 zeugt er als ,,herr Otto von
Koldiz, Thumher zu Numburgk", und nur als solcher war
er in der Lage, das Amt eines Pleifsner Archidiakonus zu
erhalten*). So weist uns denn jenes undatierte Schreiben
hinter das Jahr 131 1, zumal Bischof Ulrich seinen Bruder
urkundlich unterm 3. September 1308 noch ohne den Zusatz
jenes Titels benennt'^). Wenn nicht alles trügt, ging ihm
unmittelbar im Amte Hermann von Heseler, im Jahre 1306
erwähnt^), voran ebenso wie als sein direkter') Nachfolger
der in den Jahren 1329 — 1330 auftretende Heinrich
Schenk von Nebra (pincerna de Nebere) zu betrachten
ist'^). Ja vielleicht darf man soweit gehen, den ersteren
zugleich für den Nachfolger Graf Hermanns von Neuenburg
zu halten, so dals hier keine Lücke entstünde.
^) Schmidt I, 202. Nr. 424.
•-) Ebenda I, 182! Nr. 375.
8) Ebenda I, i68ff. Nr. 344!
■*) Lepsius I, 323.
^) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl.
V, 252 f.
") Leider hat Herzog den Beleg für diese Angabe zu geben
unterlassen.
') Dafs er im Amte starb, bezeugt das Totenbuch der Naum-
burger Kathedrale (Schöttgen u. Kreysig II, 168 A): Aug. 13. obiit
dn. Otto de Kolditz archiäiaconus et dantur quaedam de bonis
in Reusen.
*) Die drei oben Genannten haben, ein jeder als archidiaconus
loci zu seinerzeit, die drei ersten Pfarrer am Georgenhospitale zu
Zwickau auf Präsentation der Familie Zschackan hin (s. o.) investiert:
nach 1305 den Magister Johannes von Chemnitz, um 13 16 den Notar
Hermanns von Schönburg, Johannes Zwirckel von Ziegelheim, und
nach 1327 Friedrich Rofsmarkt. (Herzog II, 54, 57, 60, 64, 878, 882.)
254
Leo Bönhoflf:
Einer derjenigen Archidiakonen, über die uns reich-
licheres Urkundenmaterial (von Lobe gesammelt) zur Ver-
fügung steht, ist Dietrich von Gattersieb en. So erklärt
er z. B. am 9. Oktober 1342 sein Einverständnis zur Einver-
leibung der Pfarrkirche von Nöbdenitz: nosque Theodricus
de Gattirsleybin, archidiaconus terre Plisnensis, in signum
nostri consensus similiter sigillum nostrum presentibus (der
von Bischof Witego I. und dem Domkapitel von Naumburg
untersiegelten Urkunde für das Kloster Cronschwitz) duximus
appendendum\). Allein die früheste Notiz über ihn geht
noch einige Jahre zurück: er bezeugt 1339 eine Urkunde
für das Altenburger Bergerkloster -j. Wenn es nun so
scheinen will, als habe er bereits im Jahre 1353 einen Nach-
folger namens Johannes erhalten, so spricht dagegen, dafs
er noch im Jahre 1355 auftritt, wo er dem Bergerkloster das
Investiturrecht für Kriebitsch einräumt, also seines Amtes
ruhig weiter gewaltet hat^}. Jene Annahme entstand durch
einen blofsen Irrtum. Es handelte sich nämlich um eine
Klosterintrigue, bei der die Besetzung der Werdauer Pfarr-
stelle eine Rolle spielte: hierbei war eine illegitime Prä-
sentation an Dietrich von Gattersleben ergangen, auf die hin
er die Einsetzung (institutio) des betreffenden — es war ein
Regularkanoniker Johannes vom Bergerkloster — zum Pfarrer
vornahm. Nachdem sich das Widerrechtliche der ganzen
Sache herausgestellt hatte, mufste er natürlich die Präsentation
kassieren und seine Investitur annullieren: solches geschah
am 4. September 1352, und zwar unter Hinzuziehung u. a.
des Pfarrers Johannes von Meerane, den Dietrich noster
decanus nennt, als Zeugen*). Dieser aber, Dietrichs Stell-
vertreter, wiederholte am 15. Februar 1353 die Nichtig-
keitserklärung seines Vorgesetzten. Das sie enthaltende
Dokument liegt nicht mehr im Originale vor, ist vielmehr
in eine Urkunde Bischof Rudolfs von Naumburg inseriert,
die auch nur noch abschriftlich vorhanden ist; danach
würde sich jener Johann selber als ,, Dekan und Archidiakon
des Pleifsenlandes bezeichnen", während es doch nach Ana-
logie der Urkunde vom 4. September 1352 heifsen mufs:
„Dechant des Archidiakons d. Pl."^). Die jüngste Nachricht
über Dietrich von Gattersleben rührt vom Januar 1359 her,
1) Schmidt I, 4265. Nr. 846.
2) Wagner, Collect. VI, 356.
3) Ebenda XIII, 47; XV, 385.
*) Schmidt I, 484. Nr. 932.
») Ebenda I, 486. Nr. 938.
Der Pleifsensprengel. 2ee
wo er als Schiedsrichter vom Bischof in einer Zwickauer
Sache bestellt wird^).
Zwischen Heinrich Schenk von Nebra und Dietrich
von Gattersleben können wir einen dominus Thileco, archi-
dyaconus terre Plisnensis, einfügen, der als Zeuge am
i6. Oktober 1336 neben einer ganzen Reihe von naum-
burgischen Domherren und Vikaren erscheint. Er wird am
14. April 1328 als Tiliko de Delcz, vicarius ecclesie Num-
burgensis, aufgeführt. Er mag zwischen 1330 und 1336
sein Amt angetreten haben und füllt wohl die Lücke zwischen
den beiden oben berührten Archidiakonen aus^).
Es dauert eine geraume Zeit, ehe wir wieder auf einen
,,Archidiakon an der Plizzen" stofsen, nämlich im Februar
1387 auf Heinrich von Halle, dessen in einem Vertrage
Bischof Christians von Naumburg mit der Markgräfin-Witwe
Katharina von Meifsen gedacht wird, wobei seine Funktionen
in der Stadt Altenburg eine Regelung finden. So sollte er
sich nur auf geistliche Angelegenheiten beschränken und
nicht in weltliche Händel einmischen; ,,dy voite czu Aldin-
burg sullen den Archidiakene genant in keynen fordern
haben", heisst es, d. i. das städtische Rügegericht, das Vogt-
ding, wobei auch kirchliche Angelegenheiten zur Sprache
kamen, besafs am Archidiakonus keine höhere Instanz'*). Ein
Präsentationsschreiben an diesen Heinrich von Halle, welches
der Cronschwdtzer Konvent wegen Besetzung der Langen-
reinsdorfer Pfarrstelle unterm 29. August 1389 abgehen liefs,
haben wir bereits in seinem vollen Umfange wiedergegeben.
Mehr verlautet bis jetzt nicht über ihn und seine Amtszeit,
Aus dem Erlasse des Papstes Martin V. (s. o.) geht
hervor, dafs vor der dauernden Verbindung des Pleifsner
Archidiakonates mit dem Naumburger Domkantorate (1418)
auf die Stelle kraft Erlaubnis und Dispensation des römischen
Stuhls der Titularbischof Angelus von Peneste gesetzt
worden war, so dafs der letzte Inhaber des Amtes gar nicht
zu den Naumburger Kapitularen zählte, wie es sonst rechtens
gewesen wäre*). Das Jahr, wann Angelus mit Ausschaltung
1) Wagner, Collect. XXVIII, .1, 59.
'^) Kehr, Urkundenbuch des Hochstiftes Merseburg I, 667, 776.
Nr. 812, 917. Eine Handschrift bezeichnet ihn schon 1328 als
canoni cus.
ä) Hörn, Friedrich der Streitbare S. 395, 676.
*) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. O.sterl. X,
466: (archidiaconatus Plisnen.sis), quem ex concessione et dis-
pensatione sedis apostolicae obtinebat. — neque archidiaconus
256
Leo Bönhoff:
des bischöflich naumburgischen Kollaturrechtes die Ver-
waltung des Pleifsensprengels übernahm, auf die er in die
Hände Papst Martins V. Verzicht leistete, ist unbekannt;
wahrscheinlich aber hat dessen Vorgänger, Johann XXIII.
(1410 — 1415), über den Pleifsnischen Archidiakonat frei ver-
fügt. Als nun durch die Resiofnation des Bischofs Ang^elus
diese Prälatur vakant war, richtete der damalige Naumburger
Domkantor eine Petition an den römischen Stuhl, dem die
Besetzung aufs neue zukam, des Inhalts, dafs seine Pfründe
durch ihre Emolumente mittels Einverleibung- der letzteren
aufgebessert werden möge. Dieser Bitte entsprach der Papst,
und der erste derjenigen Naumburger Kanoniker, die, mit
der Würde des Kantors bekleidet , auch ohne weiteres an
die Spitze der Pleifsnischen Kirchenprovinz traten, hiefs
Heinrich von Cossitz (Kossiez). Wir wissen leider nichts
über ihn und das Ende seiner Wirksamkeit, so dafs eine
grofse Lücke bis zum Jahre 1480 entsteht, deren Ausfüllung
der Zukunft überlassen bleiben mufs.
Im genannten Jahre geriet nämlich Nikolaus von Erd-
mannsdorf (Ertmarsdorff), cantor et canonicus Num-
burgensis et terre Plisnensis archidiaconus, mit dem
exemten St. Georgenstifte zu Altenburg in Sachen geistlicher
Gerichtsbarkeit in einen scharfen Streit, besonders weil er
einen Kaplan desselben wegen eines fleischlichen Vergehens
vor sein Gericht geladen hatte ^).
Der letzte endlich in der Reihe derer, die den Titel eines
,, Archidiaconus an der Plyssen" geführt haben"), ist Dr. Vin-
cenz von Schleinitz, Kanonikus zu Merseburg und Naum-
burg (Dechant und Kantor), der 1485 in Leipzig studiert hatte
und als Bischof von Merseburg 1526 — 1535 regierte. Auch er
sah sich mit dem ebenerwähnten Stifte wegen der Jurisdiktion
über dessen Untertanen im Jahre 1500 in einen gröfseren
Konflikt verwickelt, den der Kurfürst von Sachsen als Schutz-
vogt im folgenden Jahre beilegte. Der Pleifsner Archidiakonus
sollte danach nur diejenigen vor sein Gericht ziehen, deren
Zinsen an das Stift unter einem Werte von 20 Groschen
ständen, während es im übrigen bei seiner Freiheit von jeder
anderen geistlichen Gerichtsbarkeit als der des eigenen Propstes
zu bewenden hätte'^) Wann Schleinitz sein Amt als Archi-
Plisnensis pro tempore existens st all um in choro aut locum in
capitulo ipsius ecclesiae habeat ratione archidiaconatus antedicti.
J) Wagner, Collect. XIV, 2341".
2) Ebenda VIII, 198.
3) Ebenda XIV, 24.
Der Pleilsensprengel. 2 57
diakonus niedergelegt hat, entzieht sich unserer Kenntnis,
doch war es vor dem Jahre 1516 der Fall, wo er selber den
neuausgebrochenen Streit zwischen dem Naumburger Hoch-
stifte und dem Altenburger St. Georgenstifte um die Juris-
diktion als Schiedsmann vergleichen half. Seitdem verlautet
absolut nichts mehr von einem den Pleifsensprengel ver-
waltenden Prälaten; das Amt^j ist zur Sinekure herab-
gesunken und wie scheint, spurlos erloschen, da es zwei
Konkurrenten hatte: der eine war der bischöfliche Offizial
zu Zeitz, der andere der Dechant zu Altenburg (s. u.).
Fassen wir unsere Darlegungen, die wir bisher gaben,
übersichtlich zusammen, so ergibt sich diese Reihenfolge:
1. vor 1138 bis vor 1140 Witrad, Dechant in Zeitz;
2. um II 40 Heinrich, Scholaster von Naumburg;
3. (1204) 1205 — 1215 Gerlach von Heldrungen, Domherr
von Naumburg (seit 1196);
4. (1267) 1275 — 1296 Graf Hermann von Neuenburg;
5. (1305) i3o6(ff.) Hermann von Heseler;
6. nach 1311— 1322 Otto von Colditz;
7. (1327) 1329! Heinrich Schenk von Nebra;
8. 1336 Thilo von Delitz (?);
9- 1339 — 1359 Dietrich von Gattersleben;
10. 1387 -1389 Heinrich von Halle;
11. (14 10) — 1417 Angelus, Titularbischof von Peneste;
12. I4i8ff. Heinrich von Cossitz, > Kantoren
13. 1480 Nikolaus von Erdmannsdorf, | des Hochstiftes
14. 1500 ff. Dr. Vincenz von Schleinitz, j Naumburg.
Es möge noch ein kurzes Wort über die Rechte und
die Bezüge eines Pleifsner Archidiakonus gesagt sein! Die
ersteren lassen sich etwa folgendermafsen aufzählen:
a) Visitation der Pfarreien des Sprengeis, sow^eit sie
nicht exemt waren, und ihrer Gemeinden;
b) Beaufsichtigung der Klöster und Ordensnieder-
lassungen -j, die nicht von der archidiakonalen Jurisdiktion
') Seine Einkünfte bestanden fort. Denn der Pfarrer von
Schmölln gibt u. a. in seinem Anschlage vom Jahre 1522 an: 4 Gr.
dem Archidiakon d.i. des Pleifsnerlandes (llöbell, 31).
^) Im Bereiche des Pleifsensprengels bestanden ihrer folgende
(abgesehen von der Bosauer Propstei in Zwickau, die sich 121 2
autlöste, und dem Eisenberger Nonnenkloster, das 121 2— 12 19 in
derselben Stadt hauste):
I. Zwickau: *Franziskaner (um 1231); Gründer: der Patrizier
Konrad Egerer und seine Sippe;
II. Crimmitschau: a) Augustiner Chorherren (1222); Gr.:
Heinrich (Edler) von Crimmitschau.— b) ♦Karthäuser (1478 nach
2c8 Leo Bönhoff:
befreit waren (von den in der vorigen Anmerkung aufgezählten
zehn geistHchen Instituten war die Hälfte exemt: I; IIb;
Va, b und d);
c) Handhabung der Sittenpolizei;
d) Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit;
e) Behandlung der Ehesachen;
f) Annahme der Präsentationen;
g) Schlichtung von Patronatsstreitigkeiten ;
h) Prüfung der Ordinanden;
i) Investitur der Pfarrer und Altaristen;
k) Besetzung der geistlichen Stellen bei Versäumnis der
Präsentationsfrist ^) ;
1) Abhaltung von Synoden;
m) Bestätigung der Testamente der untergebenen Geist-
lichen.
Die Einkünfte, die er für diese Bemühungen bezog, be-
liefen sich im Jahre 1418 nach der Angabe des Domkantors
Heinrich von Cossitz in seiner erwähnten Bittschrift an den
Papst Martin V. auf 5 Mark Silber jährlich'-). Wir lernen
sowohl ihre Quellen als auch einzelne Posten, aus denen
sie sich zusammensetzten, kennen. Zu jenen gehören:
a) Freie Zehrung (procuratio) bei Visitationen;
b) Gerichtssporteln (jura archidiaconaliaj;
c) Abgaben der Neuinvestierten;
d) Jährlicher Synodalschilling (synodalia);
Auf hebung des Chorherrnstiftes) ; Gr.: Kurfürstin -Witwe Margarethe
von Sachsen und Hans Federangel, Pfandherr des Amtes Crimmitschau.
III. Grünberg- Frankenhausen: Cisterzienserinnen (vor
1271, nach dem zweiten Orte verlegt vor 1296); Gr.: Burggraf
Erkenbert IL von Starkenberg.
IV. Remse (genannt Molda): Benediktinerinnen (zwischen
1143 — ii6i);Gr.: Abt und Konvent von Bürgel.
V. Altenburg: a) *St. Georgenstift (1413); Gr.: Markgrat
Wilhelm IL von Meifsen. — b) *Deutschorcienshaus (1214 mit
dem Marienhospitale [i 181 von Kaiser Friedrich I. ins Leben gerufen]
vereinigt; Gr.: Kaiser Friedrich IL — c) Augustiner Chorherren
(Bergerkloster) (1172); Gr.: Kaiser Friedrich I. — d) *Franzis-
kaner (bereits vor 1239). — s) Reuerinnen (zwischen 1271 — 1280).
— NB. Das Sternchen (*) deutet auf Exemtion.
^) Der Archidiakonus besetzte auch die Erzpriesterstühle, wenn
die Geistlichen der Landkapitel, die das Recht hatten, einen aus
ihrer Mitte als Dechanten zu präsentieren, den Termin verjiafsten.
2) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. X,
467: ...... archidiaconatum praedictum, cuius quinque
marcharum argenti fructus, reditus et proventus secundum
communem aestimationem valorem annuum, ut idem .... cantor
asserit, non excedunt.
Der Pleifsensprengel. 2^g
e) Pensionen von inkorporierten Pfarreien*);
f) Anteil am Nachlasse der untergebenen Geistlichen.
Einzelne Posten erfahren wir inbetreff des allemal zu
Michaelis fälligen census synodalis (synodaticum); so ent-
richteten die Pfarrer zu Kriebitsch und zu Mehna je 8 breite
Groschen, der zu Schmölln nur die Hälfte, da er bereits
4 Groschen dem Archidiakon zahlte').
Der Pleifsner Archidiakonus hatte, schon weil er Naum-
burger Domherr war, seinen Sitz in einer der beiden Stifts-
städte. Denn bei Heinrich von Halle hiefs es in dem oben
berührten Vertrage vom 8. Februar 1387: ,,Er sal ouch die
von Aldenburg gein Czicze mit ladin lafsin", und Nikolaus
von Erdmannsdorf hatte jenen Kaplan des St, Georgenstiftes
vor sein Gericht nach Naumburg zitiert. Allein jene
Residenzpflicht, die einen Kapitular an den Ort des Stiftes
band, weil Verletzungen derselben pekuniäre Nachteile im
Gefolge hatten, behinderte gerade den Träger des Archi-
diakonalamtes an der Erfüllung seiner Obliegenheiten und
nötigte ihn, sich nach einem Stellvertreter (Statthalter^), ja
nach mehreren*) umzusehen. Denn aus der kommissarischen
Betrauung mit einzelnen Geschäften ward schliefslich eine
ständige Unterstützung und Vertretung, die den Erz-
priestern oder Dechanten oblag. Eine solche ward um
so dringlicher, als die anfangs so umfangreichen und aus-
gedehnten Kirchspiele wie z. B. Monstab, Altenkirchen oder
Zwickau in kleinere zerlegt wurden, ihre Zahl also immer
mehr zunahm; dazu kam auch die weite Entfernung so
mancher Pfarrorte vom Archidiakonalsitze, wenn man nur
z. B. an Bärenwalde, Hirschfeld oder Kirchberg denkt. Wie
ist nun im Pleifsensprengel diese Einrichtung getroff"en
worden? Hat man ihn auch in mehrere Dekanate zerlegt?
Wenn wir dieser schwierigen Frage näher treten, wollen
wir von vornherein berücksichtigen, dafs die Kirchenprovinz
^) Eine solche bezog er z. B. von Langenbernsdorf; dessen
Parochie dem Kloster Cronschwitz einverleibt war. (Tittmann,
Heinrich d. Erl. I, 287.)
2) Wagner, Collect. XIII, 47; XV, 585. Löbel, 333; II, 31.
^) Mitteil. d. Gesch. u. Altertumsforsch. Gesellsch. d.Osterl.I, 117.
*) So hatten die Kollegen des Pleifsner Archidiakonus 3 — 6 Ver-
treter: Der Naumburger Dompropst zu Schkölen, zu Zorbau
(oder Görschen) und zu Lobeda (Böttger IV, 296 Anm. 537);
der Zeitzer Stiftspropst zu Zeitz (St. Nikolai), zu Profen (oder
Auligk?), zu Gera, zu Schi ei z, zu Weida und zu Greiz (s.o.);
der Archidiakonus trans Muldam zu Glauchau (oder Lichtenstein),
zu Hartenstein und zu Löfsnitz (diese Zeitschrift XXIV, sgf.).
260 Leo Bönhoff:
einen älteren Bestandteil, den Pleifsengau, dessen waldige
Südostecke an Meilsen abkam, und einen jüngeren, den
Westteil des Zwickauofaues, umfafste. Es wird uns von
Vorteil für die kommenden Feststellungren sein.
Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts etwa ist von einem
decanus terre Plisnensis die Rede. Er spielte eine ziemlich
selbständige Rolle besonders in der Stadt Altenburg, wo-
selbst seine Amtswohnung, die ,,Dechanei", sich bei der
Nikolaikirche befand. So kam es dazu, dafs er ungefähr
seit der Mitte des 15. Jahrhunderts einfach den Titel ,,Dechant
zu Altenburg" führte. Im Laufe der Zeiten schob er
seinen Vorgesetzten beiseite, so dafs derselbe wohl nur als
eine höhere Instanz für besondere Fälle in Betracht kam.
Es ist am besten, wenn wir eine Liste derer, die dieses
Amt bekleidet haben, zusammenstellen, wobei wir vor allem
das Pfarramt beachten wollen, das der jeweilige Dechant
inne hatte. Nach Lobes Ermittelungen (I, 29 Anm. **) ergäben
sich folgende Namen für unsere Liste:
1. Beringer, Pfarrer zu Jerisau (Geres), tunc (1268
[1258J) pro tempore Plisnensis terre decanus 'j.
2. Heinrich, decanus, Pfarrer von Rasephas
I.Januar 1295").
3. Johannes, aus Altenburg gebürtig, Pfarrer von
Meerane (plebanus in Mari), nur als solcher in den Jahren
1336, 1339, 1341 und 1344-^), zum ersten Male*) 1349 bei
einem Tausche zwischen Kloster Frankenhausen und dem
Pfarrer zu Ponitz Techant vnd pharrer zcum Mer, in dieser
Eigenschaft fernerhin in den Jahren 1350 — 1353. Denn
Dietrich von Gattersleben nannte ihn 1352 noster decanus,
er selber sich 1353 decanus archidiaconi terre Plisnensis (s. o.'^).
4. Dietrich von der Gabelentz, Pfarrer von Ober-
lödla in den Jahren I397f. Er hatte dem Kloster Remse
einen Beschlufs des Bischofs von Naumburg zu eröffnen.
Wahrscheinlich war damals das Amt eines Pleifsner Archi-
1) Wagner, Coli. X, 409.
-) Schmidt I, 141. Nr. 295.
*) Ebenda I, 375, 407. Nr. 763, 821. Wagner, Coli. VII, 376.
Lobe II, 87.
^) Schöttgen u. Kreysig II, 514.
■^) Trat er dann in den Dominikanerorden ein, so dafs er eine
und dieselbe Person wäre mit frater Johannes de Mari, Kaplan des
Klosters Cronschwitz (.1355), Pfarrer an St. Peter zu Weida (1363,1,
vom dortigen Dominikanerinnenkloster bestellt, und einer von dessen
Beichtigem (13 72)? (Schmidtl, 496. Nr. 953; II, 94, 168. Nr. 114. 203.)
Der Pleifsensprengel. 261
diakonus, dem dieser Konvent unterstand (s. o.), gerade
vakant*).
5. FalkovonGladis, Kaplan des Landgrafen Wilhelm II.
zu Altenburg, der erste Propst des von diesem begründeten
St. Georgenstiftes (141 3), als Techant zu Aldinburg der
Pleifsen 141 1 fungierend. Er traf einen Entscheid wegen
einer weltlichen Abgabe (Altenburger Burgschofs) von Unter-
tanen der — von der Archidiakonalgewalt nicht exemten —
Klöster Frankenhausen und U. L. Fr. auf dem Berge zu
Altenburg-).
6. Heinrich von Ende, am 26. November 1414 als
Dekan des Pleifsenlandes und ordentlicher Richter (judex
Ordinarius) dieses Dekanates in einer Leipziger Urkunde vor-
kommend ■').
7. Heinrich Engelkreis 1441 — 1446, im letzteren
Jahre laut einer Altenburger Stadtrechnung „der alte
Techand", während
8. Niklas Zimmermann, sein Nachfolger, 1447 als
,,der neue Dechant" bezeichnet wird.
9. Georg Milat alias Scharffenstein 1459 ,,die Zeit
ein Dechant zu Altenburg".
IG. Johann vom Berg 1464.
11. Georg Kypperling 1476.
12. Kilian Johannis von Liechtenfels 1480 — 1488.
Vor ihn als seinen Stellvertreter hatte Nikolaus von Erd-
mannsdorf den unzüchtigen Kaplan Gregor Schurzauf (s. o.)
zitiert, und so nennt ihn die betreffende Urkunde vom Jahre
1480 Nicolai de Ertmarsdorff in hac parte, in Aldenburg
decanum, eins officialem,
13. Dionysius Hoff oder Happe I499f. Er wird als
der ,,Laiendechant des Archidiakonus zu Altenburg" in der
Klagschrift des St. Georgenstiftes angeführt.
14. Sigismund Meyhner 1504.
15. Casi)ar Tham 1504^ Er heifst einmal ,,pleifs-
nischer Erden zu Altenburg Techant".
16. Mag. Johann Schollis 1518. NB. Im Jahre 1514
war grade die Stelle eines Pleifsner Dechanten unbesetzt
gewesen, so dafs das St. Georgenstift ihm nicht den neu-
') Kreysig, Beiträge usw. II, 166. Mitteil. d. Gesch. u. Alter-
tumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. VI, 534.
2) Schöttgen u. Kreysig II, 519.
*) Mitteil. cf. Ver. f. Chemnitzer Gesch. IV, 156. Anm. 7 (S. 222).
Seltsamerweise wird er hier den Pleifsnischen Landrichtern
zugezählt.
202 Leo Bönhoff:
gewählten Pfarrer von Bornshain präsentieren konnte,
sondern diesen kirchlichen Rechtsakt bei dem bischöflichen
Offizial in Zeitz — warum nicht beim Naumburger Dom-
kantor als dem Pleifsner Archidiakonus? ') — bewirkte.
17. Mag. Thomas Appel 1520-).
Vergleichen wir die zerstreuten Notizen miteinander, so
fällt es schwer, bei diesem Dechanten, der allerdings eine
bevorzugte Stellung einnahm, einen grofsen Unterschied
zwischen ihm und seinen Archidiakonus zu entdecken. Er
führt die Angelegenheiten von Klöstern des Sprengeis
(Bergerkloster, Frankenhausen und Remse), er bannt Alten-
burger Bürger und „arme Leute" des St. Georgenstiftes, er
begleicht Eheirrungen vor dem Stadtrate zu Altenburg, er
nimmt Präsentationen an, er ,,hat dy Investitur", wie der
Pfarrer von Bocka 1533 vor den kurfürstlichen Visitatoren
angab ^), und bezog exuviales, d. i. Entschädigungen für den
Verzicht auf das Spolienrecht (jus spolii s. exuviarum), d. i.
die Befugnis, Ansprüche an den beweglichen Nachlafs eines
Geistlichen zu erheben. Die letzteren führen die Pfarrer von
Cosma (1503: 10 Gr. dem Dechante zu Altenburg exuviales),
von Ehrenhain (1522: IV groschen jehrlich dem Dechant zu
Aldenburg) und von Mehna (1522: 13 gr, exuviales dem
Dechant zu Altenburg) in den Anschlägen ihrer Einkünfte
und Abgaben auf*). Und wird nicht in einem Vertrage (s. o.)
aus dem Jahre 1387 für Altenburg bestimmt: ,,Der Techand
czu Aldenburg sal daz (geistlichin) richtin. Der seend
(synodus) sal ouch czu Aldinburg gesefsin werden." Also
auch den Vorsitz der Altenburger Spezialsynode übernahm
der Dechant, weil er eben in der Hauptstadt des Pleifsen-
landes residierte^), und eine Verhandlung mit ihm sowohl
für die dortigen Bürger als auch für die benachbarten Stadt -
und Landgeistlichen bedeutend einfacher, bequemer und weniger
kostspielig war, als wenn man nach der entfernten Stifts-
stadt reisen mufste.
^) Mitteil. d. Gesch. d. Altertumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. III,
337. Bornshain war exemt!
'-) Für Nr. 7 — 17: vgl. Lobe I, 29**. Mitteil. d. Gesch. u. Alter-
tumsforsch. Gesellsch. d. Osterl. VII, 519, 522; X, 470 ff.
*) Lobe I, 613.
*) Ebenda I, 190, 209, 335.
^) Auswärtige Pfarrer, welche dieses Amt verwalteten, liefsen
sich wohl von \'ikaren daheim vertreten, wenn sie nicht imstande
waren, von Altenl^urg aus ihre Pfarrgeschäfte zu betreiben, was bei
Oberlödla und Rasephas möglich war, da jenes "'4, dieses nur eine
kleine '/., Stunde von der Stadt entfernt liegt.
Der Pleifsensprengel. 263
Die heikelste Frage aber bleibt jedenfalls diejenige nach
dem Umfange seines Bezirkes. Einen Fingerzeig gibt uns
ja die Bezeichnung decanus terre Plisnensis, wonach sich
also seine Amtsbefugnis über das ganze Pleifsenland inner-
halb der Naumburofer Diözese erstrecken würde. Wie weit
reicht nun dasselbe nach Süden? Verschiedene Angaben
erleichtern uns in glücklichster Weise die Beantwortung.
Erstens: zwei Pleifsner Dechanten sind Pfarrer von Jerisau
und Meerane; sodann: der Dechant kam in amtliche Be-
rührung mit den Nonnenklöstern Remse und Frankenhausen;
endlich: er fungiert bei einer Besetzungswidrigkeit der
Pfarrei Werdau als Beauftragter des Archidiakonus. Diese
Momente zusammengenommen machen es zur Gewifsheit,
dafs an der Südgrenze des Dekanates die Parochien Werdau
(mit Steinpleis), Meerane (mit Dennheritz) und Jerisau (mit
Reinholdshain) lagen. Ziehen wir zwischen ihnen Ver-
bindungslinien, so kommen noch Gesau, (Niederschindmaas),
Lauenhain, Lauterbach und Langenhessen (mit Königswalde)
hinzu. Die Westgrenze des Pleifsensprengels bis südlich
von Werdau, seine Ostgrenze bis südlich bei Remse und
seine ganze Nordgrenze bezirken demnach im Verein mit
dieser Südo-renze das Dekanat des Pleifsenlandes oder zu
Altenburg nach allen Himmelsrichtungen ab, mit anderen
W^orten: der Pleifsner Dechant war Vizearchidiakon in
dem alten Pleifsengau mit Ausschlufs seiner Südost-
ecke jenseits der Mulde. So bleiben demnach nur jene
bereits früher namentlich aufgeführten 18 Kirchspiele übrig, die
teils im Muldentale um Zwickau herum, teils bei Kirchberg
(westlich und südlich) gelegen sind, d. h. die Westhälfte des
ehemaligen Zwickauer Gaupfarrsprengels. Auch sie müssen der
Lage der Dinge nach einen kirchlichen Verwaltungsmittelpunkt
besessen haben. Denn für sie war die Stiftsstadt, wo ihr
Archidiakonus residierte, noch weiter als für die Altenburger
und Crimmitschau -Werdauer Pflege entlegen, für sie wäre
auch die Substitution des Pleifsner Dechanten noch reichlich
unbequem gewesen. Was liegt daher näher, als in Zwickau,
dem alten parochialen Mittelpunkte des ganzen Gaues, den
Verwaltungssitz (sedes) eines archidiakonalen Stellvertreters
für seinen westlichen Teil zu erblicken? Hören wir schon
wenig über die Beziehungen des Pleifsnischen Archidiakonus
zu dieser Gegend (Zwickau und Kirchberg^), so verschwindend
*) Herzog II, 61. Anm. * (Unter der Amtsführung des Archi-
diakonus Heinrich Schenken von Nebra war Heinrich Wegehaupt
264 Leo Bönhoff:
ist die Spur, welche auf seinen Stellvertreter hinweist.
Negativ setzen einen solchen ohne Zweifel die oben
zitierten Worte Nicolai de E. in hac parte, in Aldenburg
decanum voraus. Es mufste noch einen decanum in alia
parte, i. e. in Zwickowe geben! Wir lesen ja auch in einer
Urkunde Bischof Heinrichs I. von Naumburg betreffs des
Marien -Magdalenenaltars in der Katharinenkirche zu Zwickau
vom 16. August 1332 die Bestimmung: Presbiter, qui ad
altare predictum (sei es vom Eisenberger Propste, sei es
vom Zwickauer Rate) fuerit presentatus, a plebano Zwicka-
viensi vel perpetuo vicario ibidem investihiraj/i suam
recipiet^). Hieraus erhellt, dafs der Pfarrer von Zwickau
oder sein Vikar fast dieselbe Stellung für die Stadt und ihre
Umorebun": einofenommen haben wie der Dechant zu Alten-
burp": sie vertraten den Pleifsnischen Archidiakonus. Damit
hing wohl auch der Umstand zusammen, dafs bei der Ein-
führnnor der Reformation in den beiden Städten Altenburg
und Zwickau landesfürstliche Superintendenten bestellt
wurden. Das führt uns zum letzten Punkte unserer Dar-
legungen.
5. Die Auflösung.
Wollen wir die Auflösung des Pleifsensprengels in der
Reformationszeit verstehen, so dürfen wir dabei ein Moment
nicht übersehen: die Anpassung kirchlicher Grenzen an
jeweilige politische, wie sie grade bei Begründung eines
geistlichen Verwaltungsbezirkes zu Recht bestanden. Als
der Pleifsensprengel ins Leben trat, war er durchaus mit
dem Gaue Plisni, wie wir sahen, identisch. Im Norden und
Osten desselben dehnte sich der Gau Chutizi aus, dessen
westlicher Teil dem Bistume Merseburg mit Ausnahme der
Jahre 981 — 1004 zugeteilt blieb, während sich westwärts an
ihn die Gaue Puonzowa und Geraha anschlössen, die
kirchlich der geistlichen Aufsicht des Zeitzer Stiftspropstes
untergeben waren. Der Süden des letztgenannten Gaues
war dichtbewaldet gewesen; ein Zeugnis dafür sind noch die
grofsen Reviere westlich von Werdau, nördlich und östlich
um Gera herum und das sogenannte Pöllwitzer südlich von
als vicarius perpetuus parochie zu Zwickau im April 1330 bestellt
worden.) Ebenda S. 878: per archidiaconum loci de accessu altaris
fuerunt canonice investiti. (Es handelt sich um die Zwickauer
Hospitalpfarrer.) Ledebur a. a. O. S. 348, 351.
') Herzoa: II, 880.
Der Pleifsensprengel. 265
Hohenleuben. Weiterhin berührte sich der PHsnigau im
Süden mit dem Gau Zwickowe, der kirchhch als eine
Dependenz des Klosters Bosau bis zum Jahre 12 12 erscheint.
Grofse Waldungen schieden auch ihn im Süden von dem
Gaue Dobena im Nordosten, während ihn nach Westen zu
die provincia que Milin dicitur cum Richenbach, wie sie
Kaiser Friedrich II. im Jahre 12 13 bei ihrer Verschenkung
an König Ottokar II. von Böhmen nennt '), im Verein mit
der Umgebung von Schönfels und Neumark abschlofs. Beide
aber gehörten samt dem Gaue Dobena dem Zeitzer Propstei-
sprengel an. Als im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts der
alte Zwickaugau zwischen den Archidiakonaten an der
Pleifse und jenseits der Mulde aufgeteilt ward, wirkten
natürUch andere inzwischen neu aufgekommene politische
Grenzen bestimmend auf die Festsetzung der ScheideHnie
zwischen beiden Kirchenprovinzen.
So kam es denn, dafs im Westteile des aufgeteilten
Gaues, im Dekanate Zwickau, wenn wir so sagen dürfen,
enthalten waren: die Herrschaft Wiesenburg mit der
Lehnsherrlichkeit über Planitz-) und das Amt Zwickau^)
mit Grünhainer Klosterdörfern (Crossen, Bockwa, Ober-
hohndorf und Schedewitz^) und Orten, welche an die Herren
von Schönburg verlehnt waren (Weifsenborn, Nieder-
holmdorf, Helmsdorf und Niedermosel •^). An sie stiefsen im
Osten (und lagen daher im Muldensprengel): die Schön-
') Mitteil. d. Altertumsver. zu Plauen i.V. Jahresschrift 1875 — 1880.
Urk. Nr. V.
-) Bei der Erbteilung der Reufsen von Plauen, die am 12. Juni
1359 stattfand, fielen Wisenberg und Kirchberg daz stetchin und
allez, das darczu gehöret, Heinrich III., Herrn zu Greiz, die lehen
über Pleuwenicz Heinrich IV. und V., Herren von Ronneburg, anheim.
(Schmidt 11,44. Nr. 54.) Diese starben um 1370 und im Jahre 1398
erblos, jenes Söhne entäufserten sich des Besitzes durch Kauf (1394);
so wurden die Wettiner direkte Lehnsherren derer von der Planitz,
die sie auch mit Wiesenburg beheben, von dessen Zuljehörungen
verschiedene mit dem Amte Zwickau vereinigt wurden.
*) Zwickau, schon einmal den Wettinern 1 143 — 1290 gehörig,
war 1308 bez. 1349 wieder an .sie zurückgekomm.en. (Herzog II,
19—49.)
*) Herzog II, 30, 32, 34!., 5^, 74-
■^) Herzog II, 57, 67, 849. So konnte es 1533 (Mitteil. d. Alter-
tumsver. f. Zwickau u. Umg. VII, 38, 116) heifsen: Dan wo die (ganze)
pfarr Mosel wider zusammen komj^t. Die Pfarrei war eben in poH-
tischer Beziehung gemischt; die Lehen waren teils sächsisch, teils
böhmisch wie Öberrothenbach, Obermosel und das Fihal Nieder-
schindmaas.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. ?. 4. l8
2 66 Leo Bönhoff:
burgischen Besitzungen (Auerbach, Schneppendorf, Herrschaft
Lichtenstein ^), die Grafschaft Hartenstein mit der Herrschaft
Wildenfels und Liegenschalten des Klosters Grünhain, die
Ortschaften um den noch nicht fündig gewordenen Schnee-
berg und die Herrschaft Schwarzenberg. Umgekehrt lehnten
sich im Westen an die Herrschaft Wiesenburg und das
Amt Zwickau an (und vmterstanden deswegen dem Zeitzer
Stiftspropste als Archidiakonus): die Herrschaften Auer-
bach, Reichenbach (mit dem Besitze des Deutschordens-
hauses), Schönfels und Greiz. Im Gebiete des alten Pleifsen-
gaues aber waren folgende Territorien, wenn wir von der ans
Bistum Meifsen gefallenen Südostecke absehen, entstanden: die
Herrschaften Werdau-), Crimmitschau'^), Meerane*), (Poster-)
Stein'''), Schmölln*') sowie anteilig Waidenburg'), Wolken-
') Herzoa; 11,8931,901. Zur Herrschaft Lichtenstein rechnete
man u. a. Stangendorf, Thurm und Hülsen St. Michael. (Diese
Zeitschrift XXIV, 63. Anm. 78.)
'-j Werdau tiel 1398 nach Heinrichs Reufs V. Tod an dieWettiner.
(Schmidt II, 44, 328. Nr. 54, 391.)
^) Schönb. Geschichtsbl. III, i, 157—173. Die Herrschaft Crim-
mitschau zog Landgraf Wilhelm IL als ein offenes Meifsner Lehn
im Jalure 1413 nach dem Erlöschen der Crimmitschauer Linie des
Hauses Schönburg ein.
■*) Meerane zählte zu den böhmischen Lehen der Schönburger.
Der nachweislich erste Revers derselben darüber, für Kaiser Karl IV.
ausgestellt, ist aus dem Jahre 1361 datiert.
■'") Der Stein, den ihr Vater, Vogt Heinricli Reufs II. von Plauen,
im Jahre 1329 der Krone von Böhmen zu Lehn aufgetragen hatte,
übernahmen seine beiden jüngeren Söhne; nach ihrem erblosen Tode
ging dieses böhmische Lehn an die Nachkommen seines ältesten
Sohnes, Heinrichs Reufs III., des Begründers der Greizer Linie, über.
Die in der Nähe liegenden ,,lehen über Lom, Nobdicz, Selkow, Lubi-
chow, Folmarshain undNitentsch"(Lohma,Nöbdenitz, Selka, Löbichau,
Vollmershain, Nödenitsch, westlich und südwestlich von Schmölln)
aber, welche ebenfalls die beiden Jüngeren erbten, kamen 1398
an die Wettiner, welche sie mit dem neuen Amte Ronneburg ver-
schmolzen.
") Schmölln, ein Lehn des Hochstiftes Naumburg, was es bis
ans Ende des 14. Jahrhunderts blieb, war bereits im 12. Jahrhundert
in den Händen der Wettiner bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts
gewesen. Dann waren an ihre Stelle die Reufsen von Plauen ge-
treten, die es bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts behielten. Nach-
dem nämlich die Herzogin- Witwe Salome von Auschwitz (Oswieczym)
wie ihre zwei jüngeren Brüder verstorben war, brachten es die
Wettiner durch Kauf vom Naumburger Bischof an sich und machten
es zu einem ihrer Ämter.
'') Waldenburg, ein Reichslehn, von den Herren von Waiden-
burg dem Kaiser Karl IV. als böhmischen Könige übertragen, ging
infolge Erbverbrüderung an das Haus Schönburg um 1378 über.
Der Pleifsensprengel. 267
burg^) und Ronneburg-). Dazu kamen die Gebiete der
Klöster Remse^j und Frankenhausen nebst der stiftisch-
naumburgschen Besitzung zu Regis *). Ferner verdienen
besondere Rücksicht die Schönburgschen Lehnstücke Ponitz'^)
und Ziegelheim''), die burggräflich Leisnigschen, vordem
Altenburgischen ') und Starkenbergschen ^) Güter. Den
Beschlufs macht das Amt Altenburg ^) samt den Dörfern
und Höfen, welche die verschiedenen geistlichen Institute
') Nachdem die Wolkenburger Linie der Herren von Colditz
erloschen war, fiel das Schlots an die Wettiner, die es weiter an die
von Kaufungen und die von Ende verliehen.
'-) Auch diese Herrschaft gedieh 1398 an die Wettiner, weil
die jüngeren Reufsen von Plauen sie als ein erledigtes Lehn hinter-
üefsen. So entstand ein landesfürstliches Amt, das nach Osten hin
durch verschiedene Dörfer und Rittersitze erweitert ward. Im Jahre
15 17 ward das Schlofs und die Stadt, 1527 das ganze Amt an den
Edlen Anarch von W'ildenfels — es war ein Patengeschenk Kurfürst
Friedrichs des Weisen — durch die Ernestiner verliehen und war
zeitweilig wieder (bis 1584) eine Herrschaft.
^) Ein Teil seiner Güter lag in den Schönburgschen Rezefs-
herrschaften, deren Besitzer, Ernst IL, sie mit Beschlag belegte; so
rifs er z. B. das dem Kloster zustehende Kirchlehn von Ziegelheim
einfach an sich.
*) In der Bestätigtmgsurkunde Papst Gregors IX. für das Hoch-
stift Naumburg vom Jahre 1228 erscheint auch u. a. Schlofs und Stadt
Regis mit ihren Zubehörungen (s. o.).
'^) Ponitz wird bereits im Lehnbuche Friedrichs des Strengen
1349 als ein Meifsner Lehen der Schönburger (damals der Herren
von Pürstein) aufgeführt. Ernst II. wollte es freilich als ein böhmisches
Lehn ausgeben, allein der sächsische Kurfürst wahrte sein Recht
und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
^) Auch Ziegelheira findet sich im ebengenannten Lehnbuche
unter den Meifsner Lehen der Schönburger (damals der Herren von
Glauchau) verzeichnet. Zur Reformationszeit stand es unter alber-
tinischer Hoheit.
') Diese Güter gingen durch Gesamtbelehnung auf den Burg-
grafen Otto I. von Leisnig über, der mit der einzigen Tochter des
letzten Burggrafen von Altenburg, Albrechts IV. (f 1329), vermählt
war. Sein Haus ging mit Burggraf Hugo, dem Schwiegervater
Ernsts II. von JSchönburg, (-j- 1538J ein; was von den Gütern bei den
Ernestinern zu Lehn ging, zog Kurfür t Johann Friedrich ein, während
Herzog Georg die unter albertinischer Hoheit befindlichen, wozu
auch die Leimsherrlichkeit über das Schlofs Gnandstein gerechnet
werden mufs (vgl. H StA. Dresden Cop. 1302. fol. 29), infolge dieses
Lehnsfalls übernahm.
'^) Die Burggrafen von Starkenberg erloschen zwischen 1425
bis 1431, so dafs ihr Nachlafs ebenfalls den Wettiner zugute kam,
die ihn weiterverliehen.
'■') Altenburg ging 1349 samt dem Pleifsenlande vom Reiche
definitiv an die Wettiner über, die auch das dortige Burggrafenamt
empfingen.
18*
268 Leo Bönhoff:
als das Deutschordenshaus, das Bergerkloster, das St. Georgen-
stift und das Frauenkloster zu Altenburg oder auswärtige
Konvente wie Bosau, Grünhain, Remse und Frankenhausen
erworben hatten.
Wie die den vorangehenden Zeilen beigefügten An-
merkungen ersehen lassen, waren der ernestinischen Linie
bei der Landesteilung (1485) u. a. zugefallen: die Amter
Altenburg, Schmölln, Ronneburg, Crimmitschau,
Wer da u und Zwickau samt der Herrschaft Wiesenburg.
Was an Kirchspielen in den ersten beiden Ämtern lag, bekam
1528 der Superintendent von Altenburg, das dritte der
von Weida 1529, und im gleichen Jahre das übrige der
von Zwickau zugewiesen. So verteilten sich denn die in
diesen Gebieten des Kurfürstentums Sachsen gelegenen
Pfarreien des einstigen Pleifsensprengels in folgender Weise:
a) Ephorie Weida, seit dem 21. Dezember 1556 Ephorie
Ronneburg: (2)
I. Mannichswalde und 2. Nischwitz: aufser ihnen sind
1881 von der Ephorie Schmölln dazu gekommen: Grofs-
stechau, Nöbdenitz und Reichstädt mit Frankenau.
b) Ephorie Zwickau: (31)
I. Bärenwalde; 2. Bockwa; 3. Crossen; 4. Culitzsch;
5. Hirschfeld; 6. Kirchberg; 7. Marienthal; 8. Mosel^);
9. Obercrinitz; 10. Osterweih, d. i. Zwickau -St. Moritz;
II. Planitz; 12. Stangengrün; 13. Weifsenborn; i4.Wendisch-
Rottmannsdorf; 15. Zwickau -St. Marien; 16. Zwickau-
St. Margarethen (Spitalpfarrei, 1548 zu St. Moritz geschlagen);
17. Zwickau -Heiligengeistparochie, 1541 ebenfalls St. Moritz
affiliiert) und ferner, im Jahre 1837 zur Bildung der Ephorie
Werdau verwendet:
I. Blankenhain; 2. Crimmitschau; 3. Frankenhausen;
4. Gablenz; 5. Grünberg; 6. Langenbernsdorf; 7. Langen-
hessen; 8, Langenreinsdorf; 9. Lauenhain; 10. Lauterbach;
II. Neukirchen; 12. Oberalbertsdorf; 13. Rufsdorf (mit
Blankenhain 1534 vereinigt); 14. Werdau-).
1) Diese Pfarrei ward infolge ihrer politischen Beschaffenheit
sehr zerrissen, so dafs sie erst „wieder zusammen kommen" mufste
(s.o.). Die Schönburger zogen Obermosel, Oberrothenbach und
Niederscliindmaas an sich. Anfangs der 40 er Jahre des 16. Jahr-
hunderts ward das Kirchspiel wieder vereinigt, nur dafs Niederhohn-
dorf bei Weifsenborn blieb (s. o.).
^) Steinpleis, sein früheres Filial, ward 1529 selbständig, trat
zur Ephorie Zwickau und von ihr erst 1843 zur Ephorie Werdau
über.
Der Pleifsensprengel. 269
c) Ephorie Altenburg: (51J
Die eingeklammerte Zahl sollte eigentlich auf 55 lauten;
allein die Pfarrkirchen zu Frankenau und Grofsmecka hatten
schon ein bez. zwei Jahrhunderte vor der Reformation ihre
Selbständigkeit verloren, während die zweite Pfarrkirche der
Stadt Altenburg zu St. Nikolai 1528 Baufälligkeit halber ge-
schlossen und Schlagwitz in demselben Jahre zu Wolkenburg
gezogen ward').
Femer haben wir zu beachten, dafs folgende sechs
Pfarreien eingingen, die für die kurze Dauer ihres Bestehens
noch der Ephorie Altenburg angehört haben: i. Braunshain
(um 1540 an Lumpzig); 2. Gödissa (1536 an Altenkirchen);
3 Maltis (zwischen 1533 — 1546 an Zürchau); 4. Oberarnsdorf
(1554 an Ehrenhain, 17 10 — 1879 noch einmal selbständig
gewesen); 5. (Grofs-)Röda (1554 an Monstab); 6. Romschütz
(1539 an Gödern).
Weiter mufs bedacht w^erden, dafs die Gebrüder von
Schönburg 1543 vom Kurfürsten Johann Friedrich die in
eine Domäne verwandelten Güter des Klosters Remse er-
warben, womit sie auch das Patronatsrecht u. a. über Remse
(seit 1533 ohne Neukirchen) und Tettau an sich brachten.
Sie überwiesen beide Parochien, die bisher dem Altenburser
Superintendenten unterstanden hatten, ihrer eigenen im Jahre
1542 begründeten Ephorie Glauchau.
Eine weitere Abminderunof erfuhr der Bezirk der Alten-
burger Ephorie durch die Bildung der Ephorie Borna, die
infolge des Wittenberger Vertrags im Jahre 1547 entstand.
Zu ihr traten fünf Kirchspiele über: i. Bocka; 2. Eschefeld;
3. Frohburg; 4. Lumpzig mit Braunshain (s. o.); 5. Wolken-
burg mit Schlagwitz (s. o.). Die ersten drei sind ihr mit
einer kurzen Unterbrechung (1698— 1722), während deren
sie nebst Wolkenburg und Schlagwitz nach der Ephorie
Leipzig überführt wurden, bis heute verblieben. Die letzte
und ihr Filial, das sich wieder zu Pfarrkirche erhob (s. o.),
gingen 1836 an die Ephorie Penig und 1874 an die Ephorie
Rochlitz über. Die vorletzte endlich, welche noch im
Jahre 1561 in Beziehung zur Ephorie Borna stand"-), fiel
an die Ephorie Altenburg späterhin zurück.
Ferner hat im Jahre 1854 die letztere zur Bildung der
Ephorie Schmölln abgegeben: i. Altenkirchen mit Gödissa;
') Erst im Jahre 1614 gewann Schlagwitz seine frühere Selbst-
ständigkeit als Pfarrei wieder.
-) Lobe I, 316.
270
Leo Bönhoff:
2. Bornshain; 3. Grofsstechau; 4. Hartroda ; 5. Lohma
bei Schm. ; 6. Nöbdenitz; 7. Reichstädt mit Frankenau;
8. Schmölln; 9. Thonhausen; 10. Weifsbach; 11. Wilden-
börten (1779 mit Hartroda verbunden) Dazu kamen 1876
noch 12. Göfsnitz und 13. Ponitz, die sich bereits 1862 vom
Altenburger Ephoralbezirk losgelöst hatten, während 1881,
wie wir oben (s. unter a) sahen, Nr. 3, 6 und 7 an die
Ephorie Ronneburg abgetreten wurden.
Mithin haben im Verbände der Ephorie Altenburg die
nachstehenden 25 Kirchfahrten des alten Pleifsensprengels
bis heute verharrt: i. Altenburg; 2. Cosma; 3. Dobitschen;
4. Ehrenhain mit Oberarnsdorf; 5. Flemmingen mit Garbis-
dorf und Göpfersdorf (1528-- 1554); 6. Gieba mit Grofs-
mecka (nur 1862 — 1881 zeitweilig davon abgekommen);
7. Gödern mit Romschütz; 8. Göllnitz; 9. Kriebitsch;
10. Lohma a. L.; 11. Mehna; 12. Monstab mit Grofsröda;
13 Niederwiera (seit 1533) mit Neukirchen; 14. Nobitz;
15. Oberlödla; 16. Rasephas; 17. Rositz; i8.Saara; 19. Stünz-
hain; 20. Tegkwitz; 21. Treben ; 22. Windischleuba; 23. Wol-
perndorf (seit 1554) mit Garbisdorf und Göpfersdorf;
24. Zschernitzsch ; 25. Zürchau mit Maltis.
Rechnen wir zu diesem eisernen Bestände (25) das, was
an Parochien vor (2), während (2) und nach (6) der
Reformation eingezogen und den Ephorien Glauchau (2),
Borna (5) und Schmölln (13) überlassen wurde, hinzu, so
ergibt sich die Zahl 55 für Altenburg, die sich auf 88 erhöht,
rechnen wir das, was auf Zwickau (31) und Weida- Ronne-
burg (2) entfällt. Somit werden wir noch über den Verbleib
des letzten Neuntels der Pleifsner Kirchenprovinz Erhebungen
anstellen müssen. Hierbei stofsen wir auf drei Bestandteile:
«) Ephorie Zeitz: (2)
I. Regis und 2. Breitingen; als 181 5 Preufsen und
Sachsen sich in das Zeitzer Stiftsland teilten, kamen beide
Kirchen von ihrer alten Ephorie, die bereits im Jahre 1536
eingerichtet worden war, ab, weil deren Hauptmasse an den
ersteren Staat fiel, sie hingegen an Sachsen übergingen, das
sie zu seiner Ephorie Borna zog.
ß) Ephorie Chemnitz: (2)
I. Gnandstein und 2. Ziegelheim mit Franken^); jene
Parochie lag, wie bemerkt, im albertinischen, also im Herzog-
^) Verloren hatte es zwei Filiale Garbisdorf und Göpfersdorf
an Flemmingen und drei Beidörfer: Hinteruhlsdorf ebendahin, Hoyers-
dorf an Niederwiera und Nirkendorf an Ehrenhain. Franken war
bis 1528 Filial von Wolkenburg gewesen.
Der Pleilsensprengel. 271
turne Sachsen, diese aber — und deshalb ragt sie ja noch
heute halbinselförmig hervorspringend in das Gebiet des
Herzogtums Altenburg hinein — war ein albertinisches Lehn
des Hauses Schönburg, seit alters von den Wettinern abhängig
(s. o.). Gnandstein trat natürlich wie die albertinischen
Pfarreien in seiner östlichen Umgebung, soweit dieselben nicht
etwa im Amte Rochlitz, dem Wittume^) der Schwiegertochter
Herzog Georgs, der Herzogin Ehsabeth lagen (so z, B.
Obergräfenhain, Rathendorf, üssa und vor allem das be-
nachbarte Rüdigsdorf), im Jahre 1539 unter die Aufsicht des
herzoglichen Superintendenten zu Chemnitz, wie u. a.
Niedergräfenhain, Syhra mit Roda, Kohren mit Jahnshain und
Langenleuba-Oberhain. Mit den ersten beiden von diesen
vier Kirchorten ward Gnandstein 1547 der neuen Ephorie
Borna zugeteilt, der in seiner nördlichen und westlichen
Umgebung von der Altenburger Frohburg (s, o.), Eschefeld
(s. ü.), Bocka (s. o.) und Altmörbitz zufielen. Ziegelheim aber
war ringsum von der Ephorie Altenburg wie eine Insel ein-
und abgeschlossen: im Süden Niederwiera, im Westen Gieba,
Oberarnsdorf, Ehrenhain, im Norden Lohma a. L. und im
Osten Flemmingen allein bis zum Jahre 1554. Die Herren
von Schönburg, die 1539 die Einführung der Reformation in
ihren albertinischen Lehn- und Reichsafterlehnstücken zu-
lassen mufsten, sahen also Ziegelheim genau so wie die
Pfarreien ihrer Grafschaft Hartenstein unter die Aufsicht des
nächsten Superintendenten ihres herzoglichen Lehnsherrn ge-
stellt. Wie die Kirchen zu Eiterlein, Scheibenberg, Crotten-
dorf, Wiesenthal und Beutha-) unter den Annaberger, so
traten die zu Löfsnitz, Thierfeld (Hartenstein), Wildbach,
Schönau, Vielau, Mülsen St. Niklas und Ziegelheim — bis
zur Schaffung einer besonderen Schönburgschen Gesamt-
ephorie mit dem Sitze zu Glauchau (1542) — unter den
Chemnitzer Superintendenten.
y) Ephorie Glauchau: (7)
I. Gesau (mit Glauchau zwischen 1528 — 1542 [?] ver-
bunden); 2. Jerisau; 3. Meerane; 4. Oberwiera; 5. Schkmzig
(provisorisch mit den Schönburgschen Bestandteilen der Pa-
rochie Mosel [Filial Niederschindmaas, Obermosel und Ober-
rothenbach] vereinigt); 6. Schönberg; 7. Waidenburg mit
Schwaben'^; Sie alle lagen im Gebiete der Schönburger,
1) Dasselbe bildete eine Ephorie (Rochlitz) für sich.
-) Danach ist diese Zeitschrift XXIV, 66 zu berichtitjen!
'■^) Schwaben war von Schlagwitz wie Franken von Wolkenburg
durch Ernst II, von Schönburg, abgerissen worden. Deshalb traten
272 Leo Bönhoff: Der Pleifsensprengel.
welche die Reformation in ihren böhmischen Reichsafter-
lehnsherrschaften Waidenburg, Glauchau und Meerane. die
für den Pleifsensprengel allein in Betracht kommen, erst im
Oktober des Jahres 1542 einführten. Hierin also bestand
der Beitrag des Pleifsensprengels zum Bestände der Ephorie
Glauchau sowie indirekt, d. i. durch die Ephorien Altenburg
und Chemnitz vermittelt, in den drei anderweitigen Kirch-
spielen Remse, Tettau und Ziegelheim mit Franken, die sich
ihr 1543 zugesellten.
Rechnen wir nun alles (99 Kirchspiele) auf, so verteilen
sie sich nach Abzug der bis zum Jahre 1554 (bez. bis zum
Jahre 1879) definitiv eingetretenen Abgänge von 13 (14) der-
selben die 86 (85) übrigen folgendermafsen:
a) im 16. Jahrhundert: j b) heute:
1. Zeitz 2 I I. Borna 6
2. Altenburg 46 | 2. Rochlitz 2
3. Chemnitz 2 | 3- Altenburg 26
4. Glauchau 6 j 4 . Ronneburg 5
5. Zwickau 28 5. Schmölln 9
6. Weida 2 6. Werdau 13
Sa. 86 7- Glauchau 9
8. Zwickau 15
Sa785
So ist denn der Pleifsensprengel zu vier Zeiten nach
und nach aufgelöst worden: bei der Reformation der
ernestinischen Länder (1528/29), bei der des Zeitzer Stifts-
gebietes (1536), bei der des albertinischen Sachsens (1539)
und endlich bei der des Schönbui gischen unter der Krone
Böhmen stehenden Territoriums (1542). Es sind lauter
sächsische Parochien, die zu den angegeber^en Zeiten
evangelisch wurden, während die altenburgschen sämtlich
an dem ersten Termine dem neuen Bekenntnisse beitraten.
Jene verhalten sich übrigens zu diesen nach dem heutigen
Bestände (Auspfarrungen und Neugründungeii der neueren
und neuesten Zeit selbstverständlich ungerechnet) wie 44:41
innerhalb der von uns hiermit nach allen Seiten hin gewürdigten
alten Kirchenprovinz an der Pleifse. Dieses Verhältnis wird
unsere ausführliche Darstellung rechtfertigen.
Schlagwitz zu Wolkenburg, Franken zu Ziegelheim und Schwaben
zu Waidenburg in ein Filialverhältnis.
VIII.
Der Tod des Bisehofs Arn von Würz bürg*.
Von
C. Klotzsch.
Audiatur et altera pars.
Im 26. Bande dieserZeitschrift veröffentlicht Lic. Dr. Bönhoff
eine interessant geschriebene Arbeit, die sich mit dem im Jahre
892 erfolgten gewaltsamen Tode des Würzburger Bischofs Arn
beschäftigt. Man wird es dem Verfasser Dank wissen, dafs
er jenes Ereignis, dem die vaterländische Geschichtschreibung
wiederholt ihre Aufmerksamkeit zuwendete, zum Gegenstande
erneuter Untersuchung gemacht hat. An der Hand verschie-
dener annalistischer Berichte, unter denen sich auch die Chronik
des Merseburger Bischofs Thietmar befindet, versucht er ein
Doppeltes festzustellen, nämlich die Art, wie Bischof Arn
starb, und den Ort, wo solches geschehen sein konnte. Diese
Fragen sind, wie wir aus der Bönhoffschen Arbeit ersehen,
bisher sehr verschieden beantwortet worden, neuerdings ent-
scheidet sich Oberbaurat Wiechel für den Taurastein bei
Burgstädt'), Ihm beizupflichten ist Bönhoft^zwar nicht abgeneigt,
glaubt aber doch seine Untersuchungen mit folgendem Er-
gebnis abschliefsen zu sollen: .,Am 13. Juni 892 fiel Bischof
Arn als Anführer einer ostfränkischen Heeresabteilung im Kampfe
gegen die Slaven am Sandberge bei Wiederau. Dieser Hügel
liegt unweit der Chemnitz, in nöxulicher Richtung von ihrem
Laufe, und neben, d. i. zur Linken der böhmischen Strafse,
die von Rochlitz nach Hwoznie bei Frankenl^erg führt". — In
der Tat ein Ergebnis, das überraschen mufs, und schwerlich
1) Chemnitzer Tao;eblatt 19. Mai 1900, Beil. 3, Chemnitzer Allgem.
Zeitg. S.Juni 1900, Beil. 6.
274
C. Klotzsch:
würde der Verfasser zu demselben gelangt sein, hätte er nicht
geglaubt, über den Bericht Thietmars ein abfälliges Urteil
geben zu müssen. Thietmars Bericht ist — so wird uns ge-
sagt — legendarisch gefärbt, er widerspricht den Aussagen
eines Mitkämpfers in jener Schlacht; aufserdem hat Thietmar
bei Benutzung von Würzburger Überlieferungen Jahreszahlen
und «reschichtliche Daten offenbar verwechselt. Das heifst
nun freilich die Glaubwürdigkeit Thietmars als Historiker nicht
blos anzweifeln, sondern erschüttern. Ein Mann, der ein so
anerkannt brauchbares Geschichtswerk schrieb, soll seine
historischen Notizen so ohne Sichtung und gedankenlos ge-
sammelt und ohne gehörige Kritik wiedergegeben haben?
Man möchte doch wohl behaupten, dafs Thietmar den Anspruch
auf eine andre Beurteilung erheben darf. Er ist, wie Bönhoff
selbst zugibt, der einzige, welcher sich über den Ort, wo
Arn sein Leben aushauchte, ausspricht. Liegt es da nicht
klar auf der Hand, dafs, wenn sein Bericht wegen teilweiser
Unglaubwürdigkeit auszuschalten ist, dann auch die einzige
Wegespur verwischt ist, die sich zur Auffindung der Mord-
stelle darbot? Der subjektiven Vermutung stehen dann keine
Hindernisse im Wege. Und Thietmar liefs sich wirklich durch
das kirchliche Empfinden seiner Zeitgenossen verleiten, das
traurige Ereignis dramatisch aufzuputzen, damit das Martyrium
seines unglücklichen Kollegen in helleres Licht trete und
Merseburg den Ruhm habe, den Namen Arn als eines Proto-
martyr in sein Nekrologium einzutragen?
Wahr ist, dafs Thietmar die Stimmung der Würzburger
getreulich wiedergibt, sogar die sogenannte Anekdote aus der
bischöflichen Küche nacherzählt und die Mirakel bei der Kirch-
weihe mitberichtet ^), allein man übersehe nicht, wie er zu
jenen Legenden die feine und vorsichtige Bemerkung fügt:
,, Meine Feder genügt nicht, die trefflichen Eigenschaften Arns
wiederzugeben, aber das glaube ich von Herzen, dafs
er apiid deurn magni luerifi gewesen".
Wenn nun ein Schriftsteller des frühen Mittelalters die im
Kampfe gegen Heiden Gefallenen Märtyrer nennt, und wenn
er Arn und seine Schicksalsgenossen mit diesem Titel ehrt,
so kann das höchstens dem modernen kirchlichen Empfinden
befremdlich sein. Es war eine recht überflüssige Belehrung,
welche die „Dresdner gelehrten Anzeigen" vom Jahre 1756
pag. 681 ihren Lesern boten, wenn .sie sagten: ,,Arn hat nicht
als ein Heidenlehrer, sondern als ein Soldat sein Leben ein-
') Chron. ed. Kurze I, 4.
Der Tod des Bischofs Arn von Würzburg. 275
gebüfst". Wenn Arn die waffenfähigen Stiftsuntertanen ins
Feld stellte, so erfüllte er nur seine Pflicht als Vasall des
Kaisers, und wenn er das Würzburger Aufgebot persönlich
in den Kampf begleitete, so tat er nur, was er schon früher,
und andere Bischöfe, auch Thietmar, wiederholt getan. Ob
der Thüringer Herzog Poppo, der zu diesem mifsglückten
Feldzuge aufgefordert hatte, wegen schlapper Haltung vor
dem Feinde abgesetzt wurde, oder ob ihm Arn an strategischen
Talenten über war, das möchte, weil die Quellen darüber voll g
schweigen, getrost unerörtert bleiben. Soviel steht fest,
auch als Feldherr war Arn der Bischof von Würzburg. Es
dürfte dem Geiste jener Zeit die Annahme nicht widersprechen,
dafs man von der persönlichen Teilnahme eines hohen geist-
lichen Herrn einen günstigen Ausgang der Schlacht erhoffte.
Da nun Thietmars Bericht nicht blos als eine legendarische
Umbiegung, sondern auch als unvereinbar mit den glaub-
würdigen Zeuornissen der Zeitgenossen bezeichnet wird, so
ist eine genaue Prüfung dieser Zeugnisse geboten. Wir über-
gehen diejenigen Quellen, welche nichts weitei als die Tat-
sache des Todes erzählen, und ziehen nur die Chronik Thiet-
mars, des Abtes Regino von Prüm sowie den in die Miracula
S. Wigberti aufgenommenen Bericht des Heio, eines Kampf-
genossen, in Betracht^). Letzterer ist jedoch, was nicht un-
erwähnt bleiben möchte, kein Originalbericht. Heio hat seine
Kriegsabenteuer nicht mit eigner Hand niedergeschrieben, er
hat sie einem Hersfelder Mönch, namens Gerbert, erzählt,
und dieser hat die Erzählung einem Anonymus weitererzählt,
der sie etwa 40 Jahre später in seine Schrift über die miracula
Wigberti aufnahm. Der Überfall, die Schrecknisse des Weges
und der heillosen Flucht sind hier sehr anschaulich und ge-
wandt geschildert.
1) Chron. Thietm. I, 4: sed non lon^e a praedicto amne in
pago Chutici dicto Arn episcopus sanctae Wirciburgensis ecclesiae
ab expeditione Boemiorum reversus et juxta plateam in parte septen-
trionali fixo super vinum collem suimet tentorio cum missam caneret
hostili circumvallatus agmine praenaissisque omnibus per martyrium
suimet consociis semet ipsum optulit deo patri cum oblacionibvis con-
secratis ... — Regino von Prüm ad 892: Arnt hortatu ac suasione
Popponis Thuringorum ducis ad pugnam contra Sclavos profectus
in eadem pugna" occiditur. — Mirac. S. Wigberti cap. 14, Mon.
Germ. IV, 225: Duces et primates Francorum in procinctu proelü
contra Sclavos constitutos cui et me contigit interesse duri eventus
excipiunt atrocioresque exitus hello imponunt. Cumque pugnae ma-
teries in manibus habebatur in primo congressu Am episcopus occu-
buit . . .
2-7 6 C. Klotzsch:
Wie stellt sich nun, wenn wir die Berichte vergleichen,
der Verlauf des 13. Juli 892 dar? Der Tag beginnt — es
soll ja ein Rasttag sein — mit einer Morgenandacht. Noch
während Arn die Frühmesse singt, umringt ein feindlicher
Heerhaufen den Hügel, wo sein Zelt aufgeschlagen war Er
schickt die Führer und Vornehmen der Franken, allzumal
Genossen seines Märtyrertodes, vor, sie stehen kampfbereit und
das Handgemenge beginnt. Beim ersten Zusammenstofs iällt
Arn und gibt sich mit den geweihten Gaben Gott 7 um
Opfer. Dafs Arn, der wohl keine Zeit fand, sein priesterliches
Gewand abzulegen, nicht wie ein Thomas Münzer vor der
Front steht, begreift sich wohl, dafs er sich aber zuletzt,
nachdem ihm alle Gefährten im Tode vorangegangen,
geopfert habe, hat Thietmar garnicht gesagt, man daif nur
seine Worte ,,praemissis omnibus per martyrium consociis"
nicht falsch übersetzen. Ursinus gibt diese Stelle ganz richtig
wieder. Ein Widerspruch zwischen der Darstellung Thietmars
und des Augenzeugen Heio kann unmöglich anerkannt werden.
Schwieriger nun, vielleicht auch wichtiger erscheint die
Frage: wo ist Arn gestorben? Auch hier begegnen wir einer
Verdächtigung Thietmars. Seine Angabe ,,ab expeditione
Boemorum reversus" soll geschichtlich unhaltbar sein. Arn
sei 871 und 872 wider die Böhmen zu Felde gezogen, aber
nicht 892, hier habe sich Thietmar durch Würzburger Tradi-
tionen irre führen lassen. Regino wie Heio hätten ausdrücklich
ausgesagt, der Feldzug 892 sei gegen die Slaven, aber nicht
gegen die Böhmen gegangen. Hiergegen erlauben wir uns
die bescheidene Einwendung: sind die Böhmen nicht auch
Slaven? Regino ist nicht so ängstlich mit der Bezeichmmg
,, Slaven". Kurz zuvor erzählt er zum Jahre 891, dafs sich
Kaiser Arnulf am äufsersten Ende von Bayern aufgehalten
habe und dort mit drei Korps aufgebrochen sei, die Slaven
zu zügeln. Der Zusammenhang und ein Vergleich mit den
Annal. Fuldens. ergibt, dafs die Mähren gemeint sind. Also
auf das contra Sclavos bei Regino darf nicht allzuviel Gewicht
gelegt werden. Vielleicht aber ist Regino gerade der Autor,
der den Thietmar rechtfertigt und uns aus der Verlegenheit
hilft. Das Hauptereignis des Jahres 892 ist nach seiner Dar-
stellung der Krieg gegen Zwentibold von Mähren. Kaiser
Arnulf hatte die Unklugheit begangen, diesem Fürsten das
Herzogtum der Böhmen, die bisher Fürsten ihres Stammes
gehabt und dem fiänkischen Reiche Treue bewahrt hätten,
abzutreten. Dieser Schritt, sagt Regino, bot einen gewalligen
Alltrieb zur Entzweiung und zum Abfall. Die Böhmen liefsen
Der Tod des Bischofs Arn von Würzburo;
&•
277
von der Treue ab, und Zwentibold, der einen bedeutenden
Zuwachs an Macht erhalten hatte, lehnte sich, vom Dünkel
des Hochmuts aufgeblasen, wider Arnulf auf; dafs unter so
bedrohhchen Verhältnissen der Thüringer Herzog Poppo den
aufsässigen Böhmen seine Aufmerksamkeit zuwenden mufste
und den Würzburger Bischof zu einem Zuge wider die Böhmen
zu'-edete, kann nicht befremden.
Man hätte vielleicht von einem Zeito-enossen wie Reofino
einen etwas ausführlicheren Bericht über diesen böhmischen
Feldzug erwartet, es ist aber zu bedenken, dafs Regino unter
den ungünstigsten Verhältnissen die Abtei Prumia an der Eifel
übernahm. Schon nach sieben Jahren, 899, wich er vor dem
neidischen Treiben seiner Geofner, leo-te seine Würde nieder.
In Trier erst begann er seine Weltchronik zu schreiben^). Das
Wenige aber, was er uns für die vorliegende Frage bietet, genügt
zu der Annahme, dafs Thietmar die Worte ab expeditione
Boemorum reversus nicht aus der Luft gegriffen haben kann.
Arns Rückzug aus Böhmen erfolgte über den Miriquido,
auf der heutigen Reitzenhein-Chemnitzer Strafse, sein nächstes
Ziel ist der Chutizigau, von dem aus in mögUchst direkter
Richtung der Weg nach der Heimat eingeschlagen werden
konnte-). An der Chemnitzfurt, die sich im Südwesten der
heutigen Stadt (etwa Beckerbrücke) befand, wurde der Gau
erreicht, und am 13. Juli war bereits der jenseitige Höhenzug
erstiegen, der Lagerplatz gewählt und das bischöfliche Zelt
auf einem Hügel aufgeschlagen.
Wo ist nun dieser Hügel zu suchen? Thietmars Antwort
lautete im Gau Chutici. Unmittelbar zuvor redet er vom Gau
Glomuzzi oder Dalemince und gibt die ungefähre Richtungs-
linie der Grenze gegen den Chutizigau mit den Worten an:
von der Elbe her erstreckt sich der Dalemincegau bis in den
Chemnitzflufs. Für diese Grenzstrecke werden keinerlei Grenz-
merkmale angegeben. Von der Chemnitz an war nun diese
bis zur Quelle die natürliche Gaugrenze gegen Süden. Was
also auf dem rechten Ufer der Chemnitz lag, gehörte zu
Dalemince. Nach Bönhoffs Meinung wird jedoch die Chemnitz
erst von Garnsdorf an die Grenze beider Gauen nach Süden
zu; er hält es für erwiesen, dafs alles Land auf dem rechten
Chemnitzufer längs ihres Unterlaufs, also von Garnsdorf nord-
wärts, unzweifelhaft zu Chutizi gerechnet werden darf.
') Vgl. Dümmlers Ausp;abe des Regino, Vorwort.
^) Der heutige Zug der Leipzig-Reitzenheiner Strafse durch die
Stadt ist eine Anlage, die durch die Entstehung der Stadt und ihres
Marktes sich begri.mdet. Die älteste Strafse ist sie keinesfalls.
278 C. Klotzsch:
Allerdings sagt uns Thietmar^), dafs bei der 981 erfolgten
Auflösung und Zerstückelung des Merseburger Bistums ein
Teil des östlichen Chutizi mit den beiden Ortschaften Wissepuig
und Lostatawa zur Meilsner Diöcese geschlagen worden sei,
und er markiert die Lage dieses östlichen Chutizi durch die
Richtungslinie: von der Chemnitz zur Elbe hin. Während
Lostatawa als Lastau bei Colditz gilt, ist Wissepuig-) nicht
festzustellen gewesen; in der Nähe der Chemnitz oder deren
Einfall in die Mulde mufs es gelegen haben, andernfalls hätten
die Worte fluviis Caminici Albique distinguitur keinen Sinn.
Was wir aus der angezogenen Stelle bei Thietmar zu schliefsen
haben, ist, dafs 981 die alte Gaugrenze verlassen, und dafs
von Lastau ab die Mulde Meifsner Diöcesangrenze wurde.
Indessen wollen wir nicht vergessen, dafs es sich für unsre
Untersuchung um das Jahr 892 handelt.
Sonach suchen wir jenen Hügel mit dem Zelte Arns im
Chutizigau, aber nicht auf dem rechten, sondern dem linken
Ufer der Chemnitz. Die Lage desselben bestimmt nun Thiet-
mar näher so: non longe a praedicto amne (Caminizij und
juxta plateam in parte septentrionali. Die von Thietmar ge-
wählte Satzkonstruktion umzustülpen und dem in parte sept.
einen andern Platz anzuweisen, wagen wir nicht; es wäre
doch geradezu widersinnig, zu übersetzen ,, nördlich von der
Chemnitz", da diese wesentlich in nördlicher Richtung fliefst.
Das juxta pl. mufs mit in parte sept. verbunden bleiben. Eine
andere Strafse kann aber nicht gemeint sein, als die, auf welcher
Arns Kolonne von Böhmen her in den Chutizigau gezogen und
auf deren Fortsetzung man zur Höhe mit dem Hügel gelangt
war. Auf dem Höhenrücken (etwa bei Wittgensdorf) wendet
sich die Strafse westlich, nördlich von ihr lag der Hügel,
und zwar nicht weit von der Chemnitz. Keine Örtlichkeit
pafst so ungezwungen zu der Beschreibung Thietmars, wie der
Taurastein bei Burgstädt. Das ist wirklich ein Hügel nördlich
der Strafse und unweit von der Chemnitz (2 km). Eine ge-
eignetere Stelle konnte Arn für den Lagerplatz nicht wählen.
Im übrigen verweisen wir auf die vorzüglichen, klaren
und ungekünstelten Ausführungen, welche Oberbaurat Wiechel
bei seinen Untersuchungen unsrer Frage gegeben hat. —
Nicht gestützt auf die Quellen, sondern, wie uns bedünken
') Chron. III, 16: pars, quae ad Chutici orientalem cum adper-
tinentibus villis Wissepuig et Lostatawa pertinet ac fluviis Cammici
Albique distinguitur.
-') Statt Wissepuig liest Bönhoft: Wissepenic = Hochpenig oder
Altpenig! N. Sachs. Kirchenbl. 1907, S. 803.
Der Tod des Bischofs Arn von Würzburg. 2 70
will, auf eigne Hand konstruiert Bünhoff folgenden Feldzug:
das vereinigte bayrische Heer tritt den Marsch nach Osten
an, überschreitet die Saale, Elster und Mulde und dringt
mitten in den Gau Chutizi ein. Auf der von RochUtz nach
Hwoznie führenden böhmischen Strafse rückt Arn vor, diese
Feste einzunehmen. Die Sorben kommen ihm zuvor, und in
dem südöstlichen Zipfel des Chutizigans ward die unglückliche
Schlacht geliefert; aber nicht bei einem Überfall, sondern in
offener Feldschlacht verlor Arn sein Leben.
Eine derartige Darstellung fordert zu einigen Fragen
heraus. Liegt denn auch nur eine entfernte Veranlassung vor,
hier die Feste Hwoznie im Dalemincegau zu erwähnen? Läfst
sich eine Strafse von Rochlitz nach Hwoznie urkundlich be-
legen? War die in der Dotationsurkunde für Zschillen enst
II 74 erwähnte, an Wiederau vorüberführende semita Boemica
nicht vielmehr der Verbindungsweg von Rochlitz nach dem
neugegründeten Chemnitz? Es ist ja möglich, dafs das
castellum Hwoznie eine slavische Festung, grad, gewesen
und bereits vor Unterwerfung des Dalemincegaus vorhanden
war. War es aber wirklich die gefährliche Ecke, die Haupt-
stütze der Slaven in diesem Gau, warum wandte sich Kaiser
Heinrich 928 nicht gegen diese, sondern gegen Gana?
Dr. Bönhoff ist über die Lage des castellum Hwoznie
so sicher orientiert, dafs er eine Untersuchung dieser gar nicht
einfachen Frage unterläfst. Es dürfte aber doch nicht über-
flüssig sein, das hier einschlagende urkundliche Material zu
Rate zu ziehen.
Seit Petr. Albinus und Schöttgen hat man sich daran
gewöhnt, das cast. Hwoznie auf dem Treppenhauer, einem
Hügel neben dem Sachsenburger Schlofsberge, zu suchen;
auch Posse ist dieser Meinung. Die Gräben und Wälle,
welche der Frankenberger Chronist noch um 1755 dort ge-
sehen haben will, sind nichts weiter, als Halden und Stollen,
die von dem einstigen Bergbau herrühren. Hingst^) und
neuerdings Bönhoff nehmen das Schlofs Sachsenburg a. d. Zscho-
pau, 30 Minuten von Frankenberg, in Anspruch. Zum ersten
Male wird das cast. Hwoznie in der Urkunde vom 23. Juli 981
erwähnt-), laut welcher Kaiser Otto IL dem Kloster Memleben
folgende Schenkung macht: castella quedam et loca in par-
tibus Sclavoniae Doblin et Howznie nuncupata, in pago Dale-
mince seu Zlomekia vocato, juxta Multha tiuvium dictum ....
cum burgwardiis pp. Das Eigentumsrecht an dieser Besitzung
1) Mitteil, des Freib. Altert.-Vereins IV, 405 ft.
'^) Gedruckt in Wenk,"Hess. Lande.sgesch. II, i Nr. 27.
28o C. Klotzsch:
wurde 1015 dem Kloster Memleben entzogen und auf kaiser-
lichen Befehl der Benediktinerabtei Hersfeld in Hessen über-
tragen. Die bedeutende Entfernung von Hessen läfst erklär-
lich erscheinen, dafs man den Markgrafen von Meifsen mit
diesem Gebiete belieh. Aus einer in der Kanzlei von Hers-
feld ausgestellten Urkunde^) erfahren wir die Grenzen und
den genauen Umfang dieses sogenannten praedium Hersfeldense:
in einer Ausdehung von Döbeln bis in die Gegend von Zöblitz
lag es zwischen Zschopau-Pockau und Mulde -Striegis. Wir
wollen uns hier nicht in Vermutungen ergehen, welche Ab-
sichten durch diese Urkunde erreicht werden sollten ; eins nur
ist klar, der Abt Heinrich von Hersfeld, wie nicht minder
Markgraf Friedrich hatten ein Interesse daran, dafs sämtliche
im Meifsner Lande gelegene Lehen Hersfelds in dieser Ur-
kunde genannt wurden. Sie ist zweifellos unter Zuhilfenahme
einer älteren Lehnsregistratur von einem Verfasser zusammen- .
gestellt, der in der Meifsner Geographie schlecht bewandert
war. Er will die in dem geschenkten Gebiete gelegenen
civitates et castella aufführen und rechnet zu diesen Dresden,
Pirna, Freiberg! Auffälliger Weise führt er Doblin castrum
et civitas an, cast. Hwoznie aber nicht. Man möchte glauben,
dafs letzteres bereits nicht mehr vorhanden oder nicht mehr
das war, was es vor 981 gewesen: ein castellum. Schon der
Umstand, dafs Kaiser Otto zwei Kastelle an der Mulde an
ein Kloster verschenkt, spricht für die Annahme, dafs sie als
militärisch wichtige Objekte, als Verteidigungswerke 981 nicht
mehr angesehen wurden. Hwoznie verlor seinen Charakter
als Kastell, es blieb noch sein Name als Burgwartbezirk Von
diesem hören wir noch einmal in der Zeit zwischen 981 und
1292. Die Reichsministerialen von Mildenstein hatten Jahre
lang dem Meifsner Domkapitel gewisse Bischofszehnte inner-
halb der possessioiies Hersfeldenses streitig gemacht, sogar
beschlagnahmt. Bei der am 23. April 12 14 in Döbeln statt-
gefundenen Verhandlung erklärte der Meifsner Dompropst,
dafs diese Zehnten zu dem Domaltare St. Pauli gehörten. Die
Mildensteiner wurden abgewiesen. Ihre trotzdem begangenen
Gewalttätigkeiten fanden auf einer Synode zu Meifsen ihre
Sühne. Der Propst schwor auf das Evangelienbuch, dafs
die decimae innerhalb der possessiones Hersfeldenses, que sunt
in burcwardo Gozne et in territorio Frankenberg, der Dom-
kirche gehörten-). Weil nvm das Döbelner Verhandlungs-
^) Abgedruckt in v. Webers Arch. f. Sachs. Gesch. V, 262.
2) Cod. dipl. II, I, 78 u. 85. Über die Umwandlung der Form
Hwoznie in Gozne vgl. Hey, Slav. Siedel. S. 241.
Der Tod des Bischofs Arn von Würzburg. 281
Protokoll vom Jahre 12 14 und das Meifsner Sühnedokument
vom Jahre 1222 neben dem burcw. Gozne das territorium
Frankenberg nennt, hielt man sich berechtigt, das castellum
Hwoznie mit dem Schlofs Sachsenburg oder dem Treppen-
hauer zu identifizieren. Letztgenannte Örtlichkeiten befinden
sich unfraglich im territorium Frankenbeig, wie kann mau
da das cast. Hwoznie, das selbstverständlich im burcw. Gozne
und zwar an der Mulde liegt, auf jenen Hügeln an der
Zschopau suchen? Vielleicht ist der Ausdruck territorium
Frankenberg geeignet, an die grofse Veränderung zu erinnern,
welche die Verwaltungsorganisation in der Mark Meifsen seit
der Entwickelung der landesfürstlichen Macht genommen.
Hiervon wurde das dem Markgrafen unterstehende praedium
Hersfeldense natürlich mitbetroffen. Dieses nicht einheitlich
verwaltete grofse Gebiet zerfiel in kleinere Distrikte, es gab
städtische Territorien, civitates cum villicationibus; markgräf-
liche Lehnsleute, milites, (von Dobehn, Sassenberg, Schellen-
berg) werden mit bonis feudalibus ausgestattet. — So hat
wohl das neben dem territorium Frankenberg genannte burcw.
Gozne nur noch als Name für einen Distrikt zu Pfelten, der
in der Umgebung des verschollenen Kastells seine Stätte hatte.
Heutzutage ist es freilich mit Schwierigkeiten verbunden, die
Stätte, an welcher ein solcher Name haftete, genauer zu er-
mitteln, zumal ja manches Kastell gar nicht ständig bewohnt
war. Es ist ein eignes Zusammentreffen, dafs mit unserm
Hwoznie der fast gleichnamige, sprachUch fast gleichbedeutende,
verschollene Burgw. Gvozdec (spr. Gwozdez) an der Elbe,
südlich von Meifsen, welchen Cosmas von Prag in seiner
Chronik dreimal erwähnt, das gleiche Schicksal teilte. Erst
neuerdings ist dem Professor Hey') gelungen, aus gleich-
zeitigen deutschen Urkunden festzustellen, dafs Gvozdec nur
das burgw. Wosize oder Woz bei Constappel gewesen sein
kann. Am Westabhange des dortigen Gohlbergs läfst der
noch vorhandene Wall mit seinen Zickzackeinschnitten die
ehemalige bedeutende Festungsanlage erkennen.
Zum Schlüsse möchten wir mit der Bemerkuns: nicht zu-
rückhalten, dafs wir dem Berichte Thietmars vor dem Bönhoff-
schen den Vorzug geben. Ruhen Anis Gebeine in Würzburg
oder in Colditz? — Sehr sinnig sagt der selige Pf. Ursinus: wir
rühren nicht seine Gebeine, wir lassen ihn im Frieden ruhen.
') N. Arch. f. S. Gesch. XI, i ff.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. 3. 4. 19
IX.
Der Streit um die Lausitz 1440 1450.
Von
Richard Freiherr von Mansberg.
Die sogenannte Marchia Lusacie ist niemals eine be-
sondere deutsche Reichsmark im ursprüngHchen Sinne dieser
Bezeichnung gewesen, wenngleich ihr Namen seit dem Ende
des 12. Jahrhunderts wohl als pars pro toto verwendet
wurde für die ganze Ostmark, deren grofsen östlichen Teil
die Gaue Luzici und Zara bildeten. Diese Gaue waren vom
deutschen Könige der Verwaltung durch die marchiones orien-
tales unterstellt, denn eigentliche Markgrafen der Lausitz hat
es nie gegeben. Den Zerfall der alten Ostmark leitete ein
die Teilung unter den Söhnen des Markgrafen Konrad von
Wettin Mitte des 12. Jahrhunderts, und diesen Zerfall voll-
endeten die Wirren im Hause Wettin um die Wende des
13. Jahrhunderts. Der in Stücke zerrissene westliche Teil
fiel unterschiedlichen Nachbarn zur Beute, während der öst-
liche Teil, ein 200 Geviertmeilen umfassendes Gebiet, unter
dem Namen Lausitz als politisch-geographischer Begriff sich
erhielt, freilich zu gröfstem Schaden des Landes unter schnellem
Wechsel des Besitzrechtes in den Händen der Askanier,
Witteisbacher, Wettiner, Schlesier und schliefslich der Könige
von Böhmen. Zu dem von den Nachbarn allmählich ge-
lockerten Bestände gehörten nicht blofs die 1635 von Böhmen
abgetretenen kümmerlichen Reste, sondern auch die Herr-
schaften Priebus, Sorau, Kottbus und Peitz, das Gebiet von
Sommerfeld, die Herrschaften Beeskow, Storkow, Teupitz
(Wusterhausen), Zossen, Barut, Dahme, das Gebiet von Bär-
walde und Liebenwerda, während der östlichste Zipfel der
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 283
Grafschaft Brehna (Schlieben, Schweinitz) schon im 12. Jahr-
hundert abgerissen war. Auch die vom Hause Wettin im
14. und 15. Jahrhundert erworbenen Gebiete von Finster-
walde, Elsterwerda und Mückenberg, von Senftenberg und
Sounenwalde sind formell Bestandteile der Lausitz unter
böhmischer Oberhoheit gebieben. Der Zusatz ,, Nieder" ge-
hört einer späteren Zeit an, seit man auf den Einfall kam,
das Land der Sechsstädte im Süden als Oberlausitz zu be-
zeichnen.
Der Lausitz war es nicht vergönnt, eines eigenen mit
dem Lande gleichsam verwachsenen Fürstenhauses sich zu
erfreuen, einer D3-nastie, welche mit starker Hand gesetzliche
Ordnung, inneren Frieden zu schaffen und in erfolgreicher
Weise zu wahren vermochte. Zwar hat sie über 200 Jahre
zu den Ländern der böhmischen Krone gehört (genauer
1368 — 1635, unterbrochen durch Pfandschaft 1422 — 1462,
durch die ungarische Herrschaft 1467 — 1490), allein diese
Zuo-ehörigkeit wird oewifs niemand als Glück bezeichnen.
Der den slavischen Staaten eigentümliche Übergang von roher
Willkür zu wüster Anarchie, der häufige Wechsel der
Regentenhäuser verbunden mit der Barbarei der Tschechen
und dem schädlichen Einflufs der händelsüchtigen Grofsen,
sie waren nicht geeignet, Ruhe und Ordnung zu schaffen in
den Nebenländern, wo die lediglich durch Protektion und
nicht um ihrer Tüchtigkeit willen eingesetzten Landvögte
weder durch Weisheit noch durch Tatkraft sich hervorgetan
haben. Die Städte der Lausitz haben nicht zu solcher Be-
deutung sich aufschwingen können wie die im südlichen
Nachbarlande, wo der Bund der Sechsstädte mit oft furcht-
barer Rücksichtslosigkeit bestrebt war, wenigstens die Sicher-
heit der Strafsen aufrecht zu erhalten. Die Spaltung des
Lausitzer Landes in zahlreiche Herrschaften mit beinahe
fürstlichen Gerechtsamen reizte im hohen Grade die Begehr-
Uchkeit der Nachbaren, und diese setzte dort ein, wo sie ge-
wissermafsen herausgefordert wurde. Das geschah durch jene
Herrengeschlechter, die trotz ihrer materiellen Hilflosigkeit
gern wie unabhängig sich geberdeten, daher als Rückhalt
für ihre Übergriffe Anlehnung an eine benachbarte Macht
suchten. Die ihnen bald heimlich, bald öffentlich gewährte
„Versprechung und Verteidigung" stärkte nicht nur den Ein-
flufs der betreffenden Grenzmacht im Lande, sondern führte
nicht selten zur Besitznahme des beschützten Landesteils, in
der Regel durch geschickte Benutzung der Geldverlegen-
heiten des bisherigen Inhabers, kurz zu einem Vorgange, den
19*
284 R- Fi'hi- von Mansberg:
die schlaffe Verwaltung der böhmischen Landvögte nicht zu
hindern vermochte, um so weniger, als scheinbar die Ober-
hoheit der Krone dabei gewahrt blieb. Wenn in den auf
Zerreifsung des Landes gerichteten Bestrebungen allmählich
die askanischen Herzöge von Sachsen, die Erzbischöfe von
Magdeburg,, die schlesischen Herzöge zu Glogau, Krossen,
Sagan ausgeschaltet wurden, so traten dafür die Mächtigeren
um so stärker in den Vordergrund, zwei Dynastien, welche
beide altberechtigte Ansprüche auf das ganze Land zu haben
vermeinten. Die Wettiner hatten nie vergessen, wie einst
die Lausitz durch das Schwert ihrer Ahnherren gewonnen,
von ihnen christianisiert und germanisiert worden war; die
Hohenzollern betrachteten sich als Rechtsnachfolger der er-
loschenen Askanier und demgemäfs berechtigt, alles wieder
zu erlangen, was diese vormals mit Gold oder mit Eisen
erworben hatten.
Der unverkennbar zersetzende Einflufs von aufsen, im
Innern die hin- und herschwankende Haltung der Grofsen
und die allgemeine Neigung zu Gewalttätigkeiten liefsen bei
der kraftlosen böhmischen Verwaltung zu einem allgemeinen
chronischen Leiden werden jene Erscheinungen, die im übrigen
Deutschland doch nur sporadisch auftraten. Es werden zwar
Räuberromane in aller Herren Ländern erzählt, und manche
Plackergeschichten beruhen auch anderswo auf beglaubigter
Unterlage, aber nirgends in deutschen Landen hat das Un-
kraut des Fehdewesens mit Raub, Mord und Brand so üppig
gewuchert, wie gerade in der Lausitz. Hier ist es weniger
die Keckheit des eigentlichen Schnapphahnes oder Ritters
vom Stegreif, weniger die Rauflust, Beutelust einzelner grofser
oder kleiner Herren, was uns auffällt, als vielmehr die Zu-
sammenrottung ganzer Scharen zu dem Zwecke, mit roher
Gewalt wirkliche oder erträumte Ansprüche auf eigene Faust
durchzusetzen, Raubzüge im grofsen Stile, um Gleiches mit
Gleichem zu vergelten, bisweilen nur aus Rachedurst wegen
vermeintlicher Kränkungen. Demgemäfs wurden die räube-
rischen Einfälle über die Grenze, von der Lausitz und in die
Lausitz, zu ständig sich wiederholenden Landplagen. Dafs
sogar die Nachbarfürsten selbst oder ihre Vertreter an der
Spitze derartiger Einfälle standen, dafür haben wir Beispiele
gerade aus der im vorliegenden Aufsatz ins Auge gefafsten
Zeit. Wegen eines auf ihn gesungenen Spottliedes unternahm
1445 der Markgraf von Brandenburg einen Rachezug in die
Herrschaft Senftenberg, 1446 führte des deutschen Ordens
Vogt oder Statthalter der Neumark nach einem verwüstenden
Der Streit um die Lausitz 1440—1450. 285
Einfall in die Lausitz eine grofse Beute aus dem Lande,
1448 überfiel der Herzog von Sachsen Hoyerswerda, um
Rache zu nehmen für die Wegführung etlicher Untertanen.
Es lag ja im Kriegswesen jener Zeit, dafs alle Unterneh-
mungen, alle Fehden weniger auf Gefechte oder Schlachten
gerichtet waren, als vielmehr auf Raub oder Zerstörung von
Eigentum, auf das Ergreifen von zahlungsfähigen Gefangenen
behufs Erpressung von Lösegeld, und in solcher Auffassung
unterschieden sich weder Ritter noch Bürger, weder w^elt-
liche noch geistliche Fürsten. Wenn man nicht vergifst, dafs
zahllose Fehden entweder gar nicht oder kaum andeutungs-
weise im urkundlichen Material Erwähnung finden, so kann
man sich annähernd vorstellen, wie furchtbar das Land unter
solchen Heimsuchungen leiden, wie traurig die wirtschaft-
liche Lage sich gestalten mufste. Die letztere spricht mit
erschreckender Deutlichkeit aus der Bagatelle von 7859 Schock
Groschen, um welche der König Sigismund ein Land von der
Gröfse Mecklenburgs verpfänden konnte, wenn man erfährt,
dafs wenig später das winzige Koburger Ländchen um
42000 Goldgulden eingegeben wurde als Pfand dem Ritter
Apel Vitztum.
Der eben erwähnten Verpfändungsurkunde hatte König
Sigismund acht Jahre früher (Koblenz, 30. August 14 14) einen
Machtbrief ^) voraufgehen lassen, in welchem er die beiden
Landvögte, Herrn Hynko Birke zu Leipa und Hansen von
Polenz (der Lausitzer Linie des Geschlechtes Polenz an-
gehörend), bevollmächtigte, die von der Lausitz abgekom-
menen Schlösser mit ihrem Zubehör an sich zu bringen,
,,inne zu behalden und zu niefsen, bis daz sie von uch ofe-
lediget werden". Hierauf folgte 1422 (Nürnberg, 6. Sep-
tember) jene berühmte Urkunde'-), nach welcher für die
dem Könige gemachten Darlehen im Gesamtbetrage von
7859 Schock Groschen dem Landvogte Hans von Polenz"^)
') Wien, k. k. Haus-, Hol- u. Staatsarchiv.
■^) Orig. in Prag. Königl. Sachs. Hauptstaatsarchiv zu Dresden
— künftig zitiert Dr. oder Dr. W. A. (d. h. die unter der Bezeichnung
Wittenberger Archiv registrierte Abteilung des Hauptstaatsarchivs) —
Kop. 1317 Ibl. 49. Luckau Ratsarchiv vidim. Abschnft vom Jahre 1424.
Wiederholt gedruckt, so bei von Raumer, Cod. cont. I, 90.
^) Dem nachfolgenden Bruchstück der Stammtafel der Lausitzer
Polenz ist hinzuzufügen, dafs Hansen des eisernen Polenz Mutter
als Hofmeisterin der Markgräfin Katharina, des Königs Sigismund
Schwester, bezeugt ist (Dresden, Original vom 5. Januar": 370). Dieser
Beziehung hatte der junge Polenz wohl des Königs Gunst zu danken.
Im Jahre 1421 erscheint derselbe als Münzmeister zum Kuttenberg, wohl
286 R- Frhr. von Mansberg:
das Fürstentum zu Lausitz mit allen Herren, Mannen, Städten
überwiesen wurde und die Verzinsung seiner Forderungen
gedeckt werden sollte aus den Einkünften, aus allen Zinsen,
Zöllen, Renten, Nutzungen und Gefällen, welche ihm folgen
sollten, bis der König oder seine Erben die Einlösung vor-
nehmen würden. Der König ahnte wohl kaum, dafs volle
40 Jahre vergehen könnten, bevor die Lausitz wieder zurück
an die Krone von Böhmen gelangte. Polenz hat von den
ihm verliehenen Rechten den ausgiebigsten Gebrauch . ge-
macht; als äufserst energischer Kriegsmann hat er nie ge-
zögert, sofort mit gewaffneter Hand das zu erringen, was
seiner Botmäfsigkeit entzogen war oder entzogen zu werden
drohte, die Willkür der Grofsen mit eiserner Faust gezügelt.
Er nahm denen von Penzig und von Gorenz die Herrschaft
Senftenberg, erwarb Finsterwalde von Hans von Torgau,
erhielt vom Landgrafen Friedrich dem Jüngern, als dessen
Beamter er seine Laufbahn begann, die Herrschaft Mücken-
berg, entrifs dem Herzog Heinrich von Glogau die Burg
Golfsen mit ihrem Zubehör, gewann Kalau mit Waffengewalt
und vertrieb die Schenken von Land.sberg aus der Herr-
schaft Peitz. Da ihm und seinem Vetter Hermann zu Beesdau
die Stadt Lübben mit ihrem Zubehör (unabhängig von der
Verpfändung des Landes Lau.sitz) versetzt war, so hatte Hans
in wenig Jahren ein ansehnliches Stück des Landes in seinen
unmittelbaren Besitz gebracht, dazu im Nachbarlande Rad-
meritz, Königsbrück, Teile von Kamenz, sogar Ansprüche auf
Hoyerswerda') erlangt, auch in Böhmen die Herrschaft Krinec
nur um die damit verbundenen Einnahmen zu geniefsen, denn schwer-
lich wird er in Böhmen lange Zeit sich haben aufhalten können
(Dresden, Originale Nr. 5837 u. 5840 vom 5. März und 13. April).
Herinaiin 1283
Hans von Polenczk
zu Polenz bei Meifsen
erwähnt 1346, 1349, 1350
Hermann
Hauptmann zu Sommerfeld 1355 zu Bazdorf bei Meifsen
Uerniiinu f 1435 »enzel f 1430 Hans der eiserne Polenz
zu Beesdau -j- 1437
Pfandherr der Lausitz 1422
Hans 1!. Nickel Hermann Wenzel f 1404 .lakob sen. Jakob jnn.
zu Beesdau f 1460 zu f um 14Ö0 f 1475
Landvogt Knappendorf
1437— 1448
^) Ob Ho3'erswerda damals zur Lausitz oder zum Lande Budissin
gehörte, darüber war man sich selbst an malsgebenden Stellen keines-
wesTS klar.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 287
und anderes erworben. Polenz ist in der Tat eine der hervor-
ragendsten Erscheinungen seiner Zeit gewesen; unter günstigen
Umständen hätte sein Ehro:eiz vielleicht hohe Ziele sich stecken
dürfen, aber ihn, wie auch seine Zeitgenossen drückte der
Mangel am Notwendigsten zum Leben im Kriege und Frieden:
Papiergeld war noch nicht erfunden, Staatsanleihen kannte
man nicht, die Geldnot war allgemein. Seine kriegerische
Tätigkeit ohne jede Ruhe und Rast, seine zum Teil weiten
Reisen behufs politischer und anderer Vermittelungen ver-
schlangen ungeheure Summen, die zehnprozentige Verzinsung
der entliehenen Gelder war schliefslich nicht mehr zu be-
schaffen ohne Gewaltakte, so oft er auch neue Quellen zu
öifnen wufste, wenn die alten versiegten. Bis an die West-
grenze Thüringens und nach Böhmen, Sachsen, Schlesien
erstreckten sich seine Verpflichtungen gegen Fürsten und
Städte, Ritter und Bürger, und als gar die schreckliche
Hussitennot hereinbrach, da schlugen die Wogen ihm über
dem Kopfe zusammen. Im Januar 1437 erlag der merk-
würdige Mann seiner furchtbar aufreibenden Lebensweise,
nachdem er die Mehrzahl seiner Erwerbunoren hatte ver-
pfänden oder verkaufen müssen. Seinen beiden Söhnen,
Jakob sen. und Jakob jun., die im Kindesalter von etwa
zwölf und neun Jahren standen, hinterliefs er eigentlich nur
schwer realisierbare Ansprüche, dagegen ein Heer von Gläu-
bigern, von denen manche, namentlich der Abt zu Dobrilug,
sehr unbequemer Art waren. Diese Sachlage mufste hier
vorangeschickt werden, da sie uns den Gesichtspunkt liefert
zur sachgemäfsen Beurteilung der nun eintretenden ver-
zwickten politischen Lage in der Lausitz.
Dem eisernen Polenz folgte noch im selbigen Jahre sein
Gönner König Sigismund im Tode nach; vorher schon war
Hansens Vetter, Hermann von Polenz zu Beesdau, sein Bürge
oder Mitschuldner in den meisten Schuldbriefen, Todes ver-
blichen unter Hinterlassung dreier Söhne, Hans, Nickel, Her-
mann, von denen Nickel alsbald vom König Albrecht als
Landvogt bestätigt wurde, zugleich als Vormund der beiden
Jakobe, der nunmehrigen Pfandinhaber der Lausitz, nachdem
die Verhandlungen über Ablösung des Landes bis auf weiteres
vertagt worden, wie König Albrecht in seiner Urkunde vom
22. März 1439 ausspricht, sieben Monate vor seinem Tode,
der am 27. Oktober erfolgte. Im Jahre 1440 lag der neue
König von Böhmen, der Posthunius Wladislaw, in Windeln
in der Hofburg zu Wien unter Obhut seines Oheims, eines
Kaisers, dessen lange Regierung für Deutschland eine ebenso
2 88 R- Frhr. von Mansberg:
lange Leidenszeit bedeutet. In Böhmen selbst lähmte poli-
tischer und religiöser Hader alle Kräfte des Landes und nur
die starke Hand eines Gubernators, wie es Georg von Kun-
stat zu Podiebrad war, konnte nach und nach einigermafsen
Ordnuno- in die wirren Verhältnisse brino^en. Die Lausitz
blieb sich selbst überlassen, d. h. in einer Lage, welche so-
wohl den Kurfürsten von Sachsen, wie den von Brandenbi;rg
annehmen liefs, das Land werde ihm alsbald wie eine reife
Frucht in den Schofs fallen; es fragte sich nur, wem von
den beiden Rivalen. Damit beginnt ein zehnjähriges Intrigen-
spiel, ein bald heimlich glimmendes, bald hell aufloderndes
Feuer, oft unterbrochen und beeinllufst durch anderweite
Verwicklungen, namentlich für Sachsen durch einen vergeb-
lichen Feldzug gegen Luxemburg und hinfort durch den
verhängnisvollen Bruderzwist, für Brandenburg durch die
Kämpfe mit Pommern und in Franken. Es kommt zu schein-
bar ganz friedlichen Pausen, in welchen die alte Erbeinigung
erneuert werden konnte, sogar Beistand gegen die Feinde
des Rivalen geleistet und die Schwester des Sachsen dem
Brandenburger (1441) vermählt wurde; das alles hinderte
jedoch nicht, dafs man den Zankapfel fortwährend im Auge
behielt, bald schmeichelnd und streichelnd, bald rennend und
brennend vorging, bis endlich Zaudern und Zagen auf der
einen, Ergreifen und Wagen auf der anderen Seite die Ent-
scheidung brachte. Wenn der Volksmund (oder die Nach-
kommen) den einen der beiden Fürsten trotz seiner unauf-
hörlichen Kämpfe den Sanftmütigen (Placidus) genannt, den
andern aber den Eisenzahn, so läfst teilweise in diesen Beinamen
schon das Ergebnis des langen Streites sich voraussehen.
Ritter Nickel von Polenz hat frühe schon eine kampfes-
frohe Natur bekundet und ist durchaus keine unbedeutende,
zaghafte Persönlichkeit gfewesen; allerding-s der über alle
Mafsen schwierigen Lage, in die er jetzt geraten, keineswegs
gewachsen, wie er selbst sofort erkannt und auch bekundet
hat. Er wufste nur zu gut, wie unwillig die Grofsen des
Landes einem aus dem Dienstadel hervorgegangenen Land-
vogte als Herrn des Landes sich fügten, seitdem der eiserne
Polenz im Grabe ruhte; von der überkommenen Schulden-
last erdrückt, empfand er nur zu deutlich die Schwere der
Aufgabe ,, Schutz, Schirm und Befriedung des Landes" ohne
alle Hilfe durchzuführen und dabei seine Mündel vor dem
Schicksal zu bewahren, vielleicht als Bettler schmachvoll das
La;id räumen zu müssen. Wir wissen, dafs er diese seine
Empfindung keinen Augenbhck verhehlt, vielmehr mit gründ-
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 289
liciiem Nachweis wiederholt zum Ausdruck gebracht hat.
Die ihm dringend geboten erscheinende Anlehnung an einen
kraftvollen Beschützer hat Ritter Nickel zunächst in Branden-
burg suchen zu müssen geglaubt. Darob kann ihm ein Vor-
wurf kaum gemacht werden, um so weniger, als der eben
zur Regierung gelangte Markgraf Friedrich IL ein besonderes
Interesse gerade für die Lausitz hat merken lassen. Eine
im Berliner Geheimen Archive bewahrte Eingabe branden-
burgischer Agenten ist zwar undatiert^), sie ist jedoch offen-
bar Ende 1440 gefertigt, wie man aus den Personen der
Erbarmannschaft schliefsen darf, welche sie als gut branden-
burgisch gesinnt nennt und als solche, die zugesagt ,,das sie
mins hern Gnade gehorsam und gewartig sein wollen, als
unser man im lande zu Lusicz uf myns hern teyl''. Unter
d.esen Mannen wird auch Hans von Polenz genannt, des
Ritters Nickel älterer Bruder, der auf Beesdau safs, einem
seit langer Zeit schon in Händen der Lausitzer Polenze be-
findhchen Gute, das später an Nickels ältesten Sohn Kristofif
und dessen Nachkommen gelangte, erst am Ende des 18. Jahr-
hunderts an die von Thümen veräufsert wurde. Die Er-
wähnung beweist, wie damals die Lausitzer Polenze, nicht
der Landvogt allein, für das brandenburgische Interesse ge-
wonnen waren. Am 3. Januar 1441 stellte der Markgraf
Friedrich einen für die nächsten drei Jahre geltenden Schutz-
brief aus, in welchem ausdrücklich betont ist, wie der
Markgraf helfen wird, alle, welche sich dem Vogte
widersetzen und vom Lande losreifsen wollten oder
schon losgerissen hätten, auf eigene Kosten, doch
mit Hilfe der Lausitzer, zum Gehorsam zu bringen-).
Ritter Nickel erklärt in seinem Revers vom nämlichen Tage,
dafs für den gewährten Schutz jährlich zur Weihnacht
500 Gulden in Mittenwalde erlegt werden sollen, dafs er,
der Landvogt, dem Markgrafen zum Dienst und zur Hilfe
bereit sein werde, mit ganzer Macht oder solcher Anzahl
von Leuten, wie das seine Gnade von ihm begehren würde.
In wie engen Beziehungen zum Markgrafen Ritter Nickel
noch geraume Zeit nach Abschlufs dieses Vertrages stand,
folgt daraus, dafs wir ihn in den Sommermonaten des Jahres
1441 häufig im unmittelbaren Gefolge des Fürsten, als Zeuge
seiner Urkunden entdecken'*).
1) Geh. Staatsarchiv Berlin, Manu.scripta Bor. Bd. 306 S. 152.
•-) Dr.W.A. Log. 4353, Niederlausitz. Sachen BI.442. von Raumer,
Cod. cont. I, 165.
=) Riedel, Cod. dipl. Brand. B. IV.
2QO R- Frhr. von Mansberg:
Begreiflicherweise war man in Sachsen nicht wenig ent-
rüstet über das Vorgehen des Markgrafen von Brandenburg;
konnte man sich hier doch auf des Königs Albrecht Auftrag
berufen, den er bereits vor Tabor 1438 dem Herzoge Fried-
rich erteilt und in Presburg 1439 dem sächsischen Gesandten
wiederholt hatte ^), den Auftrag nämlich, das Land Lausitz
zu schützen und zu schirmen, wie es nun der Brandenburger
ohne höhere Genehmigung auf sich genommen. Da man
jedoch sächsischerseits versäumt hatte, eine schriftliche
Vollmacht sich auszubitten, so war vorderhand nichts weiter
zu tun, als um jeden Preis zu verhindern, dafs der Schutz-
vertrag nach Ablauf der drei Jahre wieder erneuert werde.
Übrigrens wollte Herzog Friedrich wenio^stens dem Ritter
Nickel von Polenz zu verstehen geben, dafs man das Haus
Sachsen nicht als quantite negligeable beträchten dürfe. Er
verlangte^) von ihm die sofortige Entrichtung von 500 Schock
Gr. auf Grund des vom Herzoge am 25. Juli 1436 mit weiland
Hans von Polenz geschlossenen Vertrags, betreffend den ge-
meinsamen Kriegszug gegen Peitz. Zwar entgegnete Nickel''),
dafs der Herzog nicht persönlich vor Peitz erschienen, und
das Schlofs ohne den unmittelbaren Beistand der sächsischen
Truppen erobert sei, allein die herzoglichen Räte wiesen
diesen Einwand damit ab, wie der Herzog ,,sine vehdisbrieve
von -ym hinweg geschigkt und sich mit volge und allen Sachen
gancz doreyn gericht, vor das sloz zu senden". Auch der
Markgraf von Brandenburg wurde ersucht, den Ritter Nickel
zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten anzuhalten, und der
Markgraf versprach (8. Mai), den Polenz zu einem Tage nach
"Wittenberg mitzubringen, um die Anforderungen an denselben
zu erledigen''). Leider kennen wir das Ergebnis dieses Brief-
wechsels nicht, der dem Ritter unbequem genug gewesen
sein mag; aber gewifs stehen damit in Zusammenhang die
um wenig später auf beiden Seiten der Grenze erfolgten
Raubzüge in die Pflege Hain und in die Herrschaft Senften-
berg, die wir leider auch nur andeutungsweise erfahren'^).
Im folgenden Jahre (1442) bereits machen wir die über-
raschende Wahrnehmung, dafs die Beziehungen Nickels zu
Brandenburg erkalten, dagegen neue Verbindungen mit Sachsen
n Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 71 b.
'■) Dr. Kop. I Bl. 284 und vorher Bl. 25.
«) Dr. Kop. I Bl. 284 b.
^) Weimar, Orig. vom 8. Mai 1441.
•'') Dresden, Orig. vom 18. Dezember 1442, und W. A. Loc. 4353
a. a. O. Bl. 485.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 291
angeknüpft werden. Der Vermittler war hier Wenzel von
Polenz, des Landvogts Vetter, der aus der Lausitz sich nach
Meifsen gewendet, schon 143 1 als Untervogt zu Dresden,
1437 als Besitzer von Knappendorf und Volkersdorf in der
Nähe von Dresden erscheint. Auf seine Mitteilung') einer
Rücksprache mit Ritter Apel Vitztum, dem Bevollmächtigten
der beiden Herzöge von Sachsen, entgegnete (26. März)
Ritter Nickel: ,,das es mynen vettern und mir ganz sinlichen
ist, das land zcu vorphenden vor unser gelt, wo wyr kunnen,
und hoffen den willen von unser gnedigen frawen der koni-
gyniien (Elisabeth, Erbin von Böhmen, Königs Albrecht Witwe)
wol brengen myt ander herren und frunde hulffe". Wirklich
erschien Nickel am 15. September in Schellenberg und er-
klärte dem Herzoge für sich und im Namen seiner Mündel:
„wie das sie das land, alz billichen were, nicht wol ge-
schviczen konden und sine Gnad gebeten, dornach zcu
stellen und an sich zu brengen". Hierauf ist dann ,,be-
theidingt und vorschriben, das dieselben voit und erben das
land zcu Lusicz an herczogen Fridrichen von Sachsen für
eyne sume geldes, dofur das land vorpfendet ist, komen lassen
wollen und sollen". Von seiner Reise nach Schellenberg m
die Lausitz zurückgekehrt, empfing Nickel die Meldung von
einer während seiner Abwesenheit ausgeführten Gewalttat,
die ihm einen Vorgeschmack dessen gab, was er von dem
brandenburgischen Schutze zu erwarten hatte. Der Mark-
graf hatte 30 bis 40 Reisige in die Herrschaft Peitz geschickt,
der Polenzische Hauptmann ihnen Schlofs und Stadt ver-
räterisch geöffnet, der brandenburgische Aar hatte eine Beute
ergriffen, die er nicht wieder fahren liefs. Foltsch von Torgaw,
dem die Herrschaft Peitz 1436 durch Hans von Polenz als
Pfand für eine Forderung von 2200 Schock Gr. überwiesen,
empfing später eine geringe Entschädigung vom Markgrafen
im Namen der jungen Polenze. Der ganze Vorgang liefert
ein anschauliches Bild von der Hilflosigkeit des Landvogtes
in einem quasi herrenlosen Lande. Am 25. September meldete
Ritter Nickel das ,,schelkliche und bösliche gebaren" dem
Herzoge von Sachsen mit dem bemerkenswerten Schlufs:
„Ab nu myn herre der marggraffe (von Brandenburg) von
den Sachen (dem Schellenberger Vertrage) icht dirvaren werde
und lichte vordir in dis land meynte zcu gryfifen, bitte ich
uwir Gnade als myn gned. liben hern, das widersteen unde
dis land unde mich in uwer Gnaden schucz zu neme unde
') Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 486 u. Bl 71b.
2Q2 R. Frhr. von Mansberg:
uns zcu vortedinge, nachdem alz ich von uwern Gnaden ge-
scheiden bin. Das wil ich uwer Gnaden dancken vor myner
gnedigesten frauwen der koniginne^)." Obwohl nun die
verwitwete Königin Elisabeth ihre Einwilligung zu dem Ver-
trage von Schellenberg erteilte, so machte doch ihr bald
darauf eintretender Tod (19. Dezember) die Abrede hinfällig.
Um so rücksichtsloser fuhr der Markgraf von Brandenburg
fort, die erlangte Schutzherrschaft entgegen dem Wortlaute
des darüber geschlossenen Vertrags im eigenen Interesse
auszubeuten. Am 9. Oktober 1442 nahm er Herrn Hans von
Wiesenburg mit Schenkendorf in seinen besonderen Schutz,
gleichzeitig oder wenig später auch den Schenken Friedrich
von Landsberg zu Teupitz, wie aus dem Wortlaut der Be-
stätigung des Leibgedinges seiner Ehefrau 23. Ajiril 1443
hervorgeht. Am 21. Oktober 1443 folgte die Erklärung des
Schutzes für Herrn Friedrich von Biberstein mit Beeskow
und Storkow und am 17. Dezember für Herrn Reinhard von
Kottbus betreffs seines Anteils an der Herrschaft Kottbus'-),
Wie der Markgraf solche Mafsnahmen in Einklang zu bringen
vermochte mit seinem Gelöbnis, nicht zu dulden, dafs zu-
gehörige Teile vom Lande gerissen würden, bleibt schwer
verständlich, denn nichts anders bezweckten diese Separat-
verträge, als ein Losreifsen der genannten Gebiete vom Lande
Lausitz, wie es auch die Folge bewiesen hat. Mit solchen
Verträgen in der Tasche konnte der Markgraf einem etwaigen
Nachfolger sehr unbequem werden, wenn möglicherweise die
Schutzherrschaft des ganzen Landes einem andern übertragen
werden sollte. Ritter Nickel von Polenz ist seitdem nicht
mehr im Unklaren gebheben, welche Bedeutung für das Land
der Schutz eines solchen Herrn eigenthch habe; wenn er
sich jetzt noch nicht förmlich von ihm los sagte, so unter-
liefs er doch die Entrichtung der dritten Rate des Schutz-
geldes im Dezember 1443 •^). Erneuert ist der Schutzvertrag
jedenfalls nicht, aber schwer zu erklären ist die Tatsache,
wie Nickel noch am i. August 1445 sich dazu drängen lassen
konnte, als Landvogt den erblichen Verkauf der Herrschaft
Kottbus mit aller geistlichen und weltlichen Lehenschaft an
die Markgrafen von Brandenburg amtlich zu bekunden*).
^) Dr. W. A. Loc. 4353 a a. O. Bl. 307 und 308.
-) Riedel a.a O. B. IV, 276; A. XI, 355; A. XX, 401. von Raum er,
Cod. cont. I, i66, 209.
^) Weimar, Orig.- Schreiben des Markgrafen von Brandenburg,
vom 16. Jvili 1444.
^) Berlin, Orig.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 20^
Allerdings ist es die letzte Handlung gewesen, die er im
Interesse der Brandenburger vorgenommen hat, und gewifs
nicht ohne Zwang. Seinem Unmut über die brandenburgischen
Gewalttätigkeiten Ausdruck zu verleihen, hat Nickel Polenz
sich hinreifsen lassen, ein Spottgedicht anzufertigen, das er
vertonen und .«fingen hat lassen, eine persönliche Beleidigung,
die ihm Markgraf Friedrich im höheren Grade verübelte,
als alle sonstigen Maisnahmen. Zwar hat er zunächst ver-
gönnt, dafs der Herzog von Sachsen Fürbitte für den bösen
Dichter einlege, dann aber sollte dieser in seinen, des Mark-
grafen, Hof reiten, persönHch Abbitte tun und Abtrag leisten,
d. h. soviel Strafe zahlen, wie ein von beiden Fürsten be-
setztes Gericht erkennen würde ^). Als Ritter Nickel wegen
einer Reise zum Kaiser nach Wien mit der Abbitte gezögert,
geschah der Rachezug des Markgrafen in die Herrschaft
Senftenberg; die in Rauch aufgehenden Dörfer, die Plünderung
des Landes bildeten die Quittung für die dichterische Leistung
des Herrn der armen Bewohner. Überdies nahm jetzt der
Markgraf lebhaft Partei für den unangenehmsten aller Polenz-
schen Gläubiger, den Abt zu Dobrilug, der nicht nur den
Bann und sonstige kirchliche Strafen wider sie verfügt hatte,
sondern auch beharrlich die 70 Schock Gr. jährlicher
Rente verweigerte, die er nach des Königs Befehl dem
Landvogte zu entrichten verpflichtet war. Seitdem waren
alle Fäden zerrissen, welche die Polenze an Brandenburg
knüpften, sie wandten nunmehr mit Ernst und Gründlichkeit
ihr Interesse den Sachsen zu.
Im Jahre 1446 erschien Ritter Nickel von Polenz mit
seinen beiden Vettern, von denen der ältere Jakob jetzt
mündig geworden, auf der Burg zu Meifsen vor dem Herzoge
Friedrich. Sie verweilten dort 14 Tage und schlössen eine
ganze Reihe von Verträgen ab, um vom Herzoge als ge-
kürten Schiedsrichter etliche Schiede richten zu lassen -j.
Als solcher bestimmte der Herzog zunächst (18. Mai), dafs
die Brüder das vom Vater ererbte Schlofs Senftenberg ihrem
Vetter Nickel um 1500 Schock Gr. in Pfand geben, der
ihnen dafür seinen Mitbesitz an Lübben überläfst, allerdings
unter der Bedingung, dafs die Brüder an Eidesstatt geloben,
nichts davon zu entfremden ohne Nickels Wissen und Willen.
1) Dr. W. A. Luc. 4353 a. a. O. Bl. 488.
2) Die sämtliclicn im folgenden Abschnitt skizzierten Verträge
vom 18. Mai bis i. Juni linden sich im Hauptstaatsarchiv zu Dresden
teils als selbständige Originalurkunden, teils im Wittenl)erger Archiv
Loc. 4353 a. a. O. Bl. 445—451, auch als Einträge in den Kop. 43 u 1317.
294 ^' ^^'^^' "^°^^ Mansberg:
Am 27. Mai versprachen die beiden Brüder und ihr Vetter
Ritter Nickel, das dem Herzoge Friedrich von ihnen empfohlene
Land zu Lausitz keinem anderen als genanntem Fürsten zur
Lösung zu überlassen. Aus einer Anlage zu dieser Urkunde
erfahren wir interessante Einzelheiten über die Schulden der
Polenze, die sich hier addieren zu der für die damalige Zeit
gewaltigen Summe von 10 837 Schock 19 Gr. (nach dem
Metallgevvichte etwa 270000 heutige Mark, mithin, bei der
mehr als zehnmal so hohen Kaufkraft des Geldes zu jener
Zeit, über drei Millionen Wert). Am folgenden Tage sprechen
die Brüder ihren Vetter Nickel los und ledig aller Geld-
schulden, womit er ihnen nach laut besiegelter Zettel ver-
haftet war, sie fügen hinzu, dafs ein Amtmann zu Lübben
nicht blofs auf sie, sondern auch auf Ritter Nickel vereidet
werden soll und niemandem Stadt und Amt übergeben darf
ohne Vollmacht des genannten Ritters^). Am 29. Mai bekennt
der Ritter Nickel dem Herzoge, in dessen Dienst er getreten,
das Öffnungsrecht am Schlosse Senftenberg mit dem Zusätze:
„Ich sal und wil auch mit ganczem ernsten fliess dorczu
thun an allen enden und steten, wo das not ist, das das
land Lusicz mit sinen zcugehorungen an mynen gnanten hern
von Sachssen kome und ym verschriben werde" usw. In
seiner Gegenurkunde vom selben Tage bekennt der Herzog,
dafs sein Diener Ritter Nickel sich mit dem Lande Lausitz
in des Herzogs Schutz, Schirm, Vertretung begibt, mit dem
Zusatz, wie er sich bemühen werde, dafs die jungen Polenze
,,bie narung blieben", wie er ferner seinen ganzen Einflufs
bei dem deutschen Orden geltend machen werde, auf dafs
der Vogt der Neumark Ersatz leiste für die aus der Lausitz
weggeführte Beute. Am i. Juni ordnete der Herzog die
Ansprüche der Gebrüder von Köckeritz (Nickels von Polenz
Schwäger) zu Drebkau, deren Vater dem weiland Hans von
Polenz 1080 Schock Gr. geliehen, welche Summe durch
hinterstellige Zinsen auf 1360 Schock angewachsen. Diesen
Verträgen folgte einige Tage später eine Beredung der
') Denen von Polenz zu Beesdau wurden für ihren Anteil an
Lübben 40 Schock böhmische Groschen von der königl. Rente der
Stadt Guben überwiesen. Zwar hat Markgraf Friedrich von Branden-
burg als Pfandherr der Lausitz diese Rente seinem persönlichen
Feinde Nickel von Polenz nicht entrichten lassen, indessen nach
Nickels Tode auf Bitten der Witwe (Elena von Köckeritz) und Kinder
zu einer Entschädigung sich herbeigelassen, indem für die inne-
behaltenen Renten in Summa 1300 rhein. Gulden der Familie zuge-
standen wurden. 1468, 11. November (Berlin, Rep. 28 Kop.).
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 295
Polenze mit den Bevollmächtigten des Herzogs ni Grofsen-
hain, aus der wieder interessante Streiflichter auf die an die
Stuternheim, Maltitz, Torgau verpfändeten Schlösser und Ge-
biete von Golfsen, Kalau, Peitz fallen; wir hören die über-
raschende Mitteilung: „Hoerswerda ist vorstorben und an
Jacoff undjacoflf in anfallswize komen." In die Lausitz zurück-
gekehrt, bekennen') die beiden Brüder (Lübben 11. August),
dem Herzoge Friedrich von Sachsen recht, redlich, unwider-
ruflich verkauft zu haben Schlofs und Stadt Senftenberg mit
allen Zugehörungen um 2000 Schock neuer schildechter
Meifsner Groschen, unschädlich dem Leibgedinge ihrer Mutter
(Margarete von Donyn, wieder vermählt an Otto von Kittlitz
zu Spremberg) sowie mit dem Vorbehalte, dafs der Herzog
selbst alles davon Verpfändete wieder zu lösen habe.
Aus jeder Zeile dieser Verträge tönt der Notschrei der
von ihren Gläubigern bedrängten Polenze, deren Schuldmasse,
durch hinterstelhge Zinsen lawinenartig anschwellend, not-
wendig zu einer Katastrophe führen mufste, Rettung um
jeden Preis schien ihnen geboten, von einer Bewahrung und
Beschirmung des ganzen Landes konnte kaum noch die Rede
sein, wie die Polenze rückhaltlos den Ständen der Lausitz
offenbarten. Etliche Herren, sieben an der Zahl (Donyn,
Kittlitz, drei Biebersteine, Ileburg, Wiesenburg) wandten sich
hierauf (24. August) an den römischen Kaiser als Vormund
des jungen Königs von Böhmen mit der Meldung ,,daz unser
voyt Er Nickel von Polenczk mit sampt seynen fettern by
uns gewesen seyn, mit clagen vorbrengende, wie sy daz
land zcu Lusicz umbe irer merglichen unde grosen not
willen nicht behalden können"-). Wenn sie der Meldung die
Bitte hinzufügen, das Land nicht von der Krone kommen
zu lassen, so oftenbart sich ihr dunkles Vorgefühl, dafs weder
die Zollern noch die Wettiner einen solchen Einflufs der
Grofsen auf äufsere und innere Politik, überhaupt solche
Übergriffe dulden würden, wie sie in den Ländern der
böhmischen Krone an der Tagesordnung waren. Befremdend
wirkt nun zunächst, wie Herzog Friedrich von den ihm
so bereitwillig dargebotenen Rechten gar keinen Gebrauch
machen zu wollen schien, allein man darf nicht vergessen,
dafs im vorigen Jahre der Bruderzwist im Hause Wettin
angehoben, dafs gerade jetzt (Anfang Juni) Herzog Friedrich
zu jenem Rachezug wider die Viztume rüstete, der so
*) Dresden, Kop. 13 17 fol. 62.
•-) Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 453.
2g6 R. Frhr. von Mansberg:
empfindlich seines Bruders Hochzeit (20. Juni) störte^). Vor
Rosla kam es zwar diesmal noch zum Stillstand durch Ver-
mittlung des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, wie denn
überhaupt in der ersten Hälfte des Bruderkrieges die Branden-
burger wiederholt als Friedensvermittler dahin gewirkt haben,
dafs der Zwist nicht die bösen Formen des späteren Verlaufs
annahm. Diese Sachlage hat wohl den Herzog bewogen,
überaus bedächtig die Lausilzer Frage anzuschneiden, denn
bei dem Charakter der Brandenburger Fürsten wäre eine
Besitznahme der Lausitz gewifs gleichbedeutend mit einem
völligen Bruch mit diesem Fürstenhause gewesen. Allerdings
machten die sächsischen Absichten auf die Lausitz diesen Bruch
unvermeidlich, es kam jedoch darauf an, einen für Sachsen
günstigen Augenblick wahrzunehmen. Zu dieser Erwägung trat
die eigene Geldknappheit des Herzogs, der etlichen Fürsten
Summen hatte entrichten müssen nur für die Zusage, still zu
sitzen bei dem Bruderzwiste. Er war nicht einmal in der
Lage, den bedungenen Kaufpreis für Senftenberg zu zahlen,
und der über den Kauf geschlossene Vertrag blieb vorder-
hand nur eine wohlverbriefte Anwartschaft. Vorsichtiger-
weise suchte man sich darüber zu vergewissern, auf wie viele
ur,d welche Anhänger in der Lausitz man zählen dürfe, und
und so erscheint denn am 4. Januar 1447 eine namentliche
Liste derjenigen, ,,so in myns hern von Sachssen schutcze vmd
vortheidinge sind"; unter diesen wird auch Hans von Polenz
zu Beesdau genannt , das Haus Polenz war mithin ganz in
das sächsische Lager übergegangen"-). Die Zahl seiner An-
hänger sowie die geschlossenen Verträge genügten dem be-
dächtigen Herzoge von Sachsen nicht, er glaubte noch
anderer einwandfreier Unterlagen zu bedürfen, bevor er zu
einer entscheidenden Tat zu schreiten gedachte. Den eigent-
lichen Rechtstitel sollte ihm sein Schwager, der Kaiser
Friedrich, liefern. Freilich von allen deutschen Kaisern war
gerade Friedrich derjenige, der es am wenigsten verstand,
das Ansehen der Reichsgewalt geltend zu machen; immerhin
glänzte der Nimbus des heiligen Reichs noch stark genug,
um seinem kaiserlichen Befehle Rechtskraft zu verleihen,
zumal dieser Kaiser des jungen Böhmenkönigs, des eigent-
lichen Herrn der Lausitz, Vormund war. Die Verhandlungen
mit dem kaiserlichen Schwager zogen sich in bedenkliche
^) Härtung Kammermeister, herausg. von Reiche, S. 79.
2) Dr. W. A. Loc. 4350 Brandbg. Sachen, Bl. igyaa; Loc. 4353
a. a. O. Bl. 61; Kop. 1317 fol. 51.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 2^y
Länge und wurden nicht ohne Mifstrauen geführt, wie es
bei dem kleinlichen Charakter dieses Kaisers erklärlich ist;
wiederholt glaubte man in Sachsen, er wolle die Lausitz für
sich selbst zu gewinnen suchen. Endlich am MichaeHstage
1448 erschien^) das kaiserliche Mandat, welches anknüpfend
an die Genehmigung der verstorbenen Königin Elisabeth den
Übergang des Pfandrechtes aus den Händen der Polenze
an den Herzog von Sachsen verkündigte und diesen als Ver-
weser bestätigte auf so lange, bis König Wladislaw oder
seine Erben die Wiederlösung vornehmen würden. Bald
nach des Kaisers Machtbrief traf auch sein Botschafter,
Ritter Reinprecht von Ebersdorf, ein , um als kaiserlicher
Kommissar die Ausführung des Mandates zu regeln. Beide,
Brief und Botschafter, erschienen zu spät, um noch von
unmittelbar praktischer Wirkung zu sein, denn inzwischen
waren die Würfel gefallen zu Gunsten Brandenburgs.
Selbstverständlich war den armen Polenzen mit dem.
sächsischen Zaudern und Zagen in keiner Weise gedient.
Im Laufe des Jahres 1447 erscheint Nickel wiederholt im
Meifsner Lande, wie wir aus den sächsischen Hofrechnungen
erfahren; zu seinen mündlichen Vorstellungen gesellten sich
bitterlich klagende Schreiben und Gesuche, den wichtigsten
aller Punkte, den Geldpunkt, nach Laut der Verträge zu
erledigen. Mit Anbruch des Jahres 1448 hatte die Hilf-
losigkeit der Polenze bis zur Unerträglichkeit sich gesteigert,
am 16. August warfen Nickel und Jakob der Ältere dem
Herzoge vor, wie die Verhandlungen mit seinen Räten zu
keinem bestimmten Ergebnis geführt, wie sie dadurch täglich
tiefer in Not gerieten: ,,so muessen wir vorsuchen, wo wyr
unser bestes gethun können, und bitten uwer Gnade, uns
hirinne nicht zu vordengken, wenne uwer Gnade unser not
dicke und vü von uns wol gehört"-). Wie genau der Mark-
graf von Brandenburg über die geheimen Abmachungen der
Polenze mit dem Herzog von Sachsen unterrichtet, hat er
diesem selbst offenbart. Als Herzog Friedrich unter dem
Vorgeben, seine gefangenen Untertanen zu befreien, Herrn
Wilhelm von Schonenburg 1448 überfiel, erschien im
sächsischen Lager vor der Veste Hoyerswerda am 19. Juli
der Markgraf von Brandenburg mit grofsem kriegerischen
Gefolge. Obermarschall Ritter Jorge von Bebenburg hat
^) Dresden, Orig. 7048.
-) Dr. W. A. Loc. 4343 a. a. O. Bl. i37d. e.; Loc. 4353 a. a. O.
Bl. 484 und 485.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. }. 4. 20
2q8 R. Frhr. von Mansberg:
die mündliche Verhandlung daselbst mit seinem Siegel zu
Protokoll gegeben^) nachgehends auf dem Tage zu Jüterbock
(15. Juni 1449):
Under andern reden hat myn herre von Brandenburg gesprochen:
„Lieber swager, wir haben verstanden, wie ir mit den von Polenczk
umb das land zu Lusicz viberkomen seyt und uch mit yn vortragen
und voreynt habt hinder uns, das, wir meynen, nicht sin solde,
nachdem wir uns vertragen, vereynt und einander zugesagt haben."
Daruff antwort ich, Jorge von Bebenburg, anstad und von bevelh-
nisse meyns gned. hem von Sachsen, er hette sich mit den von
Polenczk vereint, vertragen und das land umb sie gekoufft, uwirn
Gnaden und ym zu nvicze und zu gute. Nu uwer Gnade aber
veniieynt, das myn gn. herre das geverlich und uch zu schaden
getan habe, so wil er uwirn Gnaden die wale und kure geben, ab
ir das land alleyne behaldet vor uch selbst in alle der forme und
masze, als er mit den von Polenczk uberkomen ist und yn das
abegekoufft hat, ader wil das vor sich seibist behalden. DaraufF
fragt myn herre von Brandenburg, wie er mit yn uberkomen wer
und das land gekoufft hette. Do antwort ich uff: vor i4 ader 16 tusent
schok. Antwert myn herre von Brandenburg, das wer zuvyl, er wolt
is wol neher bekomen sin. Daruff antwert ich von myns hem von
Sachsen wegen, das Er Nickel von Polenczk, der were siner Gnade
gesworner rate, JacoÖ' und Jacoff sin hofgesinde und diener, und
wolde sie ye von dem lande ane gelt nicht dringen ader dringen
lassen, und ab das nicht wer, wolt er ader sust ymands von dem
Iren ane gelt nicht dringen. Daruff antwert m}!! herre von Branden-
burg, des geldes were ye zuvyl; was myn antwert: Senfftenberg
mit ingerechent, das myn herre erblich gekoufft hette. Daruff
antwert myn herre von Brandenburg, er hette syne eldisten rete nicht
bie vni und wolde sich danmib bedencken.
Sächsischerseits ist später behauptet worden, der Mark-
graf habe erklärt, binnen drei Wochen seine Entscheidung
bestimmt auszusprechen, allein dieser Behauptung haben die
brandenburgischen Räte entschieden widersprochen'-), vielleicht
mit Recht, denn der Markgraf hat in der Tat niemals die
Absicht gehabt, eine so hohe Summe zu zahlen. Er suchte
einen anderen Weg, der ihn billiger zum Ziele führte, und
er hat ihn gefunden. Ein überaus unkluger Streich der jungen
Polenze lieferte ihm dazu die Handhabe.
Am II. Oktober meldet'^) der ältere Jakob dem Herzoge
von Sachsen, wie er mit seiner Stadt Lübben in Zwietracht
geraten sei, dafs die Bürger (vermutlich die für Branden-
burg gewonnene Mehrheit) ,,groszen errethom gemacht wulden
haben" bezüglich der Polenzschen Gerechtsame an Stadt und
Land. Jakob habe nicht mehr zögern dürfen, sich nach
') Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 292 und Kop. 1317.
-) Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 145 b.
") Dr. W. A. Loc 4353 a. a. O. Bl. 471 und 472, auch Bl. 76.
Namenliste der Plünderer Bl. 89.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 299
Hilfe umzutun, wie es der Herzog näher von seinem jüngeren
Bruder mündlich vernehmen und entschuldigen werde. Dieses
Nähere erfahren wir aus dem amtlichen Berichte, welchen
am 12. Oktober der Landvogt, Mannschaft und Ratmanne um
und in Luckau, Guben, Kalau, Sommerfeld an den Herzog
Friedrich senden. Aller Wahrscheinlichkeit nach durch Ver-
mittlung Wenzels von Polenz zu Knappendorf hatten aus
dessen Nachbarschaft etliche Mannen, Bürger und Knechte
sich bewegen lassen, den Brüdern Polenz zur Hilfe zu eilen,
selbstverständlich gelockt durch die Aussicht auf reichen
Gewinn von diesem Kriegszuge. Die Stadt Lübben hatte
der Schar, die auf etwa 500 Köpfe beziffert wird, am 9. Ok-
tober die Tore geöffnet nach ihrer Erklärung, dafs sie zum
Beistande kämen wider den die Stadt befehdenden Herrn
von Bieberstein. Als nun der vielleicht verheifsene, jeden-
falls verhoffte Lohn den Abenteurern nicht wurde, haben
diese zu dem in der Lausitz damals beliebten Mittel gegriffen,
dem Auspochen, mit welchem technischen Ausdruck man
eine gründliche Ausplünderung bezeichnete. Die Stadt war
in ihren Händen, die Bürgerschaft gröfstenteils hinausgejagt.
Der Herzog von Sachsen wird deshalb in des Landvogts
Schreiben dringend ersucht, seinen Untertanen zu gebieten:
,,das sy unsers gnedichin hern des konigs stad unverruckt
entrewmen". Was nun weiter geschah, erfahren wir aus
dem Munde des Markgrafen von Brandenburg, dessen freilich
gefärbte Mitteilung an den kaiserlichen Botschafter, Ritter
Reinprecht von Eberstorff, dieser dem Herzog von Sachsen
zustellen liefs:
Uf sulch zcyt warn wir uff eyn wagen zcu ablas (d. h. gen
Wilsnack) gefarn-; so wir heym qwomen, wurden wir ersucht von
den inwonern des seibesten landes und hochlich ermanet: „Gnediger
herre, uwer Gnade stuere vind were dy grosse unfuge!" In der zeit
wir winczig der unser by uns hatten, sunder wir sterketen uns, so
wir best mochten, und belagerten mit unsern mannen und steten
beide tor (von Lübben). Under des schickte zcu uns unser swager
von Sachsen sin rete und lisz uns sagen, wir solden unsern vlisz
tun dorczu, er weldt uns helffen, was er mochte, und solden ym die
herusz geben, die sulch unfuge gethan hetten. Wir erkanten auch
wol, das dy stad faste wer, wir besorgitten uns, wir mochten die
ajie grosz arbeit und swer zcerung nicnt gewinnen. Wurden wir
rates, das wir den Polenczern vor sulch summe geldes, dy yn uflf
das land zcu Lvisicz verschoben was, dorumb ein ander gut
antaten unde yn das verschriben haljen. Do traten sie
uns das land abe und varjehan sich das. Nach solch abetretunge
haben wir uns das landes unterwunden und ingenomen^).
') Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 79.
OQO R- Frhr. von Mansberg:
Die letzte Zeile liefert den Schlüssel zu dem alle Welt
überraschenden Eingriffe der Brandenburger, der die
sächsischerseits mit unendlicher Vorsicht und Rücksicht ge-
sponnenen Fäden mit einem Schlage zerrifs. Zweifellos
liegt hier ein roher Gewaltstreich ohne jede Berechtigung
vor, vom politischen Standpunkt jedoch blitzschnelles Er-
kennen und gewandtes Ausbeuten einer über alles Erwarten
günstigen Gelegenheit, zumal der Markgraf seinem ent-
scheidenden Schritte alsogleich eine rechtliche Unterlage zu
geben verstand.
Am meisten von allen scheinen die beiden jungen Polenze
überrumpelt, wie geistesabwesend geworden zu sein, sie
hatten urplötzlich alles vergessen, was sie vor zwei Jahren
förmlich gelobt und verbrieft hatten, bei ihrer Jugend und
Unerfahrenheit liefsen sie widerstandslos sich zu allem herbei,
was man ihnen diktierte. Von ihnen liegen zwei Quittungen
vor im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin^); in dem Original
vom i8. Oktober, dem Tage der Einnahme von Lübben,
bekennen die Brüder, ihre Stadt und Schlofs Lübben ver-
kauft zu haben um lo ooo Gulden an den Markgrafen Friedrich,
in der zweiten vom 19. Oktober bescheinigen sie demselben
die Zahlung von 16 000 guten Schock Gr. für Überlassung,
Verkauf, Überweisung ihrer Gerechtigkeit an Herren, Prälaten,
Städte und Mannschaft des Landes zu Lausitz. Beide
Quittungen sind eitel Flunkerei, lediglich verfafst, um als
Besitztitel den Sachsen vorgelegt zu werden, diese vor eine
vollendete Tatsache zu stellen. Was den ersten Posten betrifft,
so empfingen die Polenze ganz gewifs nicht 10 000 Gulden,
wahrscheinlich nur 2700, denn um diese Summe wurde Lübben
vom Markgrafen sogleich verpfändet an den brandenburgischen
Ritter Hennig Quast''). Was den zweiten Posten betrifft, so
haben die Polenze überhaupt gar kein bares Geld für ihr
Pfandrecht erhalten, sondern ,,ein ander gut yn verschriben",
wie der Markgraf selbst dem Ritter Reinprecht von Eberstorflf
mitteilte. Dieses Gut bestand in dem Schlosse Sarmund
mit Zubehör (in der Mittelmark), über welches die Polenze
am 4. Mai 1449 ihren Revers gaben''^), ein Wertobjekt, das
ihren Erben mit 5000 Gulden abgelöst werden sollte, einer
Summe Geldes, die etwa 11 Prozent der in der obigen
Quittung genannten Abfindungsumme beträgt. Bemerkens-
1) Berlin, Orig. und Kop. 19 Bl. 149.
-) Berlin, Kop. 19 fol. 149 (Lösung am 17. November 1461).
'^) Berlin, Orig.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 301
werterweise haben die Brüder Polenz elf Wochen später
(3. Januar 1449) abermals bescheinigt'), 16000 Schock Gr.
empfangen zu haben vom Markgrafen für Überlassung der
von ihrem Vater ererbten Ansprüche auf die Lausitz und
für ihr Erbgut Senftenberg. Der letzte Zusatz beweist, dafs
ebenfalls diese (im Original noch vorhandene) Urkunde ein
ad hoc gefertigter Humbug war. Auch derjenige, welcher
Energie und Kühnheit der Politik des Eisenzahns anerkennt,
wird schwerlich Gefallen finden an den urkundlich verbrieften
Täuschungen im Punkte des Geldgeschäfts, fragen aber ward
jeder, wie es nur möglich war, dafs die tief verschuldeten
Polenze für einen wahren Pappenstiel ihre hohen Ansprüche
hingeben konnten. Eine Urkunde vom 27. April 1449 erteilt
uns die Antwort-): der Markgraf gewährt den Brüdern Jakob
und Jakob von Polenz einen merkwürdigen Geleits- und
Befreiungsbrief durch alle seine Lande, kein Gericht
darf ihrer Schulden wegen einen Prozefs wider sie
anstrengen oder überhaupt bekunden. Das bedeutet
nichts geringeres, als dafs die Brüder auf ein Mal ihrer unge-
heuren Schuldenlast los und ledig waren, denn kein Gläubiger
konnte sie erreichen, wenigstens nicht in den branden-
burgischen Landen verfolgen. Im Jahre 145 1 wird nochmals
eine Zahlung von 1000 rhein. Gulden registriert, welche Hans
von Bredow für den Markgrafen an die Brüder Polenz ent-
richtete, auch Foltsch von Torgaw hat von wegen seiner
Verw^andten Jakob und Jakob von Polenz 1449 seine knappe
Entschädigung für den Verlust der ihm verpfändeten Herr-
schaft Peitz empfangen'''), im übrigen ist keine weitere Ver-
gütung an die Polenze gereicht, jedenfalls nirgends registriert.
Der Markgraf von Brandenburg hatte mit ungewöhnUch
geringen Kosten das Ziel erreicht, nach dem er seit acht
Jahren strebte; in der Hauptsache haben die Polenzschen
Gläubiger und das Land Lausitz die Zeche bezahlen müssen,
indem auch für den Ritter Nickel von Polenz der Herzog
von Sachsen am i. Mai 1449 erklärte, wie er nicht dulden
werde, dafs jemand wider den genannten Ritter wegen der
für Jakob und Jakob von Polenz aufgenommenen Schulden
vorgehe"*).
So ganz glatt, wie des Markgrafen Bericht an Ebers-
dorf uns glauben macht, kann die Besitznahme der Lausitz
1) Berlin, Orig.
-) Berlin, Kop. 19 Bl. 23.
») Riedel a. a. O. A. XII, 369; Berlin, Orig.
*) Dr. Kop. 43, Bl. 112b und Loc. 4353 a. a. O. Bl. 457.
002 R- Frhr. von Mansberg:
am i8. Oktober doch nicht verlaufen sein. Wenigstens hat
der Landvogt Ritter Nickel von Polenz mit etlichen An-
hängern nicht ohne blutigen Widerstand das Feld geräumt,
was namentlich daraus hervorgeht, dafs er selbst dabei
schwer verwundet wurde und nach Luckau zu einem Wund-
arzte geschafft werden mufste. Bei dem Arzte hat er volle
drei Wochen darnieder gelegen, erst am 7, November konnte
er sich auf einem Wagen gen Senftenberg führen lassen^).
An seinem Schmerzenslager in Luckau erschienen bereits
am 20. Oktober die brandenburgischen Räte, Kammermeister
Jorge von Waidenfels und Heyne Pfuel, mit der Forderung,
sofort Senftenberg wieder abzutreten an seine Vettern Jakob
und Jakob, auf welche Forderung Nickel schriftlich erklärte,
dafs er zu diesem Abtreten bereit sei, sobald ihm die in
des Herzogs von Sachsen Ausspruch (Mai 1446) bedingten
1500 Schock Gr. gezahlt würden; die Räte haben ihm, wohl
mit Rücksicht auf seinen Zustand, eine achttägige Waffen-
ruhe zugestanden-). Der in Senftenberg als Nickels Ver-
walter hausende Vetter Wenzel hat einen offenbar auf-
gefangenen Brief, dann am 18, Oktober einen zweiten uns
erhaltenen Brief an den Herzog von Sachsen gesendet, in
diesem auf die ganze Gröfse der Gefahr hingewiesen, hierauf
sich in Person zu dem Fürsten nach Wittenberg begeben.
Am 19. Oktober meldeten die herzoghchen Räte, Ritter
Heinrich von Maltitz zu Finsterwalde und Hans von Köckeritz
zu Elsterwerda, die Einnahme von Lübben und die Absicht
der Brandenburger, demnächst vor Senftenberg zu rücken
,,das slos zu brechen. Gnediger liber herre, darumb so
sume uwir Gnade nicht und schigket uch hyczu". In einem
zweiten Briefe meldete Hans von Köckeritz; ,,das ich am
Suntage (20. Oktober) um eyns kegn Senftenberg bj-n komen
yn d}- vorstat und hette gehoft, ich funde Wenczelen von
Polencz da. Alze was her czu uwir Gnaden, alze s}^ mich
bericht haben. Ich derschrag is aber serre umb uwir
Gnade willen , denne ich furchte , d}' dyner syn dy halden
nicht hart bis an uwer Gnade czukunft. Darumb so schigket
Wenczelen er besser wider daher und trefft mit om eyn
ende, das Senftenberg an uwer Gnade kome"^). Herzog
Friedrich, dem jetzt der bittere Ernst der Lage klar wurde,
namentlich die Notwendigkeit, schleunigst das bedrohte Senften-
1) Dr. W. A. Loc. 4353 a a. O. ßl. 477.
2) Berlin, Orig.
'j Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 304 und Bl. 479.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 503
berg zu retten, schickte dorthin den Ritter Jan von Schleinitz
mit ausgedehnten Vollmachten. Dieser meldete bald nach
seiner Ankunft^), wie der Ritter Nickel ,, faste hart wund"
am 7. November dort auf einem Wagen eingetroffen sei,
worauf sofort die Verhandlungen wegen Übergabe des
Schlosses begonnen. Am 8. November erschienen die
sächsischen Kommissare, Ritter Heinrich von Bünau zum
Wesenstein und Hans von Köckeritz zu Elsterwerda, um mit
Nickels Bevollmächtigten, seinem Vetter Wenzel von Polenz
und seinem Schwager Hans von Köckeritz zu Drebkau, die
einzelnen Mafsnahmen und Bedingungen der Übergabe des
Schlosses mit allem Zubehör zu regeln, welche Übergabe in
aller Form am folgenden Tage vor sich ging-j. Der Vogt zu
Grofsenhain, der bereits auf Schleinitzens Befehl mit 12 Reisigen
herangetrabt war, wurde angewiesen, die Besatzung sofort
um 44 Trabanten zu verstärken, der Kammermeister Balthasar
Arras erschien am 11. November mit dem Gelde'^). Man
darf indes nicht glauben, dafs der letztere 1500 Schock Gr.
mitbrachte. Ritter Nickel hat aller Wahrscheinlichkeit nach
in Summa nur 1200 Schock empfangen oder den nämlichen
Betrag, um welchen ihm nachgehends wieder Schlofs und
Herrschaft Senftenberg vom Herzoge verpfändet wurde, aber
auch diese Summe keineswegs in barem, sondern ihm wurden
Schlofs und Herrschaft Wehlen um 1300 Gulden, Amt,
Gericht und Vogtei zu Grofsenhain um 1600 Gulden pfandweise
übergeben, mithin bar nur 300 Schock Gr. Und nicht
einmal diesen Betrag konnte der arme Kammermeister ihm
sogleich bar ausrichten; für das Gelöbnis, dafs am 26. Dezember
die fehlenden 100 Schock nachgezahlt wurden, mufsten Bünau
und Köckeritz sich verbürgen*).
Damit war wenigstens Senftenberg in zwölfter Stunde
noch für Sachsen gewonnen und zunächst vor einem Hand-
streich gesichert, keineswegs jedoch vor den Ansprüchen
des Markgrafen von Brandenburg, der sich bereits als Herrn
der Lausitz betrachtete und aus Kottbus am 2. Dezember
seinem Schwager schrieb'), wie er mit grofsem Befremden
in Erfahrung gebracht: ,,das ir Senfftenberg ingenomen habt
und sollichen irrethum mit etlichen copien königlicher brieve
fornemen lasset . . . doch wie dem, so bitten wir uch mit
') Dr. W. A. Log. 4353 a. a O. Bl. 289.
-) Dresden, Orig. 7405.
') Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 473.
*) Dr. Kop. 43 und Loc. 4353 a. a. O. Bl. 457, auch Dr. Orig.
•'-) Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 63 und 64.
304 R- Frhr. von Mansberg:
sunderm flisze, das ir uns sollichs sunder mehr ubirheben
und Senfftenberg abetreten wollet". In seiner Entgegnung
(5. Dezember) spricht der Herzog sein Erstaunen darüber
aus, wie der Markgraf sich habe des Landes Lausitz be-
mächtigen können. Der Herzog sei im Besitze der Briefe
kaiserlicher Majestät in Mundschaft des Erbherrn der Lausitz,
denen der Markgraf Gehorsam schulde vmd demgemäfs das
Land fördersamst abzutreten verpflichtet sei. Übrigens hätten
die Polenze Senftenberg erblich verkauft, worüber der Herzog
ihre Briefe und Siegel habe. Auf Grund der kaiserlichen
Ermächtigung hatte schon aus Wittenberg am 29. November
der Herzog von Sachsen alle Stände der Lausitz entboten
zu einem Tage am 17. Dezember in Senftenberg, und diese
Aufforderung wiederholt aus Herzberg 9. Dezember, beide
Male ebenso erfolglos, wie der schwache Versuch in der-
selben Richtung, den der Ritter Nickel von Polenz als Land-
vogt unternahm am 17. Dezember, ,,um des Königs Botschaft
und Befehle am 20. Dezember in Empfang zu nehmen". Den
gleichen Mifserfolg hatte des Ritters Reinprecht von Ebers-
dorf in Vollmacht des Kaisers erlassenes Aufgebot der Stände
zum 2. Februar nach Luckau; auf der dem Konzepte an-
liegenden Namenliste aller Herren, Mannen und Städte findet
sich die kleinlaute Bemerkung: ,,von dem Marggrafen von
Brandenburg gein Luckau zu ryten dohin heren, mannen,
prelaten und stete zcu vorboten . . . item die von Loben
(Lübben) haben dem marggrafen durch grosz gedrengkenisz
und tvvangk müssen eyne erbhuldunge thun"^). Am 9. Februar
mufste Ebersdorf traurig dem Herzoge von Sachsen be-
richten-), wie er vergeblich die Stände der Lausitz auf-
gerufen, sogar vergeblich um ein Geleit für den armen
verwundeten Nickel Polenz bei der Stadt Luckau geworben:
,,sie wollen sein in gein weisz geleiten noch ufnehmen". So
ungeheuerlich wirkte die Macht des Erfolges, vor der alle
Pergamente und Papiere zur Makulatur wurden.
Mit der Zusammenkunft sächsischer und brandenburgischer
Räte in Kalau am 21, Dezember „irrethumb umb das land
zcu Lusicz beyczulegen" beginnt eine Kette ebenso weit-
schweifiger wie unerquicklicher Verhandlungen'^). Ein zweiter
Tag ward anberaumt zum 20. Januar 1449 ^^^ Jüterbock, ein
dritter zum 9. März in Dahme, ein vierter zum 24. März und
') Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 65b und 66, 68b, 76b.
") Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 88.
8) Dr. W. A. Loc. 4353 a. a. O. Bl. 69, 91, 185, 292.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 305
ebenso ein fünfter zum 15. Juni in Jüterbock, endlich ein
sechster zum 7. Dezember in Aussicht genommen. Die
gegenseitigen Klagen und Rechtfertigungen, Vorschläge und
Abweise, überhaupt die wenig erbaulichen Reden und Gegen-
reden, mufsten ergebnislos verlaufen, schon deshalb, weil es
den Brandenburgern bei allen Verhandlungen lediglich darauf
ankam, Zeit zu gewinnen. Es galt die Kräfte zu sammeln
und zu rüsten für den drohenden gewaltigen Kampf mit den
Reichstädten in Franken und Schwaben, ein gleichzeitiger
Krieg mit Sachsen mufste deshalb schwere Bedenken erregen.
Keinen Augenblick haben die Brandenburger daran gedacht,
die mit Gewalt errungene feste Stellung ohne Gewalt wieder
zu räumen; wer darüber sächsischerseits noch im Unklaren
war, dem wurden die Augen unsanft geöffnet durch den
Bericht (vom 13. Juni) der sächsischen Räte, Ritter Jan von
Schleinitz und Hans von Köckeritz, welche der Herzog zum
Markgrafen sandte auf das Gerücht, dafs die Stände der Lausitz
zur Huldigung nach Kottbus entboten seien. In ausgesucht
höflichen Wendungen brachte Schleinitz seine Anfrage vor
bezüglich der Gelübde und Verpflichtung der Stände: ,,des
denn myn gned. herre in keynen zwivel setczt, uwer Gnade
neme sulch land in keyner ander meynunge yn, denn synen
Gnaden alse fulkomelichen zcu gute, als uch seibist,
nachdem als ir enander gewand syt unde sunderliche
underredunge mit enander habt gehad und noch had an-
treffende das land zcu Lufsnicz, und bitte uwer Gnade mir
das uf eyne gnedige antwurt zcu geben. — Als sprach syne
Gnade . . ., er weide uns morgen fru eyn antwert geben . . .
Also harreten wir faste lange, das wir konden vor syne
Gnade nye komen, bisz das syne Gnade dy manne darhinder
gerett hatte, das sye en vor e3aien voit hatten ufgenomen
und em gelobde dar zcu gethan. Da das gesehen was, da
lyfs uns syne Gnade vor sich heyfsen . . ," Auf die erneute
demütige Anfrage wie gestern empfing nun Schleinitz gar keine
Antwort, sondern nur die schroffe, herausfordernde Ab-
fertigung: „sal denn ye keyn gloube nicht syn und allewege
eyns geunczes (Gehunze), so syfs alse mer beczyte alse lang
gebeyt! Hier uf, gnediger furste, konde Hanse noch mir
nicht furder antwurt werden uff dy sachen, sundir sich
dirgaben sust faste wort, Sennfftenberg antreifende, das ich
iczunt lasze bestehen"'). Auf eine solche Behandlung seiner
Gesandten, auf eine solche offenbare Brüskierung hätte auch
Dr. W. A. Log. 4353 a. a. O. Bl. 135.
2o6 R- Frhr. von Mansberg:
ein Placidus, ein sanftmütiger Herr, zum Schwerte greifen
dürfen, ohne der Übereilung geziehen zu werden, aber leider
sollte noch ein volles Jahr verstreichen, bis man die ultima
ratio gebrauchte, zum grofsen unver windlichen Schaden des
Landes^).
Merkwürdigerweise war es der langsame, bedächtige
Kaiser, der zuerst das Wort ergriff im kriegerischen Sinne;
er mufs wohl tief verletzt sich gefühlt haben durch die
gänzliche Mifsachtung seiner Befehle. Er gebot am
26 Januar 1450 in je einzelnen besonderen Briefen allen
Reichsständen im Norden und Nordosten des Reiches, allen
Herzögen von Braunschweig, Mecklenburg, Pommern, Schlesien^
den Erzbischöfen zu Magdeburg und Bremen, den Ratmannen
und Bürgern der Hansestädte und überhaupt aller Städte in
Niedersachsen, Schlesien, Oberlausitz, alsogleich auf Er-
fordern des Herzogs Friedrich von Sachsen in das Feld zu
rücken wider den Markgrafen von Brandenburg, der sich
des Landes zu Lausitz ,,mit gewalt, ane und wider unsern
willen underwunden hat"-). Indessen hatte die Rührigkeit
und diplomatische Gewandheit der Brandenburger trefflich
verstanden, die ihnen arglos vergönnte lange Frist auf das
Ausgiebigste sich zunutze zu machen. Vertrauensvoll und
mit grofsen Verheifsungen hatte man sich dem alten Feinde
des Herzogs Friedrich, seinem Bruder Wilhelm, genähert und
ihn zunächst vermocht, dafs er seine Gemahlin Anna, weiland
König Albrechts Tochter, zwang, als Erbin des Königreichs
Böhmen und der dazu gehörenden Lande ihre urkundliche
Einwilligung^) zu dem brandenburgischen Pfandrechte der
Lausitz zu erteilen (10. Juli 1449). Das war ein arger Streich,
geführt gegen das eigene Fürstenhaus, aber er sicherte dem
Herzog Wilhelm die Hilfe der Brandenburger in dem heran-
1) Die keineswegs unparteiische Schrift von Albert Kotelmanii
(Gesch. d. alt. Erwerbungen der HohenzoUern in der Niederlausitz,
Berlin 1864) knüpft an den Vorgang der Huldigung (Seite 30) die
Bemerkung: „Unbegreiflich, dafs Herzog Friedrich nicht losschlug!
eben hatte der furchtbare Krieg der Markgrafen gegen die Städte
in Franken begonnen .... Dieser unglücklichen Politik des Zu-
wartens, welche die günstige Lage unbenutzt läfst, um eine noch
günstigere zu erlangen, dieser feinen Berechnung, die andern die
Arbeit aufbürden und mühelosen Gewinn einstreichen will, die es
nie zu einer frischen entscheidenden Tat bringt, mag er trotz vieler
Streitigkeiten den Beinamen des Sanftmütigen verdanken; ihm und
seinem Lande hat sie unendlichen Schaden gebracht."
2) Dr. W. A. Loc. 4331 Brandbg. Sachen Kaps. II Bl. 40 bis
inkl. Bl. 94.
3) Berlin, Orig. Dr. Kop. 48 fol. 158.
Der Streit um die Lausitz 1440 — 1450. 307
nahenden Höhepunkte des Bruderzwistes. Unter geschickter
Benutzung des alten und tiefen Grolls der Böhmen wegen
der ihnen verweigerten Ansprüche an sächsische Lande
wurden der Gubernator Podiebrad, der Herrenbund, die Mehr-
zahl der böhmischen Stände gewonnen, die nun ebenfalls
des Markgrafen Pfandrecht in der Lausitz anerkannten^). Man
gelangte jedoch weiter zu förmlichen festen Schutz- und
Trutzbündnissen, welche am 4. März 1450 in Sangerhausen
mit dem Herzoge Wilhelm, am 27. März in Wunsiedel mit
den Böhmen zugleich mit Herzog Wilhelm von Sachsen und
Herzog Otto von Bayern zum Abschlufs gelangten'-). Dunkle,
unheilschwangere Wolken ballten sich rings um den Herzog
Friedrich und das arme Sachsenland, vmi in der letzten
schrecklichen Phase des Bruderkrieges mit vernichtenden
Schlägen von drei Seiten her sich zu entladen. Winzig klein
war daseien die fremde Hilfe, die Herzog Friedrich zuteil
ward; eine handvoll Söldner, die der Ritter Nickel von
Polenz in Schlesien angeworben, eine kleine Schar Böhmen,
die der Strakonizer Bund, Podiebrads Gegner, gesendet'^).
Die hochtönenden Phrasen in des Kaisers Aufgeboten haben
keinen Bundesgenossen seinem Schwager, dem Herzoge, zu-
geführt.
Als Markgraf Albrecht von Brandenburg am 11. März
bei Pillenreut durch das Heer der Reichstädte eine schwere
Niederlage erlitten, hielt Erzbischof Friedrich von Magdeburg
die Brandenburger eher geneigt, auf eine Mäfsigung ihrer
Ansprüche einzugehen, daher eine neue Vermittlung für an-
gezeigt. In der Tat wurde diesmal ein Erfolg auf dem
Tage in Zerbst am 3. Juni erzielt ■*), die beiden feindlichen
Schwäger haben Zugeständnisse gemacht, freilich Sachsen
mit dem Vorbehalte der ,,vorwillunge unsers gnedigsten hem
des Römschen konigs". Vielleicht hat man in Sachsen an
diese vorwillunge des ergrimmten Kaisers nicht geglaubt,
vielleicht ist die ganze Abrede nur Komödie, nur Blendwerk
gewesen, jedenfalls wurde sie wieder zu eitel Schall und
Rauch, denn noch in demselben Monate begannen die Feind-
seligkeiten, begann ein mit allen Gräueln der Verwüstung
•) Palacky, Gesch. von Böhmen IV, 222.
'^) v. Raumer, Cod. cont. I, 226; Fontes rer. Austr. XX, 3.
') Dr. W. A. Loc. 4333. Rechnungslage des Vogtes zu Dresden
Juni — August.
*) Dr. Kop. 1317, Bl. 113; Kop. i, Bl. 170. Über die Verhand-
lungen zu Jüterbock, vgl. Dr. W. A. Loc. 4330, Brandbg, Sachen
Kaps. I Bl. 197 ff.
3o8 R- Frhr. von Mansberg:
wütender, schrecklicher Krieg. Schon am 18. Juni empfing
der Herzog Friedrich die Fehdebriefe der Thüringer^), und
schnell griff er zum Schwerte, um sich zunächst wieder auf
seine persönlichen Feinde, die Viztume, zu werfen; offenbar
schlecht unterrichtet durch seine Späher über die Sammlung
des brandenburgischen Heeres dicht an der sächsischen
Grenze bei Treuenbriezen. Dorthin wandte sich brieflich
(Weimar, 26. Juni) Herzog Wilhelm-) mit der Nachricht,
wie sein Bruder mit den Meifsnern in Thüringen eingefallen
sei: ,,ligt iczund uff eyn vierteil wegs von Wyniar bie unsim
dorfite Tanbech und leszet ane undirlas uff uns rynnen.
Darumb ermanen und bitten wir uwer Liebe abirmals als
vor ufs gutlichst mit ganczem flisse, ir wollet nochmals nicht
sumen, uff unsin bruder unleszlich zeihen, yn widerumb
angriffen, beschedigen und gedencken, yn heym zu brengen".
Hierauf (Treuenbriezen, 2 S.Juni) wendet sich Markgraf Friedrich'^)
brieflich an die Herzogin Margarete mit der Mahnung, ihren
Gemahl anzuhalten, dafs er Herzog Wilhelm nicht ver-
gewaltige. Diese Mahnung klingt sonderbar bei der Er-
wägung, dafs am selbigen Tage der Erzkämmerer Friedrich,
die Markgrafen Johannes, Albrecht und Friedrich der Jüngere
ihre Fehdebriefe an den Herzog Friedrich von Sachsen
abschickten ^j. Dieser Absage folgte alsbald der Einbruch
der brandenburgischen Scharen in das Fürstentum Sachsen,
die Städte Zahna und Beltiz fielen in ihre Gewalt, wurden
völlig ausgebrannt'^) und die ganze Umgegend verwüstet.
Herzogs Friedrich Heer hatte Thüringen verlassen
müssen, um sich gen Altenburg zu wenden, dessen Um-
gebung Herzog Wilhelm verheerte. Bei Gera näherten sich
zwar beide Heere, indes kam es nur zu Scharmützeln,
Wilhelm gab die Belagerung Geras auf, zog über Zeitz und
Pegau in die Gegend von Rochlitz, während ein Teil von
Herzogs Friedrich Heer eine Stellung zum Schutze Leipzigs
nahm. Der gröfsere Teil der Meifsner jedoch mufste ab-
schwenken gen Norden, um das Land zu retten, auf welchem
die erbliche Kurwürde ruhte; in der Nähe von Wittenberg
') Dr. W. A. Loc. 4351 Kriegssachen Bl. 54 ff.
2) Dr. W. A. ebenda Bl. 52.
") Ibidem Bl. 53.
') Dr. W. A. Loc 4331; Riedel, B. IV, 437.
■''') Magdeburger Schöppenchronik ed. Janicke S. 385. Dr.
Kop. 43: am 26. November 1450 verschreibt Herzog Friedrich der
Stadt Zahna auf drei Jahre das Stadtgericht und dessen Einnahmen,
dieweil sie der Markgraf von Brandenburg ausgebrannt.
Der Streit um die Lausitz 1440— 1450. 509
begegneten sich die feindlichen Schwäger, diesmal im
bittersten Ernste ohne jede Verhandlung, Sächsische Tapfer-
keit hatte hier wett zu machen, was eine kurzsichtige Politik
verfehlte, die Schärfe des Schwertes schlug besser durch,
als die Gründe unbeholfener Diplomaten, gab die Antwort
auf jene Herausforderung in Kottbus, denn die Sachsen ge-
wannen eine)i glänzenden Sieg. Mit knapper Not entkamen
die beiden Markgrafen üljer die Grenze, aber sie verloren
die meisten und besten ihrer Leute, welche teils erschlagen,
teils gefangen wurden. Eine durch spartanische Kürze
wirkungsvolle Registrande der sächsischen Hofkanzlei^) ver-
kündet, wie der hochgeborene Fürst, der Erzmarschalk
Friedrich ,,darnyder gelegt und gefangen abe beiden mar-
graven von Brandenburg am Dornstage nach Jacobi (30. Juli)
nachgeschriben hofelute und burger". Eine Liste gibt
die Nam^en der 52 gefangenen Herren und Edelleute (dar-
unter der Johannitermeister Herr Liborius von SchlielDen),
33 vornehme Bürger aus Berlin, Spandau, Brandenburg
usw'. Das war ein Lichtblick in jener düsteren Zeit und
,,des freute sich das ganze Land zu Meissen und sangen
Messen und lobeten Gott", wie uns Konrad Stolle er-
zählt'-). Der Sieg war von so entscheidender Wirkung, dafs
die Brandenburger kein zweites Mal die Grenze zu über-
schreiten wagten; vom Norden her war nichts mehr zu be-
fürchten.
Die für Sachsen ruhmreiche Schlacht ist auch um des-
willen beachtenswert, als sie die einzige wirkliche Schlacht
blieb im ganzen Verlaufe des widerwärtigen Krieges. Die
Heere der Thüringer, Böhmen und Brandenburger haben im
Süden der sächsischen Lande ausschliefslich einen erbarmungs-
losen Raubkrieg geführt, denn aufser einigen kurzen, zum
Teil vergeblichen Belagerungen haben sie keinen Kampf
wider ebenbürtige Gegner bestanden, sondern nur mit Mord
und Brand gewütet an wehrlosen Einwohnern oder einzelne
schwache Schlösser bewältigt. Wie in der gottlosen Hussiten-
zeit vor 20 Jahren haben manche Städte durch beträchtliche
Geldsummen sich loskaufen müssen von der drohenden Aus-
plünderung oder ihrem völligen Ruin. Herzog Wilhelm hat
1) Dr. Kop. 43. Riedel (Cod. dipl. Brdb. Suppl. S. 66) gibt ein
Verzeichnis der Brandenburger, welche im Jahre 1450 in sächsische
Gefangenschaft gerieten, erwähnt jedoch weder Ort, Ursache, noch
sonstige Umstände der Gefangennahme.
-) Vgl. Konrad Stolle, Memoriale ed. Thiele S. 261.
oio R. Frhr. von Mansberg:
sein Heer gewissermafsen spazieren geführt^), von der Saale
zur Mulde und von der Mulde zur Saale und wieder zurück,
überall die Brandfackel schwingend, Schlösser und Hälse
brechend ; dann , durch den aus Franken kommenden Mark-
grafen Albrecht von Brandenburg verstärkt, mufste er zum
Entsätze seiner Residenz Weimar eilen, die jetzt Herzog
Friedrich aufs neue bedrohte (Anfang September). Was den
letzteren zum Abzüge drängte, war die Nachricht vom Ein-
brüche der Böhmen in das Meifsner Land. Schauerlich war
der Anmarsch Podiebrads an der Spitze von 20000 beute-
gierigen Tschechen, nur langsam rückten sie vor, denn die
gründliche Ausplünderung des Landes verzögerte erheblich
den Marsch; über Wilsdruff, Lommatzsch, Döbeln, Mittweida,
Borna gelangten sie am i. Oktober vor Pegau, das sie 10 Tage
lang vergeblich zu erstürmen trachteten.
Zum dritten Male erschien Herzog Wilhelm vor Gera
und reichte hier seinen böhmischen Freunden die Hand,
während Albrecht von Brandenburg bei Weida lagerte'-).
Diesen drei Heeren gegenüber war der bei Chemnitz stehende
Herzog Friedrich zu schwach , um das belagerte Gera
entsetzen zu können. Am 15. Oktober erlag die unglück-
liche Stadt den vereinten Stürmen der Thüringer und
der Tschechen, welche sie nach Einnahme und Plünderung
den Flammen preisgaben. Die dabei von den Tschechen
verübten unmenschlichen Gräuel empörten selbst die starken
Nerven ihrer Alliierten; noch stärker jedoch wurden diese
verletzt durch die rücksichtslose Habgier, welche alle hohes
Lösegeld verheifsende Gefangene ausschliefslich für sich in
Anspruch nahm und solche nebst einer unermefslichen Beute
auf langen Wagenzügen aus dem Lande hinaus nach Böhmen
führte. Vornehmen und Niederen in beiden Heeren gingen
endlich die Augen auf, um jetzt das namenlose Elend der
erbärmlich zugerichteten sächsischen Lande nicht ohne
Schaudern würdigen zu können; die herzoglichen Brüder
insonderheit merkten endlich, wie tief sie in das eigene
Fleisch geschnitten, dafs es des Würgens nunmehr genug
sei , seitdem der Hauptanstifter Apel Viztum von Gera
sich fortgemacht, um in dem ausgeschriebenen Jubeljahre zu
Rom sich Ablafs seiner Sünden zu holen. Als nun die Räte
') Schöttt^en u. Kreysig, Diplom, et Script. I, 521 (Jovius):
Herzogs Wilhelm Brief vom 10. August. Härtung Kammer-
meister ed. Reiche S. io6f.
-) Vgl. Bertold Schmidt, Die Zerstörung ^ der Stadt Gera, in
derZeitschr. f.Thüring. Gesch. XVII, 31 ff. Archiv Cesky II, 45.
Der Streit um die Lausitz 1440—1450. 31 1
des Kaisers und des Reichserzkanzlers von Mainz mit
drohenden Friedensgeboten in beiden Lagern eintrafen,
fanden sie ein williges Ohr, und es kam im Felde bei
Crimmitschau am 23. Oktober zu einem Waffenstillstände
von längerer Dauer ^). Alsbald begannen in Naumburg die
Friedensverhandlungen, welche am 27. Januar 1451 im Kloster
zu Pforte zum Abschlufs gelangten. Zu unserem Thema gehört
es zu bemerken, dafs Sachsen im Besitze des erworbenen
Senftenberg blieb und zwar dauernd bUeb, während Branden-
burg des ihm bestätigten Pfandrechts an der Lausitz nur
ein Jahrzent sich zu erfreuen hatte, denn am 23. November 1461
sagten Prälaten, Herren, Mannen und Städte der Lausitz
dem Markrafen von Brandenburg den Gehorsam auf, da sie
wieder an König und Krone von Böhmen sich halten wollten-).
In dem Catalogus abbatum Saganensium^) finden wir die
bemerkenswerte Stelle: die Stadt Kottbus, bisher zum Teile
in des Königs (von Böhmen), zum Teile im markgräflichen
Besitze, kam im Gubener Frieden (5. Juni 1462) an den
Markgrafen, dafür erhielt der König ohne Entgelt zurück,
was sonst an jenen verpfändet war^).
1) Vgl. Riedel a. a. O. B IV, 457. Fontes rer. Austr. XLII, 34.
2) Weimar Reg. C, Bl. 19.
*) Stenzel, Script, rerum Siles. I, 345.
■*) Vgl. Adolf Bach mann, Die Wiedervereinigung der Lausitz
mit Böhmen, im Archiv f. österr. Gesch. LXIV, 295.
X.
Der Typus des Leipziger Studenten
im 18. Jahrhundert.
Von
W. Bruchmüller.
Wesentlich älter als die deutsche Universität ist der
deutsche Student. Die erste deutsche Universität wurde
bekanntlich im Jahre 1348 in Prag gegründet, woran sich
dann in rascher Folge in den nächsten Jahrzehnten weitere
Universitätsgründungen anschlössen, so 1365 Wien, 13 86 Heidel-
berg, 1388 Köln, 1392 Erfurt, 1402 Würzburg und endlich
1409 von Prag aus unser Leipzig. Später als die anderen
Länder der alten abendländischen Kultur, als Italien, Frank-
reich und England, war Deutschland zu der Errichtung von
Hochschulen auf seinem eigenen Boden gekommen. Aber die
gelehrten Studien hatten deshalb doch nicht bis dahin gänzlich
in Deutschland gefehlt. Ein verhältnismäfsig reiches geistiges
Leben war auch in Devitschland schon im 1 2. und 13. Jahrhundert
vorhanden, und es existierten eine Reihe berühmter Schulen,
wie z. B. in Erfurt und Trier; es fehlte nicht an ausgezeichneten
Gelehrten und an einer Menge von Scholaren, die nach
studentischer Weise lebten. Diese ältesten deutschen Studenten,
wie man sie unbedenklich nennen kann, mufsten nun, wie sie
schon in der Heimat gern von Schule zu Schule zogen, zur
Erlangung akademischer Grade über die Alpen nach den
italienischen Universitäten oder nach Paris wandern, so lange
es in der Heimat keine gelehrten Anstalten gab, die be-
rechtigt gewesen wären, solche Grade zu erteilen. Die Frei-
zügigkeit , die schrankenlose Wanderlust, die nicht ganz
Der T3'pus des Leipziger Studenten im 1 8. Jahrhundert. ßi^
selten die Grenze der Landstreicherei streifte oder gar über-
schritt, war das Hauptcharakteristikum dieser Studenten, das
sie einerseits von dem Geistlichen, dessen Gewand der
Scholar trug, deutlich genug unterschied, wie sie andererseits
das geistliche Gewand und der geistliche Charakter von der
übrigen Laien weit absonderte. „Halfpape", „Halbpfaffe" ist
die glückliche Bezeichnung, mit der das Volk schon damals
dieses Sonderwesen charakterisierte, das sich vom Geistlichen
wie vom Laien ebenso merklich unterschied, wie es von
beiden wichtige Wesenszüge mitbekommen hatte, denn der
älteste deutsche Student war seinem Stande nach Kleriker,
seine Lebensführung aber war, das lehrt uns vor allem seine
vielfach köstliche, frische und urwüchsige Poesie, zumeist
mehr als weltlich.
Die Loslösunor des deutschen Universitätslebens vom
geistlichen Stande, die durch die alte Freizügigkeit angebahnt
■war, hat sich dann weiter vollzogen. Sie ist keineswegs
eine Folgeerscheinung des Humanismus und der Reformation,
diese haben vielmehr die Entwicklung nur zum Abschlufs
gebracht. Auf den deutschen Universitäten hat niemals, wie
z. B. in Paris, der geisthche Charakter als Vorbedingung für
die Immatrikulation gegolten, wenn auch bei den Universitäts-
lehrern im 14, Jahrhundert der geistliche Stand wohl noch
die Regel gebildet haben wird und sich erst im 15. Jahr-
hundert die Ausnahmen von dieser Regel mehrten. Für
Leipzig z. B. haben wir eine ganze Reihe von Beispielen
für das Vorhandensein von Laien in dem Verbände der
universitas während des 15. Jahrhunderts.
Unter sich haben die deutschen Studenten, die nach
der Gründung der deutschen Universitäten durch den Weg-
fall des Zwanges, ins Ausland zu gehen wohl von selbst
einigermafsen sefshafter und weniger unruhig werden mufsten,
noch lange eine ziemlich konforme Erscheinung gebildet, die
noch immer äufserlich eine geistliche oder der geistlichen
ähnliche Tracht kennzeichnete. Wenigstens sind für uns
schärfere Sonderungfen bis zur Reformation nicht erkennbar.
Die humanistische Bewegung und die Reformation
räumten zunächst mit den Resten des geistlichen Wesens in
Kleidung und Lebensführung auf. Wir können das gerade
auch in Leipzig deutlich verfolgen. Die Studenten kleiden
sich weltlich und drängen aus den klösterlich organisierten
freilich vielfach auch verwilderten Bursen hinaus. Der frühere
Halbpfaffe wird im weiteren Verlauf dieser Entwicklung schier
zum ,, Halbsoldaten". Er hat in den wüsten Zeiten des
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. 3. 4. 21
314
W. Bruchmüller:
17. Jahrhunderts vielfach mehr vom Landsknecht als vom
Gelehrten in seinem Aufsern und in seinem Lebenswandel
an sich. Die Reformation aber bildete nicht nur weiter,
sondern sie schuf auch die erste scharfe Trennung, indem
sie das deutsche Studententum wie ja das gesamte Volk in
zwei scharf gesonderte Gruppen zerlegte. Der Student der
lutherischen und reformierten Universitäten scheidet sich von
jetzt an scharf von dem Studenten der katholischen Hoch-
schulen, denen bald der Jesuitismus sein charakteristisches
Gepräge für lange Zeiten aufdrückte. Mit dieser Zweiteilung
war freilich für die nächste Zeit die Individualisierung des
Studententums erschöpft. Die beiden nun vorhandenen
grofsen Gruppen blieben unter sich wieder für längere Zeit
ziemhch einheitlich. Ja die Uniformität der katholischen
Universitäten hatte auf lange hinaus unter dem bestimmenden
Einflufs der Jesuiten eine steigende Tendenz. Und auch auf
den evangelischen Universitäten lassen sich im 16. und 17. Jahr-
hundert schwerlich gröfsere charakteristische Abweichungen
von einander feststellen. Der Wittenberger, Leipziger, Jenenser
oder Frankfurter Student zeigen für diese Periode noch
keinerlei -von einander unterscheidende besondere Eigenart,
wie sie uns dann im 18. Jahrhundert mit der steigenden
Individualisierung der ganzen damaligen deutschen Gesell-
schaft und Bildung entgegentritt. Auf die Ursachen dieser
allgemeinen Individualisierung einzugehen, ist hier nicht der
Ort. Genug, dafs sich unter ihrem Einflufs allmählich auch
eine gröfsere Individualisierung der Studentenschaft der
einzelnen Universitäten ausgebildet hatte. Befördert wurde
diese Entwicklung dadurch, dafs die alte Freizügigkeit der
Studenten, die noch in der Zeit des Humanismus eine Neu-
belebung erfahren und die Form eines unruhigen, unsteten
Wanderlebens von Platz zu Platz gezeigt hatte, sehr stark
geschwunden war. Die Abweichungen in dem Studenten-
leben der einzelnen Universitäten wurden nun auch von den
Zeitgenossen deutlich empfunden, und man versuchte diese
Unterschiede deshalb jetzt in ganz bestimmte Formeln zu
prägen.
„Wer von Leipzig kommt ohne Weib,
Von Wittenberg mit gesundem Leib,
Von Jena ungeschlagen,
Der kann von Glücke sagen."
Dieser altbekannte, in mannigfaltigen Variationen im
Schwange gehende Spruch stellt wohl den verbreitetsten und
populärsten Versuch dar, den einzelnen gröfseren evangelischen
Der T3pus des Leipziger Studenten im 1 8. Jahrhundert. 31 e
Universitäten') einen bestimmten, jedem Platz besonders
eigentümlichen Typus des Studententums zuzuweisen. Die
Wittenberger und späteren Hallenser gelten zumeist als starke
Biervertilger und Rauhbeine — sit venia verbo — , die
Hallenser später auch andererseits wieder als frömmelnde
Mucker, die Jenenser als Raufbolde und die Leipziger als die
,,petits maitres" und Schürzenjäger par excellence. Fabricius
in seinem Werke über die deutschen Korps bringt auch eine
Illustration zu dieser Kennzeichnung nach einer Darstellung
in einem Stammbuch von 1765. Dort sehen wir vier
Studentengestalten in charakteristischer Tracht und Haltung,
die als Leipziger, Hallenser, Jenenser und Wittenberger be-
zeichnet sind. Der Leipziger tritt in wohlfrisierter Perrücke
auf, den Hut nach Modeart unter dem Arm, über ihm steht:
„In Leipzig sucht der Bursch die Mädgen zu betrügen."
Über dem Hallenser, der ein Buch unter dem Arm und die
Hände gefaltet hat, steht: ,,In Halle muckert er und seuffzet
ach! und weh!" Der Jenenser, der in Kanonen die Hand
am Degen in Ausfallsstellung erscheint, wird mit folgendem
bedacht: ,,In Jena will er stets vor blanker Klinge liegen."
Über dem Wittenberger endlich, der in der Rechten ein
Bierglas, gleich unserm Gosenglas, hochhält und in der
Linken eine umfangreiche Kanne trägt, findet sich verzeichnet:
„Der Wittenberger bringt ein ä bonne Amitie."^)
Dafs übrigens in den vielen Variationen der vorher
zitierten Reime, wie in anderen ähnlichen Versifikationen und
Klassifizierungsversuchen, wie schon erwähnt, die Gruppierung
») Auch Helmstädt, Halle, Tübingen finden sich in den ver-
schiedenartigen Fassungen genannt.
2) Ein hübscher Spruch über die Art und Weise, wie in Leipzig
die Studenten im 18. Jahrhundert zu leben pflegten, findet sich
übrigens auch, was bei dieser Gelegenheit erwähnt sei^am Schlufs
des dritten Stückes des 1769 erschienenen und im übrigen ziemlich
wertlosen: „Das nach der Moral beschriebene galante Leipzig in den
seltsamen Begebenheiten des Barons von C . . . . und seines Hof-
meisters". Dort heifst es an der genannten Stelle:
„Nichts kann gesünder seyn, als Morgens früh studiert,
Des Nachmittags geschmaufst. des Abends courtisiert;
Ist dann die Zeit zu kurz, so nehmt darzu die Nacht,
Und also wird die Zeit in Leipzig zugebracht."
Eine weitere Charakterisierung Leipziger Lebens zur Unter-
scheidung von anderen Städten möge ebentalls liier noch erwähnt
werden, wenn sie auch etwas vor unserer Zeit liegt und nicht direkt
auf Studenten allein Bezug nimmt Sie stammt ja wenigstens von
einem Leipziger Studenten, von Christian Weise, der seit 1660 in
21*
3i6 W. Bruchmüller:
der Universitäten schwankte und den einzelnen bald diese
bald jene von einander abweichende Hauptcharakterzüge zu-
geschrieben wurden, zeigt, wie ziemlich unzuverläfsig oder
nur relativ gültig diese Charakterisierungsversuche waren.
Ihre mehr oder minder grofse Berechtigung für die anderen
Universitäten hat uns hier nicht zu beschäfticren. Wir wollen
uns im weiteren allein auf unser Leipzig beschränken.
Leipzig ist die Hochschule, über die das Urteil der
Zeitgenossen und der Nachwelt hinsichtHch des charak-
teristischen Typus ihrer Musensöhne am wenigsten schwankt.
Der Leipziger Studio gilt, wie schon eben gesagt, als der
petit maitre, also das Modegigerl des 1 8. Jahrhunderts und
der Schürzenjäger par excellence. Diese Beharrlichkeit des
Urteils, dem nur gerade in Leipziger Darstellungen wider-
sprochen wird, läfst die Annahme nicht abweisbar erscheinen,
dafs dieser Urteilsbildung ein immerhin wichtiger und
vielleicht in höherem Mafse als bei anderen Plätzen be-
rechtigter Anlafs zugrunde lag. Trotzdem würde auch das
Urteil über Leipzig keine solche Allgemeingültigkeit ge-
wonnen haben, wenn es nicht in der schönen Literatur lür
immer festgelegt worden wäre. Zachariäs ,, Renommist" hat
den zarten Schäfer von der Pleifse in die Literatur ein-
geführt, und Goethes entsprechendes Urteil hat ihm hier
allgemeine Verbreitung und ewige Dauer verliehen.
Es fragt sich nun für uns, ob wir in dem „Pleifse-
schäfer" wirklich den allgemein und allein gültigen Typus
Leipzig studierte, und führt uns gleich einige der damaligen Bier-
sorten vor. Das hübsche Verschen lautet:
„Leipz'ger Breuhahn schmeckt mir nie.
Und das Rastrvmi ist noch schlimmer.
Aber Leipz'ger Frauenzimmer,
Das verlohnt sich noch der Müh!
Dieses macht auf meinem Munde
Manch versüfstes Zuckerspiel,
Dafs ich es in einer Stimde
Mehr als zehnmal kosten will.
Braunschweig darf sich ferner nicht
Auf die Mummen so befleifsen,
Denn die Mümchen hier in Meifsen
Sind was besser zugericht.
Breslau mag sich wohl befinden
Und im Schöpse lustig sein.
Doch die Schäfchen iSei den Linden
Gehen uns viel süfser ein."
Der Typus des Leipziger Studenten im 18. Jahrhundert. ^ly
für den Leipziger Studenten des 18. Jahrhunderts anzuerkennen
haben und ob dieser Typus ausschiiefslich für Leipzig
charakteristisch oder ob er nicht auch anderswo zu be-
merken war. Es fragt sich dann weiter, wenn wir zu einer
Verneinung dieser ersten Frage in vollem oder teilweisem
Umfang gelangen müssen, ob sich nicht neben dem ,, Petit
maitretum" in Leipzig noch andere typische Richtungen des
Studententums feststellen lassen, die viel mehr als gerade die*
des petit maitre für Leipzig ganz allein gültig und für unsere
Stadt kennzeichnend waren.
Es unterliegt keinem Zweifel, dafs im 18. Jahrhundert in
Leipzig unter der Studentenschaft ein stärkerer Zug zum
Petitmai tretum, zu einem geschniegelten und gebügelten
Auftreten herrschte, als etwa in Jena und Halle oder Witten-
berg. Die Beweise dafür haben wir bei Goethe in Dichtung
und Wahrheit und vor allem in Zachariäs Renommisten,
dessen Bekanntschaft im allgemeinen vorausgesetzt werden
darf Sylvan ist im Renommisten der charakteristische Ver-
treter dieses Stutzertums oder Pleifseschäfertums, wie ich es
kurz bezeichnen will, das von Zachariä in bewufster Form
dem Renommistentum an der Saale, in Jena und Halle, gegen-
übergestellt wird. Auch in Leipzig wird nach Zachariä ge-
kneipt und geraucht, dafs die Wände krachen. Hier wird
gelärmt und geprügelt; aber es sind die aus Jena vertriebenen
Burschen, die diese Heldentaten vollführen, und nach Halle
zieht der Renommist weiter, als ihm der Boden Leipzigs zu
heifs geworden, während im Gegensatz dazu der Typus der
Leipziger Studenten mit wohlgepudertem Schopf und in
seidenen Strümpfen einherläuft, nach Pomade und Parfüm
duftet, seine ,, Scharmante" umtänzelt und in puncto des
Degens sehr friedfertigen Anschauungen huldigt. ,,Armserger",
ruft der Renommist aus, als er in Leipzig angekommen:
,,in Leipzig bist Du nun?"
„Ja, hier wo Alles ruht, wird auch Dein Degen ruhn !
Wer wird Dich Renommist allhier zu nennen wagen.
Hier, wo man fast nicht weifs, dafs Bursche Degen tragen?"
Und Selinde ruft ihrem Verehrer Sylvan zu, der von Jena
gekommen, sich in Leipzig zum Stutzertum bekehrt hat, aber
sich doch am Ende entschliefst, sich im Rosenthal mit dem
Renommisten zu schlagen:
„Grausamer! nein Du Ijist in Leipzig nicht erzeugt.
Und eine Furie hat Dich mit Gilt gesäugt.
Oh hättest Du zu mir die kleinste Gunst getragen.
Und wärst ein Leipziger, Du würdest ihn — verklagen."
qiS W. Bruchmüller:
Der äufsere Aufputz eines Leipziger Stutzers wird uns
in den Versen geschildert, die die Morgentoilette Sylvans be-
schreiben, in denen sich nebenbei ebenfalls wieder ein Hin-
weis auf die Friedfertigkeit des Leipziger Studenten findet:
„Ein weifser seidner Strumpf umwickelte das Knie,
■ Der Schuh, ein Meisterstück von seines Schusters Müh',
Erhob in schwarzem Glanz mit Band besetzte Kanten,
Und Schnallen schimmerten von böhm'schen Diamanten.
Le Grand trat ins Gemach; ein lumpiger Franzos',
Doch in der seltnen Kunst das Haar zu kräuseln grofs.
Ein weifses Puderhemd llol's zu des Stutzers Pulsen,
Le Grand baut das Toupet und läl'st sich Locken schliefsen.
Ein dicker Staub von Mehl, der still im Püster lag.
Schiefst ungestüm heraus und trübt den heitern Tag.
Den weifsen Hals umgab ein schwarzes seidnes Band,
Das sich bei seinem Kinn in eine Scloleife wand.
Ein neuer Modesamt aus aschenfarb'ger Seide,
Voll Laubwerk schön gewebt, dient ihm zum Oberkleide.
Ein breitgewirktes Gold umgab der Weste Rand
Und Atlas hiefs der Stoff, aus welchem sie erstand.
Sie war noch prächtig neu; die Farbe glich den Lüften,
Wenn sie der Frühling leert von rauhen Winterdüften.
Ein schwarzer Atlas war der Hüften enges Kleid,
Das Uhrband schimmerte mit gold'ner Herrlichkeit.
Um seinen Degen war ein weifses Band geschlagen,
Zum Zeichen, nie damit ein Blutduell zu wagen.
Sein Rohr aus Indien ziert ein besonderer Knopf,
Aus Meifsner Porzellan ein Frauenzimmerkopf;
Der unbeseelte Thon sprach in das Aug Entzücken,
Der Reiz war auf der Stirn, der Muthwül in den Blicken.
So stellte sich das Haupt von Leipzigs Stutzern dar.
Es rauschte West' und Rock; es duftete das Haar,
Und um ihn her gofs sich, in süfser Atmosphäre,
Lavendel und Jasmin, der schönen Welt zur Ehre."
Können wir dieses Haupt der Leipziger Stutzer, dessen
prächtiger Aufputz uns hier geschildert wird, der sich einen
Diener hält, drei Stunden Zeit auf seinen Putz verwendet
und dessen Zimmer mit Spiegeln in goldenen Rahmen und
mit Gemälden auf ,, bunten Tüchern" geschmückt ist, für den
Repräsentanten der gesamten Leipziger Studentenschaft von
damals in Anspruch nehmen? Doch wohl ganz bestimmt nicht.
Der Hang zum Äufserlichen, zu einer gigerlhaften
Lebensführung, zu verliebten Spielen, zu einer Abkehr von
■dem Burschikos - Studentischen Jag allerdings ganz allgemein
in der Leipziger Luft jener Tage. Dem Leipziger durchweg
"wurde ein Hang zu leichter Lebensauffassung nachgesagt.
Die Messe, die Leipzig bereits damals trotz seiner Kleinheit
zu einer Weltstadt gemacht hatte, brachte das mit sich, sie
beförderte das dem Leipziger Volkscharakter vielleicht von
Der Typus des Leipziger Studenten im 1 8. Jahrhundert. ^ig
jeher innewohnende „Kleinparisertum", von dem Goethe im
Faust spricht und das schon in älteren Hterarischen Werken
in ähnhchen Ausdrücken gekennzeichnet wird.
Ein Leben, wie es Sylvan führt, war aber nur möglich
auf einer materiell recht gut gestellten Basis. Wir werden
also anzunehmen haben, dafs ihm sich nur studentische Kreise
hingeben konnten, die aus reichen und zum mindesten wohl-
habenden Schichten stammten, also etwa den Kreisen des
Adels und des begüterten Kaufmannsstandes. Es ist im
Renommisten nirgends direkt ausgesprochen, dafs wir es bei
seinen Schilderungen nur mit der Lebensweise Leipziger
adliger Studentenkreise zu tun haben. Es wird vielmehr dort
überall nur ganz allgemeinjenensertum und Leipziger Studenten-
wesen in Gegensatz gestellt. Trotzdem fehlt es in Zachariäs
Dichtung nicht an einer genügenden Andeutung, dafs Sylvan
speziell ein Vertreter der in Leipzig studierenden adligen
Studenten ist, die gerade im 1 8. Jahrhundert, in der Zeit des
krassesten Servilismus gegenüber den oberen Schichten, eine
sehr scharfe Schranke gegen die übrige breite Studentenwelt
abtrennte. Der Beweis dafür ist uns im dritten Gesang des
Renommisten gegeben. Dort sagt in der allegorisch vielfach
ausgeschmückten Weise des Gedichtes die Mode zu dem Putz:
„Geh hin, geliebter Putz, zum ersten meiner Söhne,
Der Stutzer Obersten, Sj'lvanen, dem die Schöne
Sogleich ihr Herz ergiebt, wenn seine Feder strahlt
Und hohen Stand und Geld die goldne Weste prahlt."
Die ,, strahlende Feder" ist uns ein sichrer Beweis da-
für, dafs Sylvan, der oberste der Leipziger Stutzer, zu den
adligen Studenten gehörte. Die Feder war nämlich ein Ab-
zeichen der adligen Studenten, das sie von den übrigen
Studenten unterschied. Wir haben dafür gerade aus Leipzig
eine Nachricht über einen Streit zwischen adligen und bürger-
lichen Studenten, der deshalb im Juni des Jahres 1698 ent-
stand, weil auch bürgerliche Studenten für sich das Recht
eme Feder am Hut zu tragen in Anspruch nahmen. Die
adligen Studenten sahen bald ein, dafs sie gegenüber der
Überzahl der bürgerlichen Studenten bei einem Austrag der
Zwistigkeit mit dem Degen, wie er anfangs auf dem Markte
versucht worden war, den Kürzeren ziehen mufsten. Sie ver-
fielen daher auf ein wirksameres Mittel, den Bürgerlichen das
Federntragen wieder abzugewöhnen. Sie legten selbst die
Federn ab und liefsen ihre Lakaien, Diener und Jungen reichen
Federschmuck auf dem Hute tragen und sie in diesem Auf-
zug sich ,,nachtreten". Dieser Schachzug veranlafste die
320
W. Bruchmüller:
büroerlichen Studenten bald, ihrerseits auf den Federschmuck
zu verzichten, und dieser wurde wiederum ein Kennzeichen
der adligen Studenten.
Der Adel fröhnte aber auch auf anderen Universitäten
einem stärkeren Luxus als die übrigen Studenten. Er mag
solchen Luxus gerade in Leipzig in besonderer Höhe und
Ausdehnung getrieben haben. Aber eine ausschliefslich auf
Leipzig beschränkte Erscheinung war das darum doch nicht.
Charakteristisch für Leipzig war es dagegen, dafs sich an
diesem adligen Treiben auch bürgerliche Kreise der Studenten
beteiligten, dafs sich zu der, nennen wir es einmal so, obersten
Schicht des Studententums auch gewisse nichtadhge Kreise
in Leipzig rechneten, die sich aus den reichen Kreisen der
kaufmännischen Welt Leipzigs und der übrigen damaligen
Grofsstädte Deutschlands rekrutierten.
Gerade aus diesen Schichten heraus wurde damals der
Gedanke ausgesprochen, dafs sich eigentlich die Universitäten
im alten Sinne überlebt hätten, dafs diese nur noch zur Er-
ziehunor der nötio;en Staatsdiener wünschenswert seien, und
dafs im übrigen zur Verbreitung einer wirklichen akademi-
schen Bildung nur noch Akademien ohne den Apparat
akademischer Grade und Würden und ohne die Erziehung
künftiger Staatsdiener und Lehrer notwendig seien.
Der Student Goethe, wie er uns in Dichtung und Wahr-
heit entgegentritt, zeigt uns diesen Typus des damaligen
Studenten besserer Kreise sehr genau. Er hat von dem
spezifisch Studentischen absolut nichts an sich. Wer von
dem jungen Goethe einen Aufschlufs über das damalige
Treiben der Studenten Leipzigs erhalten will, geht leer aus.
Ich brauche dafür nur auf die einschlägigen Stellen in Dich-
tung und Wahrheit, z. B. auf die absolut farblose Schilderung
des Studententumultes verweisen, dem Goethe ohne jede
innere Anteilnahme wie einem interessanten Schauspiel als
ein absolut Fremder gegenüberstand. Eine solche Stellung-
nahme bedingte eine starke, ja völlige Spaltung des Leipziger
Studententums in sich absolut fremd gegenüberstehende, von
einander gesonderte Kreise, die nirgends so deutlich wird,
wie hier und deshalb für Leipzig ein wirkliches Charakte-
ristikum bildet. Sie wird uns auch sonst bezeugt.
Hierüber heifst es in den 1787 erschienenen ,, Vertrauten
Briefen über den politischen und moralischen Zustand von
Leipzig" von Detlev Prasch (eigentlich Degenhard Pott), die
im allgemeinen ein leidlich zuverlässiges Bild von dem da-
maligen kulturellen Zustand Leipzigs geben, auf Seite 44 ff.:
Der Typus des Leipziger Studenten im 1 8. Jahrhundert. 32 1
„Wer an die lüntracht gewöhnt ist, in welcher auf andern
Universitäten die Studenten zusammen leben, einer Eintracht, die
oft so weit geht, dafs sie den schärfsten Gesetzen Trotz beut, der
mufs erstaunen, hier soviel gegenseitige Entfernung und Kaltsinn zu
erblicken. Der Adel, vorzüglich der Lief- und Curländische, die
Patriziersöhne aus Danzig und Hamburg und nicht selten auch viele
Inländer, die, durch Geburt oder Geld begünstigt, sich mit jenen in
Parallel stellen können, diese alle dünken sich über die ärmeren
Studenten so erhaben, als etwa ein römischer Consul über den
zeitigen Bürgermeister von Isny ist. Erhält nun vollends ein solcher
Geck, dessen ganzes Verdienst nicht selten blofs in Windmachen
und eitler Arroganz besteht, das Glück, mit auf der grofsen Assemble
figurieren zu dürfen oder zu einer Bekanntschaft in der Colonie ')
zu gelangen, dann kennt sein Stolz keine Grenzen, dann entsagt er
durchaus einem Umgang mit andern Studenten, die nicht so hoch
wie er vom Glück begünstigt worden sind . . . Der Fechtboden, die
Reitbahn, das Schauspielhaus sind ihre Hörsäle; auf dem Cafehause
studieren sie den Menschen, und bei schlüpfrigen Romanen, oder in
dem Umgange mit coquetten oder willigen Mädchen bilden sie ihr
Herz aus. So leben sie etliche Jahre im Taumel dahin . . . und so
kehren sie endlich, nach rühmlich zurückgelegter akademischer Lauf-
bahn, mit leerem Kopf, verdorbenem Herzen, geschwächter und nicht
selten gänzlich zerstörter Gesundheit des Körpers und Geistes in den
Schoofs ihres Vaterlandes zurück . . . Die von der Mittelclasse. die
weder so reich sind, dafs sie grofse Familienbekanntschaften unter-
halten können, noch so arm, um Niederträchtigkeiten begehen zu
müssen, haben wieder auf einen ganz andern, im Grvinde aber nicht
viel besseren Ton gestimmt . . . Die meisten suchen entweder mit
den ganz Reichen zu wetteifern, oder es sind steife Pinsels, die im
Pedantism leben und weben, ihr Brodstudium für das einzige wissens-
■würdige Ding halten und kein Fünklein Welt- und Menschenkenntnifs
haben. Die ganz Armen endUch sind im Grunde auch die Lüder-
lichsten ; bey ihnen herrscht noch die alte burschikose Fidelität, und
ihre Armuth macht sie so bettelstolz gegen solche, von denen sie
nichts erwarten dürfen, als sie polnisch kriechend gegen ihre hohen
Mäcene und Ciönner sind. Alle drey Classen sind übrigens gleich-
sam durch scharfe Grenzlinien von einander geschieden und der
public spirit, der noch in Halle, auch in Göttingen herrscht, ist hier
völlig verflogen. Daher selten ein Tumult, und wenn einer entsteht,
mehr Narrensposse als ernstliche Unruhe; daher die tiefe Submission
der Armen gegen die begüterten Einwohner der Stadt; daher zum
Teil der geringe Grad von Würdigung, der hier mit dem Begriff
Student (Geld tilgt diesen Begriff) verbunden ist."
Über die Feinheit des Tones unter den Leipziger Stu-
denten urteilt Prasch übrigens ziemlich skeptisch. Er steht
damit in der Leipziger Literatur des 18. Jahrhunderts durch-
aus nicht allein, und seine Äufserungen darüber scheinen mir
den Stempel innerer Wahrscheinlichkeit an sich zu tragen,
so dafs ich sie hier ebenfalls anführen möchte. Prasch schreibt:
') Gemeint ist die französische Kolonie in Leipzig, die als die
vornehmste Hüterin des feinen Leipziger Tones allgemein galt.
222 W. Bruchmüller:
„Dafs der hiesige Student sich durch Artigkeit vor den Zög-
lingen andrer Akademien auszeichnet, ist beinahe überall als er-
wiesene Wahrheit auf- und angenommen; allein wenn Artigkeit
mehr ist, als seinen Rücken etliche Zoll tiefer krümmen, den Hut
mit mehr Eleganz ziehen und einem Frauenzimmer die Hand mit
Anstand küssen; wenn Artigkeit mehr ist als dies: so kann ich
diesen Satz nur mit grofsen Einschränkungen gelten lassen. Ich
habe hier einige Vorlesungen besucht, und ich bin begaft und be-
lorgnirt worden, als wenn ich ein Orang-Utang gewesen wäre; ich
bin" im Schauspielhaufs gewesen und hibe mit Erstaunen gehört,
dafs die artigen Leipziger Studenten mit Pfeifen, Pochen und Ruhe-
rufen einen Lärm maditen, den der ungezrgenste Jan Hagel nicht
ärger hätte treiben können; ich habe gesehen, d fs wohlgekleidete
Leute jedem Frauenzimmer, ddS ihnen begegnete, mit einer boots-
knechtmäfsigen Insolenz ins Gesicht gukten, oder an die Barriere
der Promenade gelehnt, ganz laut Bemerkungen über die Vorüber-
gehenden machten, die weder Beweise ihres Witzes, noch ihrer
Lebensart waren; ich habe gesehen, dafs sauber gekleidete Frauen-
zimmer Abends von diesen Mustern der Artigkeit ohne Umstände
angeredet, und wenn sie sich dieser ungebetenen Gesellschaft zu
entziehen suchten, mit Hohngelächter verfolgt wurden; und wenn
dies Artigkeit ist, so weis ich wahrlich nicht mehr, was man eigent-
hch Unartigkeit nennen soll. Das aber habe ich bemerkt, dafs der
hiesige Student sich äufserst geschliffen beträgt: erstlich gegen
Mädchen und Weiber, von denen er eine Eroberung zu machen
glaubt, und dann gegen alle diejenigen, bey denen er Credit oder
Information, oder des etwas zu erlangen hott."
Die zweite der von Detlev Prasch hier erwähnten
Studentenklassen, die in der Erledigung ihres Brotstudiums
aufgehenden Musensöhne, gibt und gab es stets und allerorts
in grofser Menge und ihre Wesensart ist überall und zu allen
Zeiten die gleiche, sie kommen deshalb für die Prägung eines
besonderen Charakters einer Studentenschaft nirgends an sich
in Betracht, sondern nur indirekt, indem sie durch ihr
stärkeres oder geringeres Vorhandensein an einem Orte
dessen Charakter mitbestimmen helfen. In Leipzig haben zu
dieser Schicht vor allem gewifs die gröfste Zahl der säch-
sischen Inländer gehört. Sie machten im 17. und später
wieder im 19. Jahrhundert die weitaus breite Masse der
Leipziger Studenten aus. Im 18. Jahrhundert war dank dem
Rufe Leipzigs als Weltstadt zu ihnen wieder eine stärkere
Zahl NichtSachsen getreten, die zu einem grofsen Teil wohl
in die Reihe der besser situierten Studenten gezählt werden
müssen. So scheint damals Leipzig nicht gerade den scharf
ausgeprägten Charakter einer ,, Arbeitsuniversität" besessen
zu haben — um einmal einen modernen terminus technicus
vorwegzunehmen. In dem 1799 erschienenen ,, Leipzig im
Profil, einem Taschenwörterbuch für Einheimische und Fremde",
heifst es dazu S. 272: ,,Im Ganzen findet man unter den
Der T5'pus des Leipziger Studenten iin 1 8. Jahrhundert.] 323
hiesigen Studenten nicht den Fleifs, den man zu Halle, Jena
und Göttingen sieht, doch dürften sie leicht fleifsiger sein
als die Wittenberger, Das Preufsische Landeskind, das in
Halle Theologie studiert, geht mit zwei Jahren von der
Universität und nimmt dann ebensoviel Wissenschaft, wenig-
stens theologische, mit nach Hause als der, welcher bei uns
viertehalb und vier Jahre studiert hat." Ein ganz ähnliches
Urteil gibt die 1798 erschienene Schrift ,,Über Leipzig vor-
züglich als Universität betrachtet" ab. Dort heifst es (S. 31):
,,Wenn unter den Studierenden in Leipzig rühmlicher Fleifs
und Eifer im Forschen nach Wahrheit seltener als auf andern
Akademien gefunden werden, so ist diefs keineswegs dem
Mangel gelehrter Hülfsmittel, sondern blofs einem leidigen
nun einmal herrschend gewordenen Geiste der Indolenz,
welchen die vielen in Leipzig geöffneten Gelegenheiten zu
den mannigfachsten und kostspieligsten Vergnügungen noch
nähren, zuzuschreiben."
Deshalb verlangt der Verfasser, der dem Kaufmannsgeiste
der Stadt einen unheilvollen Einflufs auf das Leben der
Studenten zuschreibt, auch energisch eine Verlegung der
Universität von Leipzig etwa nach Weifsenfeis.
Der Einflufs der Leipziger Atmosphäre hat gewifs, wir
berührten das schon zum Teil, auf die Haltung der Leipziger
Studentenschaft und die Ausbildung ihres besonderen Charakters
sehr stark, freilich in wesentlich anderer Richtung, als es
„Über Leipzig vorzüglich als Universität betrachtet" will,
eingewirkt.
Die eben besprochene, vom Leipziger Wesen bewirkte
Spaltung der Leipziger Studentenschaft bedingte ihrerseits
wieder stärker als in kleineren Universitäten eine Abkehr
der Studenten von dem alten studentischen Treiben, der
„alten burschikosen Fidelität", wie Detlev Prasch es nennt.
Dafür haben wir vielfache Zeugnisse; so meint Anseimus
Rabiosus der Jüngere (mit seinem richtigen Namen Andreas
Georg Friedrich Rebmann) in seinen Wanderungen und
Kreuzzügen durch einen Teil Deutschlands in dem auf den
Leipziger Studenten bezüglichen Teil — ihn hat Wustmann
in einem Neudruck 1897 ^^^ herausgegeben — : ,,Da unter
den Studierenden in Leipzig keine solche Eintracht herrscht
als auf andern Universitäten, so findet man auch daselbst
keine Burschengelage, sondern jeder hat ein oder zwei Freunde,
mit denen er umgeht und die Vergnügungen geniefst, wozu
Denkart und Beutel ihn bestimmen." Derselbe Autor meint
weiter, dafs in Leipzig sehen Studentenaufzüge stattfänden.
324
W. Bruchmüller :
Andere Stimmen erwähnen übereinstimmend das seltene Vor-
kommen von Studententumulten und das Schwinden der
Duelle, worüber freilich keine Einigkeit herrscht, was sich
leicht daraus erklärt, dafs hierin wohl tatsächlich mehrfach
ein Wechsel sich geltend gremacht hat.
In dem 17. Jahrhundert war auch in Leipzig das Studenten-
leben ein wildes und rohes so gut wie in Jena und Witten-
berg gewesen. Der Pennalismus herrschte hier ebenso un-
einoreschränkt wie auf den übrigen deutschen Hochschulen.
Es liegt nicht in unserer heutigen Aufgabe, das hier näher
zu belegen und darzustellen. Man braucht aber nur die
Annalen des alten Johann Jakob Vogel durchzublättern, um
von der Wildheit des studentischen Treibens in Leipzig
während jener Zeit eine sehr deutliche Vorstellung zu ge-
winnen. Durch scharfes Eingreifen der staatlichen Behörden
war man endlich im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts des
Pennalismus in der Hauptsache auf den evangelischen
Universitäten Herr geworden. Während aber trotzdem auf
andern Universitäten wüe in Jena und Wittenberg das
Studentenleben viel von seiner alten Wildheit und Roheit
beibehalten und sich die alten burschikosen Formen und ein
enger Zusammenhalt der Studentenschaft untereinander er-
halten hatten, waren in Leipzig mit dem Pennalismus auch
die burschikosen Formen des Studentenlebens und der eigent-
liche Zusammenhang der Studentenschaft, wir sahen schon
weshalb, mehr geschwunden. Es wurde das bedingt eben
durch den Umschwung in dem Gesamtleben der Stadt, der
sich seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts bemerkbar
machte und Leipzig immer mehr zu einem Mittelpunkt des
Handels und der feinen Sitte wie der Literatur w^erden liefs.
An solchen Mittelpunkten kann sich — wir sehen das' noch
heute — das Studententum nicht in solcher Abgeschlossen-
heit und Eigenart erhalten wie in kleinen Orten, in denen
die Universität der einzige Faktor von Bedeutung ist. Trotz-
dem war auch in Leipzig nicht jeder Rest alten burschikosen
Treibens geschwunden. Es waren auch nicht nur Jenenser,
die hier nach Renommistenweise lebten, wie Zachariä in
seinem Heldengedicht glauben machen will. Die alten lands-
mannschaftlichen Organisationen hatten den Sturm gegen
den Pennalismus und das Nationenwesen auch in Leipzig
überdauert. Wir haben für ihr Fortbestehen schon aus den
achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts wieder deutliche Zeug-
nisse. Man duldete sie wieder, weil man sie doch nicht ganz
entbehren konnte. Einen beherrschenden Einflufs haben sie
Der Typus des Leipziger Studenten im 18. Jahrhundert. 325
freilich in Leipzig während des 18. Jahrhunderts ebensowenig
zurückgewonnen, wie die im 18. Jahrhundert entstehenden
Studentenorden, von deren Wirksamkeit in Leipzig wir wenig
genug wissen, was für ihre relative Bedeutungslosigkeit spricht.
Fabricius in seiner schon genannten Schrift über die deutschen
Korps weifs uns von Leipziger Landsmannschaften des i S.Jahr-
hunderts nur während der Zeit des später noch näher zu er-
wähnenden „Mesenkrieges" etwas mitzuteilen. Damals ent-
standen in Leipzig wieder einige solcher Verbindungen, die
sich durch natürliche oder künstliche Blumen an den Hüten
unterschieden. Unter diesen werden besonders Mecklenburger
mit ihrem Senior von Maltzahn^) genannt. Aber im Herbst
wurden die Kokarden und Blumen verboten, und es scheint,
als ob auch die Landsmannschatten selbst wieder schlafen
gegangen wären. Der bekannte Abenteurer jener Zeit Fried-
rich Christian Laukhard erzählt in seiner Lebensbeschreibung,
es habe in der Zeit von 1780 — 1790, in der er selbst in Leipzig
war, dort keine Verbindungen gegeben, nicht einmal Paukereien,
über deren Wiederaufleben andererseits ,,Über Leipzig vor-
züglich als Universität betrachtet" am Ende des Jahrhunderts
Klage führt. Fabricius weist aber aus den Aufzeichnungen
des Esthländers von Rosen, der 1780 — 1782 in Leipzig
studierte, eine Landsmannschaft der Livländer nach, zu der
auch die Esth- und Kurländer gehörten und deren Mitglied
von Rosen war. Die Landsmannschaft war von einem Grafen
Sievers gegründet und trug scharlachrote Uniformen mit
grünem Kragen und Stahlknöpfen. Die Stärke belief sich
auf etwa 30 Mann. Die Behörde erzwang bald das Ablegen
dieser Uniformen. Dann ist bis zum Beginne des 19. Jahr-
hunderts von Landsmannschaften in Leipzig nichts mehr zu
hören. Gelegentliche Bildungen scheinen eben stets nur Ein-
tagserscheinungen gewesen zu sein, die keine dauernden
Lebensspuren hinterlassen konnten. Auch von den Orden,
die seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts der bisher
einzig herrschenden Form studentischen Korporationswesens,
der landsmannschaftlichen, das Leben schwer machten, haben
wir in Leipzig nur wenig Spuren. So wurde 1768 hier von
einem Mecklenburger Brückner (also auch in der Zeit des
Mesenkrieges) ein Orden gegründet, den Fabricius als einen
Vorgänger des Amicistenordens bezeichnet. Logen hatte
dieser Orden in Leipzig, Jena und Halle. Die Leipziger
Loge, der — charakteristisch für Leipziger Verhältnisse —
') Wir sehen auch hier wieder die führende Rolle des Adels.
5 20 W. Bruchmüller:
nicht nur Studenten, sondern auch Offiziere, Beamte, Bürger
und Kauf leute angehörten, hiefs ,,Harmonia". Ihr Bestehen
bezeugt uns noch 1787 ganz kurz Detlev Prasch'). Dort
heifst es, nachdem eine bürgerliche Gesellschaft Harmonie
erwähnt ist: ,, Unter den Studenten soll eine ähnliche Gesell-
schaft seyn, deren inn're Einrichtung mir aber unbekannt ist:
nur das weifs ich, dafs sie die Strafgelder, welche von denen,
die wider die Gesetze gestrauchelt haben, einkommen, zu
Werken der Wohlthätigkeit verwendet; und schon dadurch
ist sie ehrwürdiger, als die elenden litterarischen Klubbs auf
Universitäten, die, wenns hoch kömmt, die Buchhändler um
einen Ballen Makulatur reicher machen." Eine Rolle im
studentischen Leben scheint demnach die Harmonie kaum
gespielt zu haben.
Aber gerauft und gezecht ist auch in Leipzig im 18. Jahr-
hundert von den Studenten worden, und selbst an gröfseren
gemeinsamen Aktionen wie Tumulten hat es bekanntlich nicht
ganz gefehlt. Zeugnisse dafür finden wir in Johann Salomon
Riemers Leipzigischem Jahrbuche, einer Fortsetzung des
Vogelschen Werkes für die Jahre 1714 — 1771.
Ich kann auf das dort zu unserer Frage beigebrachte
Material hier nicht ausführlicher eingehen und erwähne des-
halb nur, dafs Riemer für diese Zeit über mehrere Duelle
mit tötlichem Ausgang berichtet und über gröfsere und
kleinere Tumulte, aufser aus dem an Tumulten reichen kriti-
schen Jahre des vielerwähnten ,,Mesenkrieges" 1768 noch
aus 1721, 1725, 1743, 1748 (zweimal) und 1771 Mitteilungen
macht. Der Auflauf am 14. August 1748 ist deshalb erwähnens-
wert"), weil hier wieder ein Versuch auftaucht, besondere
studentische Abzeichen, diesmal nach Fakultäten, anzulegen.
Die Theologen sollten violette, die Juristen karmoisinrote, die
Mediziner grüne Kokarden tragen. Der Versuch mifslang
gründlich. Es fehlte an jeder Organisation, und der vor dem
Schwarzen Brett zusammengelaufene studentische Haufe wurde
von den Häschern auseinandergetrieben und bekam Schläge
auf die Hüte statt der erhofften Kokarden. Einen wirklich
gefährlichen Charakter für die öffentliche Ordnung und Sicher-
heit haben diese Tumulte, eben weil der Zusammenhalt zu
stark fehlte und die Bewegungen nicht von der gesamten
Studentenschaft, sondern nur von einzelnen Kreisen getragen
1) A. a. O. S. 178.
-) Er wurde wegen des Degentragens der Kaufdiener und
Perrückenmacher inszeniert.
Der Typus des Leipziger Studenten im 1 8. Jahrhundert. ^27
wurden, freilicli, abgesehen vielleicht von dem Mesenkricge,
den ich später bespreche, nicht mehr angenommen.
Über das weniger starke Hervortreten des Studenten in
Leipzig wie über sein geselliges und Kneipenleben besagt der
Verfasser des bereits genannten ,, Leipzig im Profil":
„Die Studenten werden in Leipzig weniger bemerkt als in
andern minder bevölkerten und minder reichen Umversitäts-Städten . . ,
mit Unrecht aber würde man hiervon auf eine sittlichere Auffühnuig
der Studenten schliefsen: Das Einzige ist, dafs da mehr burschikoser
Geist herrscht, wo die Studenten gewohnt sind, sich nur untereinander
selbst zu sehen; wir geben übrigens zu, dais dieser Geist nicht gar
heilsamlich ist. Die Leipziger Studenten, im Ganzen genommen,
fallen weder durch ihre Tracht noch durch ihr äufserliches Betragen
so auf als die Hallenser und Jenenser, es bleibt aber darum die grofse
Frage, ob es mehr gesittete und sittlich gute Menschen unter ihnen
giebt? Sie mögen höflicher seyn, das liert in dem Charakter der
Nation; mancher treibt es bis zur kriechenden Unterwürfigkeit; ein
Zeichen eines niedrigen Gemüths bei einer armseligen Lage. Zu
seiner Zeit wirft auch ein solcher mit Knoten und Philistern um sich
und brüllt sein Gaudeamus auf der Kirmefs zu Eutritzsch trotz seinem
Herrn Bruder von Wittenberg; ja man wird es auf andern Univer-
sitäten nicht so leicht erleben, dafs sich zehn oder fünfzehn zech-
und schreilustige Brüder zum Landesvater niedersetzen und mehr
als 200 andre christliche Leute von ihrem Vergnügen aufscheuchen,
wie wir das auf der Funkenburg oft genug sehen können. Zu
Tumulten ist der Leipziger Student ebensowohl aufgelegt als ein
anderer, nur meint er es damit nicht so ernstlich. Das meiste von
der Art pflegt alsdann in den Hundstagen vorzufallen. Da jammern
die armen Stadtsoldaten und seufzen ob der giftigen Influenza des
Hundsterns, denn an ihnen will man das Müthchen kühlen, um des
leidigen Thorgelds willen, davon doch diesen frommen Leuten so
wenig zu Schulden fallen kann, als dem Setzer von den Sünden des
Autors."
Der Torgroschen bildete um deswillen so oft ein Streit-
objekt zwischen den Musensöhnen und den Hütern der öffent-
lichen Ruhe und Ordnung, weil die Dörfer um Leipzig herum
auf die Studenten eine grofse Anziehungskraft ausübten, da
man sich in ihnen freier und ungebundener gehen lassen
durfte. Die von Wustmann in seinem Leipziger Bilderbuch
geschilderte und abgebildete Leipziger Studentengeographie
mit ihren scherzhaften Kennzeichnungen der einzelnen ,, Bier-
dörfer" gibt von dieser Vorliebe der Leipziger Studenten für
das ländliche Bieridyll deutliches Zeugnis').
') Die Leipziger Studenten- Geographie ist ein von einem Theo-
logen erfundener Scherz, den er in den 70 er Jahren einem Freunde
ins Stammbuch zeichnete und der von damit manchen Abweichungen
weiter verbreitet wurde. Die Geographie wurde endlich von dem
Maler und Studenten der Mathematik Capieux für den Kupferstich
gezeichnet und wurde als solcher im Sommerhalbjahr 1773 heraus-
328
\V. BnichmüUer:
Freilich war dieses Dorfid}-!! der Leipziger Studenten nicht
immer ungetrübt, die Handwerksgesellen, mit denen der Leip-
ziger Student von Alters her in scharfer Fehde gelegen hatte
— es sei nur an den berühmten Schusterkrieg aus dem 15. Jahr-
hundert erinnert — , zogen dem Studenten auf das Land nach
und machten ihm hier das Feld streitig, oder die Bauern
machten von ihrem Hausrecht Gebrauch und gerieten sich
mit den übermütigen Studenten in die Haare. Riemer in
seinem schon genannten Leipzigischen Jahrbuche verzeichnet
mehrere solcher Zusammenstöfse, wobei die Studenten oft
nichts von der Feinheit des Leipziger gesellschaftlichen Tones
erkennen liefsen, sondern sich zumeist sehr roh und wild auf-
führten. Die bei Riemer aus den Jahren 1768 und 1769 ge-
schilderten Vorgänge sind beide Male fast die gleichen. Die
Studenten rücken nach dem Vogelschiefsen in hellen Haufen
vor eine Kneipe, drängen die Handwerksgesellen in die Enge
und demolieren bei der entstehenden Prügelei oder wohl auch
ohne eine solche in tollem Vandalismus alles, was nicht niet-
und nagelfest ist. Ein ganz entsprechender Vorgang, der
schon nach Riemers Zeit liegt, ist satirisch in einem 1777
anonym und ohne Angabe des Erscheinungsortes veröffent-
lichtem Büchlein geschildert, das ziemlich unbekannt geblieben
zu sein scheint, wenigstens findet sich dieses kleine Epos in
vier Gesängen ,,Das Lindenauische Treffen bey Leipzig. Ein
Heldengedicht" (56 Oktavseiten) in Goedekes Grundrifs, so
viel ich gesehen habe, nicht verzeichnet. Die Arbeit ist eine
ziemlich traurige Leistung ohne Anschauungs- und Darstellungs-
gegeben, aber auch sofort konfisziert. Das Bild zeigt Leipzig mit
seiner Umgebung, darunter die Verse:
„Die Lage einer fremden Gegend kennen,
Der Städte Pracht und ihre Nahmen nennen,
Ist nichts, ist blofse Theorie,
Allein in Städten hübsche Mädchen küssen,
Des Dorfes Bier und seine Stärke wissen,
Ist praktische Geographie."
Die Rückseile des Blattes bringt zu einer Reihe der verzeichneten
Orte in der Umgegend, die für den Studenten gewisse Bedeutung
besafsen, launige Anmerkungen. ]\Iit solchen sind versehen Brand-
vorwerg, Connewitz, Eutritzsch, Gautsch,Golitz. Kohlgarten, Lindenau,
Möckern, Plagwitz, Raschwitz, Rosenthal, Reidnitz, Schönefeld,
Stötteritz, Thonberg, Grofs- und Klein- Zschocher. — L-nter Kohl-
garten heifst es: „eine immerilüfsende Quelle und Erquickung grund-
triebiger Kuchenmusen. Die Carawanen dahin sind bekannt." —
Unter Rosenthal: „Die schönste Promenade um Leipzig, Freylich
giebt es auch viele moralische Eber darinnen, doch dafür kann
das gute Rosenthal nicht — — — "
Der Typus des Leipziger Studenten im 1 8. Jahrhundert. ^^29
kraft, in sehr holprigen Versen. Mit grofser Weitschweifigkeit
schildert sie zunächst den Auszug Leipzigs zu Fufs und Wagen
nach der Vogelwiese und das Treiben auf dieser, wo am
letzten Abend des Festes ein Feuerwerk abgebrannt wird.
Inzwischen hat in einem Wirtshaus in Zschocher ein Schwärm
Studenten dem Bachus geopfert. Dicke Tabakswolken lassen
kaum vermuten, dafs sich in dem Räume Menschen aufhalten,
„wofern nicht ein Vater des Landes
Unter dem Vorsitz des tapfersten Trinkers wäre erschollen".
,Jeder wackere Bursche entfesselt sich hinter dem Tische,
Reifst den durchlöcherten Hut von der stehenden Spitze des Degens,
Greift mit eiliger Hand nach den ruhentlen Spanischen Waffen,
Gleich steht der muthige Führer des Heers mit blinkendem Messer,
An der Spitze des schon drei Mann hoch geordneten Zuges.
Alle geweihete Hüte werden mit Büschen gezieret,
Und, vivat sequens zum Feuer^verk! schallfs durch die Glieder."
Das erwähnte ,, blinkende Messer" in der Hand des Führers
ist der Degen eines Stadtsoldaten, aufserdem wird der
,,Zschochersche Raufer", ein alter in dem Wirtshaus zum
Gebrauch für den Landesvater aufbewahrter Degen, mit-
geführt. Überdies mit ihren spanischen Rohren bewaffnet,
rücken nun die Studenten zum Feuerwerk auf die Vogelwiese.
Auf dem Marsche werden ,, Gaudeamus igitur" und ,,Sagt mir
ihr Musen etc." bald als Soli, bald ,, harmonisch mit vollen
Hälsen" gesungen. Mit dem Ruf: ,, Knoten weg! Bursche
h'rein! Platz! Knoten weg! Bursche hVein! Platz! Platz!"
dringt die Schar auf den Platz des Feuerwerks und erschreckt
die Schar der Philister. Dies und ein plötzHcher Platzregen
mit Gewitter treibt die Zuschauer zu eiliger Flucht, die
Bursche aber wenden sich nach Lindenau, in ihrer Begleitung
auch ,, gefällige Mädchen". In dem Wirtshaus zu Lindenau
ist der untere geräumige Saal bereits von dem ,, Erbfeind",
den Handwerksofesellen besetzt. Der Wirt weist deshalb den
Studenten ein höher gelegenes kleineres Zimmer an. Diese
drino-en aber gewaltsam in den unteren Saal ein. Auch hier
schallt der Kriegsruf: „Knoten weg! Bursche hVein!" Die
,, Knoten" werden in eine Ecke gedrängt, die Tische zusammen-
geschoben, und es beginnt ein Kneipgelage mit fröhlichen
Liedern: „Lustig sind wir, lieben Brüder — " und ,,in Sani-
tätern omnium! Sa! Sa!" Die in die Ecke gedrückten
Handwerksgesellen scharren dazu mit den Füfsen, legen sich
schliefslich aber aufs Bitten, und es wird ihnen ein kleiner
Tanz erlaubt, die Musik dazu aber sofort wieder mit Singen
unterbrochen. Das Fufsstampfen der enttäuschten Gesellen
gibt Anlafs zum Beginn der Prügelei, in der schliefslich trotz
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIX. 3. 4. 22
530 W. Bruchmüller:
des Deofens des Stadtsoldaten die Handwerker die Oberhand
behalten. Der Lärm des Kampfes hat die Bauern mit dem
Richter und Schoppen auf das Schlachtfeld gerufen, sie be-
setzen die Ausgänge und dringen in den Saal, in dem mit
Tischen, Stühlen und Bierkrügen gekämpft wird. Das Er-
scheinen der Schoppen ist das Signal zur Flucht durch die
engen Fenster:
„Hüte und Spanische Waffen bedecken das wimmelnde Schlachtfeld,
Tobacks-Köpfe und Röhre entfallen im dichten Gedränge,
Einer stürzt über den Andern hin, und mit Schlägen versehen.
Reifst er, entblöfst und entwaffnet, mit sich die Menge herunter."
So gestaltet sich der Heimweg der geschlagenen Schar,
von denen auch einige in den Händen der dörflichen Häscher
geblieben sind, bei strömendem Regen zu einem traurigen
Rückzug nach dem geliebten Zschocher. Schlimm ist es
auch den begleitenden Mädchen gegangen:
„Zwar sie verwandelte Circe nicht, gleich wie die Gefährten
Des Ulysses, in Schweine; aber was oben dem Reize
Eines bezaul^ernden Mädchens glich, fiel vmten in einen
Häfslichen Fisch aus. Schuh, Coefturen, Cornetten und Bänder,
Schnupftücher, Spitzen, Manschetten, Mantiljen, Schleifen und Streife,
Blumensträufser und Flittergold deckten die schmuzigen Pfade,
Und der blinde Fufs der kommenden Menge vermischte
Alles Gepränge mit fliefsenden Wassern und dicken Morästen.
Selbst Dämon errettete nur die verwandelte Ph^llis,
Nicht den zierlich gesticketen Schuh, im Sumpfe vergraben,
Nicht die köstliche Haube von der wiegenden Pappel.
Alles wandelte fort mit einem Schuhe und Strumple,
Mit entblöfsetem Haupt und — bitterlich thränendem Auge."
Der Studententumult von 1768, von dem uns Goethe in
Dichtung und Wahrheit erzählt, ist auch sonst mehrfach ge-
schildert worden. Recht oberflächlich z. B. in ,, Leipzig nach
der Moral beschrieben" im Anfang des zweiten Stückes,
Ausführlicher bei Riemer. Sehr lebendig schildert uns die
Vorgänge eine kleine Darstellung, die von beteiligter stu-
dentischer Seite stammt und deshalb natürlich parteiisch ge-
färbt ist, sie gibt uns dafür aber einen hübschen Einblick in
das Empfinden der damaligen Leipziger Studenten. Das
Schriftchen betitelt sich: ,,Der Musen-Krieg zu Leipzig vom
Monat Julio. In dem Schreiben an einen Freund." Frank-
furt und Leipzig 1768. Was der Schrift an Richtigkeit der
Darstellung abgehen mag, ersetzt sie für uns durch das
Kolorit, das uns bei unserer Aufgabe das Wichtigere ist.
Der Typus des Leipziger Studenten im 18. Jahrhumlert. 3 ■51
Als Grund der Unruhen wird das Streben angegeben, die
alten studentischen Rechte, die man gänzlich habe beseitigen
wollen, zu erhalten. Ein Mandat des Rektors habe die Ver-
übung von Tumulten, d. h. die alte Gewohnheit des Vivat-
rufens auf der Strafse, mit Relegation bedroht. Als Antwort
auf die Veröffentlichung des Mandates hatte der gröfste Teil
der Studenten am nächsten Abend um ^/„g Uhr dem Stadt-
kommandanten ein Vivat gebracht. Bei dem dritten Hoch
tauchte in der Strafse, der Katharinenstrafse, die Schar der
Häscher auf und forderte die Studenten zum ruhigen Nach-
hausegehen auf. Ein Pereat und ein Regen von Steinen war
die Antwort von studentischer Seite. Die Häscher zogen sich,
gefolgt von den Studenten, zurück, die vor dem Wachlokal
ein Pereat nach dem andern ausriefen und die Gegner zum
Angriff reizten. Ein Ausfall der Häscher wurde nochmals
zurückgeschlagen. Kurze Zeit nach diesem Tumult kam es
wegen des berühmten Torgroschens zu neuen Reibereien.
Diesmal mit den Stadtsoldaten, den sogenannten ,,Mesen",
daher den Unruhen der Name des ,,Mesenkrieges" beigelegt
wurde. Unsere Schilderung erzählt folgendes über Entstehung
und Verlauf des Streites:
„Eines Abends gehen sieben Stvidenten durch das Thor, von
welchen einer, der vom Gelde entblöfst war, ohne Zahlung durch-
zukommen suchet . . . Sie wurden gleich alle auf das feindseligste
angefallen; die ganze Wache umringte sie. Sie entblöfsen hierauf
ihr^ Degen und wollen durchdringen. Viere entspringen auch glück-
lich, allein dreye wurde (') arretiret und den folgenden Tag auf den
Universitäts-Karcer gebracht."
Zu diesen Gefangenen gesellte sich noch einer der Ent-
sprungenen, der einen der Torwächter durch die Hand ge-
stochen hatte und verraten worden war, sowie zwei weitere,
die ebenfalls ohne Erlegung des Torgroschens durch das Tor
gedrungen sein sollten. Die Verhaftungen hatten zur Folge,
dafs an den folgenden Abenden die Stadtsoldaten bei dem
Zapfenstreich von den Studenten verhöhnt wurden. Ihr Haupt-
mann, der ,, Geldwechsler", also Bankier Frege wurde nun be-
schuldigt, die Stadtsoldaten zu Gewalttätigkeiten gereizt zu
haben. In gröfserer Zahl als gewöhnlich und durch die Stadt-
knechte verstärkt, griffen diese am vierten Abend einen Trupp
Studenten mit dem Bajonett an und verwundeten mehrere
Musensöhne gefährlich. Ein Gegenangriff der verstärkten
Studenten wurde abgeschlagen, dabei wurden ebenfalls mehrere
Studenten verwundet und gefangen. Auch später wurden
noch durch eine Patrouille mehrere Ausschreitungen verübt.
Am andern Morgen um 10 Uhr rückten die Studenten vor
^3 2 W. Bruchmüller:
das Haus des Kommandanten, um Satisfaktion zu fordern.
Die studentischen Abgesandten verlangten Arrest für den
kommandierenden Leutnant und weitere Genugtuung. Diese
Forderungen wurden bewilligt. Auch vom Rektor wurde
Genugtuung und Freilassung der Gefangenen gefordert und
bis 2 Uhr nachmittags zugesagt. Um i Uhr hatten sich auf
dem Markt mehr als looo (?) Studenten versammelt, und diese
zogen um ^j^z Uhr durch die Ha3^nstrafse , den Brühl und
die Ritterstrafse vor das Versammlungslokal des Senats, vor
dem die Arrestanten vernommen und nach ungefähr i ^/^ Stunden
alle bis auf ,, einen Juda, welchen niemand verlangte", frei-
gelassen wurden. In feierlichem Zuge und bester Ordnung
ging es dann zu vier in einer Reihe nach dem Kuchengarten.
Hier findet grofse Verbrüderung der meisten durch das Hospi-
tium statt. Nach einem Aufenthalt von etwa zwei Stunden
geht es in gleicher Ordnving und mit Musik in die Stadt
zurück. Vor dem Hause des Rektors wird ein ,,Vivat ad
interim" gerufen, dann gehts auf den Markt, hier wird noch
einmal ein grofser Kreis gebildet und ein allgemeines Vivat
gerufen. Die Ruhe schien damit hergestellt, aber da die
Satisfaktion auf sich warten liefs, wandte sich der Unwille
wieder gegen Frege, den man beschuldigte, die Stadtsoldaten
durch Branntweinspenden zum Angriff auf die Studenten ge-
reizt zu haben. Man dichtete und verbreitete Spottgedichte
auf ihn, was natürlich nicht zur Erhaltung des Friedens bei-
trug. Zum Ausbruch kam der Kampf wieder neun Tage
nach dem ersten Angriff der Stadtsoldaten, als die Studenten
einem Dozenten zu seinem Geburtstag abends ein solennes
Vivat zu bringen beschlossen hatten. Sie versammelten sich
abends um 8 Uhr vor dem Schwarzen Brette und zogen von
dort unter Trompeten- and Paukenschall und mit brennenden
Fackeln nach der Petersstrafse vor das Haus des Zuehrenden.
Nach dem Vivat ging der Zug über den Markt, durch die
Haynstrafse und den Brühl nach der Ritterstrafse zurück, wo
vor dem Schwarzen Brett die Fackeln zusammengeworfen
und einige Studentenlieder gesungen wurden.
Damit war die Sache aber nicht zu Ende, sondern nun
zogen gegen ^j^io Uhr die Studenten vor das Haus Freges
in der Grimmaischen Strafse und warfen dort unter Pereat-
rufen die Fenster ein. Drei Tage später wurden auf Befehl
aus Dresden, wohin von dem Rate, dem Kommandanten und
der Universität berichtet worden war, Feldsoldaten nach
Leipzig gelegt und solche im Peterstor und auf dem Markt
postiert. An dem gleichen Tage hatten die Studenten die
Der Typus des Leipziger Studenten im 1 8. Jahrhundert. ^53
Absicht, dem Bürgermeister, der als Freund der Studenten
galt, ein Vivat zu rufen. Der Rektor erteilte seine Bewilligung,
falls der Kommandant einwillige. Von diesem wurden die
Studenten schroff zurückgewiesen. Um die Ordnung zu
wahren, waren für das Unternehmen 2 Anführer und 16 Ad-
jutanten gewählt. Nun, nach dem Verbote, zogen nur etwa
60 — 70 Studenten aus und brachten dem Dr. Hommel ein Vivat
und später in der Nikolaistralse ein solches noch einem ihrer
Mitglieder, einem Baron v. M.^) Jetzt erfolgt ein Angriff von
betrunkenen Defensionern (Stadtsoldaten) auf diese Studenten-
schar. Die Angegriffenen ziehen sich in die drei Universitäts-
häuser auf der Reichsstrafse zurück und verteidiofen sich hier
mit Steinw'ürfen. Die Defensioner dringen in das Schwarze
Brett ein, werden von den Studenten aus den beiden anderen
Häusern im Rücken angegriffen, wenden sich, treiben die
Studenten die Reichsstrafse hinab, wo diese von einer ent-
gegenkommenden Schar von Häschern eingeschlossen und
einige gefangen genommen und stark mifshandelt werden.
Ein am andern Morgen publiziertes Mandat des Administrators
Xaver bedroht mit Relegation, Leibes- und Lebensstrafen die
Tumultanten. Nun dachte man in den Kreisen der Studenten
an einen Auszug, aber der Geldmangel am Ende des Viertel-
uiid halben Jahres verhinderte das Vorhaben, ebenso neue
Versicherungen des Rektors, dafs Genugtuung gegeben werden
sollte. Am Abend kam es jedoch schon zu neuen Zusammen-
stöfsen und Verhaftungen. Die Darstellung schliefst mit einem
Ausdruck der Enttäuschung, dafs die eingesetzte Kommission
zur Untersuchung der Vorgänge die gewünschte Satisfaktion
nicht gewährt habe, und mit einem pessimistischen Ausblick
auf die Zukunft der Universität. Riemer erzählt uns über den
Ausgang, dafs die kurfürstliche Untersuchungskommission, die
am 30. August angekommen war, am 5. Oktober Leipzig
wieder verlassen habe. Die Feldsoldaten rückten nun auch
wieder aus Leipzig. Die Arrestanten waren schon vorher
von der Festung auf das Karzer gebracht und einige ent-
lassen worden. Der ganze Handel war also keineswegs zu
Gunsten der Studenten verlaufen. Trotzdem wurde das
Haupttreffen mit den Häschern, das am 20. Juli stattfand,
durch ein langes Siegeslied von 25 vierzeiligen Strophen ver-
'j ^lan wird unter ihm vielleicht den früher genannten Senior
der damals gebildeten Mecklenburger Landsmannschait zu denken
haben. Die 60 — 70 Studenten werden dann wahrscheinlich die Mit-
glieder dieser Landsmannschaft gewesen sein.
334
W. Bruchmüller:
herrlicht, die den Mund ungeheuer voll nehmen. Die ersten
drei Strophen lauten:
„Victoria! der stolze Feind
Trozt und stolziert nicht mehr!
Es floh die oranze Macht vereint
Vor unsern kleinen Heer.
Wir siegten — Nachwelt höre zu!
Gönn uns die Ewigkeit!
Und mein Gesang erthöne du
Stark, feurig wie der Streit!
Nicht wilde Lust, nicht Ruhmbegier
Erregte diesen Krieg.
Für unsre Freyheit stritten wir,
Und dies verlieh uns Sieg."
Auch von den bei dieser Gelegenheit entstandenen Spott-
liedern auf Frege und die „Mesen" sei eine ,,Ode" mitgeteilt:
„Ohne Geld und Branntewein
Was ist unser Leben?
Alles, was uns kann erfreun,
Mufs uns Frege geben.
Wenn wir Mesen uns erfreun.
Was ist unsre Freude?
Fregens Geld und Branntewein;
Einzig diese beyde!
Wollt ihr, spricht er, mich erfreun,
Geld will ich dran wenden;
Ja, ich geb euch Branntewein,
Jagd nur die Studenten.
Ach es setzt zu unsrer Pein
Zu viel harte Schläge !
Doch wir kriegen Branntewein,
Vivat Hauptmann Frege!"
Damit sei es genug für den Beweis, dafs auch dem
Leipziger Studenten des i8. Jahrhunderts burschikoses Leben
nach Art der kleineren Universitäten mit Tumulten, Raufereien,
Aufzügen, Vivats und Pereats, Exkneipen und Zechgelagen
nicht ganz fremd war, wenn dieses Treiben auch weniger
breit und stark flutete als in den benachbarten Hochschulen
von Jena und Halle.
Was wir danach bisher als Leipziger Eigenart imStudenten-
tum hinstellen können, ist weniger das freilich nach aufsen
mehr in die Augen fallende übertriebene Stutzertum einiger,
verhältnismäfsig an Zahl doch kleiner, exklusiver adliger und
reicher bürgerlicher Kreise, sondern eine w-eiter als anderswo
gehende Trennung innerhalb der Studentenwelt und dadurch,
wie durch die ganzen auf den Handel zugeschnittenen Ver-
Der Typus des Lcipzi2;er Studenten im 1 8. Jahrhundert. 5 ■sc
hältnisse der Stadt, bedingt, ein stärkeres Verschwinden des
alten echt studentischen Treibens nach dem Muster des
17. Jahrhunderts. Für dessen Wegfall sich der Leipziger
Student durch eine starke Neigung- zu Liebeleien, die viel-
fach und fast einstimmig bezeugt wird, schadlos hielt.
Für die grofse Mehrheit der Leipziger Studenten im
18. Jahrhundert war aber nicht der Reichtum und der Prunk,
wie man wohl nach dem Renommisten annehmen könnte, das
Charakteristische, sondern gerade umgekehrt die Armut.
Leipzig war geradezu die universitas pauperum, die Hoch-
schule der Armen. Und nirgends scheint die Armut unter
den Studenten so verbreitet und so drückend grew^esen zu sein,
wie gerade in Leipzig. Man führt diese Erscheinung auf die
speziell in Sachsen verbreitete Neigung, sich gerade aus den
niedrigen Schichten massenhaft zum Studium zu drängen,
zurück. Hierzu sagt z. B. der schon genannte Rebmann in
dem von Wustmann herausgegebenen Teil seiner Wanderungen
und Kreuzzüge: „Jeder Tagelöhner läfst seinen Sohn studieren,
sobald er ihn nur auf der Schule vor dem Verhungern sichern
kann; wovon er einst auf der Universität leben soll, daran
wird nicht gedacht." Dafs sich dieser Zudrang der armen
sächsischen Studenten weniger nach Wittenberg und viel mehr
nach Leipzig wandte, lag darin begründet, dafs sich in der
Stadt der Bildung, des Handels und vor allem des Buch-
drucks und Buchhandels viel zahlreichere und mannigfaltiger
geartete Möglichkeiten des Broterwerbes darboten, als in dem
kleinen unbedeutenden Wittenberg.
Wir haben damit zwei weitere typische Züge des Leip-
ziger Studentenlebens zu betrachten: die Armut des Leipziger
Studenten und die starke Erwerbstätigkeit dieser Kreise, die
vielfach zur Hauptsache vor dem eigentlichen Studium wurde,
ja dieses häufig völlig verdrängte. Die meisten armen Studenten
stellte die Theologenfakultät. Den geringsten Prozentsatz
von ihnen hatten die Juristen. Rebmann hat uns in seinen
Wanderungen ein drastisches, wenn auch gewifs hier und da
zu stark aufgetragenes Bild von dem Leben und Treiben
dieser armen Leipziger Studenten gezeichnet. Um nicht zu
ausführlich zu werden, gebe ich hier nur Rebmanns allgemeine
Charakterisierung des Leipziger Studenten und dann die, die
er von dem Leben und Treiben der armen Studenten in dem
Paulinum gibt, wieder. Über den Leipziger Studenten im
allgemeinen schreibt unser Autor:
„Solch ein zweideutiges Gemisch von Ton, solch ein schielendes
Ding von Volks- und Bürgercharakter triift man im deutschen Reich
336
W. Bruchmüller:
ebenso wenig wieder an, als das wunderbare Tier, das hier Student
geworden ist. Auf jeder andern Universität läfst sich der Student
unter eine der zwei bekannten Klassen ordnen; in Leipzig ündet
man von beiden nichts Ganzes, aber wohl in jedem etwas vonioeiden,
und es würde wahrlich keine verwerfliche Preisaufgabe sein, dieses
vage, charakterlose Völkchen unter bestimmte Klassen zu bringen.
Man sage von Sittenlosigkeit anderer Universitäten, was man will;
man streiche die feinen Sitten Leipzigs heraus, so viel man will:
mir ist der ernste Jenische Bursch tausendmal lieljer als der
freundliche Leipziger Student, ich will lieber jenem einen Ver-
stofs wider feine Lebensart, als diesem seinen Mangel an Gradheit
verzeihen."
In dem Paulinum befanden sich 50 Stuben und Kammern,
die an arme Studenten vergeben wurden und zumeist von je
zwei aber auch drei Insassen besetzt waren. Ihren Zustand
schildert Rebmann als schauderhaft. Die Ausstattung folgender-
mafsen :
„Ein zerbrochener alter Lederstuhl, den man schon längst des
einigermafsen Entbehrlichen zu verschiedenem häuslichen Gebrauch
beraubt hat; ein Tisch, welchem man die seit zwanzig Jahren drauf
gehaltenen Mahlzeiten vmd geopferten Dintenvorräte von weitem
ansieht; ein Bücherbret, dessen öröfse den zahlreichen Bibliotheken
der Herren Besitzer völlig entspricht: das ist gewöhnlich alles, was
man antriHt, M'enn man einige alte Töpfe für nichts rechnet, mit
welchen der antike Ofen verziert ist. Bis in die Schlafkammern zu
dringen, ist keinem profanen Auge verstattet; wird man aber durch
Zufall in den vStand gesetzt, einen verstohlenen Blick hineinzusenden,
so hat man Ursache, die Resignation dieser Herren auf nächtliche
Bequemlichkeit zu bewundern; ihre Lager bestehen nicht selten blofs
aus Stroh und alten Lumpen."
,, Nirgends trifft man wohl", nach Rebmann, ,, unter
Studenten so tiefes Elend und orleichwohl so frohe Laune
an, als hier," Diese Studenten halten untereinander eng
zusammen.
„Besonders suchen sie mit vereinten Kräften Hungersnot von
ihren Zirkeln entfernt zu halten, die sie gleichwohl nicht selten be-
droht, so einfach auch ihre Lebensmittel sind, und so wenig man
glauben sollte, dafs es an diesen je fehlen könnte. Brot und Kar-
toffeln ist das Gewöhnlichste. Diese beiden Artikel werden in
gräfslicher Quantität dahin geliefert. Ist man bei Gelde, so werden
auch wohl Erbsen und Linsen und grünes Gemüse, auch wohl Fleisch
gekocht Ist hingegen die Barschaft ausgegangen, hat man schon
allen Kredit bei den Lieferanten und bei der Aufwartung erschöpft,
sind schon alle Habseligkeiten vom Dintenfafs bis zum Kafleetopf
herab, den täglichen Anzug oft nicht ausgenommen, zum Meister
Wind gewandert, so sucht man sich durch hunderterlei kleine
Prellereien und Anschläge auf die Bäckerläden so gut zu helfen,
als es geht. So lange man noch so viel aufbringen kann, einen
gemeinschaftlichen Rufst, so nennen die Pauliner- Bursche den Kaflfee,
zu kochen, wird man aus keinem iMunde eine Klage hören, und selbst
Der Typus des Leipziger Studenten im i8. Jahrhundert. ß^y
die Art, sie einander vorzutragen, ist so einzig in ihrer Art, dals
sie jedem Fremden Lachen abnötigen mufs"^).
Über das sonstige Leben und Treiben der Pauliner, wie
es sich am Abend eines Tages darstellt, bemerkt Rebmann:
,, Einer kocht, einer spaltet Holz, einer trägt Wasser oder
andere Sachen herbei. Bald hört man Flöte, bald Klarinette,
bald Geige, bald Harfe, bald Bafs, bald Klavier, bald Fagott,
bald Jubel und Lärmen. Hier sieht man durch eine halb-
geöffnete Thür des verräucherten Stübchens bei qualmender Öl-
lampe, in Tabakswolken gehüllt, eine Solo -Gesellschaft, dort
ein frugales Mal."
Die Rebmannsche durch Wustmann leicht zugängliche
Schrift'-) ist für das Leipziger Studentenleben überhaupt sehr
interessant, und ich würde hier noch manches daraus mitteilen,
wenn es der Raum erlaubte. Freilich hat Rebmann wohl
vielfach übertrieben, und sodann ist er völlig ehiseitig: er
schildert eigentlich nur die niedrigste, ärmste Schicht der
Leipziger Studenten.
Auch den schon erwähnten Erwerbsmöglichkeiten für
diese arme Schicht hat Rebmann seine Aufmerksamkeit ge-
widmet, er nennt eine ganze Reihe solcher Erwerbszweige,
darunter eine Anzahl für Leipzig speziell charakteristischer.
Da sind i. die Famuli der Professoren, 2. die Cicisbeos, das
heifst die Liebhaber älterer oder jüngerer Damen, bis zu den
Köchinnen hinab, 3. die Informatoren, 4. die Apostel, das
sind Theologen, die Sonntags den Landgeistlichen oder den
Dorfküstern in der Umgregend ihre amtlichen Funktionen beim
Gottesdienst verrichten helfen, 5. die Musiker, die entweder
Stunden geben (zu 6 Groschen bis zu 6 Pfg.) oder im grofsen
Konzert oder im Opernorchester mitwirken, wohl gar auch
Sonntags in den Dorfschenken zum Tanz aufspielen, 6. Schreiber,
7. Repetenten, Gelegenheitsdichter, Schriftsteller, Übersetzer,
Maler, Zeichner, Kupferstecher, Korrektoren, Werber, d. h.
solche, die den Professoren gegen Entgeld Hörer zuzutreiben
versuchen, endlich Spieler und Bettler, die ihr Geschäft
hauptsächlich durch Überreichung von Gratulationen oder
Kondolationen bei allen möglichen Gelee^enheiten, durch Bitt-
Schriften und Klagelieder zu erreichen suchen.
M Der ebengenannte Meister Wind war ein Pfandleiher, der
„allgemeine NotheU'er" der Pauliner. Die Pauliner Kaft'eetöpte
standen als Pfandobjekt bei ihm in hohem Ansehen, weil er wuiste,
wie unentbehrlich dieses Möbel daselbst sei.
-) In den Leipziger Neudrucken L Band. Der Leipziger Student
vor hundert Jahren. 1897.
238 W. Bruchmüller:
Gewifs werden auch in anderen Universitätsstädten arme
Studenten ihren Broterwerb auf irgend eine Weise gesucht
haben, wie dies ja noch heute geschieht. Aber in einer so
umfassenden Weise, wie es hier geschehen ist, war das wohl
nirgends der Fall. Hier liegt eine ganz besondere Eigenart
des Leipziger Studententums vor, nicht nur in der Häufigkeit
des Brotervverbs, sondern auch in der Art und Weise, wie
dieser Erwerb gesucht wurde. Schon in Rebmanns Auf-
zählung finden wir manche Arten des Erwerbes, die an
anderen Orten gar nicht möglich waren, sondern ganz allein
durch die Zustände und Verhältnisse Leipzigs bedingt wurden.
Als Informatoren, d. h. Hauslehrer und Erzieher in besser
situierten bürgerlichen Familien, wie sie Rebmann für Leipzig
durch die Theologen gestellt werden läfst, haben gewifs auch
Studenten in anderen Universitäten gedient. Dafs in Leipzig
aber die Theologen auch das Hauptkontingent zu dem grofsen
Heer der Winkelschulhalter stellten, wurde erst durch die
besonderen nicht eben erfreulichen Volksschulverhältnisse
Leipzigs bedingt. Da die Stadt sich die Unterhaltung des
niederen Schulwesens nicht angelegen sein liefs, trieb die Not
die armen Theologiestudenten in das Winkelschulwesen
hinein. Sie ergriffen mit Gier diese Gelegenheit, sich die
Existenzmittel zu schaffen, und mehr wie einer ist dann in
dem Beruf sein Lebelang stecken geblieben und ist nie zur
Vollendung seiner Studien gekommen^).
Das gleiche wie von dem Winkelschulhalten der Leip-
ziger Studenten, aber in noch verstärktem Mafse, gilt von
einer Reihe anderer Erwerbszweige der Musensöhne, nämlich
dafs sie allein in den Leipziger Verhältnissen bedingt waren.
Hier kommt vor allem Leipzigs Eigenschaft als Sitz des
Buchhandels und des Buchdrucks in Betracht, die sehr weit
ausschauende, anderswo nirgends vorhandene Erwerbsmöglich-
keiten eröffnete. Die grofse Schar der Leipziger Autoren
niederen Ranges, die im 18. Jahrhundert in Leipzig vorhanden
war, wurde zu einem starken Bruchteil aus Studenten ge-
■) Ich verdanke das zuletzt hier ausgeführte, was ich erwähnen
rnöchte, dem vorzüglichen Buche des Herrn Oberlehrers Mangner über
die „Leipziger Winkelschulen", das im Herbst 1906 als jüngster Band
der Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs erschienen
ist. Ein längeres Verweilen bei der gewifs interessanten Erscheinung
dieser studentischen Schulhalter ist hier nicht ^angebracht. Es sei
daher auf das Mangnersche Werk, das nicht nur für die Schulgeschichte
im engeren Sinn, sondern ganz allgemein für die Kulturgeschichte
Leipzigs sehr ergiebig ist, verwiesen.
Der Typus des Leipziger Studenten im 18. Jahrhundert. ^^g
bildet. Es sei hier nur an die Zahl der Leipziger Pasquille
erinnert, deren Verfasser mehrfach verbummelte und arme
Studenten gewesen sind. Weiter gehören hierher die für
den Bedarf des Buchhandels zumeist auf direkten Auftrag
arbeitenden Übersetzer, dann die Korrektoren in den Drucke-
reien, die auch nicht selten Studenten waren. Leipzigs Buch-
handel bedingte weiter, dafs in Leipzig ein günstiger Boden
für den Kupferstich war. Die Tatsache, die Rebmann bereits
erwähnt, dafs sich deshalb auch Studenten durch Zeichnen
und Kupferstechen in verhältnismäfsig nicht geringer Anzahl
ernährten, hat neuerdings Wustmann in dem vorletzten Bande
seiner Neujahrsblätter bestätigt.
Ein weiterer Erwerbszweig der Leipziger Studenten ver-
dient, trotzdem er an sich keine besondere Eigentümlichkeit
Leipzigs darstellt, besondere Erwähnung, weil von ihm aus
die Studenten stark auf die Ausbildung der charakteristischen
Richtung des Leipziger Kunstlebens eingewirkt haben. Die
Liebe zur Musik ist Gemeingut aller deutschen Studenten,
und sie für den Erwerb nutzbar zu machen, ist jeden'alls
häutig versucht worden, es sei nur an das schöne Eichen-
dorffsche Lied von den Prager Studenten erinnert. In Leipzig
aber wurde auch dieser Zweig des Broterwerbs im grolsen
gepflegt, und unbedingt haben dann die Studenten mit ihrer
intensiven Musikpflege dazu stark mitgewirkt, Leipzig zu der
Ijesonderen Musikstadt zu machen, die sie noch heute ist.
Die ältesten Collegia musica in Leipzig sind von den Stu-
denten orebildet worden oder hatten doch solche als Teil-
nehmer. Von ihnen sind schon zu Bachs Zeiten und unter
Bachs Leituns: öffentliche Konzerte veranstaltet worden. Be-
sonders liefsen sich die Studenten auch die Pflege des deut-
schen Liedes angelegen sein. Die von dem Leipziger Stu-
denten Scholze (Sperontes) 1736 herausgegebene grofse Lieder-
sammlung ,, Singende Muse an der Pleifse" ist Jahrzehnte
hinduich das beliebteste Sammelwerk der deutschen Haus-
musik geblieben. Um zu zeigen, dafs die Leipziger Studenten
tatsächlich eine tiefere Wirkung auf die Ausübung der Leip-
ziger Musikkunst gehabt haben, braucht nur an Leipziger
Studenten, die schon als Musensöhne öffentlich als Künstler
sich hervortaten, erinnert zu werden, so an Kuhnau, den
Vorgänger Bachs, an Neefe, den späteren Lehrer Beethovens,
weiter an Bachs Freund Georg Philipp Telemann, der als
Student unter seinen Kommilitonen das collegium musicum
ins Leben rief, und dem der Leipziger Rat nach Kuhnaus
Tode das Thomaskantorat anbot, das erst, weil Telemann es
340 W. Bnichmüller:
ausschlug, Bach erhielt. Auch Joh. Adam Hiller, der erste
Direktor der Leipziger Gewandhaus -Konzerte, hat als Leip-
ziger Student sich den Lebensunterhalt durch Musikunterricht
erworben.
Von dem Konzertsaal auf die Bühne ist nur ein kurzer
Schritt. Auch er ist von den Leipziger Studenten nicht selten
getan worden. Dafs Leipziger Studenten auch in die Orchester
des sogenannten ,,grofsen Conzerts", des Vorgängers der Ge-
wandhaus-Konzerte, und der Oper Eingang fanden, sei nur
erwähnt. Aber auch auf der Bühne als Opernsänger begegnen
sie uns. In dem Strungk-Döbrichtschen Opernunternehmen,
das seit 1693 in dem Opernhaus auf dem Brühl seine Opern
spielte und dessen musikalische Oberleitung von 1702 — 1704
der schon genannte damahge Student der Rechte Telemann
innehatte, wurden die Männerrollen wahrscheinlich zumeist
von Studenten gesungen. Dafs solche Kunstübungen für sehr
viele aus gelegentlichem zum eigentlichen Lebensberufe wurden,
zeigen eben Männer wie Telemann, Kuhnau und die übrigen
Genannten. Das Theater wirkte natürlich in ähnlicher, wenn
nicht noch stärkerer Weise. Unter den Mitgliedern der Velten-
schen Truppe, die in Leipzig von 1679 — 1708 spielte, sollen
die meisten Studenten gewesen sein, wie Veiten selbst in
Leipzig studiert hatte Neuber, der Gatte der berühmten
Neuberin, war ebenfalls Student gewesen. Welche Wirkung
die Leipziger Studentenschaft im Theater als Zuschauer und
Kritiker übte, sei nur nebenbei erwähnt. Sie war im all-
gemeinen keine günstige und wird in allen zeitgenössischen
Schriften, die den Punkt berühren, beklagt. Zuweilen, so in
der Gottschedschen Periode, gewann diese studentische Be-
teiligung aber doch eine gewisse höhere Bedeutung: Gott-
scheds Niedergang ist ganz gewifs durch die Abwendung
der Leipziger akademischen Jugend von ihm mit bestimmt
worden. Auch an die Beziehungen des jungen Leipziger
Studenten Gotthold Ephraim Lessing zum Theater braucht
hier nur erinnert zu werden.
Lessii:gs Name schliefslich führt uns zu einer letzten Seite
des Leipziger studentischen Wesens, die wir ebenfalls nur
kurz anzudeuten brauchen, zu der literarischen. Die Richtung
der akademischen Jugend in Leipzig auf das Literarische hin
war während des ganzen 18. Jahrhunderts eine sehr energische,
Rebmann und die ganze Schar der die Leipziger Zustände
des 18. Jahrhunderts dort kritisierenden Schriften spottete
lebhaft über Geniesucht eines grofsen Teils der Leipziger
Studenten weit, die ,,Schönwissenschäftler" usw. Die Vor-
Der Tj-pus des Leipziger Studenten im i8. Jalirhundert. ^ij.i
bedingung dafür war neben der Stellung Leipzigs in der
damaligen Literaturbewegung (Gottsched, Geliert) in noch
stärkerem Mafse der Buchhandel Leipzigs. Der zahlreichen
studentischen Autoren und Übersetzer geringster Güte haben
wir schon vorher gedacht. Darüber darf man aber nicht
vergessen, dafs der Leipziger Studentenschaft für längere oder
kürzere Zeit fast alle bedeutenderen Dichter des i8. Jahr-
hunderts angehört und hier zum Teil wichtige Anregungen
empfangen haben. Lessing, Klopstock, Goethe, Rabener,
Mylius, Ebert, Zachariä, der Verfasser unseres Renommisten,
der seit 1743 in Leipzig studierte und dessen Werk Gottsched
1744 in seinen ,, Belustigungen" veröffentlichte, seien hier nur
auf gut Glück als wenige Beispiele genannt.
Mit diesem kurzen Hinweise möchte ich schliefsen. Ich
weifs sehr wohl, dafs es im einzelnen noch sehr viele Punkte
aus dem Leben des Leipziger Studenten des 18. Jahrhunderts
zu berichten gäbe, wollte man Vollständigkeit anstreben.
Das aber würde im Rahmen eines Aufsatzes unmöglich sein.
Ich habe deshalb auch keine Geschichte des Leipziger Stu-
denten im 18. Jahrhundert hier geben, sondern nur den
Charakter des Leipziger Studenten dieser Zeit veranschaulichen
wollen.
XI
Die Grabsteine mit dem Kreuze.
Eine Studie und Entgegnung.
Von
Berthold Schmidt.
Den mittelalterlichen Grabsteinen mit dem Symbol des
Kreuzes ist noch wenig Beachtung zugewandt worden, und
es verlohnte sich auch ohne den Streit, den ich wegen der
benimbten, d. h. mit einem Nimbus versehenen Kreuzsteine
mit Herrn Oberlehrer Pfau in Rochlitz habe, auf ihre Be-
deutung einzugehen. Im 25. Bande der Zeitschrift für
Thürinoische Geschichte und Altertumskunde wird von mir
eine ausführliche Entgegnung auf Pfaus Angriffe, die er
wegen der Cronschwitzer Ausgrabung gegen mich und meine
Mitarbeiter gerichtet hat, erscheinen. Im übrigen verzichte
ich darauf, mit ihm w^eiter zu streiten. Der Sachverhalt ist
etwa folo;ender: Pfau hatte eine Anzahl 'Grabsteine mit
Wappen und unbenimbtem Kreuz, aber ohne Inschrift, die
sich namentlich um Rochlitz in Sachsen finden, den Ritter-
brüdern des deutschen Ordens zuoreschrieben und eine andere
Art von Grabsteinen, welche nur ein benimbtes Kreuz, aber
weder Wappen noch Inschrift zeigen, den Priesterbrüdern
dieses Ordens. Ich hatte letztere Zuweisung auf Grund der
1905 bei der Ausgrabung im Kloster Cronschwitz bei Weida
gefundenen Grabsteine bestritten und aus besonderen Grün-
den angenommen, dafs auch die benimbten Kreuzsteine den
Ritterbrüdern angehören müfsten. Pfaus Einwand, dafs in
Cronschwitz neben den als Seelensoro;ern und Beichtigern
tätigen Dominikanermönchen auch Priesterbrüder des deutschen
Die Grabsteine mit dem Kreuze.
343
Ordens sich aufgehalten haben könnten (s. diese Zeitschrift
XXVIII, 143) habe icli in der eingangs erwähnten Entgeg-
nung urkundlich widerlegt. Um nun über die Kreuzgrabsteine
ein richtiges Bild zu erhalten, habe ich eine grofse Anzahl
der bisher erschienenen Bau- und Kunstdenkmäler deutscher
Länder abgesucht und dabei nicht allein die benimbten Steine,
sondern auch solche ohne Nimbus berücksichtigt. Auch hat
mich bei dieser Arbeit Herr Postsekretär E. Kiefskalt in
Nürnberg, welcher ein grofses Material über mittelalterliche
Grabsteine gesammelt hat, freundlichst unterstützt. Er wird
auch demnächst eine eingehende Untersuchung über das Kreuz
auf Grabsteinen erscheinen lassen.
Da die ältesten Steine ohne Inschrift und Zeitangabe
sind, mufste meistens die Stilform entscheiden. Dabei sind
freilich, weil rohe Arbeit oder Nachahmung älterer Formen
vorkommen, Irrtümer bezüglich der Zeit ihrer Entstehung
nicht ausgeschlossen. Ich unterscheide bei den etwa 70 Kreuz -
grabsteinen, die wir bisher fanden, drei Gruppen und zwar
solche aus der romanischefi, aus der Übergangs- und gotischen
Zeit. Alle diese Steine hier anzuführen, ist unnötig. Ich
beschränke mich daher auf die wichtigeren, aus denen die
Bedeutung des Kreuzes und seine stufenweise Entwicklung
deutlich hervorgeht.
A, Romanische Zeit.
1. Königreich Sachsen, Amtshauptmannschaft Döbeln, Leipnitz.
Romanisches Kreuz ohne Nimbus, danmter ein hörn- und ein stabähn-
licher Gegenstand. Bau- u. Kunstdenkm. des K. Sachs. XXV, 108,
Fig. 116, von Gurlitt dem 13. Jahrh. zugeschrieben.
2. Provinz Sachsen, Kreis DeUtzsch, Landsberg. Romanisches
Kreuz ohne Nimbus, aber in einfachem Kreise auf pfahlartigem Fufse.
Kunstdenkm. der Prov. Sachs. XVI, 145, Fig. 103, dem 13. Jahrh.
zugeschrieben.
3. Provinz Sachsen, Saalkreis, Beesenlaublingen. Romanisches
Kreuz mit Knauf am untern Stamm, ohne Nimbus und auf Rund-
bogen. Kunstdenkm. d. Prov. Sachs., Neue Folge I, 453, Fig. 231, der
Übergangszeit zugeschrieben, aber wohl älter.
4. Provinz Sachsen, Kreis Calbe, Gramsdorf. Sehr ähnlicher
Grabstein wie 3. Ebenda X, 59, Fig. 51, der romanischen Zeit zu-
geschri